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Kündigung in Wartezeit bei Arbeitsunfähigkeit – Maßregelungsverbot

Entscheidung zur Kündigung nach Maßregelungsverbot während der Wartezeit bei Arbeitsunfähigkeit

Die Grundthematik des geschilderten Falls beschäftigt sich umfassend mit dem Arbeitsrecht und befasst sich explizit mit dem Komplex rund um das Maßregelungsverbot. Es geht im Wesentlichen um die Frage der Zulässigkeit einer Kündigung während der Wartezeit bei Arbeitsunfähigkeit. Im Fokus steht ein Arbeitnehmer (Kläger), der während seiner Arbeitsunfähigkeit von seinem Arbeitgeber (Beklagter) gekündigt wurde. Der Kläger sah in dieser Kündigung einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot und legte daher Berufung ein.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 5 Sa 104/22   >>>

Das Wichtigste in Kürze


  • Streitfall über Kündigung in der Wartezeit: Bei dem vorliegenden Urteilsfall geht es um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung während der Wartezeit.
  • Hintergrund des Falls: Der Kläger wurde während seiner Wartezeit aufgrund von Krankheit gekündigt. Er hatte allerdings die Aufforderung zur Rückgabe von Arbeitsmitteln nicht erfüllt.
  • Argumente der Klagepartei: Der Kläger ist der Ansicht, dass die Aufforderung zur Schlüsselrückgabe bereits als konkludente Kündigung zu verstehen sei und weist darauf hin, dass er aufgrund von Erschöpfung nicht arbeitsfähig war.
  • Argumente der Beklagten: Die Beklagte verteidigt die Kündigung und argumentiert, dass während der Arbeitsunfähigkeit nicht sämtliche Rechte und Pflichten entfallen, insbesondere nicht hinsichtlich Mitteilungs- und Rückgabepflichten.
  • Urteilsbegründung: Das Gericht entschied für die Beklagte. Es gab keinen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot, da kein kausaler Zusammenhang zwischen einer zulässigen Ausübung von Rechten und der Kündigung vorlag.
  • Keine Zulassung der Revision: Das Gericht hat keine Gründe für die Zulassung einer Revision gesehen, da keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen wurden.

Kernargumente und Positionen der Verhandlungsparteien

Maßregelungsverbot
(Symbolfoto: chaylek /Shutterstock.com)

Die Argumentation des Klägers basierte auf der Annahme, dass der eigentliche Grund für die Kündigung seine Nichtreaktion auf eine WhatsApp-Nachricht des Arbeitgebers war. Der Arbeitgeber hatte in diesem Zusammenhang eine möglichst zeitnahe Antwort des Klägers auf die Nachricht erwartet. Rückblickend schätzte der Kläger diese Situation als Auslöser für die Kündigung ein. Auf der Gegenseite war der Arbeitgeber davon überzeugt, dass die Kündigung wirksam war und verwies auf die gesetzliche Regelung, dass ein Arbeitsverhältnis während einer Krankheit gekündigt werden kann (§ 8 EFZG). Darüber hinaus argumentierte der Arbeitgeber, dass das Schweigen des Klägers auf seine Aufforderung zur Schlüsselrückgabe nicht als Ausübung von Rechten gewertet werden könne.

Das Arbeitsgerichtsurteil und seine Begründung

Das Arbeitsgericht jedoch wies die Klage ab und konstatierte, dass kein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot vorliege. Es fehlte an einem kausalen Zusammenhang zwischen der Ausübung von Rechten und der Kündigung. Wichtig dabei war, dass der Arbeitgeber die Kündigung noch vor dem Ablauf der Frist zur Rückgabe der Schlüssel ausgesprochen hatte. Das Recht des Klägers, während der Arbeitsunfähigkeit nicht arbeiten und die Schlüssel daher nicht zurückgeben zu müssen, konnte in diesem Kontext nicht als Grund für die Kündigung herangezogen werden.

Der Berufungsprozess stellte diese Argumentation nicht infrage und betonte zusätzlich, dass der Kläger die Beweislast für den direkten Zusammenhang zwischen einer Maßnahme des Arbeitgebers und der Ausübung von Rechten trägt. Die Ausführungen des Klägers konnten in diesem Fall nicht die Annahme eines unmittelbaren Zusammenhanges zwischen Maßnahme und Rechtsausübung stützen.

Kontextuelle Aspekte und Geltung der Regelungen während der Arbeitsunfähigkeit

Im Rahmen des Urteils wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass Arbeitsunfähigkeit nicht sämtliche Rechte und Pflichten in einem Arbeitsverhältnis aussetzt. Dazu gehören explizit auch Mitteilungspflichten. Bei entsprechenden Anfragen des Arbeitgebers könnten diese auch während der Arbeitsunfähigkeit beantwortet werden. Ein Argument des Klägers, wonach er aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit keinen Arbeitspflichten nachkommen müsste, konnte im Licht dieser Auslegung des Rechtsverständnisses nicht standhalten.

Schlussbemerkungen und Ausblick

Der geschilderte Fall öffnet damit einen spannenden Diskurs über die genauen Modalitäten und Anwendbarkeiten des Maßregelungsverbots im Kontext des deutschen Arbeitsrechts. Insbesondere wird dadurch die Frage aufgeworfen, welche Rechte und Pflichten auch während der Arbeitsunfähigkeit ihren Bestand haben und welche Konsequenzen mit einer Nichtbeachtung dieser Aspekte einhergehen können. Ohne Zweifel, wenn es um arbeitsrechtliche Herausforderungen geht, sind die Nuancen oft entscheidend und es ist daher wichtig, den umfangreichen Regulierungsrahmen genau zu verstehen und adäquat umzusetzen.

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Was ist ein Maßregelungsverbot? – kurz erklärt


Das Maßregelungsverbot ist in § 612a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) festgelegt und schützt Arbeitnehmer vor Benachteiligungen oder negativen Konsequenzen durch den Arbeitgeber, wenn sie ihre Rechte in zulässiger Weise ausüben. Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Dazu gehört beispielsweise das Einfordern von zustehenden Gehaltszahlungen, das Einhalten von Arbeitszeiten oder das Nutzen von gesetzlichen Pausen.


Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern – Az.: 5 Sa 104/22 – Urteil vom 31.01.2023

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 02.06.2022 – 1 Ca 1485/21 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung während der Wartezeit, insbesondere über einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot.

Der 1977 geborene Kläger nahm am 06.09.2021 bei der pflegebedürftigen Beklagten eine Beschäftigung als persönliche Assistenz mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 32 Stunden und einem Stundenlohn von € 13,72 brutto auf. Zu den Aufgaben gehörte die Begleitung, Unterstützung und Hilfe im Alltag, also z. B. die Haushaltsführung, aber auch die Behandlungspflege der Beklagten.

Der Kläger leistete in den Monaten September, Oktober und November 2021 laut Verdienstabrechnung 135,5 Stunden, 187,5 Stunden und 178,0 Stunden. Unter dem 18.12.2021 beantragte er handschriftlich Erholungsurlaub für den Zeitraum vom 25.12. bis einschließlich 29.12.2021. Die Beklagte übergab dem Kläger daraufhin ein Formblatt für den Urlaubsantrag, das der Kläger am 19.12.2021 entsprechend dem vorangegangenen handschriftlichen Antrag ausfüllte.

Am 20.12.2021 suchte der Kläger eine Ärztin auf, die ihm für den Zeitraum vom 20.12.2021 bis einschließlich 04.01.2022 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellte. Der Kläger übersandte der Beklagten die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung per WhatsApp noch am selben Tag um 11:34 Uhr. Um 12:11 Uhr erhielt er von der Beklagten die folgende WhatsApp-Nachricht:

„Ich möchte dich bitten mir mein Post Fach Schlüssel abzugeben bzw alle Schlüssel außer Haustür und Wohnung. Bis morgen um 14 Uhr muss er da sein.

Um 15:27 Uhr übersandte ihm die Beklagte sodann eine weitere WhatsApp-Nachricht:

„Bis morgen um 14 Uhr fordere ich dich auf alle Schlüssel die zu mir gehören Wohnung, Tür unten, Brief Kasten sowie Post Fach Schlüssel und Save Schlüssel mir zurück zu geben. Ein ablegen im Briefkasten der Firmen Schlüssel ist unzulässig.“

Der Kläger antwortete hierauf nicht.

Mit Schreiben vom 20.12.2021 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristgerecht zum nächst zulässigen Termin, den sie mit 10.01.2022 angab. Weiter heißt es in dem Schreiben:

„…

Dein abgegebener Krankenschein ist bis einschließlich 04.01.2022. Danach ist der Resturlaub bis 10.01.2022 angerechnet.

…“

Der Kläger gab die Schlüssel nicht wie gefordert am 21.12.2021 zurück. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 23.12.2021 per Einwurf-Einschreiben zu.

Der Kläger hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dass die Kündigung unwirksam sei, da es sich um eine Maßregelung handele. Die Beklagte habe ihn angewiesen, trotz seiner Arbeitsunfähigkeit eine Arbeitsleistung zu erbringen, nämlich die Schlüssel abzugeben. Der Kläger habe von seinem Recht Gebrauch gemacht, die Arbeitsleistung abzulehnen, woraufhin er die Kündigung erhalten habe. Es sei für ihn unzumutbar gewesen, die Schlüssel zur Beklagten zu bringen, da er wegen Erschöpfung nicht mehr habe arbeiten können. Zudem sei es nicht notwendig gewesen, die Schlüssel sofort zurückzugeben, da die Beklagte über genügend andere Schlüssel verfügt habe. Die Aufforderung zur Rückgabe der Schlüssel sei als Kündigung zu verstehen gewesen. Auch bei anderen Arbeitnehmern sei die Beklagte so vorgegangen.

Der Kläger hat erstinstanzlich, soweit für das Berufungsverfahren noch von Bedeutung, beantragt

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die schriftliche ordentliche Kündigung vom 20.12.2021 nicht beendet wurde.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Kündigung sei wirksam. Das Kündigungsschutzgesetz findet keine Anwendung. Die Kündigung verstoße nicht gegen das Maßregelungsverbot. Ein Arbeitsverhältnis könne während einer Erkrankung gekündigt werden, was sich schon aus § 8 EFZG ergebe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB nicht vorliege. Es fehle an einem kausalen Zusammenhang zwischen der Ausübung von Rechten und der Kündigung. Die Beklagte habe die Kündigung noch vor Ablauf der Frist zur Rückgabe der Schlüssel ausgefertigt. Soweit sich der Kläger auf sein Recht berufe, während der Arbeitsunfähigkeit nicht arbeiten zu müssen, also auch die Schlüssel nicht zurückgeben zu müssen, könne dies also nicht der Grund für die Kündigung sein.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner frist- und formgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Er habe ein ihm zustehendes Recht bereits dadurch ausgeübt, dass er auf die erste WhatsApp-Nachricht am 20.12.2021 nicht geantwortet habe. Die Beklagte habe von ihren Arbeitnehmern zeitnahe Antworten erwartet. Das sei der tragende Beweggrund für die Kündigung gewesen. Zumindest ergebe sich daraus ein Indiz, dass die Beklagte als Arbeitgeberin widerlegen müsse. Die Aufforderung der Beklagten, sämtliche Schlüssel herauszugeben, sei bereits als konkludente Kündigung zu verstehen, da sie auch gegenüber anderen Arbeitnehmern so vorgegangen sei. Ohne Schlüssel sei es dem Kläger nicht möglich gewesen, seinen Arbeitsplatz aufzusuchen, da die Beklagte aufgrund ihrer Bettlägerigkeit nicht in der Lage sei, die Wohnungstür zu öffnen. Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers ab 20.12.2021 habe auf einer Belastungsdepression beruht, weshalb er nicht mehr in der Lage gewesen sei, die Schlüssel wie gefordert zurückzugeben.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 02.06.2022, Az: 1 Ca 1485/21, abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die seitens der

Beklagten und Berufungsbeklagten erklärte Kündigung vom 20.12.2021 nicht zum 10.01.2022 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Das Schweigen des Klägers auf die Aufforderung der Beklagten zur Schlüsselrückgabe stelle schon keine Ausübung von Rechten dar. Soweit der Kläger bereits die Aufforderung zur Schlüsselrückgabe als konkludente Kündigung ansehe, fehle erst recht ein Ursachenzusammenhang zwischen einer vermeintlichen Ausübung von Rechten und der angegriffenen Kündigung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage zu Recht und mit der zutreffenden Begründung abgewiesen. Das Berufungsgericht macht sich die Ausführungen der Vorinstanz zu eigen.

1.

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis im demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 1 KSchG).

Da das Arbeitsverhältnis des Klägers bei Zugang der Kündigung noch keine sechs Monate bestanden hat, muss die Kündigung nicht durch einen Grund in der Person oder in dem Verhalten bzw. durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt sein.

2.

Die Kündigung des Klägers verstößt nicht gegen das Maßregelungsverbot.

Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Das Benachteiligungsverbot soll den Arbeitnehmer in seiner Willensfreiheit bei der Entscheidung darüber schützen, ob ein Recht ausgeübt wird oder nicht. Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB liegt vor, wenn die zulässige Rechtsausübung der tragende Beweggrund, d. h. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme ist. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet. Handelt der Arbeitgeber aufgrund eines Motivbündels, so ist auf das wesentliche Motiv abzustellen. Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses kann eine Maßnahme im Sinne von § 612a BGB sein (BAG, Urteil vom 18. November 2021 – 2 AZR 229/21 – Rn. 28, juris = NZA 2022, 200; BAG, Urteil vom 20. Mai 2021 – 2 AZR 560/20 – Rn. 26, juris = NZA 2021, 1096).

Der klagende Arbeitnehmer trägt dabei die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 612a BGB und damit auch für den Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Maßnahme und zulässiger Rechtsausübung. Er hat einen Sachverhalt vorzutragen, der auf einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Maßnahme des Arbeitgebers und einer vorangegangenen zulässigen Ausübung von Rechten hindeutet. Der Arbeitgeber muss sich nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen zu diesem Vortrag erklären (BAG, Urteil vom 18. November 2021 – 2 AZR 229/21 – Rn. 29, juris = NZA 2022, 200; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Juli 2022 – 2 Sa 316/21 – Rn. 25, juris).

Eine Kündigung aus Anlass einer Krankmeldung ist nur dann eine unzulässige Maßregelung, wenn gerade das zulässige Fernbleiben von der Arbeit sanktioniert werden soll (BAG, Urteil vom 18. November 2021 – 2 AZR 229/21 – Rn. 31, juris = NZA 2022, 200; BAG, Urteil vom 20. Mai 2021 – 2 AZR 560/20 – Rn. 27, juris = NZA 2021, 1096).

Tragender Beweggrund für den Ausspruch der schriftlichen Kündigung vom 20.12.2021 ist nicht eine Sanktionierung des zulässigen Fernbleibens von der Arbeit. Die Beklagte hat die Kündigung nicht ausgesprochen, weil der Kläger seiner vertraglich vereinbarten Arbeitsleistung, also Haushaltsführung, Behandlungspflege etc., während der Arbeitsunfähigkeit nicht nachgekommen ist.

Die Beklagte mag grundsätzlich zeitnahe Antworten des Klägers auf ihre WhatsApp-Nachrichten erwartet haben. Ob und ggf. in welchem Zeitrahmen eine Reaktion erwartet wird, hängt allerdings von dem jeweiligen Inhalt der Mitteilung ab. Aus der WhatsApp-Nachricht um 12:11 Uhr lässt sich nicht entnehmen, dass die Beklagte eine sofortige Antwort erwartete. Eine Bestätigung der Kenntnisnahme bzw. eine Zusage der fristgerechten Schlüsselrückgabe hat die Beklagte nicht angefordert. Die Nachricht enthielt keine Fragen an den Kläger oder noch offene Punkte, die eine weitere Kommunikation zwischen den Parteien erforderlich gemacht hätten. Die Aufforderung zur Schlüsselrückgabe bis 14:00 Uhr des folgenden Tages war klar und eindeutig. Es handelt sich um eine typische Arbeitgeberweisung, die nach dem Willen der Beklagten schlichtweg auszuführen war, ohne dass noch vorab die Bereitschaft zur Ausführung der Weisung hätte bestätigt werden müssen.

Selbst wenn die Beklagte eine sofortige Beantwortung ihrer Anweisung vom Kläger verlangt hätte, ergäbe sich daraus nicht eine Aufforderung, Arbeitsleistungen zu erbringen, der gegenüber sich der Kläger auf sein Recht, der Arbeit fernzubleiben, hätte berufen können.

Aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit entfallen nicht sämtliche Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis, insbesondere nicht Mitteilungspflichten. Vielmehr hat der Arbeitnehmer den Arbeitgeber u. a. über den Eintritt der Arbeitsunfähigkeit und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu informieren und ggf. eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen (§ 5 Abs. 1 EFZG). Dieser Pflicht aus § 5 Abs. 1 EFZG ist der Kläger im Übrigen auch nachgekommen, indem er der Beklagten etwa eine halbe Stunde vor der Aufforderung zur Schlüsselrückgabe seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung per WhatsApp übermittelt hat. Ebenso hätte er eine kurz darauf folgende Anfrage der Beklagten, wäre diese so zu verstehen gewesen, per WhatsApp beantworten können.

Darüber hinaus ist möglicherweise während der Arbeitsunfähigkeit ein betriebliches Eingliederungsmanagement (§ 167 Abs. 2 SGB IX) durchzuführen, was ebenfalls eine Kommunikation zwischen den Arbeitsvertragsparteien voraussetzt. Des Weiteren kann der Arbeitgeber ggf. die Rückgabe von Arbeitsmitteln während der Arbeitsunfähigkeit verlangen. Derartige Nebenpflichten sind auch während der Arbeitsunfähigkeit zu erfüllen, ohne dass zugleich die Hauptleistungspflicht, nämlich die vertraglich festgelegte Arbeitsleistung, erbracht werden müsste.

Dass der Kläger der Anweisung zur Schlüsselrückgabe während seiner Arbeitsunfähigkeit nicht nachgekommen ist, kann schon deshalb nicht den Ausspruch der Kündigung veranlasst haben, weil die gesetzte Frist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Rechtsstreit wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

 

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