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Sachgrundlose Arbeitsvertragsbefristung bei Unternehmensgründung

Landesarbeitsgericht Bremen – Az.: 2 Sa 159/16 – Urteil vom 11.05.2017

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven vom 07.09.2016 – 7 Ca 7207/15 – abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer sachgrundlosen Befristung.

Die am 07.10.1988 geborene Klägerin war bei der Beklagten seit dem 26.03.2013 als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien beruht auf dem Arbeitsvertrag vom 26.03.2013 (Blatt 3-8 d.A.) und war zunächst bis zum 31.03. 2014 befristet. Unter dem 07.03.2014 vereinbarten die Parteien eine Verlängerung dieser Befristung bis zum 31.03.2015 (Blatt 9 d.A.) und am 19/24.03.2015 bis zum 31.07.2015 (Blatt 10 d.A.). Seit dem 11.05.2015 unterlag die Klägerin einem Beschäftigungsverbot wegen einer bestehenden Schwangerschaft (Bl. 11 der Akte). Für die Zeit nach der Geburt ihres Kindes hatte die Klägerin für den Zeitraum vom 13.10.2015 bis einschließlich zum 14.10.2016 Elternzeit beantragt, die beklagtenseits bestätigt worden war, wobei nicht vorgetragen wurde, ob die Bestätigung der Elternzeit vor oder nach dem 31.07.2015 erfolgt ist.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der SB M.     , welches am 24.06.2011 ins Handelsregister eingetragen wurde und ihre Geschäftstätigkeit in Bremen am 01.09.2011 aufgenommen hat, um in Bremen einen neuen zusätzlichen Möbelstandort zu erschließen.Die einzige Niederlassung der Beklagten befindet sich in Bremen. Vor dem Beginn der Geschäftstätigkeit der Beklagten hat kein Unternehmen der SB M. unternehmerische Aktivitäten im Gebiet Bremen ausgeübt. In der Gewerbeanmeldung, welche durch die Komplementärin der Beklagten erfolgt ist, hat diese angegeben, dass die Anmeldung wegen der Neugründung einer unselbstständigen Zweigstelle erstattet werde, sich die Betriebsstätte der Beklagten in Bremen und die Hauptniederlassung in Porta Westfalica befinden werde. Wegen der Einzelheiten der Gewerbeanmeldung wird auf die Blätter 24 bis 25 der Akte verwiesen.

Die unter dem 26.01.2015 veröffentliche Bilanz der P.      GmbH & Co KG mit Sitz in Porta Westfalica weist die Beklagte als 100%tiges Tochterunternehmen der P.      GmbH & Co KG aus. Die Beklagte legt keine eigene Bilanz oder Gewinn- bzw. Verlustrechnung vor, vielmehr ist gemäß § 264 Abs. 3 HGB von der Möglichkeit einer gemeinsamen Bilanz von Mutter- und Tochtergesellschaft Gebrauch gemacht worden. Der Konzern verfügt über eine Vielzahl von Tochtergesellschaften, die ebenfalls gemeinsam mit der Konzernmutter bilanzieren. Der Konzern hat im Jahr 2013/2014 insgesamt 6.618 Mitarbeiter beschäftigt und war bereits im Jahr 2011 länger als vier Jahre im Bereich des Handels mit Möbeln und ähnlichem tätig. Wegen der Einzelheiten der Bilanz wird auf die Blätter 32 bis 39 der Akte verwiesen.

Mit ihrer Klage vom 21.08.2015, beim Arbeitsgericht Bremen – Bremerhaven eingegangen am selben Tag, hat sich die Klägerin gegen die Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 31.07.2015 gewandt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe das Arbeitsverhältnis nicht über einen Zeitraum von zwei Jahren hinaus sachgrundlos befristen dürfen. Soweit sich die Beklagte darauf berufe, dass es sich bei ihr um neu gegründetes Unternehmen nach § 14 Abs. 2a Teilzeit– und Befristungsgesetz (TzBfG) handele, könne sich die Beklagte auf diese Privilegierung nicht berufen, da es sich um eine Niederlassung handele, die selber kein wirtschaftliches Risiko trage. Dieses werde ausweislich der gemeinsamen Bilanzierung mit der Muttergesellschaft gemäß § 264 Abs. 3 Nr. 2 HGB vollständig von der Muttergesellschaft getragen. § 14 Abs. 2a TzBfG wolle jedoch lediglich Existenzgründern die Entscheidung zur Einstellung von Mitarbeitern in der Aufbauphase, in der der Personalbedarf schwer abzuschätzen sei und in der besondere wirtschaftliche Risiken bestünden, erleichtern. § 14 Abs. 2a TzBfG müsse daher für den vorliegenden Fall der Gründung einer Tochtergesellschaft ohne eigenes wirtschaftliches Risiko teleologisch reduziert werden. Zumindest läge eine Umstrukturierung im Sinne von § 14 Abs. 2a S. 2 TzBfG vor. Von einer Umstrukturierung im Sinne dieser Vorschrift müsse man auch ausgehen, wenn ein bisher verfolgtes unternehmerisches Engagement in einer neuen Rechtsform mit einer erweiterten Zielsetzung, wie der vorliegenden Ausweitung des dem Konzern bereits bekannten Möbelgeschäfts auf eine andere Region, fortgeführt werde. In diesem Falle bestehe nicht das vom Gesetzgeber vorausgesetzte nicht abschätzbare wirtschaftliche Risiko eines Existenzgründers. Zweck der Vorschrift sei es nicht, Konzernen die Möglichkeit zu eröffnen, sich dem Befristungskontrollrecht durch Gründung von Tochtergesellschaften zu entziehen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der zuletzt mit der Verlängerung der Befristung im Anstellungsvertrag vom 19./24.03.2015 vereinbarten Befristung zum 31.07.2015 beendet ist, sondern über diesen Zeitraum hinaus fortbesteht;

2. die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu unveränderten Arbeitsbedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens als kaufmännische Angestellte weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass der Arbeitsvertrag der Klägerin nach § 14 Abs. 2a TzBfG bis zu vier Jahre sachgrundlos befristet werde durfte. Bei der Beklagten habe es sich um eine Neugründung im Sinne dieser Vorschrift gehandelt. Soweit es um das eigene wirtschaftliche Risiko der Beklagten gehe, liege dieses bei der Beklagten selbst. Es sei unerheblich, ob dieses Risiko von ihr allein zu tragen sei. Vielmehr sei bei der Erschließung des Standortes Bremen nicht absehbar gewesen, inwieweit sich dieser Standort als rentabel erweisen würde und wie viele Mitarbeiter tatsächlich für den einzigen Möbelmarkt der Beklagten gebraucht würden. Die Auffassung der Klägerin würde dazu führen, dass alle Unternehmensgruppen, die neue Standorte erschließen und damit regional zusätzliche Arbeitsplätze schaffen, von der Regelung des § 14 Abs. 2a TzBfG ausgenommen würden.

Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven hat durch Urteil vom 07.09.2016 – 7 CA 7207/15 – festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der zuletzt mit der „Verlängerung der Befristung im Anstellungsvertrag“ vom 19./24.03.2015 vereinbarten Befristung zum 31.07.2015 beendet wurde und die Beklagte verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens vorläufig weiter zu beschäftigen. § 14 Abs. 2a TzBfG bezwecke ausschließlich die Privilegierung echter Existenzgründungen, welche regelmäßig mit einem erheblichen wirtschaftlichen Risiko und mit einem schwer abzuschätzenden Personalbedarf einhergingen. die Beklagte sei kein neu gegründetes Unternehmen in diesem Sinne. Für expandierende Unternehmen oder Konzerne, welche neue Betriebe eröffnen, sei die Privilegierung des § 14 Abs. 2a TzBfG nicht gedacht. Dies müsse unabhängig davon gelten, ob ein Unternehmen eine weitere Niederlassung eröffne oder zum Zwecke der Eröffnung einer weiteren Niederlassung zunächst eine Tochtergesellschaft gründe. Wenn eine solche Tochtergesellschaft kein eigenes wirtschaftliches Risiko trage, sei sie kein neu gegründetes Unternehmen im Sinne von § 14 Abs. 2a TzBfG.

Gegen dieses Urteil, dass der Beklagten am 08.10.2016 zugestellt wurde (Bl. 84 d. A.), hat sie mit Schriftsatz vom 03.11.2016, beim Landesarbeitsgericht am selben Tage eingegangen (Bl. 86 d. A.), Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 08.12.2016, der am selben Tage beim Landesarbeitsgericht einging (Bl. 100 d. A.), begründet.

Die Beklagte hält das arbeitsgerichtliche Urteil für fehlerhaft. Es lägen alle Voraussetzungen für eine wirksame Befristung nach § 14 Abs. 2a TzBfG vor. Bei der Beklagten handele es sich um ein neu gegründetes Unternehmen. Die Beklagte sei daher gemäß § 14 Abs. 2a TzBfG privilegiert. Für eine einschränkende Auslegung sei angesichts des klaren Wortlautes der Vorschrift kein Raum. Um eine Umstrukturierung im Sinne von § 14 Abs. 2a S. 2 TzBfG habe es sich ebenfalls nicht gehandelt. Denn es sei nicht bloß eine bestehende unternehmerische Betätigung in eine neue rechtliche Struktur verlagert worden, die Beklagte habe vielmehr unstreitig einen neuen Möbelmarkt eröffnet.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 07. September 2016, 7 CA 7207/15 wird abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. § 14 Abs. 2a TzBfG sei einschränkend dahingehend auszulegen, dass ein Unternehmen, welches lediglich einen weiteren Betrieb eröffne nicht vom Befristungsprivileg profitieren dürfe. Dies müsse auch für den Fall der Eröffnung eines weiteren Betriebes durch eine zu diesem Zweck gegründete Tochtergesellschaft gelten. Es könne nicht sein, dass eine Vielzahl von Handelskonzernen regelmäßig ohne die Gründung von Tochtergesellschaften neue Filialen (Betriebe) eröffneten und nicht von dem Befristungsprivileg profitieren können, der Konzern der Beklagten dagegen durch die bloße Zwischenschaltung von Tochtergesellschaften schon. Diese Ungleichbehandlung sei sachlich und nach dem Zweck des Gesetzes nicht gerechtfertigt. Der Gesetzgeber habe bei Einführung des § 14 Abs. 2a TzBfG lediglich Existenzgründer privilegieren wollen, für welche der wirtschaftliche Erfolg ihrer Existenzgründung besonders ungewiss sei.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie wegen ihrer Rechtsausführungen im Übrigen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig und begründet.

I.

Die Berufung ist gem. § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft. Sie ist im Sinne der §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit zulässig.

II.

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Die zulässige Klage ist unbegründet. Das Urteil des Arbeitsgerichts vom 07.09.2016 war dementsprechend abzuändern und die Klage abzuweisen.

A.

Bei der Beklagten hat es sich im maßgeblichen Zeitpunkt des Beginns des ersten befristeten Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin am 26.03.2013 um ein Unternehmen innerhalb der ersten vier Jahre nach seiner Gründung im Sinne von § 14 Abs. 2a Satz 1 TzBfG gehandelt, ohne dass es sich dabei um eine Neugründung im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen oder Konzernen im Sinne von § 14 Abs. 2a Satz 2 TzBfG gehandelt hat.

Hierzu im Einzelnen:

1.

Gemäß § 14 Abs. 2a Satz 1 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes in den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens zulässig. Maßgeblich für den Zeitpunkt der Gründung des Unternehmens im Sinne der Vorschrift ist dabei gemäß § 14 Abs. 2a S. 3 TzBfG die Aufnahme der Erwerbstätigkeit, welche nach § 138 der Abgabenordnung der Gemeinde oder dem Finanzamt mitzuteilen ist. Gemäß § 138 der Abgabenordnung ist die Eröffnung von Betrieben, nicht schon der Beginn von Vorbereitungshandlungen anzuzeigen. Um die Neugründung eines Unternehmen handelt es sich dabei immer, wenn eine juristische Person neu entsteht und unternehmerisch tätig wird oder eine vorher nicht selbstständig tätige natürliche Person eine gewerbliche oder freiberufliche Erwerbstätigkeit im Sinne des § 138 AO aufnimmt (ErfK 17. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 103). Die Privilegierung, Arbeitsverträge ohne sachlichen Grund bis zur Dauer von vier Jahren befristen zu dürfen gilt dabei gemäß § 14 Abs. 2a S. 2 TzBfG nicht für Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen. Diese Einschränkung bezweckt ausweislich der Gesetzesbegründung, dass die längere Befristungsmöglichkeit entsprechend der Regelung zur Befreiung von neu gegründeten Unternehmen von der Sozialplanpflicht nach § 112a Abs. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) nur bei einem unternehmerischen Neuengagement, nicht jedoch für Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen gelten solle (BT-Drucksache 15/1204 Bl.10). Wegen des identischen Wortlautes von § 14 Abs. 2a Satz 2 TzBfG und § 112a Abs. 2 Satz 2 BetrVG und der ausdrücklichen Bezugnahme auf § 112a BetrVG in der Gesetzesbegründung ist nach der zutreffenden herrschenden Meinung § 14 Abs. 2a Satz 2 TzBfG ebenso auszulegen wie § 112a Absatz 2 Satz 2 BetrVG (vgl. nur Meinel in Meinel u.a. TzBfG 5. Aufl. § 14 Rn. 299 sowie Backhaus in Kündigungsrecht 5. Auflage Rn. 415f). Zu § 112a Abs. 2 Satz 2 BetrVG hat das Bundesarbeitsgericht zutreffend folgendes ausgeführt:

„Die Befreiung von der Sozialplanpflicht gilt nach § 112 a Abs. 2 Satz 2 BetrVG jedoch nicht für ein neugegründetes Unternehmen, dessen Gründung im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen oder Konzernen erfolgt ist. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht einen solchen Zusammenhang bei der Gründung der Gemeinschuldnerin verneint. Mit der Ausnahmeregelung in § 112 a Abs. 2 Satz 2 BetrVG wollte der Gesetzgeber Unternehmen und Konzerne, die rechtlich umstrukturiert werden und bei denen Unternehmen nur formal neugegründet werden, von der Privilegierung des § 112 a Abs. 2 Satz 1 BetrVG ausnehmen (vgl. die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 10/2102, S. 28). Nach den Gesetzesmaterialien gehören zu den Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen die Verschmelzung bestehender Unternehmen auf ein neugegründetes Unternehmen, die Umwandlung eines bestehenden Unternehmens auf ein neugegründetes Unternehmen, die Auflösung eines bestehenden Unternehmens und die Übertragung seines Vermögens auf ein neugegründetes Unternehmen, die Aufspaltung eines bestehenden Unternehmens auf mehrere neugegründete Unternehmen und die Abspaltung von bestehenden Unternehmensteilen auf neugegründete Tochtergesellschaften. Die Aufzählung ist nur beispielhaft und nicht abschließend gemeint (Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., §§ 112, 112 a, Rz 18 a). Der Ausschluß vom Sozialplanprivileg ist auch sachgerecht, da anderenfalls die „Flucht aus dem Sozialplan“, bezogen auf die bereits vor der Umstrukturierung im Unternehmen oder Konzern beschäftigten Arbeitnehmer durch Rechtsgeschäft möglich wäre, ohne daß es zu einem im Sinne von § 112 a Abs. 2 BetrVG relevanten unternehmerischen Neuengagement käme (Willemsen, Anm. zu BAG AP Nr. 3 zu § 112 a BetrVG 1972).

1. Voraussetzung für eine rechtliche Umstrukturierung von Unternehmen in diesem Sinne ist nicht, daß schon bestehende Unternehmen dabei in ihrer rechtlichen Struktur geändert werden. Gerade die auch genannte Abspaltung von bestehenden Unternehmensteilen auf neugegründete Tochtergesellschaften macht deutlich, daß der Gesetzgeber auch Fälle erfassen wollte, in denen bestehende Unternehmen in ihrer rechtlichen Struktur und ihrem Bestand unverändert bleiben. Die Abspaltung von bestehenden Unternehmensteilen bezieht sich daher nicht auf bestehende rechtliche Einheiten, sondern auf abgrenzbare unternehmerische Aktivitäten, deren Wahrnehmung von einer rechtlichen Einheit auf eine andere verlagert wird. Es geht nicht um die Änderung bestehender rechtlicher Strukturen, d.h. von bestehenden Unternehmen als juristischen Personen, sondern darum, daß bestehende unternehmerische Aktivitäten innerhalb von rechtlichen Strukturen wahrgenommen werden, die sich von den bisher bestehenden unterscheiden (Loritz, NZA 1993, 1111; Willemsen, DB 1990, 1408). (BAG, Beschluss vom 22. Februar 1995 – 10 ABR 21/94 –, Rn. 24, juris; vgl. ähnlich auch BAG, Beschluss vom  27. Juni 2006 – 1 ABR 18/05 – Rn. 43 juris)

Damit handelt es sich im Ergebnis immer dann um eine Neugründung im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen oder Konzernen, wenn bereits bestehende unternehmerische Aktivitäten nunmehr von neu gegründeten Unternehmen betrieben werden, jedoch weiterhin innerhalb desselben Konzerns. Nicht um Umstrukturierungen in diesem Sinne handelt es sich in Abgrenzung hiervon, wenn nicht bestehende unternehmerische Aktivitäten verlagert werden, sondern ein innerhalb eines Konzernverbundes neu gegründetes Unternehmen z.B. als Tochtergesellschaft neue unternehmerische Aktivitäten entfaltet und es damit zu dem gesetzgeberisch bezweckten unternehmerischem Neuengagement kommt.

Für die durch das Arbeitsgericht vorgenommene Auslegung, dass es sich in dem Fall der Neugründung einer Tochtergesellschaft jedenfalls dann bereits nicht um die Gründung eines Unternehmens im Sinne von § 14 Abs. 2a Satz 1 TzBfG handele, wenn die Tochtergesellschaft, wegen einer vollständigen Haftung einer bereits mehr als vier Jahre tätigen Konzernmuttergesellschaft im Innenverhältnis, kein wirtschaftliches Risiko trage, besteht mangels planwidriger Regelungslücke des Gesetzes kein Raum. Zudem gebietet auch der sich aus der Gesetzesbegründung ergebene Gesetzeszweck nicht das durch das Arbeitsgericht gefundene Ergebnis.

Für die durch das Arbeitsgericht gefundene und von der Klägerin angenommene Auslegung des Gesetzes spricht zunächst, dass der Gesetzgeber im Jahr 2003 zur Begründung des Gesetzes ausführte, dass für Existenzgründer der wirtschaftliche Erfolg besonders ungewiss sei und sie in der Aufbauphase kaum abschätzen können, wie sich das Unternehmen entwickeln und wie hoch der Personalbedarf sein werde (BT-Drucksache 15/2014 Bl.10). Als Existenzgründer wird im allgemeinen Sprachgebrauch in erster Linie jemand bezeichnet, der sozusagen aus dem unternehmerischen Nichts heraus ein Unternehmen gründet und mit einer neuen unternehmerischen Aktivität beginnt. Die von einer bereits vorerfahrenen anderen Gesellschaft gegründete Tochtergesellschaft dürfte im allgemeinen Sprachgebrauch nicht unter den Begriff des Existenzgründers fallen. Zudem dürfte für einen Konzern, welcher über Tochtergesellschaften bereits in vielen Regionen Einzelhandelsfilialen betreibt, aufgrund der vorhandenen Erfahrungen und der für einen Konzern unschwer zu erstellenden Marktanalysen auch eine im Vergleich zu einer Unternehmensgründung „aus dem Nichts heraus“ deutlich verbesserte Möglichkeit zur Abschätzung des Personalbedarfs bestehen. Dementsprechend wurde in der Literatur schon zu der vergleichbaren Gesetzesbegründung zu § 112a Abs. 2 BetrVG vertreten, dass der Gesetzgeber als Motiv für den Erlass der Vorschrift wohl vorrangig die Existenzgründung „aus dem Nichts heraus“ vor Augen gehabt habe (vgl. Loritz „die „Neugründung“ eines Unternehmens und die Befreiung von der Sozialplanpflicht nach § 112a Abs. 2 BetrVG NZA 1993,1105, 1111 m.w.N.)

Ebenso wie der Wortlaut von § 112a Abs. 2 Satz 1 BetrVG erfasst der Wortlaut von § 14 Abs. 2a Satz 1 TzBfG jedoch unzweideutig sämtliche Neugründungen von Unternehmen mit Ausnahme der Unternehmensneugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen. Eine unschwer mögliche weitere Einschränkung auf bestimmte Unternehmensgründungen ist nicht vorgenommen worden. Wie bereits zutreffend in der Rechtsprechung zu § 112a Abs. 2 BetrVG entwickelt, hat die vorgenannte etwaige Motivation des Gesetzgebers damit keinen Niederschlag im Gesetz gefunden. Historisch ist dabei in Bezug auf § 14 Absatz 2a TzBfG zu beachten, dass der Gesetzgeber sich im Jahr 2003 in anzunehmender Kenntnis der bereits zuvor ergangenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zur Auslegung des Begriffes der Unternehmensneugründung und den Voraussetzungen für einen Zusammenhang mit einer rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 112a BetrVG für eine fast identische Regelung entschieden hat, ohne weitergehende Einschränkungen des Begriffs der Unternehmensneugründung vorzunehmen. Hieraus ist zu schließen, dass der Ausschluss bestimmter Unternehmensneugründungen, wie die Gründung von Tochtergesellschaften, nicht beabsichtigt gewesen ist. Vielmehr ist in der Gesetzesbegründung ausdrücklich ausgeführt, dass das gesetzgeberische Ziel, die längere Befristungsmöglichkeit auf Fälle eines unternehmerischen Neuengagement zu begrenzen, gerade durch die Übernahme der Regelung aus § 112a Abs. 2 Satz 2 BetrVG erreicht werden soll (BT-Drucksache 15/2014 Bl. 10 II. Satz 8). Eine planwidrige Regelungslücke ist damit nicht zu erkennen. Auch der Zweck des Gesetzes führt nicht zwingend zu der von der Klägerin und dem Arbeitsgericht angenommenen Auslegung. Denn auch wenn der Gesetzgeber vorrangig Existenzgründungen aus dem Nichts heraus vor Augen gehabt haben mag, ist es der Hauptzweck des Gesetzes, durch den Abbau eines angenommenen Einstellungshindernisses unternehmerisches Neuengagement zu fördern, welches mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze verbunden ist. Auch der Beginn einer neuen unternehmerischen Aktivität durch eine Tochtergesellschaft ist regelmäßig mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze verbunden und dürfte zudem regelmäßig mit einer Aufbauphase im Hinblick auf den neuen Betrieb einhergehen, in welcher der wirtschaftliche Erfolg der neuen Aktivität ungewiss und der Personalbedarf schwerer abzuschätzen ist, als im bereits bestehenden Geschäft. Der mit dem Gesetz vorrangig verfolgte Zweck wird daher auch in dieser Konstellation erreicht.

Die Ungleichbehandlung mit bereits länger tätigen Unternehmen, welche ihr bestehendes Geschäft z.B. durch die Eröffnung eines weiteren eigenen Betriebs erweitern, ist im Gesetz angelegt. Es gehört damit zu den im Gesetz vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten, ob die Möglichkeit der Gründung einer Tochtergesellschaft genutzt wird um die Privilegierungen nach § 112a Abs. 2 BetrVG und § 14 Abs. 2a TzBfG nutzen zu können und hierfür die damit etwaig verbundenen sonstigen Vor- und Nachteile in Kauf zu nehmen.

2.

Unter Zugrundelegung der vorgenannten Grundsätze konnte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit der Verlängerung der Befristung vom 19./24.03.2015 ohne Vorliegen eines Sachgrundes bis zum 31.07.2015 verlängert werden, da es sich bei der Beklagten um ein Unternehmen innerhalb der ersten vier Jahre nach seiner Gründung gehandelt hat, wobei die Gründung des Unternehmens nicht im Zusammenhang der rechtlichen Umstrukturierung eines Unternehmens oder eines Konzerns stand. Die Beklagte hat ihre Erwerbstätigkeit unstreitig am 01.09.2011 aufgenommen. Ebenso unstreitig betrieb zu diesem Zeitpunkt kein anderes Unternehmen des Konzerns einen Möbelmarkt in der Region Bremen oder übte dort sonstige unternehmerische Aktivitäten aus. Damit handelte es sich bei der Neueröffnung eines Möbelmarktes in Bremen um die Eröffnung eines neuen Betriebes, also um eine neue unternehmerische Aktivität und nicht bloß um die Fortführung einer bestehenden unternehmerischen Aktivität in neuen rechtlichen Strukturen. Hiergegen spricht nicht der Inhalt der Gewerbeanmeldung, in welcher als Hauptniederlassung der Beklagten eine Adresse in Porta Westfalica angegeben wurde. Denn zuletzt ist unbestritten geblieben, dass es sich hierbei lediglich um die Adresse der Komplementärin gehandelt hat und sich tatsächlich von Beginn an die einzig bestehende Niederlassung der Beklagten in Bremen befunden hat. Damit konnte das Arbeitsverhältnis der Parteien ohne Vorliegen eines Sachgrundes wirksam bis zum 31.07.2015 befristet werden.

Da die Befristung des Arbeitsverhältnisses mit dem 31.07.2015 und damit weniger als vier Jahre nach Gründung der Beklagten endete, brauchte nicht entschieden zu werden, inwieweit es § 14 Abs. 2a TzBfG ermöglicht, sachgrundlos befristete Arbeitsverträge vor dem Ende des Zeitraums von vier Jahren nach Gründung des Unternehmens für einen späteren Zeitraum abzuschließen (vgl. zum Streitstand: ErfK 17. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 104).

B.

Anhaltspunkte für sonstige Unwirksamkeitsgründe sind nicht ersichtlich, insbesondere wurde die vorgeschriebene Schriftform für die Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses eingehalten und zwischen den Parteien ist durch die beklagtenseitige Bestätigung der durch die Klägerin für den Zeitraum ab dem 13.10.2015 beantragten Elternzeit, unabhängig von dem Zeitpunkt der Bestätigung durch die Beklagte, keine unbefristete Verlängerung des Arbeitsverhältnis gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG entstanden.

Gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG gilt ein befristetes Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit verlängert, wenn das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Zeit für die es eingegangen ist fortgesetzt wird, wenn der Arbeitgeber nicht unverzüglich widerspricht. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in diesem Sinne setzt allerdings voraus, dass der Arbeitnehmer vertragsgemäße Dienste nach dem Ablauf der Vertragszeit tatsächlich erbringt. Die Bewilligung von Elternzeit steht der tatsächlichen Arbeitsleistung in diesem Sinne ebenso wie die Gewährung von Urlaub nicht gleich (vgl. ArbG Trier vom 07.06.2016 – 2 Ca 347/16 – m.w.N.). Da die Klägerin nach dem 31.07.2015 unstreitig nicht mehr für die Beklagte gearbeitet hat, brauchte damit nicht aufgeklärt zu werden, zu welchem Zeitpunkt die Beklagte die Elternzeit der Klägerin bestätigt hat.

Nach allem war die Entscheidung des Arbeitsgerichtes abzuändern und die Klage abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Revision war gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

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