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Prozesskostenhilfe bzgl. Zeugniserteilung im Falle einer arbeitgeberseitigen Kündigung

Landesarbeitsgericht Berlin, Az.: 3 Ta 1034/02, Urteil vom 19.06.2002

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 7. Mai 2002 — 34 Ca 7863/02 — wird zurückgewiesen.

Gründe

Prozesskostenhilfe bzgl. Zeugniserteilung im Falle einer arbeitgeberseitigen Kündigung
Symbolfoto: maxxyustas/Bigstock

I. Die Klägerin (Beschwerdeführerin) hat sich gegen eine ihr erklärte Kündigung gewandt; sie hat sich dabei auf eine zur Zeit der Kündigung bestandene Schwangerschaft und den daraus resultierenden besonderen Kündigungsschutz berufen.

Die Kündigungsschutzklage hat die Klägerin mit einem Antrag auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses verbunden. Die Klageschrift enthält dazu keinerlei gesonderte Begründung. Die Klageeinlassung der Beklagten ist auf diesen Klageteil nicht eingegangen.

Zu dem in der Klageschrift gestellten Prozesskostenhilfeantrag hat die Klägerin im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht vom 11. April 2002 die Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht. Über die Prozesskostenhilfe ist in diesem Termin nicht entschieden worden.

Unter dem 17. April 2002 nahm die Beklagte die Kündigung zurück. Mit Schriftsatz vom 18. April 2002 hat die Klägerin die Klage im Umfang der Zeugniserteilung zurückgenommen.

Durch einen verkündeten Beschluss vom 7. Mai 2002 hat das Arbeitsgericht dem Prozesskostenhilfeantrag allein im Umfang der Kündigungsschutzklage stattgegeben, ihn im übrigen zurückgewiesen und dabei zur Begründung auf die sich als rechtsunwirksam herausgestellte Kündigung verwiesen.

Gegen den der Klägerin am 28. Mai 2002 zugestellten Beschluss richtet sich ihre beim Arbeitsgericht am 3. Juni 2002 eingegangene sofortige Beschwerde, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

Die hinreichende Erfolgsaussicht sei auch bezüglich ihres Antrags auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses gegeben gewesen, da dieser Anspruch unabhängig von der erhobenen Kündigungsschutzklage anlässlich der erklärten Kündigung bestanden habe.

Die Klägerin beantragt, ihr für die erste Instanz rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung bezogen uneingeschränkt Prozesskostenhilfe unter Beiordnung … ihrer Prozessbevollmächtigten zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt den angefochtenen Beschluss im Umfang seiner Zurückweisung.

II.

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 7. Mai 2002 ist gemäß § 11 a Abs. 3 ArbGG i.V.m. §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO n.F., § 78 Satz 1 ArbGG n.F. statthaft. Dabei ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die Klage im Umfang des Zeugnisanspruchs den notwendigen Beschwerdewert gemäß § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG n.F. überschreitet, ohne dem das Rechtsmittel im Prozesskostenhilfeverfahren nicht statthaft wäre (§ 127 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbs. ZPO). Da der Wert eines Zeugniserteilungsanspruchs nur bei Vorliegen von Besonderheiten unterhalb eines Monatsverdienstes festzusetzen ist, im vorliegenden Fall jedenfalls ein Wert von nicht weniger als einem halben Monatsverdienst anzusetzen ist, was einen Betrag von 664,73 EUR ergibt, ist es nicht zu beanstanden, dass das Arbeitsgericht die Beschwerdefähigkeit seiner Entscheidung angenommen und demgemäß eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

Das Rechtsmittel ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 11 a Abs. 3, 78 Satz 1 ArbGG, §§ 127 Abs. 2 Satz, 569 ZPO).

Die sofortige Beschwerde ist auch nicht deswegen unzulässig, weil sie erst nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens, wofür die Prozesskostenhilfe von der Klägerin begehrt wird, eingelegt worden ist. Hat der Beschwerdeführer den Prozesskostenhilfeantrag so vollständig gestellt, dass über ihn noch vor dem Instanzende hätte entschieden werden können, ergeht aber ein Prozesskostenhilfebeschluss erst mit Beendigung der Instanz, so kann dies dem Antragsteller nicht in der Weise zum Nachteil gereichen, dass ihm allein dadurch eine Anfechtungsmöglichkeit genommen wird. Daran ändert hier auch nichts der Umstand, dass das Instanzende hinsichtlich der Klage auf Zeugniserteilung schon mit Eingang der darauf bezogenen, teilweisen Klagerücknahme vom 18. April 2002 eingetreten ist. Denn über den Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin hätte schon im Gütetermin entschieden werden können.

2. Die sofortige Beschwerde ist hingegen in der Sache unbegründet.

a) Die Voraussetzungen des § 11 a Abs. 3 ArbGG i.V.m. § 114 ZPO haben nicht vorgelegen, soweit es um die Klage auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses gegangen ist.

aa) Das Beschwerdegericht ist dabei zu Gunsten der Klägerin davon ausgegangen, dass es für die Frage der Prozesskostenhilfebewilligung allein auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife ankommt und nicht auf den der Entscheidung (so wohl das Arbeitsgericht) oder gar auf den der Beschwerdeentscheidung abzustellen ist. Dies ist immer dann anzunehmen, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife die Voraussetzungen der Prozesskostenbewilligung vorgelegen haben, das Erstgericht aber die Entscheidung darüber verzögert hat, ohne dass der Antragsteller dies hätte verhindern können (vgl. dazu Zöller-Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 119, Rdnr. 44 — 47; vgl. zur Rechtsprechung aus neuerer Zeit: HessLAG, Beschluss vom 15.8.1997 — 3 Ta 351/97 –; LAG Düsseldorf, Beschluss vom 29.11.1999 — 15 Ta 553/99; Pfälz. OLG, JurB 00, 312; OLG Nürnberg JurB OO, 313). Im Streitfall ist Entscheidungsreife zum Zeitpunkt des Gütetermins vom 11. April 2002 gegeben gewesen; es hat ein vollständiger Antrag und die Klageeinlassung der Beklagten vorgelegen.

Ob nun von den dargestellten Grundsätzen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beurteilung der Voraussetzungen des Prozesskostenhilfeantrags hier wieder deswegen abgewichen werden muss, weil zum Zeitpunkt der Entscheidung des Arbeitsgerichts die Klage zurückgenommen gewesen ist, hat das Beschwerdegericht dahingestellt bleiben lassen können.

bb) Es mag zutreffen, dass der Klägerin zum Zeitpunkt der Klageerhebung und auch noch zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife ein Anspruch auf Zeugniserteilung unabhängig von ihrer Kündigungsschutzklage zugestanden hat (vgl. etwa ErfK-Müller-Glöge, 2. Aufl. BGB, § 630, Rdnr. 22 f.) und damit eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO hätte angenommen werde müssen.

Die Klägerin hat aber die Klage insoweit mutwillig erhoben; dies schließt eine Prozesskostenbewilligung aus. Mutwilligkeit liegt vor, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihr Recht nicht in gleicher Weise verfolgt hätte (vgl. Zöller-Philippi, ZPO § 114, Rdnr. 30 m.w.N.). Dies muss sich die Klägerin hier entgegenhalten lassen.

Weder aus ihrem vorgerichtlichen Schreiben vom 17. März 2002 noch aus ihrer Klageschrift noch sonst wie ergibt sich, dass die Klägerin vor Klageerhebung den Anspruch auf Zeugniserteilung nach Erhalt der Kündigung gegenüber der Beklagten jemals geltend gemacht hat. Auch die Beklagte selbst hat in ihrer Klageeinlassung sich nur damit befasst, dass die durch sie erklärte Kündigung rechtswirksam ist, ohne den geltend gemachten Anspruch auf Zeugniserteilung, der ja gerade bei Wirksamkeit der Kündigung zu erfüllen ist, auch nur ansatzweise in Abrede zu stellen. Bei dieser Sachlage hätte jede verständige Partei zunächst davon abgesehen, den Anspruch durch Klage zu verfolgen, und zunächst gegenüber der Beklagten die Zeugniserteilung außergerichtlich verlangt. Die Klageerhebung ist mithin mutwillig erfolgt.

b) Das Beschwerdegericht hat dem Rechtsmittel auch nicht teilweise mit der Maßgabe stattgeben können, der Klägerin die Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten nach § 11 a Abs. 1 ArbGG zu gewähren. Zwar ist die Beklagte bei Entscheidungsreife rechtsanwaltlich vertreten gewesen, so dass grundsätzlich eine derartige Beiordnung in Betracht gekommen wäre (vgl. dazu Germelmann-Matthes-Prütting-Müller-Glöge, ArbGG, 4. Aufl., § 11 a, Rdnr. 49). Auch kann eine Entscheidung über die Beiordnung im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens als ein Minus zur nicht gewährten Prozesskostenhilfe auch ohne eine entsprechende Erklärung des Antragstellers ergehen (ablehnend: Germelmann-Matthes-Prütting-Müller-Glöge, ArbGG, § 11 a, Rdnr. 3, mit Hinweisen auf die entgegenstehende Rechtsprechung). Jedoch ist die Rechtsverfolgung durch die Klägerin im Umfang des Zeugniserteilungsantrags als offensichtlich mutwillig im Sinne des § 11 a Abs. 2 ArbGG anzusehen. Jeder verständigen Partei — noch dazu, wenn sie anwaltlich vertreten ist — wäre auf den ersten Blick erkennbar gewesen, dass die Kündigungsschutzklage ohne eine vorgerichtliche, erfolglose Geltendmachung eines Zeugnisses nicht sogleich mit einer Klage auf Zeugniserteilung hätte verbunden werden müssen, wenn — wie hier — keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass der Arbeitgeber nach Ausspruch der Kündigung nicht dazu bereit ist, dem Arbeitnehmer ein Zeugnis auszustellen.

Einer Kostenentscheidung hat es nicht bedurft.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde hat kein gesetzlich begründeter Anlass bestanden (§§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG).

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