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Kündigungsschutzgesetz – Anwendung bei Kleinbetrieb – Schwellenwertberechnung

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 7 Sa 291/20 – Urteil vom 07.07.2021

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Teilanerkenntnis- und Schlussurteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 10. September 2020, Az. 3 Ca 164/20, wird als unzulässig verworfen, soweit die Berufung sich gegen die Abweisung des erstinstanzlichen Klageantrags zu 3 (Urlaubsgeld in Höhe von 2.000,00 €) richtet.

Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die ordentliche Kündigung vom 24. Januar 2020 und zusätzliches Urlaubsgeld.

Die 62 Jahre alte Klägerin ist die Mutter des Beklagten. Sie war seit dem 1. April 1997 im Betrieb J. Metallbau mit einem Umfang von 30 Stunden und einem zuletzt vereinbarten Bruttolohn in Höhe von insgesamt 2.895,71 € angestellt. Dieser Betrieb wurde zum 1. Januar 2020 durch seinen damaligen Inhaber, den Lebensgefährten der Klägerin und Zeugen J., auf den jetzigen Inhaber, den Beklagten und Sohn der Klägerin übertragen. Der Betrieb wird seither unter der Firma Metallbau A. geführt.

Die Klägerin wurde bereits im November 2018 von ihren arbeitsvertraglichen Verpflichtungen unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt und hat seitdem keine Arbeitsleistung erbracht.

Mit Schreiben vom 20. Januar 2020 (Bl. 6 f. d. A.) mahnte der Beklagte die Klägerin wegen unentschuldigten Fehlens seit dem 6. Januar 2020 ab. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 23. Januar 2020 (Bl. 8 f. d. A.) bot die Klägerin ihre Arbeit ab sofort an und bat um Auskunft, wo sie wann, zu welcher Arbeit, an welchem Arbeitsplatz erscheinen solle.

Mit Schreiben vom 24. Januar 2020 (Bl. 10 d. A.) kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgemäß.

Zum Zeitpunkt der Kündigung waren bei der Beklagten folgende Arbeitnehmer beschäftigt: F. (Vollzeit), G. (Vollzeit), T. H. (Vollzeit), I. (Vollzeit, seit September 2019 bis über den Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung hinaus langzeiterkrankt), O. (Vollzeit), J. (Vollzeit), P. (Vollzeit), M. (maximal 20 Stunden/Woche), I.M. (maximal 20 Stunden/Woche, inzwischen Frau O. auf 450,00 €-Basis) auf Reinigungskraft und I.A. (maximal 20 Stunden/Woche). Weiter waren zu diesem Zeitpunkt im Betrieb der Arbeitnehmer K. sowie der Leiharbeitnehmer L. (jeweils Vollzeit) eingesetzt. Letzterer wurde zum 1. Juni 2020 von dem Beklagten in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen.

Gegen die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 23. Januar 2020 wendete sich die Klägerin mit ihrer am 3. Februar 2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen, dem Beklagten am 12. Februar 2020 zugestellten Kündigungsschutzklage. Sie hat die Klage mit am 28. Juli 2020 beim Arbeitsgericht eingegangenem, der Beklagten am 29. Juli 2020 zugestelltem Schriftsatz erweitert.

Die Klägerin war der Ansicht, es gebe keinen wichtigen Grund für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung. Die fristgemäße Kündigung sei sozialwidrig.

Bis einschließlich Oktober 2019 habe sie für die Rechtsvorgängerin des Beklagten sämtliche buchhalterischen Arbeiten in einem eigenen Büro in ihrem eigenen Wohnhaus ausgeführt. Die gesamte Einrichtung bestehe heute noch. Die Arbeitsräume der Firma J. habe sie selten betreten. Offiziell sei sie nicht von der Betriebsübernahme unterrichtet worden. Die von der Firma Metallbau A. im Jahr 2019 neu gebaute Halle habe sie nie betreten. Eine Anweisung, dass sich ihr Dienstort geändert habe, habe sie nie erhalten.

Der Beklagte beschäftige mehr als zehn Arbeitnehmer und sei an das KSchG gebunden. Der Beklagte stelle zur Zeit neue Arbeitnehmer ein. Es handele sich nicht um einen Kleinbetrieb. Es ergebe sich eine regelmäßige Beschäftigtenzahl von 11,25, da auch die Herren K. (Vollzeit), L. (Vollzeit) sowie sie selbst zu berücksichtigen seien.

Dass hinsichtlich der Herren K. und L. ein Vertretungsfall für den erkrankten Herrn I. vorgelegen habe, behaupte der Beklagte nur pauschal. Bis dato seien keinerlei Vertragsunterlagen vorgelegt worden, aus denen sich zum Beispiel eine an den krankheitsbedingten Ausfall von Herrn I. gekoppelte zeitliche oder zweckbefristete Anstellung des Herrn L. bzw. K. ergeben hätte. Herr I. habe nach Kenntnis der Klägerin erst am 4. Mai 2020 seine Wiedereingliederung begonnen.

Zudem habe der Beklagte ab Oktober 2019 bis über den Zeitpunkt der Kündigung hinaus noch durchgängig zwei Leiharbeitnehmer in Vollzeit beschäftigt. Mit dem Einsatz der Leiharbeitnehmer decke der Beklagte einen regelmäßigen Beschäftigungsbedarf, so dass Leiharbeitnehmer wie Stammbeschäftigte bei der Ermittlung der Anzahl der regelmäßig Beschäftigten zu berücksichtigen seien. Diese Personen berücksichtigt ergebe sich eine Beschäftigtenzahl von 13,25.

Frau I.A. sei mit einem Vollzeitäquivalent von 0,5 zu berücksichtigen. Es gehe gerade nicht um eine Vertretungssituation wie im Fall eines langzeiterkrankten Mitarbeiters. Dass der Beklagte keinen Bedarf an einer Doppelbesetzung der Stelle habe, könne für die Anwendbarkeit des ersten Abschnitts des KSchG keine Rolle spielen.

Der Beklagte beschäftige die weitere Aushilfskraft E.. Dieser sei zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits beschäftigt gewesen.

Der Beklagte habe für den 19. Oktober 2019 zur Eröffnung seiner neuen Fertigungshalle eingeladen und in dem Einladungsschreiben explizit auf die Übernahme der Firma J. am 1. Januar 2020 hingewiesen. Ab dann sei man mit „10 Mitarbeitern, 2 Azubis und 2 Büroangestellten für sie da“. Dies spreche eindeutig für eine Beschäftigung von mehr als zehn Arbeitnehmern.

Ein Kündigungsgrund im Sinn des § 1 KSchG bestehe nicht.

Sie habe mit dem Rechtsvorgänger des Beklagten vereinbart, dass sie einen Betrag von 2.000,00 € als Weihnachtsgeld im November erhalte. Diese Zahlungen seien in den vergangenen Jahren stetig erfolgt. Für Juni 2020 sei eine Zahlung als Urlaubsgeld in Höhe von 2.000,00 € fällig.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 24. Januar 2020 und durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung mit gleichem Schreiben nicht aufgelöst worden ist bzw. wird; hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag insgesamt, das heißt für den Fall, dass auch die ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet,

2. den Beklagten zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu den bisherigen vertraglichen Bedingungen als Angestellte weiterzubeschäftigen;

3. den Beklagten weiter zu verurteilen, an sie 2.000 € brutto zu zahlen, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;

4. den Beklagten zu verurteilen, an sie 300 € brutto zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;

5. den Beklagten zu verurteilen, vermögenswirksame Leistungen in Höhe von insgesamt 240 € an die Bausparkasse X AG, C.- Straße X-X-Stadt, Versicherungsscheinnummer 123 zu zahlen;

6. den Beklagten zu verurteilen, 1.344,00 € netto an sie zu zahlen, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;

für den Fall der Wirksamkeit ausschließlich der außerordentlichen Kündigung

7. den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.069,21 € brutto zu zahlen.

Der Beklagte hat die Klageforderungen zu 5 und 6 anerkannt und im Übrigen beantragt, die Klage abzuweisen.

Er war der Ansicht, die Kündigung sei als außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund wegen der fortgesetzten Arbeitsverweigerung der Klägerin wirksam. Der Beklagte hat vorgetragen, die Klägerin habe genau gewusst, wo der Ort der Erbringung der Tätigkeit sei. Das Verhältnis zwischen den Parteien könne als problematisch angesehen werden. Insbesondere habe die Klägerin zuletzt mehr als deutlich gemacht, dass sie als Arbeitnehmerin für ihren Sohn nicht arbeiten werde. Als er am 17. Januar 2020 das Wohnhaus der Klägerin aufgesucht habe, habe die Klägerin die Haustür geöffnet und sie sodann unverzüglich wieder geschlossen, nachdem sie festgestellt habe, dass er vor der Tür gestanden habe.

Der Betrieb sei ein Kleinbetrieb. Neue Mitarbeiter würden zur Zeit nicht eingestellt.

Der Arbeitnehmer I. sei bereits im September 2019 schwer erkrankt und bis heute arbeitsunfähig. Mit Eintritt der Erkrankung sei bereits absehbar gewesen, dass dieser für längere Zeit ausfallen werde.

Kurze Zeit später sei es gelungen, den Zuschlag für einen in der Firmengeschichte einmaligen Großauftrag des Kunden Firma H. aus H. zu erhalten. Dieser Auftrag habe Anfang Oktober 2019 begonnen und müsse vorrangig und unter Vermeidung von relevanten zeitlichen Verzögerungen erfüllt werden. Der Abschluss des Auftrags sei für Ende 2020 geplant. Ab 2021 werde sich der Beschäftigungsbedarf wieder reduzieren. Ein solcher Auftrag kennzeichne den allgemeinen Geschäftsbetrieb nicht. Insofern sei auch ein Leiharbeitnehmer, der zur Bewältigung des mit diesem Auftrag einhergehenden Arbeitsaufwands beschäftigt werde, nicht in den allgemeinen Beschäftigungsbedarf des Betriebes einzubeziehen. Er sei im Hinblick auf diesen Großauftrag gezwungen gewesen, umgehend eine Ersatzkraft für den erkrankten Vollzeitmitarbeiter I. zu beschaffen.

Herr L. sei am 1. Oktober 2019 in den Betrieb als Ersatzkraft für den absehbar langandauernd erkrankten Arbeitnehmer I. eingetreten. Das Arbeitsverhältnis sei jedoch durch außerordentliche Arbeitgeberkündigung (Bl. 99 d. A.) bereits in der Probezeit zum 21. November 2019 beendet worden, da Herr L. zur Leistung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit nicht in der Lage gewesen sei.

Im Zusammenhang mit der eingeschränkten Tätigkeit des Arbeitnehmers L. sei der Arbeitnehmer K. im November 2019 eingestellt und bis 29. Februar 2020 im Betrieb beschäftigt worden. Der Arbeitnehmer K. sei lediglich im Hinblick auf den Ausfall des in Vollzeit tätigen Arbeitnehmers I. beschäftigt worden. Als bekannt geworden sei, dass der Arbeitnehmer I. seine arbeitsvertragliche Tätigkeit wiederaufnehmen werde, habe er gegenüber dem Arbeitnehmer K. mit Schreiben vom 1. Februar 2020 (Bl. 97 d. A.) die Kündigung ausgesprochen. Die Arbeitsaufnahme von Herrn I. habe sich allerdings verzögert. Bereits während der Wiedereingliederung ab dem 4. Mai 2020 habe sich herausgestellt, dass der Arbeitnehmer I. noch immer nicht arbeitsfähig sei. Der Arbeitnehmer I. habe die Wiedereingliederungsmaßnahme abgebrochen und sei seitdem weiterhin arbeitsunfähig krank. Es sei derzeit davon auszugehen, dass eine Arbeitsfähigkeit in absehbarer Zeit nicht gegeben sein werde. Im Hinblick auf den Großauftrag sei der seit dem 9. Dezember 2019 als Leiharbeitnehmer im Betrieb tätige B. L. nunmehr seit dem 1. Juni 2020 angestellt worden, nachdem er (der Beklagte) im Rahmen der Wiedereingliederung festgestellt habe, dass der Arbeitnehmer I. seine Tätigkeit vermutlich nicht wieder aufnehme könne. Die Beschäftigung des Mitarbeiters L. habe sich zunächst auf einen Auftrag beschränkt, eine dauerhafte Beschäftigung sei nicht vorgesehen gewesen.

Seine Ehefrau I.A. sei im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung bei ihm angestellt. Allerdings sei sie für Bürotätigkeiten und buchhalterische Tätigkeiten zuständig und somit exakt für die Tätigkeiten, die die Klägerin zu früherer Zeit ausgeübt habe und für ihn auch zukünftig hätte ausüben sollen. Vor diesem Hintergrund sei sie nicht mit einem Vollzeitäquivalent von 0,5 in den regelmäßigen Beschäftigungsbedarf miteinzubeziehen. Es gebe gerade nicht den Bedarf einer Beschäftigung von I.A. neben der Klägerin. Es sei sachgerecht, anstelle der Teilzeitstelle der Klägerin die Teilzeittätigkeit von I. A. mit einem Vollzeitäquivalent von 0,5 bei der Beschäftigtenzahl zu berücksichtigen.

Er habe lediglich im Zeitraum vom 22. Oktober 2019 bis 19. November 2019 einen zweiten Leiharbeitnehmer beschäftigt.

Bei Herrn E. handele sich um einen guten Bekannten. Dieser sei tatsächlich im Jahr 2016 für wenige Monate aushilfsweise beschäftigt gewesen. Bereits seit dem Jahr 2017 sei Herr E. aber nicht mehr für ihn tätig.

Sofern er im Einladungsschreiben zur Eröffnung seiner neuen Fertigungshalle von 10 Mitarbeitern, 2 Azubis und 2 Büroangestellten gesprochen habe, habe er sämtliche bei ihm beschäftigten Mitarbeiter gezählt, ohne diese gemäß ihrem Beschäftigungsumfang auf Vollzeitäquivalente aufzuaddieren. Im Übrigen habe er sich selbst bei der Anzahl der Mitarbeiter mitgerechnet.

Das Arbeitsgericht hat durch Teilanerkenntnis- und Schlussurteil vom 10. September 2020 im Wege des Anerkenntnisurteils den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 1.344,00 € netto zuzüglich Zinsen und an die Bausparkasse Xll AG vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 240,00 € zu zahlen. Weiter hat es festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 24. Januar 2020 nicht aufgelöst worden ist, und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 300,00 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 29. Juli 2020 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es – zusammengefasst – ausgeführt, wegen des anerkannten Teils der Klageforderung habe ein Teilanerkenntnisurteil zu ergehen gehabt. Die Klage habe weiterhin Erfolg, soweit sie sich gegen die ausgesprochene außerordentliche Kündigung vom 24. Januar 2020 richte. Eine erhebliche Pflichtwidrigkeit sei der Klägerin zum Zeitpunkt der außerordentlichen Kündigung aufgrund ihres fehlenden Erscheinens am Arbeitsplatz nicht vorzuwerfen gewesen. Demgegenüber sei die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die ordentliche Kündigung vom 24. Januar 2020, welche seitens der Beklagten hilfsweise ausgesprochen worden sei, wende. Diese ordentliche Kündigung sei nicht am Maßstab des § 1 KSchG zu messen. Der Beklagte beschäftige in seinem Betrieb regelmäßig nicht mehr als 10 Arbeitnehmer, gemessen an den Vollzeitäquivalenten nach § 23 Abs. 1 S. 4 KSchG. Der Schwellenwert von mehr als 10 regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmern werde nach dem zu Grunde zu legenden Sachvortrag beider Parteien und unter Berücksichtigung der Darlegungs- und Beweislast der Klägerin nicht überschritten. Neben den sechs unstreitig im Betrieb beschäftigten Vollzeitarbeitnehmern, die auch tatsächlich tätig gewesen seien, sei ein weiterer Mitarbeiter in Vollzeit mitzuzählen. Wegen des Vertretungsfalls des langzeiterkrankten Arbeitnehmers I. und der Beschäftigung von Arbeitnehmern, für die ausschließlich aufgrund des Vertretungsfalls ein Bedarf bestanden habe, sei eine Doppelzählung auszuschließen. In der Konsequenz sei hinsichtlich der Arbeitnehmer I., L., K. nur eine Vollzeitstelle zu zählen. Der lediglich im Rahmen von wenigen Wochen im Herbst 2019 beschäftigte Leiharbeitnehmer habe unberücksichtigt zu bleiben, während der weitere Leiharbeitnehmer, welcher über viele Monate und auch im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung im Betrieb beschäftigt gewesen sei, mitzuzählen sei. Es könne offenbleiben, ob nach dem Vortrag der Beklagten zur Beschäftigung der Aushilfskraft E. ausschließlich im Jahr 2016 die Klägerin an einer Zählung dieses Mitarbeiters überhaupt festhalten möchte, da sie jedenfalls auch insoweit ihrer Darlegung s-und Beweislast nicht genüge. Bei der Übernahme von vorher von der Klägerin wahrgenommenen Aufgaben durch die Ehefrau des Beklagten handele es sich nicht um einen klassischen Vertretungsfall, da es an einem durch ein Hindernis, wie einer Arbeitsunfähigkeit, einer Elternzeit oder anderer Ruhenstatbestände ausgelösten Grund fehle, aus welchem eine Beschäftigung nicht tatsächlich erfolgen könnte. Die unterbliebene Beschäftigung der Klägerin sei vielmehr auf eine Freistellungsvereinbarung hin erfolgt. Eine Doppelzählung werde aber der Struktur des Betriebes und der diesen kennzeichnenden Größe nicht gerecht. Es ergebe sich hieraus eine Beschäftigtenzahl von insgesamt 9,75 Vollzeitäquivalenten. Die Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist erweise sich auch nicht aufgrund anderer Unwirksamkeitsgründe als unmaßgeblich. Antragsgemäß sei der Beklagte zur Zahlung einer Prämie in Höhe von 300 € an die Klägerin zu verurteilen gewesen. Demgegenüber unterliege die Klage der Abweisung, soweit die Klägerin einen vertraglichen Anspruch auf Zahlung eines Urlaubsgeldes in Höhe von 2.000 € geltend mache. Die Hilfsanträge fielen nicht zur Entscheidung an. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts (Bl. 145 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist der Klägerin am 15. September 2020 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 7. Oktober 2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und mit am 29. Oktober 2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag begründet.

Zur Begründung der Berufung macht die Klägerin nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes sowie der Schriftsätze vom 19. März 2021, 1. Juni 2021 und 17. Juni 2021, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 175 ff., 215, 224 f., 234 f. d. A.), unter ergänzender Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen zusammengefasst geltend,

der Schwellenwert des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG sei erreicht. Hinsichtlich der Mitarbeiter L. und K. sei das Arbeitsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass wegen eines Vertretungsfalles für den langzeiterkrankten Mitarbeiter I. eine Doppelzählung nicht stattfinde. Die unsubstantiierte Behauptung eines Vertretungsfalles durch den Beklagten habe nicht ausgereicht, um dessen sekundäre Darlegungslast zu erfüllen. Gerade der Einwand, wonach mit Herrn K. ein unbefristeter Arbeitsvertrag abgeschlossen worden sei, führe zu einer erhöhten Darlegungslast des Beklagten.

Nach ihrer Kenntnis sei Herr I. bei dem Beklagten als Metallbaumeister beschäftigt. Die Herren K. und L. seien wiederum ungelernte Kräfte gewesen und lediglich als Hilfsarbeiter mit einfachen Arbeiten beschäftigt. Herr K. sei fast ausschließlich mit dem Schleifen von Metallgeländern beschäftigt gewesen. Ein Vertretungsfall könne aus diesem Grund unmöglich vorgelegen haben.

Auch im Hinblick auf die Zählung der Leiharbeitnehmer verkenne das Arbeitsgericht die abgestufte Darlegungs- und Beweislast.

Die Aushilfskraft Herr E. habe ebenfalls in die Berechnung der Vollzeitäquivalente nach § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG einbezogen werden müssen, da die Beklagte es unterlassen habe, durch Vorlage von zum Beispiel schriftlichen Vereinbarungen, Kündigungen oder eines Lohnjournals zu konkretisieren, in welchem Zeitraum Herr E. beschäftigt worden sein solle. Herr E. werde samstags und in den Abendstunden vom Beklagten als Aushilfskraft eingesetzt. Dies sei schon im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung geschehen und sei auch gegenwärtig immer noch so.

Hinsichtlich der Ehefrau des Beklagten sei die Annahme fehlerhaft, dass ein fehlender tatsächlicher Beschäftigungsbedarf dazu führe, dass sie nicht mitgezählt werde.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 10. September 2020, Az. 3 Ca 164/20, wie folgt abzuändern:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung zum 31. August 2020 aufgelöst ist.

2. Die Beklagte wird für den Fall der Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu den bisherigen vertraglichen Bestimmungen als Angestellte weiter zu beschäftigen.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.000 € brutto zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seines Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 30. Dezember 2020 sowie der Schriftsätze vom 26. März 2021 und 9. Juni 2021, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 193 ff., 217, 227 ff. d. A.), als rechtlich zutreffend.

Es sei schlicht unwahr, dass die Herren K. und L. lediglich als Hilfsarbeiter mit einfachen Arbeiten beschäftigt worden wären. Bestritten werde insbesondere ausdrücklich, dass Herr K. fast ausschließlich mit dem Schleifen von Metallgeländer beschäftigt gewesen wäre. Derartige Tätigkeiten würden im Vorfeld der Montagetätigkeit in der Werkstatt des Beklagten ausgeführt. Diese beiden Mitarbeiter seien in der Zeit ihrer Beschäftigung – ebenso wie die übrigen Arbeitnehmer im Beklagtenbetrieb – regelmäßig auf die Baustellen gefahren und hätten Montagetätigkeiten ausgeführt. Insoweit sei sehr wohl von einer Vertretung des erkrankten Mitarbeiters I. durch die Mitarbeiter L. und K. auszugehen. Der Mitarbeiter K. habe während der laufenden Probezeit die Kündigung erhalten. Herr I. sei von dem Lebensgefährten der Klägerin für die Rechtsvorgängerin des Beklagten eingestellt worden. Inwieweit Herr I. Metallbaumeister sei, sei nicht bekannt. Er sei vermutlich als Metallbauer beschäftigt gewesen. Seit er den Betrieb übernommen habe, sei der Zeuge I. jedoch faktisch bis auf eine tageweise Wiedereingliederungsphase nicht tätig geworden.

Die beiden im Jahr 2019 beschäftigten Leiharbeitnehmer müssten bei der Beschäftigtenzahl nicht berücksichtig werden. Ein Rahmenvertrag mit einem Personalüberlassungsunternehmen/Verleiher existiere nicht und habe nicht existiert. Der entsprechende Vortrag des Klägers sei verspätet.

Herr E. sei sein sehr enger Freund. Er sei seit Jahrzehnten Angestellter bei der Straßenbaumeisterei und sei lediglich im Weg einer geringfügigen Beschäftigung in seinem früheren Betrieb tätig gewesen, nicht mehr jedoch seit dem Jahr 2017. Herr E. sei nicht in dem von ihm übernommenen Betrieb – weder im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch gegenwärtig – als Arbeitnehmer tätig geworden.

Das Arbeitsgericht habe in zutreffender Weise eine Doppelzählung der Klägerin und seiner Ehefrau verneint. Es sei zu beachten, dass die Klägerin seit November 2018 unstreitig freigestellt gewesen sei und keinerlei Arbeitsleistung erbracht habe. Stattdessen seien die in der Vergangenheit seitens der Klägerin erbrachten Arbeitstätigkeiten nun von ihm und ergänzend von seiner im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung angestellten Ehefrau vorgenommen worden. Er betreibe ein kleines Handwerksunternehmen. Bürotätigkeiten inklusive buchhalterischer Arbeiten erledige er als Betriebsinhaber seltener tagsüber, sondern im Allgemeinen nachmittags und in den Abendstunden nach Fertigstellung der Arbeiten auf den Baustellen. Dabei werde er gelegentlich von seiner Ehefrau unterstützt. Eben diese Bürotätigkeiten habe die Klägerin früher in dem Betrieb J. Metallbau erbracht. Er sei exklusiv für die Angebots- und Auftragsabwicklung einschließlich Rechnungsstellung und Kontrolle verantwortlich. Die Beschäftigung sowohl der Klägerin als auch seiner Ehefrau sei schlichtweg unwirtschaftlich und unüblich im Bereich derartiger Handwerksunternehmen.

Die Berufung hinsichtlich des Zahlungsantrags sei unzulässig.

Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der Beweisbeschlüsse vom 10. März 2021 und vom 7. Juli 2021 Beweis erhoben über die Behauptung der Klägerin, der Zeuge E. sei im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung samstags und in den Abendstunden als Aushilfskraft eingesetzt gewesen und werde nach wie vor zu diesen Zeiten eingesetzt, durch Vernehmung der Zeugen E., F., G., I., J., M., A., O., P. und Q.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 7. Juli 2021, Bl. 240 ff. d. A., Bezug genommen.

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle vom 10. März 2021 und 7. Juli 2021 (Bl. 205 ff., 239 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

I.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und hinsichtlich der Abweisung des Kündigungsschutzantrags betreffend die ordentliche Kündigung ordnungsgemäß begründet worden. Sie erweist sich insoweit auch sonst als zulässig.

II.

Hinsichtlich der Abweisung des Anspruchs auf zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe von 2.000,00 € wurde die Berufung von der Klägerin innerhalb der Berufungsbegründungsfrist nicht ausreichend begründet. Sie ist daher insoweit unzulässig.

Eine Berufungsbegründung muss gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis Nr. 4 ZPO erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und aus welchen Gründen er das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Dadurch soll bloß formelhaften Berufungsbegründungen entgegengewirkt werden (BAG 19. Februar 2013 – 9 AZR 543/11 – Rn. 14, juris). Die Berufungsbegründung muss daher die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergeben (BAG 19. November 2015 – 2 AZR 217/15 – Rn. 21 mwN. juris; 13. Mai 2015 – 2 AZR 531/14 – Rn. 18, juris). Eine schlüssige Begründung kann zwar nicht verlangt werden (BAG 19. Februar 2013 – 9 AZR 543/11 – Rn. 14, juris). Die Berufungsbegründung muss jedoch auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das ArbG mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 19. November 2015 – 2 AZR 217/15 – Rn. 2; 13. Mai 2015 – 2 AZR 531/14 – Rn. 18; 19. Februar 2013 – 9 AZR 543/11 – Rn. 14, jeweils mwN., juris).

Bei einem teilbaren Streitgegenstand oder bei mehreren Streitgegenständen muss sich die Berufungsbegründung grundsätzlich auf alle Teile des Urteils erstrecken, hinsichtlich derer eine Änderung beantragt wird (BAG 25. August 2020 – VI ZB 67/19 – Rn. 7 mwN., juris). Auch wenn sich der Rechtsmittelführer nicht mit allen für ihn nachteilig beurteilten Punkten in seiner Berufungsbegründung auseinandersetzen muss, genügt es, um das angefochtene Urteil insgesamt in Frage zu stellen, nicht, wenn er sich nur mit einem Berufungsgrund befasst, der nicht den ganzen Streitstoff betrifft (BGH 4. Juli 2013 – III ZR 52/12 – Rn. 56 mwN., juris).

Diesen Erfordernissen wird die Berufungsbegründung der Beklagten im Hinblick auf die Abweisung des Anspruchs auf zusätzliches Urlaubsgeld nicht gerecht. Das Arbeitsgericht hat zur Begründung der Abweisung des Anspruchs auf zusätzliches Urlaubsgeld ausgeführt, ein substantiierter Vortrag der die vertragliche Verpflichtung des Beklagten begründenden Vereinbarung sei auch auf die Rüge des Beklagten hierzu nicht erfolgt. Als darlegungs- und beweispflichtiger Anspruchstellerin hätte es der Klägerin oblegen, im Einzelnen die Tatsachen, auf die sie ihren Anspruch gründe, zu konkretisieren und hierfür Beweis anzutreten. Beides sei unterblieben. Die Klägerin hat zu diesem Streitgegenstand innerhalb der Berufungsbegründungsfrist lediglich vorgetragen, die Berufung sei statthaft, hinsichtlich des Zahlungsantrags liege die Beschwer oberhalb von 600,00 €. Weiter hat sie ausgeführt, weitere Begründung zur Abweisung des Zahlungsantrags werde innerhalb der Begründungsfrist erfolgen. Entgegen dieser Ankündigung erfolgte kein weiterer Vortrag zum Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld.

B.

Die Berufung der Klägerin betreffend die Abweisung ihres Kündigungsschutzantrags hinsichtlich der ordentlichen Kündigung ist unbegründet.

I.

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 24. Januar 2020 beendet worden. Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Kündigung keiner sozialen Rechtfertigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG bedurfte. Die Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung aus anderen Gründen hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

Die Klägerin genießt keinen Kündigungsschutz nach dem Ersten Abschnitt des KSchG. Das KSchG findet keine Anwendung, weil die Beklagte zum Kündigungszeitpunkt nach der Berechnung gemäß § 23 Abs. 1 S. 4 KSchG weder mehr als zehn Arbeitnehmer noch mehr als fünf „Alt-Arbeitnehmer“ in ihrem Betrieb beschäftigte, § 23 Abs. 1 KSchG.

Die für das Überschreiten des Schwellenwerts des § 23 Abs. 1 S. 2 und 3 KSchG darlegungs- und beweisbelastete Klägerin (vgl. BAG 27. April 2021 – 2 AZR 540/20 – Rn. 17 mwN., juris) hat weder dargelegt, dass der Beklagte mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt, die bereits am 31. Dezember 2003 im Betrieb beschäftigt waren, noch dass der Beklagte im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer im Sinn des § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG beschäftigte.

Sowohl nach § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG in der bis zum 31. Dezember 2003 als auch nach der nunmehr geltenden Fassung trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzungen für eine Geltung des Kündigungsschutzgesetzes (BAG 26. Juni 2008 – 2 AZR 264/07 – Rn. 17 ff. mwN., juris). Danach gehört ein solcher Vortrag grundsätzlich zur Begründung der Klage. Von dem Arbeitnehmer können jedoch keine Darlegungen verlangt werden, die er mangels eigener Kenntnismöglichkeiten nicht erbringen kann. Vielmehr genügt er seiner Darlegungslast – bei fehlender eigener Kenntnismöglichkeit – bereits durch die bloße Behauptung, der Arbeitgeber beschäftige mehr als zehn Arbeitnehmer. Es ist dann Sache des Arbeitgebers, sich vollständig über die Anzahl der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer unter Benennung der ihm zur Verfügung stehenden Beweismittel zu erklären. Zu den Beweismitteln können Vertragsunterlagen, Auszüge aus der Lohnbuchhaltung, Zeugen usw. gehören. Hierzu muss daraufhin der Arbeitnehmer Stellung nehmen und Beweis antreten. Hat der Arbeitnehmer keine eigenen Kenntnisse über die vom Arbeitgeber behaupteten Tatsachen, kann er sich auf die aus dem Vorbringen des Arbeitgebers ergebenden Beweismittel stützen und die ihm bekannten Anhaltspunkte dafür vortragen, dass entgegen den Angaben des Arbeitgebers der Schwellenwert doch erreicht ist. Lediglich im Fall der Unergiebigkeit der daraufhin vom Gericht erhobenen Beweise (non liquet) trifft den Arbeitnehmer die objektive Beweislast (BAG 26. Juni 2008 – 2 AZR 264/07 – Rn. 17 ff. mwN., juris).

1.

Zwar war die Klägerin bereits am 31. Dezember 2003 im Betrieb beschäftigt. Sie hat aber nicht behauptet, dass an diesem Tag im Betrieb mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt waren sowie dass mehr als fünf Alt-Arbeitnehmer im Sinn von § 23 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 KSchG im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung weiterhin im Betrieb beschäftigt waren. Waren in einem „Altbetrieb“ am 31. Dezember 2003 mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt, greift für diese Alt-Arbeitnehmer die Bestandsschutzregelung in § 23 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 KSchG. Ist die Anzahl der Alt-Arbeitnehmer aber nach dem 31. Dezember 2003 auf fünf oder darunter gesunken, erlischt der Kündigungsschutz auch für diese Gruppe und entsteht bei Neueinstellungen erst dann wieder, wenn der Schwellenwert von mehr als zehn Arbeitnehmer überschritten wird (BAG 23. Mai 2013 – 2 AZR 54/12 – Rn. 16, 23 mwN., juris). Als Neueinstellung gilt die Wiederbesetzung des durch Ausscheiden eines Altbeschäftigten freigewordenen Arbeitsplatzes. Ersatzeinstellungen für ausgeschiedene Alt-Arbeitnehmer reichen in diesem Fall also nicht aus, um eine Weitergeltung des Kündigungsschutzes zu bewirken (vgl. BAG 23. Mai 2013 – 2 AZR 54/12 – Rn. 23 mwN.; 21. September 2006 – 2 AZR 840/05 – Rn. 16 ff., beide juris).

2.

Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung waren im Betrieb des Beklagten zur Überzeugung der Kammer nicht mehr als zehn, sondern maximal 9,75 Arbeitnehmer im Sinn des § 23 Abs. 1 KSchG beschäftigt. Der Beklagte selbst bleibt bei der Berechnung der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer unberücksichtigt.

a) Für die Feststellung der Zahl der in der Regel Beschäftigten im Sinn des § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG kommt es auf die Größenverhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung an (einhellige M., BAG 24. Januar 2013 – 2 AZR 140/12 – Rn. 24; 31. Januar 1991 – 2 AZR 356/90 – Rn. 14, jeweils mwN., juris). Relevant sind dabei alle Arbeitnehmer, die „in der Regel“ im Betrieb beschäftigt sind. Bei der Bestimmung der Beschäftigtenzahl sind Arbeitnehmer zu berücksichtigen, soweit mit ihnen ein regelmäßiger Beschäftigungsbedarf abgedeckt wird. Maßgebend ist die Beschäftigungslage, die für den Betrieb im Allgemeinen kennzeichnend ist. Es kommt also nicht auf eine Zufallszahl am Tag des Kündigungszugangs an. Die den Betrieb kennzeichnende Beschäftigtenlage wird vielmehr wie bei den Regelungen der §§ 17 ff. und §§ 111 ff. BetrVG durch einen Rückblick auf die bisherige personelle Situation und eine Einbeziehung der zukünftigen Entwicklung festgestellt. Zeiten außergewöhnlich hohen oder niedrigen Geschäftsanfalls sind nicht zu berücksichtigen (BAG 31. Januar 1991 – 2 AZR 356/90 – Rn. 15 mwN., juris).

b) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze beschäftigte der Beklagte im Kündigungszeitpunkt unstreitig die mit jeweils 1,0 zu berücksichtigenden Arbeitnehmer F., G., H., O., J. und P.. Zu berücksichtigen sind weiter nach Maßgabe des § 23 Abs. 1 S. 4 KSchG der Mitarbeiter M. mit 0,5, eine Reinigungskraft mit 0,5 (zunächst Frau I.M. mit maximal 20 Stunden/Woche, dann Frau O. auf 450,00 €-Basis), der langzeiterkrankte Mitarbeiter I. mit 1,0, der Leiharbeitnehmer Herr L. mit 1,0 sowie die Klägerin oder die Ehefrau des Beklagten mit 0,75 bzw. 0,5.

Die Mitarbeiter K. und L., ein weiterer Leiharbeiter, die Klägerin oder A. sowie der Zeuge E. sind nicht mitzuzählen.

c) Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, sind die Mitarbeiter L. und K. nicht zu berücksichtigen.

Aushilfsarbeitnehmer sind jedenfalls dann nicht zu berücksichtigen, wenn sie nur vorübergehend aus Anlass eines vermehrten Arbeitsanfalls oder zur Vertretung des Stammpersonals (zum Beispiel bei Krankheit, Kur, Urlaub) arbeiten. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Beschäftigung von Aushilfsarbeitnehmern für den Betrieb kennzeichnend ist und eine bestimmte Anzahl derartiger Arbeitnehmer in der Vergangenheit für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten im Jahr beschäftigt war und auch in der Zukunft mit einer derartigen Beschäftigung zu rechnen ist (vgl. Ascheid/Preis/Schmidt/Moll, 6. Aufl. 2021, KSchG § 23 Rn. 49 mwN.; Pfeiffer in: Gallner/Mestwerdt/Nägele, Kündigungsschutzrecht, 7. Aufl. 2021, § 23 KSchG Rn. 31 unter Hinweis auf BAG 12. Oktober 1976 – 1 ABR 1/76 – Rn. 30 zu § 9 BetrVG mwN., juris). Eine vorübergehende Veränderung der Personalstärke zum Zeitpunkt der Kündigung ist daher unbeachtlich. Auch kommt es auf die Dauer der einzelnen Aushilfsbeschäftigungen nicht an. Das Abstellen auf den Sechsmonatszeitraum rechtfertigt sich aus der gesetzlichen Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG (Pfeiffer in: Gallner/Mestwerdt/Nägele, Kündigungsschutzrecht, 7. Aufl. 2021, § 23 KSchG Rn. 31).

In Vertretungsfällen werden jedoch der Vertretene und sein Vertreter nur als ein Arbeitnehmer gewichtet und zwar auch für die Zeit, während der die Vertretungskraft eingearbeitet wird und der Arbeitsplatz daher gegebenenfalls doppelt besetzt ist. Dies ergibt sich für die Vertretung eines sich in der Elternzeit befindenden Mitarbeiters ausdrücklich aus der Regelung des § 21 Abs. 7 BEEG. Diese Vorschrift enthält einen allgemeinen gültigen Rechtsgedanken des Inhalts, dass bei der Ermittlung der sogenannten Regelarbeitnehmerzahl entweder nur der Arbeitnehmer, der endgültig oder vorübergehend aus dem Betrieb ausscheidet, oder aber die für ihn eingestellte Ersatzkraft mitgezählt wird (LAG Köln 13. Januar 2005 – 5 Sa 1237/04 – Rn. 3 mwN., juris zu § 21 Abs. 7 BErzGG).

Danach sind die beiden früheren Mitarbeiter L. und K. nicht zu berücksichtigen.

Der frühere Mitarbeiter L. war lediglich vom 1. Oktober 2019 bis zum 21. November 2019 beschäftigt und damit im Kündigungszeitpunkt bereits seit mehr als zwei Monaten nicht mehr im Betrieb tätig. Das Ausscheiden des Mitarbeiters L. ergibt sich zum einen aus der von der Beklagten vorgelegten, gegenüber diesem Mitarbeiter ausgesprochenen Kündigung während der Probezeit (Bl. 99 d. A.), zum anderen aus der Abrechnung der Brutto-Netto-Bezüge November 2019, Korrektur im Dezember 2019 (Bl. 100 d. A.), auf der als „Austritt“ der 21. November 2019 angegeben ist.

Der Mitarbeiter K. war lediglich in der Zeit von November 2019 bis zum 29. Februar 2020 im Betrieb tätig. Das ergibt sich aus der von dem Beklagten vorgelegten Arbeitgeberkündigung (Bl 97 d. A.) sowie der Meldebescheinigung zur Sozialversicherung (Bl. 98 d. A.), die einen Meldezeitraum vom 1. Januar 2020 bis zum 29. Februar 2020 angibt.

Der Beklagte hat unter Beweisantritt vorgetragen, die beiden Mitarbeiter L. und K. seien als Ersatz für den langzeiterkrankten Zeugen I. eingestellt worden. Diesen Vortrag unterstellt wären die beiden Mitarbeiter nicht mitzuzählen, weil ein Vertretungsfall vorläge.

Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich vorliegend auch keine erhöhte Darlegungslast des Beklagten im Hinblick auf das Vorliegen eines Vertretungsfalls daraus, dass der Mitarbeiter K. zunächst unbefristet eingestellt worden war. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht (5. Juni 2007 – 9 AZR 82/07 – Rn. 61, juris) zu § 15 Abs. 7 S. 1 Nr. 4 BErzGG ausgeführt, dass die unbefristete Neueinstellung statt einer rechtlich möglichen Befristung ein Anhalt dafür sein kann, dass der Arbeitgeber zumindest das Risiko einer möglichen Doppelbesetzung in Kauf nimmt, weil er davon ausgeht, dass sich bei Verwirklichung des Risikos schon „irgendwie” eine Lösung finden werde, ohne Annahmeverzugslohn (§§ 611, 615 BGB) zahlen zu müssen, beide Arbeitnehmer beschäftigen zu können. Grundsätzlich ist es dem Arbeitgeber jedoch freigestellt, auf welche Weise er einen Vertretungsbedarf deckt. Er kann beispielsweise einen Leiharbeitnehmer beschäftigen, einen befristeten Arbeitsvertrag mit der Aushilfskraft abschließen oder ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit der Absicht schließen, dieses bereits in der Probezeit zu beenden. Anders als im vorliegenden Fall wurde im vom Bundesarbeitsgericht zu § 15 Abs. 7 S. 1 Nr. 4 BErzGG entschiedenen Fall (5. Juni 2007 – 9 AZR 82/07 – Rn. 61, juris) das Arbeitsverhältnis mit der unbefristet eingestellten Vertretungskraft über die Probezeit hinaus fortgesetzt, so dass die Vertretungskraft Kündigungsschutz hatte. Vorliegend hat der Beklagte zudem im Kündigungsschreiben darauf hingewiesen, dass der Zeuge K. „ja bereits von Anfang an“ gewusst habe, dass er „nur bis zum 29. Februar 2020 angestellt“ gewesen sei. Er hat das Arbeitsverhältnis mit dem Mitarbeiter K. sodann auch tatsächlich vor Beginn der Wiedereingliederung des Zeugen I. beendet. Gegen einen Vertretungsbedarf spricht es nicht, wenn zeitweise (hier zwischen dem 29. Februar 2020 und dem 4. Mai 2020) keine Vertretungskraft bzw. anstelle des Mitarbeiters K. der Leiharbeitnehmer L. weiterbeschäftigt wurde.

Die Arbeitsverhältnisse der beiden Vertretungskräfte L. und K. mussten auch nicht nahtlos aufeinanderfolgen, sondern konnten sich im November 2019 gegebenenfalls kurzzeitig im Hinblick auf einen kurzen Einarbeitungszeitraum überschneiden.

Schließlich stände der Beschäftigung der Mitarbeiter L. und K. nicht grundsätzlich entgegen, dass diese nicht über eine dem erkrankten Mitarbeiter I. vergleichbare Qualifikation verfügten. So ist auch zu § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG anerkannt, dass der Sachgrund der Vertretung einen Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall des Vertretenen und der Einstellung der Vertretungskraft voraussetzt und sichergestellt sein muss, dass die Vertretungskraft gerade wegen des durch den zeitweiligen Ausfall des zu vertretenden Mitarbeiters entstandenen vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs eingestellt worden ist (BAG 26. Oktober 2016 – 7 AZR 135/15 – Rn. 15; 24. August 2016 – 7 AZR 41/15 – Rn. 19, jeweils mwN., juris). Dabei geht die Rechtsprechung weiter davon aus, dass der Sachgrund für eine Befristung auch gegeben sein kann, wenn der Vertreter nicht unmittelbar die Aufgaben des vertretenen Mitarbeiters übernimmt, sondern die Aufgaben des ausfallenden Mitarbeiters durch Umverteilung von einem anderen Arbeitnehmer oder mehreren anderen Arbeitnehmer ausgeübt werden und deren Aufgaben dem Vertreter übertragen werden (mittelbare Vertretung, BAG 26. Oktober 2016 – 7 AZR 135/15 – Rn. 15; 24. August 2016 – 7 AZR 41/15 – Rn. 20 f. mwN., juris). Ob und wie der Arbeitgeber anlässlich der befristeten Einstellung die Arbeitsaufgaben umverteilt, ist unerheblich. Der neu eingestellte Arbeitnehmer muss also nicht die Arbeit des verhinderten Mitarbeiters verrichten, vielmehr genügt ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Vertretungsbedarf und befristeter Einstellung der Vertretungskraft. Nichts anderes kann im vorliegenden Fall gelten.

Geht man mit der Klägerin jedoch davon aus, dass die beiden Mitarbeiter L. und K. mangels Qualifikation nicht als Vertretung des Herrn I. eingesetzt werden konnten oder der Beklagte im vorliegenden Verfahren nicht ausreichend zu einer Umverteilung der dem Zeugen I. obliegenden Arbeiten vorgetragen hätte, wären diese beiden Mitarbeiter bei der Ermittlung der Zahl der regelmäßig Beschäftigten dennoch nicht zu berücksichtigen, da ihre Beschäftigung jeweils und auch zusammengerechnet nicht den Zeitraum eines halben Jahres umfasste. Anhaltspunkte dafür, dass über diesen Zeitraum hinaus dauerhaft ein Bedarf an dem Einsatz eines oder mehrerer weiterer Mitarbeiter bestanden hat und im Anschluss neben dem – bei der Ermittlung der Beschäftigtenzahl berücksichtigten – Leiharbeitnehmer L. weitere Mitarbeiter eingestellt wurden, liegen nicht vor.

d) Ein zweiter Leiharbeitnehmer ist nicht mitzurechnen.

Bei der Berechnung der Betriebsgröße nach § 23 Abs. 3 KSchG sind Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb zu berücksichtigen, wenn ihr Einsatz auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf beruht (BAG 24. Januar 2013 – 2 AZR 140/12 – Rn. 10 ff mwN., juris). Entscheidend ist allein, ob im Kündigungszeitpunkt bestimmte Arbeitsplätze über einen Referenzzeitraum stets besetzt werden, und zwar unabhängig davon, ob es sich hierbei um eigene Arbeitnehmer des Betriebsinhabers oder um (wechselnde) Leiharbeitnehmer handelt. Werden Leiharbeitnehmer zur Vertretung zur Vertretung von Stammarbeitnehmern oder zur Bewältigung von Auftragsspitzen, die den allgemeinen Geschäftsbetrieb nicht kennzeichnen, eingesetzt, sind sie somit nicht zu berücksichtigen. Dagegen sind sie mitzuzählen, soweit ihre Beschäftigung dem „Regelzustand“ des Betriebs entspricht, soweit also bestimmte Arbeitsplätze im fraglichen Referenzzeitraum stets mit Arbeitnehmern besetzt waren bzw. sein werden, sei es mit eigenen Arbeitnehmern des Betriebsinhabers, sei es, etwa nach deren Ausscheiden oder „immer schon“ mit (wechselnden) Leiharbeitnehmern (BAG 24. Januar 2013 – 2 AZR 140/12 – Rn. 24, juris).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist kein zweiter Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen. Ein zweiter Leiharbeitnehmer war nach den Angaben des Beklagten lediglich in der Zeit vom 22. Oktober bis 19. November 2019 im Betrieb beschäftigt. Damit war er im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits seit mehr als zwei Monaten nicht mehr dort tätig. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beschäftigung eines zweiten Leiharbeitnehmers dem Regelzustand des Betriebs entspricht.

e) Die Ehefrau des Beklagten ist neben Klägerin nicht gesondert zu berücksichtigen.

aa) Dabei ist bereits zweifelhaft, ob die Klägerin mitzuzählen ist, da sie unstreitig bereits seit November 2018 von ihren arbeitsvertraglichen Verpflichtungen unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt war, seitdem keine Arbeitsleistung erbracht hat und ihre Rückkehr zu einem bestimmbaren Zeitpunkt nicht vorgesehen war.

Vorübergehend ruhende Arbeitsverhältnisse (Eltern- und Pflegezeit, Sabbatical usw.) sind mitzuzählen, weil der betreffende Arbeitnehmer noch zur Belegschaft gehört. Dies gilt auch, wenn der Ruhenszeitraum sechs Monate übersteigt und der Arbeitgeber keine Ersatzkraft eingestellt hat. Entscheidend ist, dass der Arbeitgeber den fraglichen Arbeitsplatz auf Dauer beibehalten will und der Arbeitnehmer an diesen zurückkehren wird.

Der frühere Arbeitsplatz der Klägerin war aber seit November 2018 bis zur Übernahme des Betriebs durch den Beklagten, mithin über ein Jahr unbesetzt. Die Räumlichkeiten in ihrem eigenen Wohnhaus, in denen die Klägerin zuvor die buchhalterischen Arbeiten ausführte, blieben nach dem Vortrag der Klägerin seither unverändert. Auch die Klägerin hat nicht behauptet, dass ihre Freistellung nur vorübergehend bestehen sollte und ihre Rückkehr in den Betrieb zwischen ihr und ihrem Lebensgefährten und früherem Betriebsinhaber vereinbart gewesen sei. Dementsprechend wurde sie nach ihrem Vortrag nie offiziell von der Betriebsübernahme durch den Beklagten unterrichtet und hat die neu gebaute Halle nie betreten. Das Arbeitsverhältnis wurde nur noch dahin gelebt, dass seitens des Betriebs weiter Entgelt an die Klägerin gezahlt wurde.

Soweit der Beklagte die Klägerin im Vorfeld der außerordentlichen Kündigung wegen unentschuldigten Fehlens mit Schreiben vom 20. Januar 2020 abmahnte, ist dies nach Auffassung der Kammer in Anbetracht des zerrütteten persönlichen Verhältnisses zwischen Mutter und Sohn als Versuch, die – später ausgesprochene – außerordentliche Kündigung vorzubereiten, anzusehen und nicht als Mittel, um die Klägerin zur Rückkehr in den Betrieb zu bewegen.

bb) Jedenfalls ist aber die Ehefrau des Beklagten, die Zeugin A. nicht neben der Klägerin zu berücksichtigen. Die Zeugin A. verrichtet einen Teil der Büro- und buchhalterischen Tätigkeiten, die der Klägerin im Fall ihrer Arbeitstätigkeit obliegen würden. Sie wird damit auf einem Teil des inhaltlich selben Arbeitsplatzes eingesetzt wie zuvor die Klägerin. Der Beklagte hat dargelegt, dass im Betrieb kein Bedarf an zwei Mitarbeiterinnen besteht, die unterstützende Büro- und buchhalterische Tätigkeiten ausführen. Er hat im erstinstanzlichen Kammertermin deutlich gemacht, dass seine Ehefrau im Fall der Rückkehr der Klägerin auf den Arbeitsplatz nicht mehr beschäftigt worden wäre.

f) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist auch der Zeuge E. nicht zu berücksichtigen. Zur Überzeugung der Kammer steht nicht fest, dass dieser bereits zu Beginn des Jahres 2020 dauerhaft in dem vom Beklagten übernommenen Betrieb tätig war. Durch den Einsatz des Zeugen E. – gleich ob als Gefälligkeit oder im Rahmen eines Aushilfsarbeitsverhältnisses – wird kein regelmäßiger Beschäftigungsbedarf des Beklagten abgedeckt.

Keiner der vom Landesarbeitsgericht zehn vernommenen Zeugen konnte bestätigen, dass der Zeuge E. bereits zu Beginn des Jahres 2020 dauerhaft samstags und in den Abendstunden als Aushilfskraft bei dem Beklagten beschäftigt war.

Die Zeugen G., I. und M. konnten überhaupt keine Aussage zu einer Tätigkeit des Zeugen E. im Betrieb machen. So hat der Zeuge G. ausgesagt, den Zeugen E. in der Firma gesehen zu haben, wenn mal ein Grillfest gewesen sei und man am Tisch zusammengesessen habe. Der Zeuge G. hat weiter ausgesagt, nie gesehen zu haben, dass der Zeuge E. in der Firma gearbeitet habe. Auf einer Baustelle habe er noch nie mit diesem zusammengearbeitet. Er selbst fahre aber morgens um 6.00 Uhr weg, komme gegen 15.00 Uhr heim, werfe den Schlüssel in den Briefkasten und arbeite abends oder samstags ganz selten. Auch der Zeuge I. hat angegeben, den Zeugen E. gekannt zu haben, der mit dem Beklagten befreundet gewesen sei. Er habe ihn auch in der Firma gesehen, könne aber nicht sagen, ob er da auch gearbeitet habe, dafür sei er selbst in dieser Zeit zu wenig da gewesen. Der Zeuge M., der nach seiner Aussage von morgens 7.00 Uhr/7.30 Uhr bis je nach Bedarf 12.00/12.30 Uhr als 450,- €-Kraft im Betrieb tätig ist und samstags nicht arbeitet, konnte zu einer Tätigkeit des Zeugen E. keine Angaben machen. Ihm sagt der Nachname E. nichts und konnte nur berichten, dass er vor 8 bis 10 Jahren einen bei Pfingstturnieren kennengelernt habe, an denen die Firma J. teilgenommen habe. Er wisse aber nicht, ob es sich um den handele, um den es hier gehe.

Der Zeuge E. selbst hat deutlich verneint, im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung samstags und in den Abendstunden als Aushilfskraft eingesetzt gewesen zu sein und nach wie vor zu diesen Zeiten eingesetzt zu werden. Er hat lediglich angegeben, 2016 auf Basis von 450,- € im damaligen Betrieb des Beklagten, jedoch nicht in der früheren Firma J. Metallbau tätig gewesen zu sein. Im Juni 2020 habe er einmal in seinem Arbeitsverhältnis mit dem L. zwei Wochen Urlaub genommen, weil der Beklagte Hilfe gebraucht und ihn gefragt habe. Er habe für die Tätigkeit innerhalb dieser zwei Wochen kein Geld bekommen. Vor Juni 2020 habe er an zwei oder drei Samstagen oder Freitagen – im Mai 2020 – unentgeltlich beim Zuschneiden geholfen.

Die übrigen Zeugen haben den Zeugen E. zwar im Betrieb arbeiten gesehen, dies jedoch begrenzt auf zwei bis drei Samstage und ein bis zwei Wochen nicht vor Mai 2020. Diese Aussagen bestätigen ebenfalls nicht das Beweisthema, der Zeuge E. sei bereits im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung samstags und in den Abendstunden als Aushilfskraft eingesetzt gewesen und werde nach wie vor zu diesen Zeiten eingesetzt. So hat der Zeuge J., der der Lebensgefährte der Klägerin und der frühere Inhaber des Betriebs ist, nach seiner Aussage den Zeugen E., der mit dem Beklagten befreundet sei, einmal morgens gesehen. Der Zeuge hat weiter ausgesagt, zu einer Samstagsarbeit könne er nichts sagen, da er samstags selbst ganz selten da sei.

Die Ehefrau des Beklagten, die Zeugin A. hat ausgesagt, der Zeuge E. sei ein langjähriger Freund. Er habe sich irgendwann im Sommer 2020 – wie sie glaube – zwei Wochen Urlaub genommen und in diesem sowie an ein bis zwei Samstagen als Freundschaftsdienst beim Großauftrag ausgeholfen. Ansonsten sei der Zeuge E. nicht für den Beklagten tätig gewesen. Der Zeuge E. habe im Jahr 2020 kein Geld bekommen.

Der Zeuge O. hat vor Gericht geschildert, der Zeuge E. sei mal zwei Wochen „bei uns“ gewesen, auch ein, zwei Samstage, geschätzt Mitte 2020. Der Zeuge E. sei mit auf Montage in H. gewesen, wo er mitgeholfen habe Geländer zu montieren. Es sei schon sehr sehr warm gewesen in Richtung Regen rein. Der Zeuge E. sei ansonsten abends mal da gewesen, wenn sie gegrillt und zusammengesessen und ein Bierchen getrunken hätten. Der Zeuge E. habe aber nicht gearbeitet.

Der Zeuge P. hat ausgesagt, er wisse von zwei Wochen und zwei Samstagen. Weiter wisse er nichts. Es könnte vielleicht etwa Mitte letzten Jahres gewesen sein. Ansonsten habe er den Zeugen E. eigentlich nicht in der Firma gesehen. Er habe samstags öfters gearbeitet, weil halt viel zu tun gewesen sei. Er habe an zwei Samstagen mit dem Zeugen E. zusammengearbeitet, das seien jeweils höchstens fünf Stunden gewesen.

Auch der Zeuge Q. hat angegeben, dass der Zeuge E. mit dem Beklagten gut befreundet sei und irgendwie zum Team gehöre. Der Zeuge E. sei mal zum Kaffeetrinken da gewesen oder wegen einer Feier zum Grillen. Er könne sich erinnern, dass der Zeuge E. mal auf Montage dabei gewesen sei, Zeitraum letztes Jahr in der Sommerzeit. Er habe den Zeugen E. auch ab und zu samstags gesehen, so zwei bis drei Mal. Die Samstage hätten im Zusammenhang mit der Tätigkeit am Stück gestanden.

Der Zeuge F. hat ausgesagt, dass er voriges Jahr einmal samstags mit dem Zeugen E. in H. Geländer montiert habe. Das müsse Ende August gewesen sein. Der Zeuge F. kennt den Zeugen E. nach seiner Zeugenaussage von der Hochzeit des Beklagten und auch vom Grillen. Er sei nur einmal mit dem Zeugen E. in H. gewesen, wo der Zeuge E. geholfen habe, Geländer zu montieren.

Nach den insoweit übereinstimmenden Zeugenaussagen war der Zeuge E. eng mit dem Beklagten befreundet und hielt sich aus diesem Grund gelegentlich zu geselligen Anlässen, wie Grillen, im Betrieb auf. Für den Betrieb der Beklagten ist der Zeuge E. lediglich ausnahmsweise tätig geworden und dies nicht vor Mai 2020. Es handelte sich um eine Tätigkeit an ein bis zwei, nach Aussage des Zeugen Q. maximal drei, Samstagen sowie maximal zwei Wochen im (Früh-)Sommer 2020 mit Montagetätigkeiten im Rahmen des Großauftrags in H.. Die Zeugin A. hat ausdrücklich angegeben, es habe sich um einen „Freundschaftsdienst“ ohne Bezahlung gehandelt.

Lediglich der Zeuge F. hat bei seiner Aussage einen anderen Zeitraum, nämlich Ende August 2020 genannt, konnte aber auch nur einen Samstagseinsatz des Zeugen E. in diesem Zeitraum und keinen Einsatz vor Ende August 2020 bestätigen.

Soweit die Zeugenaussagen in Details voneinander abweichen und die Zeugen die „Mithilfe“ des Zeugen E. im Betrieb nicht zeitlich exakt einordnen konnten sowie seine Teilnahme an geselligen Anlässen geschildert haben, bestätigt auch dies nicht die Behauptung der Klägerin, dass der Zeuge E. bereits vor Mai 2020 regelmäßig als Arbeitnehmer für den Beklagten tätig geworden ist. Die Klägerin hat daher den ihr für die Berücksichtigung des Zeugen E. bei der Bestimmung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl im Sinn des § 23 Abs. 1 KSchG obliegenden Beweis nicht erbracht.

Nichts anderes ergibt sich aus dem Einladungsschreiben zur Eröffnung der neuen Fertigungshalle, in dem darauf hingewiesen wurde, ab dann sei man mit „10 Mitarbeitern, 2 Azubis und 2 Büroangestellten für sie da“. Aus dieser Formulierung lässt sich nicht entnehmen, dass im Betrieb zum 1. Januar 2020 mehr als zehn Arbeitnehmer im Sinn des § 23 Abs. 1 KSchG regelmäßig beschäftigt werden sollten und später tatsächlich beschäftigt wurden. Die Angabe im Einladungsschreiben berücksichtigt nicht, dass nach § 23 Abs. 1 S. 4 KSchG bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach § 23 Abs. 1 S. 2 und 3 teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer (hier der Mitarbeiter M., die Reinigungskraft und die Klägerin bzw. die Zeugin A.) mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen sind. Nicht berücksichtigt ist auch, dass der Beklagte als Betriebsinhaber im Einladungsschreiben nicht gesondert erwähnt und daher zu den angegebenen zehn Mitarbeitern gezählt worden ist.

II.

Der für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag betreffend die ordentliche Kündigung gestellte Weiterbeschäftigung ist nicht zur Entscheidung angefallen.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

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