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Prämienrückforderung durch Arbeitgeber

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 4 Sa 421/16 – Urteil vom 10.05.2017

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 7.7.2016, Az. 11 Ca 1091/15, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt abgeändert:

1) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 73,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz mit dem 18.3.2016 zu zahlen.

2) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im vorliegenden Berufungsverfahren noch über Ansprüche der Klägerin auf Rückzahlung von Prämien sowie auf Erstattung des Kaufpreises für von der Beklagten im Namen der Klägerin bestellte Kaffeekapseln.

Die Beklagte war vom 01.01.1998 bis zum 30.04.2015 bei der Klägerin, die eine Steuerberatungsgesellschaft führt, als Angestellte beschäftigt. Nach § 1 Abs. 1 des schriftlichen Arbeitsvertrages der Parteien vom 2.09.1998, hinsichtlich dessen Inhalts auf Blatt 8 ff. d. A. Bezug genommen wird, gehörten zu ihren Aufgaben die Erstellung der Lohnbuchhaltungen, Finanzbuchhaltungen sowie die Vorbereitung von Steuererklärungen und Abschlüssen für die Mandanten der Klägerin. Zuletzt war die Beklagte als Bilanzbuchhalterin bei der Klägerin tätig. Daneben war sie verantwortlich für die EDV und seit dem 01.11.2004 war sie als Datenschutzbeauftragte bestellt gewesen. Ihre vertragsgemäße Arbeitsvergütung belief sich zuletzt bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden auf 4.200,00 € brutto zuzüglich einer Direktversicherung von 146,00 € sowie einer betrieblichen Altersversorgung von 232,00 €.

Die Beklagte war Mitglied des Aufsichtsrats der Klägerin.

Bis 2014 unterhielt die Klägerin zwei Büros, eines in B., wo auch die Lohnunterlagen aufbewahrt werden, und ein weiteres in M.. Die Beklagte arbeitete in B., wo auch das seinerzeitige Vorstandsmitglied der Beklagten Matthias C., mit dem die Klägerin seit dem 19.12.2013 verheiratet ist, als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer tätig war.

Der Beklagten oblag auch die Erstellung der monatlichen Gehaltsabrechnungen der Mitarbeiter der Klägerin und die Vorbereitung der jeweiligen Gehaltsauszahlungen.

In den Jahren 2010 bis 2014 wurden an die Beklagte über deren vertraglich vereinbarte Arbeitsvergütung hinaus u. a. Prämien in Höhe von insgesamt 44.250,00 € ausgezahlt.

Am 03.11.2014 bestellte die Beklagte im Namen der Klägerin Kaffeekapseln für eine Espressomaschine zum Gesamtpreis von 73,80 €. Als Lieferadresse war das Büro der Klägerin in B. angegeben. Dort befand sich unstreitig keine entsprechende Espressomaschine. Ob sich eine solche im Büro der Klägerin in M. befand, ist zwischen den Parteien ebenso streitig wie die Frage, ob die Beklagte in ihrem Privathaus über eine solche Maschine verfügte. Die Beklagte brachte den Rechnungsbetrag vom Geschäftskonto der Klägerin zur Auszahlung.

Mit ihrer am 23.12.2015 beim Arbeitsgericht eingereichten und mit Schriftsatz vom 14.03.2016 reduzierten Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Rückzahlung von Überstundenvergütung, einer im Jahr 2011 gezahlten Urlaubsabgeltung, ausgezahlter Prämien sowie auf Erstattung des für den Erwerb von Kaffeekapseln gezahlten Betrages in Gesamthöhe von 52.343,90 € in Anspruch genommen.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 07.07.2016 (Bl. 353 – 363 d. A.).

Die Klägerin hat (zuletzt) beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 52.343,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB aus einem Betrag von

  • 2.100,00 EUR seit dem 20.11.2010
  • 1.900,00 EUR seit dem 20.12.2010
  • 1.750,00 EUR seit dem 20.03.2011
  • 3.500,00 EUR seit dem 20.04.2011
  • 3.500,00 EUR seit dem 20.05.2011
  • 1.750,00 EUR seit dem 20.06.2011
  • 1.000,00 EUR seit dem 20.11.2011
  • 1.615,80 EUR seit dem 20.11.2011
  • 250,00 EUR seit dem 20.12.2011
  • 2.000,00 EUR seit dem 20.04.2012
  • 3.500,00 EUR seit dem 20.08.2012
  • 3.500,00 EUR seit dem 20.09.2012
  • 3.500,00 EUR seit dem 20.10.2012
  • 4.000,00 EUR seit dem 20.11.2012
  • 4.000,00 EUR seit dem 20.12.2012
  • 1.000,00 EUR seit dem 20.01.2013
  • 1.442,50 EUR seit dem 20.01.2013
  • 1.000,00 EUR seit dem 20.02.2013
  • 1.538,50 EUR seit dem 20.02.2013
  • 1.538,50 EUR seit dem 20.03.2013
  • 1.000,00 EUR seit dem 20.06.2013
  • 615,40 EUR seit dem 20.08.2013
  • 1.000,00 EUR seit dem 20.10.2013
  • 769,40 EUR seit dem 20.11.2013
  • 1.000,00 EUR seit dem 15.08.2014
  • 3.000,00 EUR seit dem 20.10.2014
  • 73,80 EUR seit dem 20.11.2014

zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Sonja D., Matthias C. und Heidi F.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Seiten 4 – 15 (= Bl. 326 – 337 d. A.) der Sitzungsniederschrift vom 07.07.2016 verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 07.07.2016 abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 12 – 28 dieses Urteils (= Bl. 363 – 379 d. A.) verwiesen.

Gegen das ihr am 29.08.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28.09.2016 Berufung eingelegt und diese am Montag, dem 31.10.2016, begründet.

Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, weder das Vorbringen der Beklagten noch die Aussage des erstinstanzlich vernommenen Zeugen C. seien geeignet, die exorbitanten Prämienzahlungen an die Beklagte zu rechtfertigen. Dies gelte auch dann, wenn es die die einzelnen Auszahlungen betreffenden Zahlungsanweisungen des Zeugen C. tatsächlich gebe. Es lägen Umstände vor, die den Schluss nahelegten, dass die Beklagte die Prämien ohne Rechtsgrund erhalten habe. Ein außerordentlicher, zusätzlicher Arbeitseinsatz der Beklagten bzw. besondere Leistungen, die der Gewährung der Prämien zugrunde liegen könnten, seien nicht gegeben. Lediglich in den Jahren 2010, 2012 und 2013 habe die Beklagte Überstunden erbracht, in den Jahren 2011 und 2014 hingegen Minusstunden. Das Kriterium für Prämienauszahlungen für außerordentliche Arbeitseinsätze in Form von geleisteten Überstunden sei daher ein Scheinargument. Auf ihre Tätigkeit als Datenschutzbeauftragte könne die Beklagte die Auszahlung der Prämien ebenfalls nicht stützen. Dies ergebe sich bereits daraus, dass sie infolge ihrer Zuständigkeiten im EDV-Bereich nicht zugleich die Funktion einer Datenschutzbeauftragten hätte übernehmen dürfen. Die Aussage des Zeugen C., wonach die Prämienzahlungen im Jahr 2012 für auch an Samstagen und Sonntagen von der Beklagten bezüglich der Verschmelzung von Gesellschaften erbrachten Tätigkeiten geleistet worden seien, sei wenig glaubwürdig. Ausweislich der Leistungserfassungslisten habe die Beklagte im Jahr 2012 lediglich an vier Sonntagen und einem Samstag gearbeitet. Entgegen der Aussage des Zeugen C. habe die Beklagte für das „ARWA-Mandat“ im Jahr 2012 nicht am Wochenende gearbeitet. Der persönliche Umsatzanteil der Beklagten an dem betreffenden Mandat sei keineswegs so exorbitant, als dass man hierfür Prämien in Höhe von 20.000,00 € gewähren müsste. Im Vergleich zur Beklagten hätten andere Mitarbeiter wesentlich höhere Umsätze generiert. Der von der Beklagten selbst als Leistungsträger benannte Mitarbeiter B. habe keinerlei Prämien, die Mitarbeiterin M. lediglich zwei Essensgutscheine erhalten. Dieses Missverhältnis sei eklatant, zumal die höherqualifizierten Mitarbeiter M. und B. auch bereits ein niedrigeres Grundgehalt bezogen hätten als die Beklagte. Auch für das Mandat „U.-GmbH“ habe die Beklagte keinen außerordentlichen Arbeitseinsatz erbracht. Entsprechendes gelte für die Firma E. Schmuckwaren. Soweit der Zeuge C. eine im Jahr 2013 ausgezahlte Prämie von 4.000,00 € mit der Umstellung des Computersystems begründet habe, so sei zu berücksichtigen, dass die EDV zum vertraglichen Aufgabenbereich der Klägerin gehört habe. Insgesamt sei also festzustellen, dass die Beklagte keinen überobligatorischen Einsatz in zeitlicher Hinsicht erbracht habe, noch habe ein überobligatorischer Einsatz zu überdurchschnittlichen hohen Umsätzen geführt. Die Beklagte habe also über Jahre hinweg kollusiv mit dem damaligen Vorstand C. an sich selbst ungerechtfertigte Prämien ausgezahlt. Selbst wenn es entsprechende Zahlungsanweisungen des Vorstands C. gebe, so seien diese fingiert. Die Beklagte sei daher in Höhe der Prämienauszahlungen ungerechtfertigt bereichert. Darüber hinaus habe die Beklagte ihre vertragliche Nebenpflicht, den Arbeitgeber nicht zu schädigen, verletzt. Zu berücksichtigen sei auch, dass sie als Aufsichtsratsmitglied eine Kontrollfunktion gegenüber dem Vorstand auszuüben gehabt habe, wobei sie über diese Pflicht großzügig hinweggesehen habe. Die betreffenden Auszahlungen hätte sie nicht ausführen dürfen. Zumindest hätte sie auch den anderen Vorstand informieren müssen. Stattdessen habe sich die Beklagte Ende 2014 auf den Standpunkt gestellt, sie – die Klägerin – sei wirtschaftlich angeschlagen und einen Sanierungsplan gefordert. Da die Zahlungen an die Beklagte rechtsgrundlos und in kollusivem Zusammenwirken erfolgt seien, ergebe sich aus § 812 BGB sowie aus Deliktsrecht gemäß § 823 Abs. 1, 2 BGB der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch. Die Klage sei auch bezüglich der geltend gemachten Erstattung des für Kaffeekapseln gezahlten Betrages von 73,80 € begründet. In dem Büro in M. habe sich keine Kaffeemaschine befunden, für die die betreffenden Kapseln geeignet seien. Soweit das Arbeitsgericht im erstinstanzlichen Urteil ausführe, der Umstand, dass die Beklagte in ihrem Privatwohnhaus möglicherweise über eine entsprechende Kaffeemaschine verfüge, lasse nicht die sichere Feststellung zu, dass es sich bei der Bestellung der Kapseln um eine Bestellung für den Eigenbedarf gehandelt habe, so sei diese Annahme falsch.

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 31.10.2016 (Bl. 441 – 460 d. A.) sowie auf den Schriftsatz der Klägerin vom 13.04.2017 (Bl. 537 – 540 d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt, das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 44.323,80 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von

  • 2.100,00 € seit dem 20.11.2010
  • 1.900,00 € seit dem 20.12.2010
  • 1.750,00 € seit dem 20.03.2011
  • 3.500,00 € seit dem 20.04.2011
  • 3.500,00 € seit dem 20.05.2011
  • 1.750,00 € seit dem 20.06.2011
  • 1.000,00 € seit dem 20.11.2011
  • 1.615,80 € seit dem 20.11.2011
  • 250,00 € seit dem 20.12.2011
  • 2.000,00 € seit dem 20.04.2012
  • 3.500,00 € seit dem 20.08.2012
  • 3.500,00 € seit dem 20.09.2012
  • 3.500,00 € seit dem 20.10.2012
  • 4.000,00 € seit dem 20.11.2012
  • 4.000,00 € seit dem 20.12.2012
  • 1.000,00 € seit dem 20.01.2013
  • 1.000,00 € seit dem 20.02.2013
  • 1.000,00 € seit dem 20.06.2013
  • 1.000,00 € seit dem 20.10.2013
  • 1.000,00 € seit dem 15.08.2014
  • 3.000,00 € seit dem 20.10.2014
  • 73,80 € seit dem 20.11.2014

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 07.12.2016 (Bl. 524 – 532 d. A.), auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

I.

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch nur zu einem ganz geringen Teil Erfolg.

II.

1.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung der an sie ausgezahlten Prämien.

Das Berufungsgericht folgt insoweit den Ausführungen des Arbeitsgerichts unter I. 3. der Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils und stellt dies gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von der Darstellung eigener vollständiger Entscheidungsgründe wird daher abgesehen. Das Berufungsvorbringen der Klägerin bietet lediglich Anlass zu folgenden Ergänzungen:

a)

Der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch ergibt sich nicht aus § 812 Abs. 1 BGB. Die Beklagte ist durch die Prämienzahlungen nicht ungerechtfertigt bereichert, da es hinsichtlich dieser Zahlungen nicht an einem rechtlichen Grund i. S. v. § 812 Abs. 1 BGB fehlt.

Zwar hatte die Beklagte keinen vertraglichen Anspruch auf die Prämienzahlungen. Es handelte sich diesbezüglich um freiwillige Leistungen, die im Bereich des Arbeitsrechts nicht unüblich sind und denen keinerlei Rechtsanspruch des Arbeitnehmers zugrunde liegt. Den Rechtsgrund für solche freiwilligen Leistungen bildet in diesen Fällen die in irgendeiner Weise, u. U. alleine durch die Auszahlung nach außen hin zum Ausdruck gebrachte Entscheidung des Arbeitgebers, die betreffende Leistungen zu gewähren.

Danach kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass die Prämienzahlungen an die Beklagten ohne rechtlichen Grund erfolgten. Jedenfalls ist es der Klägerin nicht gelungen, das Fehlen eines Rechtsgrundes zu beweisen.

Das Arbeitsgericht ist nach zutreffender Beweiswürdigung zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass keinesfalls ausgeschlossen werden kann, dass jeder einzelnen Prämienzahlung an die Beklagte eine diesbezügliche, sogar schriftlich dokumentierte Zahlungsanordnung bzw. – Anweisung wie etwa diejenige vom 30.03.2012 (Bl. 314 d. A. ) des seinerzeitigen Vorstandsmitglieds Matthias C. zugrunde lag. Insoweit ist den Ausführungen des Arbeitsgerichts im erstinstanzlichen Urteil nichts hinzuzufügen. Die Beklagte hat auch nicht etwa geltend gemacht, das seinerzeitige Vorstandsmitglied Matthias C. sei im Außenverhältnis, d. h. auch gerade gegenüber der Beklagten nicht zur Entscheidung über die Gewährung von Prämien befugt bzw. vertretungsberechtigt gewesen.

Für die Frage, ob ein rechtlicher Grund für die Prämienauszahlungen bestand, ist es ohne Belang, ob die betreffenden freiwilligen Leistungen aus objektiver Sicht – etwa im Hinblick auf einen außerordentlichen Arbeitseinsatz der Beklagten – gerechtfertigt waren. Denn den rechtlichen Grund i. S. v. § 812 Abs. 1 BGB bildet, wie bereits ausgeführt, bei freiwilligen Leistungen, auf die keinerlei Rechtsanspruch besteht, bereits allein die irgendwie nach außen hin zum Ausdruck gekommene Entscheidung des Arbeitgebers, die Leistungen zu gewähren. Überdies steht dem Arbeitgeber bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen ein auch von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (BAG v. 21.10.2014 – 9 AZR 956/12 – AP Nr. 7 zu § 10 AGG).

Ausreichende Anhaltspunkte für ein kollusives Zusammenwirken zwischen der Beklagten und dem Zeugen Matthias C. bestehen nicht. Insbesondere lässt sich ein kollusives Zusammenwirken nicht bereits aus dem Umstand herleiten, dass die Beklagte seit dem 19.12.2013 mit dem seinerzeitigen Vorstandmitglied C. verheiratet ist und daher wohl bereits zuvor dessen Lebensgefährtin war. Auch die sonstigen zwischen den Parteien sowie zwischen der Klägerin und ihrem ehemaligen Vorstandsmitglied C. geführten Rechtsstreitigkeiten und die Ergebnisse der betreffenden Prozesse sind insoweit ohne Belang.

Die Klage ist auch, soweit sie auf § 812 BGB gestützt wird, hinsichtlich der Höhe des geltend gemachten Rückzahlungsanspruchs unschlüssig. Der von der Klägerin eingeklagte Betrag umfasst nämlich auch die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung. Insoweit hat der Arbeitgeber jedoch im Falle einer ungerechtfertigten Bereicherung des Arbeitnehmers regelmäßig nur Anspruch auf Abtretung des gegen die Sozialversicherungsträger nach §§ 26 Abs. 2, 3 SGB IV bestehenden Erstattungsanspruchs (BAG v. 29.03.2001 – 6 AZR 653/99 – AP Nr. 1 zu § 26 SGB IV: BAG v. 19.02.2004 – 6 AZR 664/02 – AP Nr. 3 zu § 70 BAT-O). Die Höhe der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung lassen sich dem von der Klägerin vorgetragenen Zahlenmaterial nicht entnehmen und sind daher nicht herausrechenbar mit der Folge, dass sich nicht feststellen lässt, in welcher Höhe ein auf Zahlung gerichteter Bereicherungsanspruch vorliegend begründet sein könnte.

b)

Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Schadenersatzanspruch auf Rückzahlung der geleisteten Prämien. Die Beklagte hat durch die Entgegennahme der Zahlungen, hinsichtlich derer das Fehlen eines Rechtsgrundes nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen nicht festgestellt werden kann, nicht gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen. Ebensowenig kann – wie bereits ausgeführt – von einem kollusiven Zusammenwirken der Beklagten mit dem seinerzeitigen Vorstandsmitglied Matthias C. ausgegangen werden. Ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB scheidet daher aus. Entsprechendes gilt hinsichtlich eines Anspruchs aus unerlaubter Handlung (§ 823 BGB). Soweit die an die Beklagte erfolgten Prämienzahlungen, wie von der Beklagten behauptet, aus objektiver Sicht nicht gerechtfertigt waren, so besteht u. U. eine Schadensersatzpflicht des seinerzeitigen Vorstandsmitglieds C., nicht hingegen eine Schadensersatzpflicht der Beklagten.

Die Klägerin kann den geltend gemachten Rückzahlungsanspruch auch nicht mit Erfolg damit begründen, die Beklagte habe ihre Pflichten als Aufsichtsratsmitglied verletzt. Der Aufsichtsrat hat nach § 111 Abs. 1 AktG die Geschäftsführung zu überwachen. Dass und ggf. ab welchem Zeitpunkt die Beklagte diese Pflicht in Ansehung der an sie erfolgten Prämienzahlungen verletzt habe könnte, ist nicht ersichtlich. Diesbezüglich fehlt es an jeglichem ausreichenden Sachvortrag der Klägerin.

II.

Die Berufung ist jedoch insoweit begründet, als die Klägerin ihren Anspruch auf Erstattung des von ihrem Konto gezahlten Kaufpreises von 73,80 € für den Erwerb der von der Beklagten bestellten Kaffeekapseln weiter verfolgt. Die Klägerin hat gegen die Beklagte nach § 280 Abs. I ZPO einen Schadensersatzanspruch in Höhe des beglichenen Kaufpreises.

Die Beklagte hat, indem sie die Auszahlung des Kaufpreises vom Konto der Klägerin veranlasste, gegen ihre arbeitsvertragliche Pflicht verstoßen, die Vermögensinteressen der Klägerin zu wahren. Wie sich aus der Rechnung vom 04.11.2014 (Bl. 41 d. A.) ergibt, erfolgte die Lieferung der Kaffeekapseln entsprechend den Angaben der Beklagten in der von ihr getätigten Bestellung an die Adresse des Büros der Klägerin in B.. Dort befand sich jedoch unstreitig zu keinem Zeitpunkt eine mit den betreffenden Kapseln zu befüllende Kaffeemaschine. Zwar behauptet die Beklagte, eine solche Kaffeemaschine habe sich im M.er Büro der Klägerin befunden. Der Sachvortrag der Beklagten lässt jedoch nicht erkennen, ob, wann und auf welche Weise die Kaffeekapseln zum Büro in M. verbracht wurden. Es ist daher davon auszugehen, dass die Bestellung der Kaffeekapseln von vornherein nicht im Interesse der Klägerin erfolgte und die gelieferte Ware auch nicht der Klägerin zur eigenen Verwendung zugeführt wurde. Der Klägerin ist daher ein Schaden in Höhe des Kaufpreises entstanden.

Der ausgeurteilte Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

III.

Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Für die Zulassung der Revision bestand nach den Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

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