Skip to content

Tarifliche Corona-Sonderzahlung – Altersteilzeit – Freistellungsphase

ArbG Dortmund – Az.: 5 Ca 845/21 – Urteil vom 20.07.2021

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Der Streitwert wird auf 600,00 EUR festgesetzt.

4. Die Berufung wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung einer tariflichen Corona-Sonderzahlung, die während der Freistellungsphase der Altersteilzeit des Klägers fällig geworden ist. Der Kläger ist seit dem 01.09.1976 zunächst als Auszubildender, dann ab dem 26.01.1980 als KFZ-Schlosser bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien finden die Tarifverträge des Nahverkehrs für Nordrhein-Westfalen Anwendung.

Aufgrund eines Altersteilzeitvertrages vom 30.11.2016, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 7 – 10 d.A. Bezug genommen wird, befand sich der Kläger im Zeitraumzwischen dem 01.12.2016 bis zum 15.04.2020 in der Arbeitsphase der Altersteilzeit (Aktivphase). Seit dem 16.04.2020 bis zum 31.08.2023 befindet sich der Kläger in der Passivphase der Altersteilzeit. Auf das Arbeitsverhältnis und das Altersteilzeitarbeitsverhältnis findet u.a. der Tarifvertrag zur flexiblen Arbeitszeitregelung für ältere Beschäftigte vom 27.02.2010 Anwendung. Wegen des Wortlautes von § 7 Abs. 2 TV FlexAZ nebst Protokollerklärung wird auf die Wiedergabe im Schriftsatz der Beklagten vom 17.05.2021 (Bl. 38 ff. d.A.) Bezug genommen.

Aufgrund der Pandemiesituation im Kalenderjahr 2020 schlossen die Tarifvertragsparteien einen Tarifvertrag über eine einmalige Corona-Sonderzahlung vom 07.11.2020 (TV Corona-Sonderzahlung Nahverkehr NW 2020). Insofern wird wegen des Wortlautes dieses Tarifvertrages auf Bl. 5 und 6 d.A. Bezug genommen. Insofern heißt es in diesem Tarifvertrag:

(1) Personen, die unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fallen, erhalten eine einmalige Corona-Sonderzahlung spätestens mit dem Tabellenentgelt des Monats Dezember 2020 ausgezahlt, wenn ihr Arbeitsverhältnis am 1. Oktober 2020 bestand und an mindestens einem Tag zwischen dem 1. März 2020 und dem 31. Oktober 2020 Anspruch auf Entgelt bestanden hat.

(…)

(2) Die Höhe der einmaligen Corona-Sonderzahlung beträgt 600,00 Euro. Im Anwendungsbereich des TVAöD beträgt die Höhe der einmaligen Corona-Sonderzahlung 225,00 Euro. Nichtvollbeschäftigte Arbeitnehmer erhalten die Corona-Sonderzahlung in der Höhe, die dem Verhältnis ihrer individuell vereinbarten durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollbeschäftigten Arbeitnehmersentspricht. Maßgeblich sind die jeweiligen Verhältnisse am 1. Oktober 2020.

Im hier maßgeblichen Zeitraum gem. § 2 TV Corona-Sonderzahlung Nahverkehr NW 2020 zwischen dem 01.03.2020 und dem 31.10.2020 fiel der Zeitraum zwischen dem 01.03.2020 und dem 15.04.2020 in die Arbeits- bzw. Aktivphase der Altersteilzeit des Klägers.

Mit seiner am 22.03.2021 beim Arbeitsgericht Dortmund eingegangenen Klage macht der Kläger einen Anspruch auf die tarifliche Corona-Sonderzahlung geltend. Insofern ist er der Auffassung, entsprechend dem Altersteilzeitvertrag handele es sich bei der während der Altersteilzeit auch in der Freistellungsphase gezahlten Vergütung um ein monatliches Entgelt und damit Entgelt im tariflichen Sinn. Das stehe auch im Einklang mit den von der Beklagten erstellten Abrechnungen, die von der Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen ausgingen.

Der Tarifvertrag über die Corona-Sonderzahlung vom 07.11.2020 setze lediglich den Bestand eines Arbeitsverhältnisses am 01.10.2020 voraus. Die Erbringung einerarbeitsvertraglichen Tätigkeit sei im Tarifvertrag nicht vorgesehen. Die Freistellungsphase der Altersteilzeit schließe einen Anspruch auf die tarifliche Corona-Sonderzahlung nicht aus. Auch die Regelung des Tarifvertrags zur flexiblen Arbeitszeitregelung für ältere Beschäftigte vom 27.02.2010 (TV FlexAZ) stelle lediglich eine Berechnungsgrundlage dar. Darüber hinaus würden die dort geregelten Sonderzahlungen andere Fragen betreffen und der TV Corona-Sonderzahlung 2020 sei erst deutlich nach dem TV FlexAZ abgeschlossen worden.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 600,00 EUR netto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 27.03.2021 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist insofern der Ansicht, nach § 7 Abs. 2 TV FlexAZ entstehe in der Freistellungsphase nach dem tariflichen System dem Grunde nach kein neues Entgelt mehr. Es werde nur dasjenige Entgelt aus dem Wertguthaben ausgezahlt, in welches das in der Arbeitsphase erworbene Entgelt geflossen sei. Eine Erhöhung des Wertguthabens komme bei allgemeinen Tariferhöhungen nur in den von den Tarifvertragsparteien festgelegten Fällen und in der festgelegten Höhe in Betracht. Weil in der Aktivphase ein Anspruch auf eine einmalige Corona-Sonderzahlung nicht fällig geworden sei, komme in der Passivphase auch keine Auszahlung in Betracht. Darüber hinaus seien die Regelungen des TV FlexAZ vorrangig. Ähnlich wie die Jahressonderzahlung nach dem TVöD sei auch die Corona-Sonderzahlung von dem tariflichen Ausschluss umfasst. Weil in der Aktivphase kein Anspruch auf eine einmalige Corona-Sonderzahlung entstanden und hälftig in das Wertguthaben geflossen sei, komme in der Passivphase auch keine Auszahlung in Betracht. Darüber hinaus folge aus dem Altersteilzeitvertrag des Klägers, dass dieser am maßgeblichen Stichtag eine Teilzeitquote von 0 vorsehe, so dass auch die Quote der Sonderzahlung 0 betrage. Darüber hinausbelegten die Protokollerklärungen zu § 2 Abs. 1 TV Corona-Sonderzahlung, dassAnknüpfungspunkt für die Sonderzahlung die tatsächliche Arbeitsleistung sei und nur in bestimmten Fällen ohne tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung zum Stichtag gleichwohl ein Anspruch auf Sonderzahlung bestehe. Dies betreffe aber gerade nicht Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in der Freistellungsphase der Altersteilzeit.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften vom 03.05.2021 in 6 Ca 846/21 und des Kammertermins vom 20.07.2021 im vorliegenden Rechtsstreit vollinhaltlich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Der in der letzten mündlichen Verhandlung gestellte Antrag ist ein Leistungsantrag in Form des Zahlungsantrages zulässig.

II.

Die zulässige Klage ist hingegen unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 600,– Euro netto nach dem Tarifvertrag über eine einmalige Corona-Sonderzahlung vom 07.11.2020. Der Kläger erfüllt zwar die in § 2 Abs. 1 aufgestellten Voraussetzungen für die Gewährung einer Sonderzahlung nach dem Tarifvertrag, hingegen ist der entstandene Anspruch durch § 2 Abs. 2 TV Corona-Sonderzahlung vom 07.11.2020 ausgeschlossen.

1. Nach § 2 Abs. 1 TV Corona-Sonderzahlung vom 07.11.2020 erhalten Personen aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrages die Corona-Sonderzahlung, wenn ihr Arbeitsverhältnis am 01.10.2020 bestand und an mindestens einem Tag zwischen dem 01.03. und dem 31.10.2020 Anspruch auf Entgelt bestanden hat.

Der Kläger befand sich in dem tariflich relevanten Zeitraum zumindest im Zeitraum zwischen dem 01.03.2020 bis zum 15.04.2020 in der Aktiv- also Arbeitsphase seines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. Er hat zu diesem Zeitpunkt auch aktiv gearbeitet und damit die Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 1 TV Corona-Sonderzahlung vom 07.11.2020, nach denen an mindestens einem Tag zwischen dem 01.03.2020 und dem 31.10.2020 ein Entgeltanspruch bestanden haben muss, erfüllt. Ab dem 16.04.2020 befand sich der Kläger hingegen in der Passivphase seines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses, die bis zum 31.08.2023 andauert. In dieser Zeit erhält der Kläger zwar ein Bruttoentgelt, hingegen kein Entgelt im Sinne des § 2 Abs. 1 TV Corona-Sonderzahlung vom 07.11.2020.

2.

Das von dem Kläger in der Passivphase der Altersteilzeit bezogene Entgelt stellt keine Kompensation für die in dem anspruchsbegründenden Zeitraum erbrachte Arbeit dar, sondern ist lediglich das hinsichtlich der Fälligkeit aufgeschobene Entgelt aus der vorangegangenen Arbeitsphase der Altersteilzeit, die im vorliegenden Fall zwischen dem 01.12.2016 und dem 15.04.2020 stattfand. Das während der Freistellungsphase ausgezahlte Entgelt ist damit – mit Ausnahme der nicht im Austauschverhältnisstehenden Aufstockungsbeträge und der zusätzlichen Beträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (BAG, Urteil vom 11.04.2006, 9 AZR 369/05) – Gegenleistung für die in der Arbeitsphase erbrachte tatsächliche Tätigkeit (BAG, Urteil vom 19.01.2016, 9 AZR 564/14). Es ist damit für die Arbeitsphase geschuldet, auch wenn nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ATzG die Auszahlung im Sinne des § 614 BGB erst in der Freistellungsphase verlangt werden kann (BAG, Urteil vom 17.12.2015, 6 AZR 186/14).

Da der Kläger am 01.10.2020 in einem Arbeitsverhältnis, nämlich in einem Altersteilzeitarbeitsverhältnis, das zu diesem Zeitpunkt sich in der Passivphase der Altersteilzeit befand stand und der Kläger mehr als einen Tag im Zeitraum zwischen dem 01.03.2020 und dem 31.10.2020, nämlich im Zeitraum zwischen dem 01.03.2020 und dem 15.04.2020 aktiv gearbeitet hat, hat der Kläger grundsätzlich einen Anspruch nach § 2 Abs. 1 TV Corona-Sonderzahlung vom 07.11.2020.

3.

Gleichwohl ist der entstandene Anspruch nach § 2 Abs. 2 TV Corona-Sonderzahlung vom 07.11.2020 ausgeschlossen, da die Altersteilzeit mit einer Arbeitstagezahl von „0“ in Ansatz zu bringen ist und der Kläger sich nach dem gem. § 2 Abs. 2 S. 3 maßgeblichen Zeitpunkt am 01.10.2020 in einer regelmäßigen Arbeitszeit, die mit 0 in Ansatz zu bringen ist, befand. Daher hat der Kläger nach § 2 Abs. 2 S. 3 TV Corona-Sonderzahlung vom 07.11.2020 keinen Anspruch auf Gewährung der Corona-Sonderzahlung, da er als teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, zum maßgeblichen Zeitpunkt mit 0 Arbeitstagen, anzusehen ist, so dass ein – auch nur anteiliger – Anspruch auf Gewährung der Corona-Sonderzahlung ausgeschlossen ist.

Die Freistellungsphase der Altersteilzeit ist nämlich regelmäßig mit 0 Arbeitstagen in Ansatz zu bringen (so: BAG, Urteil vom 24.09.2019, 9 AZR 481/18). Im Blockmodell der Altersteilzeit besteht während der Freistellungsphase, also der Passivphase der Altersteilzeit keine Arbeitspflicht. Auch eine Gleichsetzung mit Arbeitnehmern, die während dieses Zeitraums tatsächlich gearbeitet haben (hierzu BAG, Urteil vom 19.03.2019, 9 AZR 406/17) ist im vorliegenden Fall ausgeschlossen, da der Kläger mit Abschluss des Altersteilzeitvertrages die Aufhebung seiner Arbeitspflicht in der Passivphase der Altersteilzeit absichtlich und willentlich herbeigeführt hat (vgl.: EuGH, Entscheidung vom 04.10.2018, C-12/17- (Dicu)).

Da die Teilzeit des Klägers zum maßgeblichen Stichtag, dem 01.10.2020, daher mit 0 anzusetzen war, ist der entstandene Anspruch nach dem Tarifvertrag Corona-Sonderzahlung vom 07.11.2020 ausgeschlossen.

4.

Es kann offen bleiben, ob ein etwaiger Anspruch des Klägers nach dem TV FlexAZ vom 27.02.2010 darüber hinaus ausgeschlossen ist. Nach diesem Tarifvertrag werden Einmalzahlungen, wie die tarifliche Jahressonderzahlung in der Freistellungsphase der Altersteilzeit, nicht neben dem anteiligen monatlichen Wertguthaben gezahlt. Das ältere Datum des TV FlexAZ im Verhältnis zu dem Tarifvertrag Corona-Sonderzahlung vom 07.11.2020 spricht gegen einen solchen Ausschluss. Es bedarf insofern hierkeiner Entscheidung, ob die Tarifvertragsparteien einen Ausschluss tariflicher Sonderzahlungen in der Freistellungsphase ausdrücklich positiv hätten regeln müssen, wenn sie grundsätzlich die tarifliche Sonderzahlung auch in der Freistellungsphase der Altersteilzeit hätten ausschließen wollen.

Die Klage unterlag damit der Abweisung.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO. Die Kosten des Rechtsstreits waren dem Kläger als unterlegener Partei aufzuerlegen.

Das Gericht hat den Streitwert nach §§ 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, 3 ZPO auf Grundlage des zuletzt gestellten bezifferten Klageantrages festgesetzt. Die Streitwertfestsetzung erfolgte nach § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil.

Das Gericht hat die Berufung nach § 64 Abs. 3 Nr. 2 b ArbGG für den Kläger zugelassen. Insofern streiten die Parteien nämlich um die Auslegung eines Tarifvertrages bzw. Tarifgewerkes.

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Arbeitsrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Arbeitsrecht. Vom Arbeitsvertrag bis zur Kündigung. Nehmen Sie noch heute Kontakt zu uns auf.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Arbeitsrecht einfach erklärt

Weitere interessante arbeitsrechtliche Urteile

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!