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Solosänger – Vereinbarung Nichtanrechnung von Spielzeiten

ArbG Köln – Az.: 19 Ha 6/18 – Urteil vom 24.04.2020

1. Der Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts vom 24.09.2018 (Az. BOSchG 4/17) wird aufgehoben.

2. Der Schiedsspruch des Bezirksschiedsgerichts … vom 18.09.2017 (Reg.-Nr. 8/16) wird aufgehoben.

3. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der im Arbeitsvertrag vom 21.02.2000 vereinbarten Befristung mit Ablauf des 31.07.2017 aufgrund der Nichtverlängerungsmitteilung vom 15.06.2016 aufgelöst worden ist.

4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

5. Der Streitwert beträgt 9.879,00 Euro.

6. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wird seit dem 01.08.2000 auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 21.02.2000 bei der Beklagten als Solosänger – Tenor – für den Gesamtbereich Musiktheater beschäftigt. Die Beklagte betreibt das … in … Generalintendant und Geschäftsführer der Beklagten ist seit 2013 …

Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 21.02.2000 heißt es auszugsweise:

㤠4

Im Übrigen bestimmt sich das Dienstverhältnis nach dem Normalvertrag Solo in der jeweils geltenden Fassung und den ihn ändernden und ergänzenden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen sowie nach den sonstigen zwischen dem … – … und der … für die auf Normalvertrag Solo Beschäftigten vereinbarten Tarifverträgen.

(…)“

Der Normalvertrag Solo (im Folgenden „NV Bühne“) enthält u.a. folgende Bestimmungen:

„§ 2  Begründung des Arbeitsvertrags

(…)

(2)

Der Arbeitsvertrag ist mit Rücksicht auf die künstlerischen Belange der Bühne ein Zeitvertrag.

(…)

§ 53  Bühnenschiedsgerichtsbarkeit

Für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten im Sinne des § 2 Arbeitsgerichtsgesetz zwischen den Arbeitsvertragsparteien sind unter Ausschuss der Arbeitsgerichtsbarkeit ausschließlich die von den vertragsschließenden Parteien dieses Tarifvertrags nach Maßgabe der vereinbarten Bühnenschiedsgerichtsordnungen eingesetzten Schiedsgerichte zuständig.

II. Besonderer Teil

1. Abschnitt Sonderregelungen (SR) Solo

(…)

§ 61  Nichtverlängerungsmitteilung – Solo

Solosänger - Vereinbarung Nichtanrechnung von Spielzeiten
(Symbolfoto: Von FOTOKITA/Shutterstock.com)

(1)  Das Arbeitsverhältnis endet mit dem im Arbeitsvertrag vereinbarten Zeitpunkt.

(2) Ein mindestens für ein Jahr (Spielzeit) abgeschlossener Arbeitsvertrag verlängert sich zu den gleichen Bedingungen um ein Jahr (Spielzeit), es sei denn, eine Vertragspartei teilt der anderen bis zum 31. Oktober der Spielzeit, mit deren Ablauf der Arbeitsvertrag endet, schriftlich mit, dass sie nicht beabsichtigt, den Arbeitsvertrag zu verlängern (Nichtverlängerungsmitteilung). Besteht das Arbeitsverhältnis am Ende einer Spielzeit an bei derselben Bühne ununterbrochen mehr als acht Jahre (Spielzeiten), muss die Nichtverlängerungsmitteilung der anderen Vertragspartei bis zum 31. Juli der jeweils vorangegangenen Spielzeit schriftlich zugegangen sein.

(3) Besteht das Arbeitsverhältnis am Ende einer Spielzeit ununterbrochen mehr als fünfzehn Jahre (Spielzeiten), kann der Arbeitgeber eine Nichtverlängerungsmitteilung nach Absatz 2 nur aussprechen, um das Arbeitsverhältnis unter anderen Vertragsbedingungen – auch außerhalb der im Arbeitsvertrag angegebenen Bühne(n) (ein Arbeitgeber in selbständiger Rechtsform auch bei seinem oder einem seiner rechtlichen oder wirtschaftlichen Träger) – fortzusetzen.

Besteht das Arbeitsverhältnis am Ende der Spielzeit ununterbrochen mehr als fünfzehn Jahre (Spielzeiten) und hat das Solomitglied in dem Zeitpunkt, in dem die Nichtverlängerungsmitteilung spätestens zugegangen sein muss (Absatz 2), das 55. Lebensjahr vollendet, kann der Arbeitgeber eine Nichtverlängerungsmitteilung nach Absatz 2 nur aussprechen, um das Arbeitsverhältnis unter anderen Vertragsbedingungen bei der (den) im Arbeitsvertrag angegebenen Bühne(n) fortzusetzen.

Besteht das Arbeitsverhältnis am Ende der Spielzeit bei derselben Bühne ununterbrochen mehr als acht Jahre (Spielzeiten), können der Arbeitgeber und das Solomitglied vertraglich vereinbaren, dass bis zu vier Spielzeiten der nachfolgenden Spielzeiten auf die 15 Jahre nach Unterabsatz 1 und 2 nicht angerechnet werden.

(4) Bevor der Arbeitgeber eine Nichtverlängerungsmitteilung ausspricht, hat er das Solomitglied – auf dessen schriftlichen Wunsch auch den Sprecher der Sparte, der das Solomitglied angehört, oder das von dem Solomitglied benannte Vorstandsmitglied des Orts- /Lokalverbands einer der vertragsschließenden Gewerkschaften, das an der gleichen Bühne beschäftigt ist – zu hören. Das Solomitglied ist fünf Tage vor der Anhörung zur Anhörung schriftlich einzuladen. Die Einladung zur Anhörung gilt als ordnungsgemäß zugestellt, wenn der Arbeitgeber nachweist, dass die Absendung der Einladung fünf Tage vor der Anhörung an die dem Arbeitgeber bekannte Adresse erfolgt ist.

(5) Das Solomitglied und der von ihm nach Absatz 4 Benannte sind unter Berücksichtigung der durch die Theaterferien oder einen Gastierurlaub bedingten Abwesenheit des Solomitglieds spätestens zwei Wochen vor den in Absatz 2 genannten Zeitpunkt zu hören, es sei denn, das Solomitglied verzichtet schriftlich darauf, gehört zu werden; in diesem Fall findet Absatz 4 Satz 2 keine Anwendung. Unterlässt es der Arbeitgeber, das Solomitglied fristgerecht zu hören, ist die Nichtverlängerungsmitteilung unwirksam.

(6) (…)

(7) (…)

(8) Klagen gegen Nichtverlängerungsmitteilungen sind innerhalb einer Ausschlussfrist von vier Monaten nach den in Absatz 2 genannten Terminen zur Nichtverlängerungsmitteilung zu erheben.

(…)“

Unter dem 21.06.2013/02.07.2013 schlossen sie Parteien folgende Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag (im Folgenden „Nichtanrechnungsvereinbarung“):

„Die … und Herr … (Solomitglied) vereinbaren hiermit,

1. dass gemäß § 61 Abs. 3 Unterabsatz 3 NV Bühne-Solo die nachfolgenden vier Spielzeiten, also die Spielzeiten 2013/2014, 2014/2015, 2015/2016 und 2016/2017

nicht auf die 15 Jahre nach § 61 Abs. 3 Unterabsatz 1 und 2 NV Bühne-Solo abgerechnet werden.

2. (…)“

Mit Schreiben vom 30.05.2016 lud die Beklagte den Kläger zu einem Anhörungsgespräch am 07.06.2016 ein. An diesem Gespräch nahmen neben dem Kläger der Generalintendant der Beklagten, Herr … sowie der Direktor der künstlerischen Planung, Herr … und der Verwaltungsdirektor, Herr … teil. In diesem Gespräch teilte Herr … dem Kläger mit, dass er als Intendant eine Einladung zur Anhörung gemäß § 61 NV Bühne übermittelt habe. Er beabsichtige, den mit dem Kläger bestehenden Vertrag als Solosänger-Tenor über den 31.07.2017 hinaus nicht zu verlängern. Zur Begründung führte er künstlerische Gründe an. Hinsichtlich der Einzelheiten des Inhalt des Gesprächs wird auf die Darstellung der Beklagten im Schriftsatz vom 18.02.2019, dort Seite 5 (Bl. 123 der Akte) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 15.06.2016 (Bl. 14 der Akte des Bühnenschiedsgerichts) sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine Nichtverlängerungsmitteilung aus, aufgrund derer das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zum Ablauf der Spielzeit 2016/2017, mithin mit Ablauf des 31.07.2017 beendet werden sollte.

Nach Ausspruch der Nichtverlängerungsmitteilung, etwa zu Beginn des Jahres 2017 fragte die Beklagte beim Kläger an, ob dieser sich vorstellen könne, die Partie des „…“ In der Oper „…“ jedenfalls in vier Aufführungen zu singen, auch nachdem 31.07.2017.

Gegen die Nichtverlängerungsmitteilung erhob der Kläger fristgerecht Klage beim Bühnenschiedsgericht … mit dem Antrag,

festzustellen, dass die Nichtverlängerungsmitteilung vom 15.06.2026 unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen über den 31.07.2017 hinaus fortbesteht.

Hinsichtlich des Halbsatzes „sondern über den 31.07.2017 hinaus fortbesteht“ im Antrag zu 1., enthält die Klageschrift keine Begründung.

Allerdings hat der Kläger mit Schriftsatz vom 10.04.2017, am selben Tag beim Bühnenschiedsgericht eingegangen, zum einen die Wirksamkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses der Parteien gerügt (S. 6, Bl. 102 der Akte des Bühnenschiedsgerichts). Der Arbeitsvertrag vom 21.02.2000 sei nicht schriftlich abgeschlossen worden, weil er nur von der Beklagten unterzeichnet worden sei. Zum anderen rügte der Kläger mit gleichem Schriftsatz, die Nichtverlängerungsmitteilung vom 15.06.2016 sei unwirksam, weil die Nichtanrechnungsvereinbarung bereits unwirksam sei, da der Kläger hierzu genötigt worden sei und die Nichtanrechnungsvereinbarung bereits wegen Verstoßes ihrer Ermächtigungsgrundlage – § 61 Abs. 3 Satz 3 NV Bühne – europarechtswidrig und damit unwirksam sei (S. 3, Bl. 99 der Akte des Bühnenschiedsgerichts).

Das Bühnenschiedsgericht hat in der mündlichen Verhandlung am 18.09.2017 Einsicht in die Originale des Dienstvertrags vom 21.02.2000 genommen und das Vorliegen der Unterschriften der Arbeitgeberseite und des Klägers geprüft. Einen rechtlichen Hinweis, insb. zur Antragstellung, hat das Bühnenschiedsgericht nicht erteilt.

Das Bühnenschiedsgericht hat die Klage mit Schiedsspruch vom 24.09.2018  abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien sei durch die Nichtverlängerungsmitteilung wirksam beendet worden. Dabei hätten die Parteien die Nichtanrechnungsvereinbarung entsprechend den Vorgaben des NV-Bühne rechtmäßig abgeschlossen. Es bestünden auch keine Bedenken des Gerichts dagegen, dass das Ende der vier ausgenommenen Spielzeiten erst nach Ablauf der 15-Jahresfrist ende. Die Nichtverlängerungsmitteilung begegne weder inhaltlichen noch formalen Bedenken.

Der Kläger hat sodann gegen die Entscheidung des Bühnenschiedsgerichts fristgerecht Berufung zum Bühnenoberschiedsgericht … erhoben. Im Rahmen der Berufungsbegründung hat sich der Kläger weiter auf die Europarechtswidrigkeit der Nichtanrechnungsvereinbarung berufen (S. 2 ff. der Berufungsbegründung, Bl. 32 ff. der Akte des Bühnenoberschiedsgerichts).

Die Berufung wurde am 18.09.2017 ebenfalls zurückgewiesen. Insbesondere sei das „Bühnenrecht“ mit europäischem Recht vereinbar, wie das Bundesarbeitsgericht zuletzt in seiner Entscheidung vom 13.12.2017, 7 AZR 369/16 betont habe, auch wenn § 61 Absatz 3 Unterabsatz 3 NV-Bühne nicht Gegenstand der dortigen Entscheidung gewesen sei. Der zweite Teil des Antrags des Klägers („sondern über den 31. Juli 2017 hinaus fortbesteht“) sei als unselbstständiger Annex des Antrags zu sehen, der keine Befristungskontrollklage zum Gegenstand habe. Denn dieser Annex sei in der Klageschrift nicht gesondert begründet worden. Hilfsweise sei die Befristung jedoch nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBfG gerechtfertigt.

Mit Empfangsbekenntnis vom 29.10.2018 bestätigten die Klägervertreter den Eingang des Schiedsspruchs des Bühnenoberschiedsgerichts am selben Tag.

Gegen die beiden Schiedssprüche wendet sich der Kläger mit seiner am 12.11.2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen Aufhebungsklage.

Der Kläger vertritt die Ansicht, die streitgegenständliche Nichtverlängerungsmitteilung sei schon deshalb unwirksam, weil der Kläger zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung mehr als 15 Spielzeiten beschäftigt worden sei. Die in der Nichtanrechnungsvereinbarung aus dem Jahr 2013 benannten Spielzeiten seien hier zu berücksichtigten, weil die Nichtanrechnungsvereinbarung unwirksam sei. Denn diese beruhe auf § 61 Abs. 3 UAbs. 3 NV Bühne. Diese, auf § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG beruhende tarifvertraglichen Vorschrift verstoße jedoch gegen die RL 1999/70. Hinsichtlich der Einzelheiten der klägerischen Rechtsansicht hierzu wird auf die Klageschrift vom 12.11.2018, S. 11 ff. (Bl. 11 ff. d.A.) Bezug genommen. Jedenfalls habe sich auch der 7. Senat des Bundesarbeitsgerichts in seiner Entscheidung vom 13.12.2017 zum Az. 7 AZR 369/16 nicht mit der Europarechtskonformität gerade dieser tarifvertraglichen Regelung befasst. Der Kläger rügt, das Bühnenoberschiedsgericht habe die o.g. Frage jedenfalls dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorlegen können und müssen.

Der Kläger behauptet weiter, die subjektive Motivation für den Ausspruch der Nichtverlängerungsmitteilung seien nicht künstlerische Gründe gewesen, sondern der Umstand, dass die Beklagte gehalten sei zu verhindern, dass Bühnenmitarbeiter, die entsprechend dem NV Bühne beschäftigt werden, so lange beschäftigt werden, dass eine Nichtverlängerungsmitteilung nicht mehr zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen könne. Zur Begründung führt der Kläger aus, ihm sei am 24.06.2013 durch Herrn … gesagt worden, dass bei Nichtabschluss der Nichtanrechnungsvereinbarung sein Vertrag nicht verlängert werden würde, da es Auflagen der Stadt … gebe, den Eintritt der Unkündbarkeit nach § 61 Abs. 3 Satz 1 und 2 NV Bühne zu verhindern. Da dies bereits Hintergrund des Abschlusses der Nichtanrechnungsvereinbarung gewesen sei, sei dieser Umstand nun auch bei Abgabe der Nichtverlängerungsmitteilung ausschlaggebend gewesen. Darüber hinaus seien die in der Anhörung angegebenen künstlerischen Gründe pauschal und würden auch anderen Sängern gegenüber stets erklärt.

Mit Aufhebungsklageschrift vom 12.11.2018 hat der Kläger ursprünglich beantragt, den Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts vom 24.09.2018 (Az. BOSchG 4/17) sowie den Schiedsspruch des Bezirksschiedsgerichts … vom 18.09.2017 (Reg.-Nr. 8/16) aufzuheben und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Nichtverlängerungsmitteilung vom 15.06.2016 aufgelöst worden ist, sondern über den 31.07.2017 hinaus fortbesteht.

Der Kläger beantragt zuletzt mit Schriftsatz vom 02.12.2019, den Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts vom 24.09.2018 (Az. BOSchG 4/17) sowie den Schiedsspruch des Bezirksschiedsgerichts … vom 18.09.2017 (Reg.-Nr. 8/16) aufzuheben und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Nichtverlängerungsmitteilung vom 15.06.2016 aufgelöst und nicht durch die Befristung im Arbeitsvertrag vom 21.02.2000 beendet worden ist, sondern über den 31.07.2017 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet, dass der Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts vom 24.09.2018 erst am 29.10.2018 bei den Klägervertretern eingegangen sei. Dazu trägt sie vor, bei den Beklagtenvertretern sei der Spruch bereits am 26.10.2018 eingegangen. Es sei deshalb davon auszugehen, dass der Spruch an diesem Tag auch bei den Klägervertretern eingegangen sei und die am 12.11.2018 erhobene Aufhebungsklage mithin verspätet sei.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

A. Die Klage ist zulässig.

I. Der zuletzt gestellte ausdrückliche Befristungskontrollantrag nach § 17 Satz 1 TzBfG ist zulässig. Er erfüllt die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO. Dass der Kläger seinen Antrag mit der konkreten Ergänzung zum Befristungskontrollantrag erst im Aufhebungsverfahren vor dem hiesigen Gericht gestellt hat und sich bislang auf den Antrag beschränkt hat, festzustellen, dass „das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen über den 31.07.2017 hinaus fortbesteht“, betrifft die Einhaltung der Dreiwochenfrist des § 17 TzBfG im Rahmen der Begründetheit der Klage (siehe dazu unter Punkt B. I.), nicht die Zulässigkeit des zuletzt gestellten Antrags. Es handelt sich dabei nicht um eine Klageänderung, sondern um eine Konkretisierung des bereits mit der Klage vor dem Bühnenschiedsgericht gestellten Annexantrages „festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen über den 31.07.2017 hinaus fortbesteht“.

II. Der Feststellungsantrag erfüllt hinsichtlich der begehrten Feststellung der Nichtauflösung des Arbeitsverhältnisses durch die Nichtverlängerungsmitteilung ebenfalls die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO. Mit der Regelung in § 61 Abs. 8 NV Bühne haben die Tarifvertragsparteien die Wirksamkeit der Nichtverlängerungsmitteilung als ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO ausgestaltet (BAG vom 28.09.2016, 7 AZR 128/14; vom 15.05.2013, 7 AZR 665/11, juris). Da sich die Beklagte der Wirksamkeit der Nichtverlängerungsmitteilung berühmt, hat der Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten alsbaldigen Feststellung.

III. Gemäß § 38 des Tarifvertrages über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit ist das Arbeitsgericht … auch ausschließlich zuständig.

IV. Die Aufhebungsklage ist zudem fristgemäß innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 110 Absatz 3 ArbGG erhoben worden. Der Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts ist den Klägervertretern am 29.10.2018 zugestellt worden. Die Aufhebungsklage ist am 12.11.2018 und mithin binnen zwei Wochen erhoben worden.

Dass der Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts den Klägervertretern am 29.10.2018 – und nicht früher – zugestellt worden ist, wird nachgewiesen durch das gemäß § 174 ZPO mit Datum und Unterschrift versehene schriftliche Empfangsbekenntnis der Klägervertreter.

Das von einem Anwalt ausgestellte Empfangsbekenntnis stellt eine Privaturkunde im Sinne des § 416 ZPO dar und erbringt daher grundsätzlich Beweis dafür, dass die darin enthaltene Erklärung vom Aussteller abgegeben worden ist. Sie schließt zwar nicht den Beweis aus, dass diese Erklärung inhaltlich unzutreffend ist (ständige Rechtsprechung des BGH, z.B. vom 28.09.1994, XII ZR 250/93, vom 28.10.1981, IVb ZB 687/81; vom 04.12.1985, IVb ZB 68/85; vom 18.09.1990, XI ZB 8/90, juris). Für den Beweis der Unrichtigkeit einer Datumsangabe in dem von einem Anwalt ausgestellten Empfangsbekenntnis reicht dabei jedoch nicht aus, dass Zweifel geweckt werden, ob die angegebene Datierung zutrifft (BGH vom 28.09.1994, XII ZR 250/93, juris). Der Gegenbeweis ist vielmehr erst dann geführt und die Beweiswirkung des § 174 ZPO bezüglich der Datumsangabe entkräftet, wenn jede Möglichkeit ausgeschlossen werden kann, dass der angegebene Zeitpunkt richtig ist (BGH vom 28.09.1994, XII ZR 250/93; vom 07.06.1990, III ZR 216/89, juris).

Die Kammer folgt der Auffassung, dass an die Führung des die Beweiswirkung eines anwaltlichen Empfangsbekenntnisses beseitigenden Gegenbeweises strenge Anforderungen zu stellen sind. Denn durch eine Aushöhlung der Beweiskraft einer solchen Urkunde würde der durch § 174 ZPO eröffnete Zustellungsweg, der im Hinblick auf die Einschaltung des Anwalts als Organ der Rechtspflege Erleichterung bringen soll, gefährdet werden.

Vorliegend gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Schiedsspruch den Klägervertretern bereits früher zugestellt worden wäre als am 29.10.2018. Allein der Umstand, dass der Schiedsspruch den Beklagtenvertretern früher zugestellt wurde und bei einem gewöhnlichen Postversand mit einer früheren Zustellung zu rechnen gewesen wäre, genügt hierzu nicht.

B. Die Klage ist begründet.

Sie führt zur Aufhebung der Urteile des Bühnenoberschiedsgerichts sowie des Bühnenschiedsgerichts. Die Kammer konnte daraufhin in der Sache selbst entscheiden.

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien hat nicht aufgrund der Befristung im Arbeitsvertrag vom 21.02.2000 i.V.m. § 61 Abs. 2 NV-Bühne i.V.m. der Nichtverlängerungsmitteilung vom 15.06.2016 mit Ablauf des 31.07.2017 sein Ende gefunden. Denn die letzte arbeitsvertragliche Befristung für die Spielzeit 2016/2017 war rechtsunwirksam (dazu unter I.) und konnte nicht mehr aufgrund der Nichtverlängerungsmitteilung (dazu unter II.) zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen.

I. Die letzte Befristung des Arbeitsverhältnisses aufgrund des Arbeitsvertrags vom 21.02.2000 i.V.m. § 61 Abs. 2 NV-Bühne ist rechtsunwirksam und konnte das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mehr beenden. Dies war entsprechend dem Feststellungsantrag zusätzlich festzustellen, da die Kammer nach Aufhebung der Schiedssprüche in der Sache zu entscheiden hatte.

1. Nach § 110 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG kann auf Aufhebung des Schiedsspruches geklagt werden, wenn der Schiedsspruch auf der Verletzung einer Rechtsnorm beruht. Darunter fallen alle Verstöße gegen materielles Recht, gleich welcher Art. Aus der revisionsähnlichen Struktur der Aufhebungsklage folgt, dass die Gerichte für Arbeitssachen in entsprechender Anwendung von § 561 Abs. 2 ZPO an den vom Schiedsgericht festgestellten Sachverhalt gebunden sind. Weiter besteht Einigkeit, dass der Schiedsspruch in entsprechender Anwendung von § 559 Abs. 2 ZPO ohne Rücksicht auf eine erhobene Rüge insgesamt auf seine Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen ist. Nur bei Verfahrensmängeln bedarf es einer Rüge (BAG vom 31.10.1963, 5 AZR 283/62, BAGE 15, 87; vom 14.10.1992, 5 AZR 59/92, juris).

2. Die arbeitsvertragliche Befristung gilt zunächst nicht nach §§ 17 TzBfG, § 7 Hs. 1 KSchG als wirksam. Der Kläger hat rechtzeitig einen Antrag nach § 17 Satz 1 TzBfG gestellt und die Rechtsunwirksamkeit der Befristung geltend gemacht.

a) Bei der Feststellung, welches Rechtsschutzbegehren aufgrund welchen Lebenssachverhalts und damit welchen Streitgegenstand der Kläger dem Gericht unterbreitet hat, sind die für die Auslegung von Willenserklärungen im Prozessrecht maßgeblichen Grundsätze anzuwenden (BAG vom 15.05.2013, 7 AZR 665/11, juris). Prozesserklärungen sind danach im Zweifel so auszulegen, dass dasjenige gewollt ist, was aus der Sicht der Prozessparteien nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht. Jedoch sind auch die schutzwürdigen Belange des Erklärungsadressaten zu berücksichtigen. Das verbietet es, eindeutigen Erklärungen nachträglich einen Sinn zu geben, der dem Interesse des Erklärenden am besten dient (BAG vom 15.05.2013, 7 AZR 665/11; vom 22.12.2009, 3 AZN 753/09, juris). Zur Auslegung der entsprechenden Prozesserklärung ist auch das Revisionsgericht befugt (BAG vom 15.05.2013, 7 AZR 665/11; vom 15.09.2009, 9 AZR 757/08, juris). Wegen des revisionsähnlichen Charakters des Aufhebungsverfahrens gilt Gleiches auch im Verhältnis der staatlichen Gerichtsbarkeit zur Bühnenschiedsgerichtsbarkeit (BAG vom 15.05.2013, 7 AZR 665/11, juris).

Im Fall einer Kalenderbefristung ist eine Befristungskontrollklage dann erhoben, wenn aus dem Klageantrag, der Klagebegründung oder den sonstigen Umständen bei Klageerhebung zu erkennen ist, dass der Kläger geltend machen will, sein Arbeitsverhältnis habe nicht durch die zu einem bestimmten Zeitpunkt vereinbarte Befristung zu dem in dieser Vereinbarung vorgesehenen Termin geendet. Dabei sind an die Form der Klageerhebung keine zu strengen Anforderungen zu stellen. Folgt aus dem Gesamtzusammenhang zweifelsfrei, dass sich der Kläger gegen eine konkrete Befristungsvereinbarung wendet, genügt dies für die Annahme einer Befristungskontrollklage i.S.v. § 17 Satz 1 TzBfG (BAG vom 15.05.2013, 7 AZR 665/11; vom 15.05.2012, 7 AZR 6/11, juris).

b) Vorliegend hat der Kläger bereits im bühnenschiedsgerichtlichen Verfahren einen Befristungskontrollantrag i.S.d. § 17 Satz 1 TzBfG gestellt und sich gegen die Wirksamkeit der letzten Befristung seines Arbeitsverhältnisses gewendet.

Das vereinbarte Ende des Arbeitsverhältnisses sollte aufgrund des Arbeitsvertrags vom 21.02.2000 i.V.m. der Nichtverlängerungsmitteilung vom 15.06.2016 mit Ablauf des 31.07.2017 eintreten. Der Kläger hat bereits mit Klageerhebung vor dem Bühnenschiedsgericht am 29.11.2016 beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis „über den 31.07.2017 hinaus fortbesteht“. Zwar hat der Kläger diesen „Annex“ des Klageantrags mit der Klageschrift nicht gesondert begründet. Der Kläger hat allerdings mit Schriftsatz vom 10.04.2017 – und damit vor Ablauf der erst am 01.08.2017 beginnenden dreiwöchigen Klagefrist des § 17 TzBfG behauptet, die Schriftform der Befristungsabrede sei nicht eingehalten. Zudem wendete er mit gleichem Schriftsatz ein, die Nichtanrechnungsvereinbarung und damit auch die zugrunde liegende Befristung hätten nicht mehr wirksam getroffen werden können, weil die tarifvertragliche Ermächtigungsgrundlage europarechtswidrig sei. Damit hat der Kläger ausdrücklich und rechtzeitig die Rechtsunwirksamkeit der letzten Befristungsabrede geltend gemacht.

Dies ist in entsprechender Anwendung von § 17 Satz 2 TzBfG i.V.m. § 6 Satz 2 KSchG analog ausreichend. Nach § 6 Satz 2 KSchG i.V.m. § 17 Satz 2 TzBfG soll das Arbeitsgericht den Kläger, der bereits einen Befristungskontrollantrag gestellt hat, darauf hinweisen, dass der Kläger sich in dem Verfahren – erster Instanz – bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung auch auf innerhalb der Klagefrist nicht geltend gemachte Gründe für die Unwirksamkeit der Befristungsabrede berufen kann. Zweck des § 4 KSchG ist es, frühzeitig Rechtsklarheit und -sicherheit zu schaffen. § 6 KSchG will demgegenüber den – häufig rechtsunkundigen – Arbeitnehmer vor einem unnötigen Verlust seines Kündigungsschutzes aus rein formalen Gründen schützen (BAG vom 15.05.2012, 7 AZR 6/11, juris). Dementsprechend ist es nach §§ 4, 6 KSchG erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Arbeitnehmer durch eine rechtzeitige Anrufung des Arbeitsgerichts seinen Willen, sich gegen die Wirksamkeit einer Kündigung wehren zu wollen, genügend klar zum Ausdruck bringt. Dieser Wille des Arbeitnehmers, eine Beendigung seines Arbeitsverhältnisses nicht zu akzeptieren und das Arbeitsverhältnis auch in Zukunft fortsetzen zu wollen, kann während der dreiwöchigen Klagefrist auch auf andere Weise als durch einen ausdrücklichen, auf eine bestimmte Kündigung gerichteten Klageantrag für den Kündigenden hinreichend klar zum Ausdruck kommen, beispielsweise indem der Arbeitnehmer eine Leistungsklage erhoben hat, deren Anspruch zwingend die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung voraussetzt (BAG vom 15.05.2012, 7 AZR 6/11 m.w.N., juris).

Diesem Regelungszweck dient § 6 Satz 1 KSchG auch nach Novellierung des Kündigungsschutzgesetzes durch das Arbeitsmarktreformgesetz vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002 [am 1. Januar 2004 in Kraft getretenes KSchG n.F.]). Die Vorschrift erfasst zwar seitdem in ihrer unmittelbaren Anwendung nicht länger einen Antragswechsel vom allgemeinen Feststellungsantrag i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO zum punktuellen Antrag oder – in Analogie zu § 6 Satz 1 KSchG – den umgekehrten Wechsel (BAG vom 15.05.2012, 7 AZR 6/11 m.w.N., juris). Der Gesetzgeber wollte aber trotz der redaktionell missglückten Fassung des § 6 KSchG n.F. unverändert sicherstellen, dass die Unwirksamkeit einer Kündigung nicht zwingend durch eine Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigungserklärung geltend gemacht werden muss, sondern die Klagefrist auch dann gewahrt sein kann, wenn der Arbeitnehmer innerhalb der dreiwöchigen Frist auf anderem Weg geltend gemacht hat, dass eine unwirksame Kündigung vorliege. Das Interesse des Arbeitgebers an einer schnellen Klärung der Rechtslage und sein Vertrauen in den Bestand der ausgesprochenen Kündigung wird hierdurch regelmäßig nicht bzw. nur geringfügig berührt und muss unter Berücksichtigung des Sinn und Zwecks des § 6 Satz 1 KSchG n.F. zurücktreten (BAG vom 15.05.2012, 7 AZR 6/11 m.w.N., juris). Auf diese entsprechende Anwendung der verlängerten Anrufungsfrist von § 6 Satz 1 KSchG n.F. erstreckt sich die in § 17 Satz 2 TzBfG angeordnete entsprechende Anwendung der Vorschrift. Wegen des identischen Zwecks der Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG und der entsprechenden Anwendung der verlängerten Anrufungsfrist nach § 17 Satz 2 TzBfG, § 6 KSchG verbietet sich bei der entsprechenden Anwendung von § 6 Satz 1 KSchG n.F. im Befristungskontrollrecht eine andere Würdigung als im Kündigungsschutzrecht (BAG vom 15.05.2012, 7 AZR 6/11, juris; zu § 6 KSchG in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung ebenso: BAG vom 16.04.2003, 7 AZR 119/02, juris). Es wäre nicht gerechtfertigt, § 6 KSchG n.F. im Kündigungsschutzverfahren einen weitreichenderen Anwendungsbereich beizumessen als im Befristungskontrollrechtsstreit. Dies widerspräche im Übrigen auch der Intention von § 17 Satz 2 TzBfG. Nach den Gesetzesmaterialien zu § 1 Abs. 5 des bis zum 31.12.2000 geltenden Gesetzes über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung in der am 1. Oktober 1996 in Kraft getretenen Fassung (BeschFG 1996, BGBl. I S. 1478), mit dessen Satz 1 erstmals eine allgemeine Klagefrist zur Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung eines Arbeitsvertrags von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses geregelt und in dessen Satz 2 auf eine entsprechende Geltung der §§ 5 bis 7 KSchG verwiesen worden ist, soll die Unwirksamkeit einer Befristungsabrede nicht nur durch eine Feststellungsklage innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende der Befristung geltend gemacht werden können. Die Dreiwochenfrist soll vielmehr auch gewahrt werden können, wenn innerhalb dieser Frist aus anderen Gründen auf dem Klageweg geltend gemacht wird, dass eine wirksame Befristung nicht vorliegt, etwa durch eine Lohnklage (vgl. die – umgesetzte – Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 26. Juni 1996 zur Änderung des Gesetzes über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung: BT-Drucks. 13/5107 S. 11, 31). § 17 Satz 1 und Satz 2 TzBfG schreiben im Wesentlichen wortgleich die Vorgängerregelungen von § 1 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 BeschFG 1996 fort; Sinn und Zweck der nunmehr geltenden Bestimmungen zur rechtzeitigen Erhebung einer Befristungskontrollklage sind damit nicht anders zu verstehen (BAG vom 15.05.2012, 7 AZR 6/11, juris).

Es kann offenbleiben, ob eine innerhalb von drei Wochen nach dem Ende des befristeten Arbeitsvertrags erhobene, auf den Bestand eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses gerichtete allgemeine Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO in jedem Fall die Klagefrist nach § 17 Satz 1 und Satz 2 TzBfG für die letzte, innerhalb der verlängerten Anrufungsfrist nach § 6 Satz 1 KSchG (entsprechend) konkret zum Gegenstand der Klage gemachte Befristungsabrede wahrt. Jedenfalls wenn, wie vorliegend, in der Klagebegründung zu dem innerhalb der Dreiwochenfrist beim Arbeitsgericht erhobenen allgemeinen Feststellungsantrag ebenfalls innerhalb der Dreiwochenfrist die später streitgegenständliche Befristungsabrede ausdrücklich angegriffen wird, ist eine entsprechende Anwendung von § 6 Satz 1 KSchG i.V.m. § 17 Satz 2 TzBfG gerechtfertigt.

c) Das Bühnenschiedsgericht hätte den Kläger auf die korrekte Stellung seines Klageantrags hinweisen müssen.

Es war für das Gericht erkennbar, dass der Kläger mit der Klageschrift selbst noch keinen Befristungskontrollantrag stellen wollte. Allerdings hat er dies – ausweislich seiner Darstellungen im Schriftsatz vom 10.04.2017 – noch vor Ablauf der Klagefrist nachgeholt. In diesem Fall hätte das Bühnenschiedsgericht gemäß § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO darauf hinwirken müssen, dass der Kläger seinen „Annexantrag“ in einen punktuellen Befristungskontrollantrag i.S.d. § 17 Satz 1 TzBfG umwandelt.

Dies ist rechtsfehlerhaft nicht geschehen, obwohl das Bühnenschiedsgericht sich selbst in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich mit der Frage der Schriftform der Befristungsabrede befasst hat. Hätte das Bühnenschiedsgericht den Kläger auf die unzureichende Antragstellung hingewiesen, hätte dieser seinen Antrag – wie zuletzt geschehen – erweitert um einen ausdrücklichen Befristungskontrollantrag.

Insoweit ist auch das Bühnenoberschiedsgericht seiner Hinweispflicht aus § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht ordnungsgemäß nachgekommen, obwohl sich dieses Gericht in den Entscheidungsgründen ausdrücklich mit der Frage befasst hat, ob die Nichtanrechnungsvereinbarung als Teil der Befristungsabrede wegen Europarechtswidrigkeit nichtig sein könnte.

3. Die letzte Befristung des Arbeitsverhältnisses der Parteien ist rechtsunwirksam, weil ein Sachgrund für diese letzte Befristung jedenfalls nicht mehr vorlag. Dies ist das Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung unter Einbeziehung der unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 1999/70/EG und der inkorporierten EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung sowie der Umstände des vorliegenden Einzelfalles. Aus diesem Grund kommt es auf eine Rechtsmissbrauchskontrolle (siehe dazu BAG vom 30.08.2017, 7 AZR 864/15, juris) nicht mehr an.

a) Gemäß § 5 der Rahmenvereinbarung der Richtlinie 1999/70 haben die Mitgliedsstaaten Maßnahmen zur Vermeidung von Missbrauch befristeter Arbeitsverträge zu ergreifen. Ziffer 1 sieht als solche Maßnahme vor, dass sachliche Gründe für die Verlängerung gefordert werden können, dass die insgesamt maximal zulässige Dauer aufeinanderfolgender Arbeitsverträge oder -verhältnisse begrenzt werden kann oder dass die zulässige Zahl der Verlängerungen solcher Verträge oder Verhältnisse vorgesehen werden kann.

b) In Umsetzung dieser Vorgaben hat der deutsche Gesetzgeber insbesondere die Regelungen in § 14 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 TzBfG geschaffen. Zugunsten der Tarifvertragsparteien hat der Gesetzgeber in § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG vorgesehen, dass durch Tarifvertrag die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer abweichend von Satz 1 des Abs. 2 festgelegt werden dürfen. Dies gilt jedoch nur für sachgrundlose Befristungen, während es sich vorliegend bei den Befristungen des Klägers um solche Befristungen handelt, die durch den Sachgrund der Eigenart der Arbeitsleistung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG sachlich gerechtfertigt werden, weil die Befristung eines Arbeitsvertrags eines Solosängers dem durch die Kunstfreiheit geprägten Gestaltungsinteresse der Beklagten dient und der Kläger unstreitig zum künstlerischen Bühnenpersonal gehört.

Damit haben vorliegend die Tarifvertragsparteien der Bühnen grundsätzlich keinen gesetzlichen Auftrag, hinsichtlich der Anzahl der Verlängerungen oder der Höchstdauer von mit Sachgrund befristeten Verträgen konkrete Regelungen vorzunehmen. Gleichwohl sind ihre Regelungen im NV Bühne für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Nichtverlängerungsmitteilung und der zugrunde liegenden Nichtanrechnungsvereinbarung wesentlich und von den staatlichen Gerichten zu berücksichtigen. Denn den Tarifvertragsparteien ist innerhalb ihrer Branche eine erhebliche Bewertungskompetenz bei der Frage zuzubilligen, inwieweit Befristungsvereinbarungen mit konkretem Sachgrund – noch – zulässig sind. So hat das Bundesarbeitsgericht schon bislang die Ansicht vertreten, dass, wenn die widerstreitenden Interessen der Parteien bereits in einem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag zum Ausgleich gebracht sind und das Bestandsschutzinteresse der Arbeitnehmer dabei angemessen berücksichtigt wird, die (Arbeits-)Gerichte an diese von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Abwägung gebunden sind (BAG vom 13.12.2017, 7 AZR 369/16, juris). Zwar bedürfen auch tarifliche Normen über Sachgrundbefristungen zur ihrer Wirksamkeit eines sie rechtfertigenden Sachgrunds i.S.v. § 14 Abs. 1 TzBfG. Allerdings steht den Tarifvertragsparteien bei ihrer Normsetzung eine Einschätzungsprärogative zu, soweit es um die Beurteilung der tatsächlichen Gegebenheiten, der betroffenen Interessen und der Regelungsfolgen geht (BAG vom 13.12.2017, 7 AZR 369/16, juris). Ferner verfügen sie über einen Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelungen. Das Erfordernis eines die Befristung rechtfertigenden Sachgrunds i. S. v. § 14 Abs. 1 TzBfG entfällt dadurch nicht. Dessen Bestehen haben die Gerichte im Rahmen der Befristungskontrolle zu prüfen. Dabei haben sie jedoch die den Tarifvertragsparteien zustehende Einschätzungsprärogative zu respektieren. Diese ist nur überschritten, wenn für die getroffene Regelung plausible, einleuchtende Gründe nicht mehr erkennbar sind. (BAG vom 13.12.2017, 7 AZR 369/16, juris).

c) Die Kammer konnte dahinstehen lassen, ob und inwiefern die tarifliche Regelung des § 61 Abs. 3 UAbs. 2 NV Bühne insgesamt unwirksam ist. Denn vorliegend ist jedenfalls die individualvertragliche Vereinbarung der Parteien im Hinblick auf die letzte, streitgegenständliche Befristung des Arbeitsverhältnisses im 17. Jahr nicht mehr durch einen sachlichen Grund gedeckt.

(1) Wie sich aus dem Urteil des EuGH vom 26.01.2012, C-​586/10 […], juris) ergibt, dürfen sich die nationalen Gerichte bei der Befristungskontrolle nicht nur auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrunds beschränken. Vielmehr obliegt es den Gerichten, „stets alle Umstände des Einzelfalls zu prüfen und dabei namentlich die Zahl der mit derselben Person oder zur Verrichtung der gleichen Arbeit geschlossenen aufeinanderfolgenden befristeten Verträge zu berücksichtigen, um auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse zurückgreifen, mögen diese auch augenscheinlich zur Deckung [bspw.] eines Vertretungsbedarfs geschlossen worden sein“ (EuGH vom 26.01.2012, C-​586/10 […], unter Verweis auf EuGH vom 12.06.2008, C-​364/07 [… u.a.] und auf EuGH vom 23.04.2009, C-​378/07 [… u.a.], juris). Zwar „schließt das Vorliegen eines sachlichen Grundes im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung über befristete Verträge einen Missbrauch“ nach Auffassung des Gerichtshofs „grundsätzlich aus“ (EuGH vom 26.01.2012, C-​586/10, […], juris). Dennoch ist es nach dem Urteil des EuGH „in Anbetracht des Ziels, das mit allen nach Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Verträge ergriffenen Maßnahmen verfolgt wird, notwendig, dass die zuständigen Stellen auch bei Vorliegen eines sachlichen Grundes, der grundsätzlich den Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse rechtfertigt, erforderlichenfalls alle mit der Verlängerung dieser Arbeitsverträge oder -verhältnisse verbundenen Umstände berücksichtigen, da sie Hinweise auf einen Missbrauch geben können, den diese Bestimmung verhindern soll“ (EuGH vom 26.01.2012, C-​586/10, […], juris). Der Gerichtshof hat damit ausdrücklich an die im Rahmen des Vorabentscheidungsersuchens gestellte Frage angeknüpft, ob und in welcher Weise die nationalen Gerichte bei der ihnen obliegenden Missbrauchskontrolle in Fällen der mit dem Sachgrund der Vertretung gerechtfertigten Befristung die Anzahl und Dauer der bereits in der Vergangenheit mit demselben Arbeitnehmer geschlossenen befristeten Arbeitsverträge zu berücksichtigen haben (BAG vom 17.11.2010, 7 AZR 443/09 (A), juris).

(2) Für die hiernach unionsrechtlich gebotene Missbrauchskontrolle eignet sich nach bundesdeutschem Recht der allgemeine Prüfungsmaßstab des institutionellen Rechtsmissbrauchs. Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) als Gebot der Redlichkeit und allgemeine Schranke der Rechtsausübung beschränkt sowohl subjektive Rechte als auch Rechtsinstitute und Normen. Rechtsmissbrauch setzt voraus, dass ein Vertragspartner eine an sich rechtlich mögliche Gestaltung in einer mit Treu und Glauben unvereinbaren Weise nur dazu verwendet, sich zum Nachteil des anderen Vertragspartners Vorteile zu verschaffen, die nach dem Zweck der Norm und des Rechtsinstituts nicht vorgesehen sind. Beim institutionellen Missbrauch ergibt sich der Vorwurf bereits aus Sinn und Zweck des Rechtsinstituts, beim individuellen Rechtsmissbrauch dagegen folgt er erst aus dem Verhalten. Die institutionelle Rechtsmissbrauchskontrolle verlangt daher weder ein subjektives Element noch eine Umgehungsabsicht.

(3) Einer Anwendung der Grundsätze des Rechtsmissbrauchs steht nicht entgegen, dass die Befristungsvorschriften im TzBfG abschließende Spezialregelungen darstellen und die auf „objektive Gesetzesumgehung“ gestützte frühere Dogmatik abgelöst haben. Dieser durch den Gesetzgeber vorgenommene Paradigmenwechsel schließt einen Schutz vor einer rechtsmissbräuchlichen Nutzung der durch das TzBfG eröffneten Befristungsmöglichkeit nicht aus. Dementsprechend hat das BAG bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte schon bisher im Rahmen der Befristungskontrolle geprüft, ob Rechtsfolgen, die sich an sich aus einem Rechtsinstitut ergeben, ausnahmsweise zurücktreten müssen, weil sie zu einem untragbaren Ergebnis führen. Auch die Ausnutzung der durch das Teilzeit– und Befristungsgesetz vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten kann unter bestimmten Voraussetzungen rechtsmissbräuchlich sein, etwa wenn mehrere rechtlich und tatsächlich verbundene Vertragsarbeitgeber in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit einem Arbeitnehmer aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge nur abschließen, um auf diese Weise über die nach § 14 Abs. 2 TzBfG vorgesehenen Befristungsmöglichkeiten hinaus sachgrundlose Befristungen aneinanderreihen zu können (vgl. zum Beschäftigungsförderungsgesetz: BAG vom 25.04.2001, 7 AZR 376/00; zur sachgrundlosen Befristung bereits BAG vom 18.10.2006, 7 AZR 145/06 und vom 09.03.2011, 7 AZR 657/09 , juris).

(4) Die nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs vorzunehmende Prüfung verlangt eine Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (so EuGH vom 26.01.2012, C-​586/10  […], juris).

Kriterien, die bei einer Gesamtwürdigung auf einen Gestaltungsmissbrauch hindeuten können, müssen dem Schutzkonzept des § 14 TzBfG i.V.m. § 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung Rechnung tragen. Erlaubt das Konzept des TzBfG die Befristung von Arbeitsverträgen bei Vorliegen eines Sachgrunds, ergibt sich zwingend, dass die Schwelle zur missbräuchlichen Fortsetzung aneinandergereihter Verträge deutlich über derjenigen liegen muss, die für die Befristungskontrolle nach § 14 Abs. 1 TzBfG, § 21 Abs. 1 BEEG maßgeblich ist.

Dass die Kammer mit dem BAG vorliegend die Missbrauchskontrolle inzident im Rahmen der Prüfung des Vorliegens eines sachlichen Grundes vornimmt, ändert an diesem Prüfungsmaßstab nichts (siehe dazu insgesamt Roloff, jM 2020, 100).

(5) Indem die Parteien im Jahr 2013 eine Vereinbarung getroffen haben, die es der Beklagten ermöglichen sollte, die 14., 15., 16. und 17. Spielzeit des Klägers bei der Beklagten „nicht zu berücksichtigen“ und damit eine Nichtverlängerungsmitteilung auch noch weitere fünf Spielzeiten aussprechen zu dürfen, haben die Arbeitsvertragsparteien die Gestaltungsmöglichkeiten des § 14 Abs. 1 TzBfG auch unter Berücksichtigung der Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien jedenfalls mit der hier streitgegenständlichen, letzten, 17. Spielzeitbefristung rechtsmissbräuchlich ausgenutzt.

In seiner Entscheidung vom 13.12.2017 (7 AZR 369/16) hat das Bundesarbeitsgericht herausgestellt, dass es davon ausgehe, dass der gebotene europarechtliche Mindestbestandsschutz im Rahmen des NV Bühne jedenfalls dadurch gewährleistet sei, dass das Arbeitsverhältnis nach Ablauf von 15 Jahren nicht mehr durch Ausspruch einer Nichtverlängerungsmitteilung beendet werden könne (Rdn. 42, zit. nach juris). Mit dieser Regelung hätten die Tarifvertragsparteien das Interesse der Bühnen an der Befristung mit den klagenden Arbeitnehmern und das Bestandsschutzinteresse der Bühnentechniker zum Ausgleich gebracht. Diese Beurteilung und Abwägung der beiderseitigen Interessen durch die Tarifvertragsparteien sei zu respektieren.

Die von den Parteien vereinbarte Nichtanrechnung von Spielzeiten, die auf der Regelung der Tarifvertragsparteien in § 61 Abs. 3 UAbs. 3 NV Bühne beruht, beeinträchtigt jedoch im konkreten Fall den gebotenen Mindeststandart, so dass die o.g. Abwägungsentscheidung der Tarifvertragsparteien vorliegend nicht mehr ausreicht, um von der Zulässigkeit einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung auszugehen.

Im vorliegenden Fall haben die Arbeitsvertragsparteien die tarifliche Ausnahmevorschrift fast bis zur Grenze ausgenutzt. Die Nichtanrechnungsvereinbarung begründet die sich jährlich verlängernde Sachgrundbefristung bis zu 19 Jahren im Arbeitsverhältnis der Parteien. Zwar mag es für eine Sachgrundbefristung bis zu 15 Jahren, wie in § 61 NV Bühne vorgesehen, gerade im Bereich der Opernsolosänger hinreichende sachliche Gründe geben. Eine Ausdehnung der Sachgrundbefristung auf 17 Jahre und damit gut ein halbes Berufsleben des Klägers ist jedoch vorliegend nicht mehr gerechtfertigt.

(i) Dabei dient die Befristung des streitgegenständlichen Arbeitsverhältnisses unstreitig dem durch die Kunstfreiheit geprägten Gestaltungsinteresse der Beklagten. Sie ermöglicht es ihr, das künstlerische Konzept sämtlicher Darbietungen durch Veränderung der konkreten Besetzung kurzfristig weiterzuentwickeln und ggf. an einen veränderten Publikumsgeschmack anzupassen. Die Tätigkeit des Klägers als Solosänger liegt auch unstreitig im Kernbereich des jeweiligen künstlerischen Konzepts der Beklagten als … Unabhängig vom jeweiligen Einsatz des Klägers in den einzelnen Darbietungen füllt dieser stets eine der tragenden Rollen des Ensembles aus. Der Kläger prägte somit durch seine sängerische Leistung die Darbietungen wesentlich mit.

(ii) Gleichwohl überwiegt das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Interesse des Klägers an einer unbefristeten Beschäftigung das durch die Kunstfreiheit geprägte Interesse der Beklagten an der Befristung des Arbeitsvertrags.

Dem Bestandsschutzinteresse des Klägers ist erhebliches Gewicht beizumessen, da er 17 Jahre lang aufgrund befristeter Verträge verschiedenste Partituren ausschließlich für die Beklagte gesunden hat und der berufliche und wirtschaftliche Schwerpunkt seiner Tätigkeit bei der Beklagten lag. Zwar hätte der Kläger ggf. in den Zeiträumen zwischen den einzelnen Aufführungen anderen schauspielerischen Tätigkeiten nachgehen können, längerfristige und/oder zeitaufwendige Engagements etwa an anderen Theatern hätten jedoch nur unter Schwierigkeiten realisiert werden können.

Besonders zu berücksichtigen war, dass der Kläger aufgrund seiner langjährigen Beschäftigung mit einem Einsatz in den unterschiedlichsten Inszenierungen nach einem Ablauf von 17 Jahren die Erwartung hegen durfte, dauerhaft bei der Beklagten eingesetzt zu werden. Anders als im zitierten Fall des BAG (Urteil vom 30.08.2017, 7 AZR 864/15, juris) zu einem Schauspieler in einer Krimiserie, der eine der Hauptrollen durchgängig für 18 Jahre gespielt hat, konnte und hat die Beklagte den Kläger stets wechselnd entsprechend ihren jeweiligen Inszenierungsplänen eingeplant und auch eingesetzt. Sie hat damit gezeigt, dass der Kläger dauerhaft vielseitig einsetzbar ist und ihrem Wechselbedürfnis langjährig entsprochen hat.

Der Wertung der Kammer steht auch nicht die Wertung der Tarifvertragsparteien aus § 61 Abs. 3 UAbs. 3 NV Bühne entgegen, wonach ein befristeter Arbeitsvertrag eines Solosängers durch eine Nichtverlängerungsmitteilung auf bis zu 18 Jahre ausgedehnt werden kann. Die Tarifvertragsparteien haben mit dieser tariflichen Regelung nämlich nicht aktiv die Zulässigkeit einer 17maligen Verlängerung der Befristung eines jeden Arbeitsvertrags von Solosängern ungeachtet des Einzelfalls regeln wollen – und können (dazu s.o.). Vielmehr ging es den Tarifvertragsparteien bei ihrer Regelung in § 61 Abs. 3 NV Bühne darum, die Anzahl der – nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG grds. unbegrenzt möglichen – Sachgrundbefristungen zu begrenzen. Befristungen sollten grundsätzlich für maximal 15 Jahre möglich sein. Es handelt sich dabei – in Übereinstimmung mit der Bewertung des BAG zu § 61 Abs. 1 UAbs. 1 NV Bühne (dazu s.o.) – um einen Schutzmechanismus, der die Beschäftigten vor einer ausufernden Sachgrundbefristung bewahren und gleichzeitig die Bewertung der Branchenkenner ausdrücken soll, dass eine bis zu 15jährige Sachgrundbefristung bei Solosängern in Anbetracht der künstlerischen Besonderheiten der Bühnen noch angemessen ist. Die Möglichkeit der Verlängerung um weitere vier Jahre – denn nichts weiter ist die „Nichtanrechnungsvereinbarung“ – stellt eine Ausnahmevorschrift dar. Die Tarifvertragsparteien haben bewusst Abstand davon genommen, bereits die ihrer Ansicht nach zulässige Höchstdauer auf 18 Jahre auszudehnen. Von der Ausnahmevorschrift sollte daher auch nur in Ausnahmefällen und nicht generell Gebrauch gemacht werden. Aus diesen Gründen indiziert die tarifliche Ausnahmeregelung nicht die Angemessenheit der besonders langjährigen Sachgrundbefristung, sondern eher das Gegenteil. Gegen die hiesige Bewertung spricht die Regelung damit gerade nicht.

Ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV an den EuGH ist nicht veranlasst. Die Entscheidung der Kammer ist mit der Berufung angreifbar. Ein Vorabentscheidungsersuchen ist auch nicht nach Art. 267 Abs. 2 AEUV veranlasst. Die Kammer konnte unter Einbeziehung der Rechtsprechung des EuGH in Befristungsstreitigkeiten die vorliegenden Rechtsfragen selbst beantworten.

II. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien konnte durch die Nichtverlängerungsmitteilung vom 15.06.2016 nicht mit Ablauf des 31.07.2017 aufgelöst werden. Denn das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestand für die Spielzeit 2016/2017 nicht mehr als befristetes i.S.d. § 61 Abs. 1 und 2 NV Bühne, sondern als unbefristetes, dazu s.o. In einem unbefristeten Bühnenarbeitsverhältnis ist der Ausspruch einer Nichtverlängerungsmitteilung – jedenfalls zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses; i.Ü. siehe dazu § 61 Abs. 3 UAbs. 1 NV Bühne – nicht mehr möglich.

Ob der Kläger vor Ausspruch der Nichtverlängerungsmitteilung ordnungsgemäß gemäß § 61 Abs. 4 NV Bühne angehört wurde, konnte deshalb dahinstehen.

C. Die Kostentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO. Als unterlegene Partei hat die Beklagte die Kosten zu tragen.

Die Festsetzung des Streitwerts im Urteil beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 3, 5 ZPO i.V.m. § 42 Abs. 2 S. 1 GKG. Dabei hat die Kammer als Streitwert für beide Anträge insgesamt ein Quartalsgehalt festgesetzt, weil der Streitgegenstand der beiden Anträge stets das Interesse am Bestand des Arbeitsverhältnisses selbst ist.

Die Berufung gegen dieses Urteil ist bereits nach § 64 Abs. 1 Buchst. c) ArbGG zulässig. Die Berufung war jedoch davon abgesehen auch nach § 64 Abs. 3 Nr. 2. Buchst. b) ArbGG zuzulassen, weil die Rechtssache eine Rechtsstreitigkeit über die Auslegung des Tarifvertrags NV Bühne als Tarifvertrag betrifft, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk des Arbeitsgerichts Köln hinaus erstreckt. Der NV Bühne gilt gemäß seines § 1 Abs. 1 für Solomitglieder und Bühnentechniker sowie Opernchor- und Tanzgruppenmitglieder an Bühnen innerhalb der gesamten Bundesrepublik Deutschland, die von einem Lande oder von einer Gemeinde oder von mehreren Gemeinden oder von einem Gemeindeverband oder mehreren Gemeindeverbänden ganz oder überwiegend rechtlich oder wirtschaftlich getragen werden. Dass die Rechtssache nach der Ansicht der Kammer entsprechend § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG auch grundsätzliche Bedeutung hat, konnte dahinstehen.

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