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Urlaubsabgeltung im Falle eines einvernehmlich ruhend gestellten Arbeitsverhältnisses

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein – Az.: 5 Sa 80/12 – Urteil vom 21.06.2012

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 25.01.2012, Az.: 5 Ca 2655/11, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

3. Die Revision wird für die Klägerin hinsichtlich des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung für das Jahr 2011 (€ 2.721,72) zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Abgeltungsansprüche der Klägerin wegen gesetzlichen Urlaubs und tariflichen Mehrurlaubs sowie tarifliches Urlaubsgeld.

Die 1948 geborene Klägerin war bei der Beklagten vom 27.02.1989 bis 31.07.2011 zuletzt als Textilarbeiterin beschäftigt. Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis selbst, da sie „Rente ab dem 1. Juni 2011 wegen voller Erwerbsminderung erhalte“ (Berufungserwiderung Seite 19, Bl. 103 d. A.). Sie war zuvor ununterbrochen seit 06.10.2009 bis zu ihrem Ausscheiden arbeitsunfähig krank. Nach Beendigung des Krankengeldbezugs bezog die Klägerin seit 26.12.2010 bis zum 31.05.2011 Arbeitslosengeld. Für den Bezug des Arbeitslosengeldes erteilte die Beklagte der Klägerin antragsgemäß mit Datum vom 10.11.2010 die Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III (Bl. 47 – 50 d. A.). Mit Bescheid vom 06.07.2011 wurde der Klägerin rückwirkend zum 01.06.2011 eine Erwerbsunfähigkeitsrente bewilligt.

Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge für die Textilindustrie H. und S. Anwendung. Nach § 3 Nr. 1 der tariflichen „Urlaubsvereinbarung“ vom 12.05.1982 (künftig: Url-TV, Bl. 41 – 46 d. A.) beträgt der Jahresurlaubsanspruch 30 Arbeitstage (§ 3 Ziffer 1 Url-TV) und gemäß § 13 Url-TV besteht Anspruch auf ein zusätzliches Urlaubsgeld. In den Kalenderjahren 2010 und 2011 nahm die Klägerin krankheitsbedingt keinen Urlaub. Mit Schreiben vom 11.07.2011 forderte die Klägerin die Abgeltung der Urlaubsansprüche für die Jahre 2010 und 2011 und die Gewährung des tariflichen Urlaubsgeldes. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechnete die Beklagte für das Kalenderjahr 2010 den gesetzlichen Urlaubsanspruch in Höhe von 20 Arbeitstagen als Urlaubsabgeltung gegenüber der Klägerin ab und zahlte die entsprechenden Nettobeträge an die Klägerin aus. Die Beklagte leistete keine weiteren Zahlungen an die Klägerin.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe für das Jahr 2010 ein weiterer Abgeltungsanspruch für 10 Urlaubstage in unstreitiger Höhe von € 907,24 brutto und für das Kalenderjahr 2011 die Abgeltung des gesamten Urlaubsanspruchs von 30 Tagen in unstreitiger Höhe von insgesamt € 2.721,72 brutto zu, die der Berechnung nach zwischen den Parteien unstreitig sind. Daneben hat die Klägerin für die Jahre 2010 und 2011 das zusätzliche tarifliche Urlaubsgeld in Höhe von jeweils unstreitig 635,00 € brutto klagweise geltend gemacht.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, € 3.628,96 brutto sowie weitere € 1.270,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basis-zinssatz ab Klagzustellung an sie zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erwidert, dass die Klägerin den tariflichen Resturlaubsanspruch 2010 in Höhe von 10 Tagen nicht rechtzeitig innerhalb der tariflichen Regelungen zum Urlaubsjahr schriftlich geltend gemacht habe, so dass dieser aufgrund der tariflichen Regelungen verfallen sei. Die Forderung der Abgeltung von Urlaub mit Schreiben vom 11.07.2011 sei verspätet und könne zudem nicht als Geltendmachung der Gewährung von Urlaub angesehen werden. Nach Ansicht der Beklagten handelt es sich bei der tariflichen Urlaubsvereinbarung um ein eigenständiges tarifliches Urlaubsregime, mit dem die Tarifvertragsparteien vom Bundesurlaubsgesetz abweichende Regelungen hinsichtlich des Verfalls und der Abgeltung von Urlaubsansprüchen geregelt hätten. Selbst wenn die Urlaubsansprüche nicht verfallen seien, könne gemäß § 7 Ziffer 4 Urlaubsvereinbarung eine Abgeltung nur bei zwingenden betrieblichen Gründen, nicht jedoch bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit erfolgen. Für das Jahr 2011 sei aufgrund des Bezuges von Arbeitslosengeld gemäß § 125 SGB III das Ruhen des Arbeitsverhältnisses vereinbart worden. Sie, die Beklagte, habe auf entsprechendes Verlangen der Klägerin durch Ausfüllen der Bescheinigung gemäß § 312 SGB III auf ihr Direktionsrecht gegenüber der Klägerin verzichtet. Auch nach Bewilligung der befristeten Erwerbsunfähigkeitsrente sei die zuvor getroffene Ruhensvereinbarung nicht wieder aufgehoben und gelte fort. Aus gleichen Gründen sei kein gesetzlicher Urlaubsanspruch im Jahr 2011 entstanden. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass die Klägerin noch bis mindestens 31.03.2012 arbeitsunfähig krank und auch aus diesem Grund der Urlaubsanspruch nicht erfüllbar sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 25.01.2012 insgesamt abgewiesen. Die Übertragung des tariflichen Mehrurlaubs für das Jahr 2009 auf das Jahr 2010 habe die Klägerin entgegen § 7 Nr. 6 UV nicht schriftlich geltend gemacht. Selbst wenn die Klägerin mit dem Schreiben vom 11.07.2011 die Gewährung bzw. Übertragung von Urlaub verlangt hätte, wäre die Geltendmachung verspätet, da sie nach dem 31.03.2011 erfolgt sei. Ungeachtet dessen habe die Klägerin mit jenem Schreiben aber auch nicht die Übertragung ihres Jahresurlaubs 2010 begehrt, sondern ausschließlich Urlaubsabgeltung beansprucht. Dem Erlöschen des Anspruchs stehe auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes nicht entgegen, da das Urlaubsrecht im Tarifvertrag eigenständig geregelt sei. Dies habe das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein bereits im Urteil vom 02.07.1999 (6 Sa 308/98) festgestellt. Das Arbeitsgericht hat sich den Wertungen jener Entscheidung angeschlossen. Der Klägerin stehe auch keine Urlaubsabgeltung des gesetzlichen und tariflichen Mehrurlaubs für 2011 für 30 Urlaubstage zu. Durch die Erteilung der von der Klägerin beantragten Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III hätten die Parteien das Ruhen des Arbeitsverhältnisses vereinbart. Nur durch den Verzicht der Beklagten auf ihr Direktionsrecht habe die Klägerin Arbeitslosengeld beziehen können. Nach dem Willen beider Parteien sollte das rechtlich an sich noch bestehende Arbeitsverhältnis tatsächlich nur formaler Natur sein und keine irgendwie gearteten Bindungen im Hinblick auf die Aufnahme der Arbeit begründen. Urlaubsansprüche könnten nicht entstehen, wenn ein Arbeitnehmer gleichzeitig Arbeitslosengeld wegen bestehender Beschäftigungslosigkeit beziehe. Hieran ändere auch nichts die rückwirkende Bewilligung von Erwerbsunfähigkeitsrente mit Wirkung ab dem 01.06.2011. Ein Anspruch auf tarifliches Urlaubsgeld für 2010 bestehe nicht, da dieses zum tariflichen Mehrurlaubsanspruch akzessorisch sei. Dafür spreche bereits die Bezeichnung der Leistung als ein mit dem Urlaubsentgelt zu zahlendes zusätzliches Urlaubsgeld.

Gegen dieses ihr am 06.02.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 05.03.2012 beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese am 07.03.2012 begründet.

Die Klägerin trägt vor, zwar habe sie einen Antrag auf Übertragung ihres tariflichen Mehrurlaubs für 2010 auf das Kalenderjahr 2011 ausdrücklich nicht gestellt, indessen lasse sich eine derartige Verpflichtung § 7 Ziff. 6 Url-TV dann nicht entnehmen, wenn der Arbeitnehmer dauerhaft arbeitsunfähig sei und seinen Urlaub folglich auch nicht in natura nehmen könne. § 7 Ziff. 6 Url-TV regele mithin auch nicht die schriftliche Geltendmachung der Übertragung des Urlaubs, sondern die schriftliche Geltendmachung desselben. § 7 Ziff. 6 Url-TV setze voraus, dass der Urlaub auch tatsächlich genommen werden könne, ansonsten ginge eine Geltendmachung ins Leere. Hinsichtlich des Urlaubsanspruchs für 2011 habe das Gericht § 3 Ziff. 6 Url-TV übersehen. Danach hätten Betriebsangehörige mit einer Zugehörigkeit von mehr als acht Jahren den vollen Urlaubsanspruch, wenn diese aufgrund von Invalidität oder aus Altersgründen aus dem Arbeitsverhältnis ausschieden. Sie sei seit 1989 im Betrieb der Beklagten tätig gewesen und sei wegen des Bezugs einer Rente wegen voller Erwerbsunfähigkeit ausgeschieden. Die tarifliche Urlaubsvereinbarung stamme aus dem Jahr 1982 und sei sprachlich wie jetzt im Bereich des Rentenrechts üblich nicht angepasst worden. Die tariflich geforderte Invalidität entspreche der vollen Erwerbsminderung. Nach dem Willen der Tarifvertragsparteien sei der volle Urlaubsanspruch zu gewähren einschließlich des zusätzlichen Urlaubsgeldes unabhängig davon, ob in dem Arbeitsverhältnis bis zu dessen Beendigung eine Arbeitsleistung tatsächlich noch erbracht worden sei oder nicht. Auf ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses könne es dabei nicht ankommen. Wenn die Tarifvertragsparteien etwas anderes gewollt hätten, hätten sie dies tarifvertraglich vereinbaren müssen. Ungeachtet dessen sei auch in der Rechtsprechung streitig, ob der Bezug von Arbeitslosengeld bei einem rechtlich noch bestehenden Arbeitsverhältnis dazu führe, dass dieses ruhe mit der Folge, dass Urlaubsansprüche nicht entstünden.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 25.01.2012 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie € 3.628,96 brutto sowie weitere € 1.270,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagzustellung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Berufung sei bereits unzulässig, da sie nicht den gesetzlichen Anforderungen genüge. Es fehle an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils. Ungeachtet dessen sei die Berufung aber auch unbegründet. Die Beklagte wiederholt und vertieft insoweit ihren erstinstanzlichen Vortrag. Ein zusätzlicher Urlaubsabgeltungsanspruch für 10 Tage tariflichen Mehrurlaubs aus dem Jahr 2010 stehe der Klägerin bereits deshalb nicht zu, da die tarifliche Urlaubsvereinbarung für die Behandlung des übergesetzlichen Urlaubsanspruchs ein vom Bundesurlaubsgesetz ganz erheblich abweichendes tarifliches Urlaubsregime enthalte. Die infolge der S.-H.-Entscheidung ergangene neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts zur Abgeltung des gesetzlichen Urlaubs gelte mithin nicht für den hier strittigen tariflichen Mehrurlaub. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen und übertariflichen Urlaubs für das Jahr 2011. Im Jahr 2011 habe das Arbeitsverhältnis der Parteien geruht, so dass ein Urlaubsanspruch aufgrund der Suspendierung der Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis gar nicht entstanden sei. Aufgrund der antragsgemäßen Erteilung der Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III habe sie, die Beklagte, auf ihr Direktionsrecht verzichtet und sei somit gar nicht mehr in der Lage gewesen, der Klägerin Urlaub zu erteilen. Die Klägerin könne für die Jahre 2010 und 2011 auch kein tarifliches Urlaubsgeld beanspruchen. Dies folge aus der Akzessorietät des Anspruchs auf das zusätzliche Urlaubsgeld zum Bestehen und zur Gewährung eines tariflichen Urlaubsanspruchs, aber auch aus dem Fehlen eines Anspruchs auf Zahlung des Urlaubsgeldes bei tatsächlicher Nichtinanspruchnahme des Urlaubs.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 21.06.2012 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

I.

Die Berufung der Klägerin ist vom Beschwerdewert an sich statthaft und ist form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 66 Abs. 1 und Abs. 2 b) ArbGG. Indessen ist die Berufung nicht in allen Teilen des Streitgegenstandes ordnungsgemäß begründet worden, §§ 520 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG und war insoweit als unzulässig zu verwerfen.

1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG sind die Vorschriften der ZPO über die Begründung der Berufung auch im Urteilsverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen anwendbar. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die Regelung des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungsführer die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Dadurch soll bloßen, formelhaften Berufungsbegründungen entgegengewirkt und eine Beschränkung des Rechtsstoffs im Berufungsverfahren erreicht werden. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den Streitfall zugeschnitten sein. Eine schlüssige Begründung kann zwar nicht verlangt werden; doch muss sich die Berufungsbegründung mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen oder lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG, Urteil vom 15.03.2011 – 9 AZR 813/09 -, AP Nr. 44 zu § 64 ArbGG 1979, Rn. 11).

2. Nach diesen Maßgaben genügt die Berufungsbegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen, soweit die Klägerin mit der Berufung die erstinstanzlich abgewiesenen Ansprüche auf Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs 2010 (a) sowie auf Zahlung des tariflichen Urlaubsgeldes für 2010 und 2011 (b) weiterverfolgt. Indessen ist die Berufung im Hinblick auf die mit der Berufung weiterverfolgte Urlaubsabgeltung für das Jahr 2011 zulässig (c), letztlich aber unbegründet (II.).

a) Das Arbeitsgericht hat die Abweisung des Zahlungsantrages betreffend den Abgeltungsanspruch des tariflichen Mehrurlaubs auf zwei eigenständige und jeweils tragende Begründungen gestützt.

aa) Das Arbeitsgericht hat den Klaganspruch auf Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs 2010 einerseits mit der Begründung abgelehnt, der Anspruch sei am 31.03.2010 verfallen, da der Tarifvertrag eine schriftliche Geltendmachung voraussetze und eine (rechtzeitige) schriftliche Geltendmachung der Klägerin unstreitig nicht vorliege. Zum anderen könne sich die Klägerin aber auch nicht auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und die daran anknüpfende Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urt. v. 24.03.2009 – 9 AZR 893/07) berufen, da die tarifvertragliche Urlaubsvereinbarung eigenständige Urlaubsregelungen enthalte, so dass der im Tarifvertrag geregelte Verfall des tariflichen Mehrurlaubs nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstoße. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht auf eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 02.07.1999 – 6 Sa 308/98 – verwiesen. Damit hat das Arbeitsgericht seine Entscheidung auf zwei nebeneinander bestehende Begründungen gestützt. Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage hinsichtlich eines prozessualen Anspruchs auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung das Urteil in allen diesen Punkten angreifen. Sie hat daher für jede der Erwägungen darzulegen, warum sie die Entscheidung nicht trägt; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (BGH, Urt. v. 27.11.2003 – IX ZR 250/00 -, NJW-RR 2004, 641). In diesem Falle muss mithin der Berufungsführer in der Berufungsbegründung beide eigenständigen Begründungsansätze des Arbeitsgerichts argumentativ widerlegen.

bb) Hieran gemessen ist die Berufung im Hinblick auf den prozessualen Anspruch auf Abgeltung des Mehrurlaubs 2010 unzulässig, da die Berufung insoweit nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 2 ZPO entspricht. Die Klägerin setzt sich in ihrer Berufungsbegründung einzig und allein mit der ersten Begründungsalternative auseinander. Sie wendet lediglich ein, dass § 7 Ziff. 6 Url-TV keinen schriftlichen Antrag auf Übertragung des Resturlaubs auf das Folgejahr voraussetze, sondern die schriftliche Geltendmachung des Urlaubs. Aufgrund ihrer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit sei sie aber gar nicht in der Lage gewesen, den Urlaub tatsächlich zu nehmen, so dass auch eine schriftliche Geltendmachung desselben ins Leere gegangen wäre. Die Klägerin setzt sich indessen überhaupt nicht mit der ebenfalls tragenden und zur Klagabweisung führenden Begründung des Arbeitsgerichts auseinander, dass die Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs gemäß § 7 Ziff. 3 und 6 Url-TV ungeachtet eines schriftlichen Antrages ausgeschlossen sei, da der Urlaubsanspruch gemäß § 7 Ziff. 3 und 6 Url-TV in jedem Fall am 31.03.2010 verfalle und diese tarifliche Regelung bezogen auf den hier allein strittigen tariflichen Mehrurlaub auch nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstoße. Diesen eigenständigen und durch Rechtsprechungsnachweise untermauerten Begründungsansatz des Arbeitsgerichts lässt die Klägerin völlig unbeachtet. Die Klägerin hat sich in der Berufungsbegründung – bezogen auf den Abgeltungsanspruch für den tariflichen Mehrurlaub 2010 – mithin nicht mit beiden Begründungsalternativen im angefochtenen Urteil auseinandergesetzt. Insoweit ist ihre Berufung als unzulässig zu verwerfen.

b) Unter Ziff. 3 der Entscheidungsgründe hat das Arbeitsgericht die Klagabweisung bezogen auf das tarifliche Urlaubsgeld damit begründet, dass das tarifliche Urlaubsgeld gemäß § 13 Url-TV akzessorisch zum tariflichen Urlaubsanspruch sei. In den Jahren 2010 und 2011 habe die Klägerin indessen keinen Urlaubsanspruch erworben.

Obgleich die Klägerin das tarifliche Urlaubsgeld für 2010 und 2011 in unstreitiger Höhe von € 1.270,00 brutto mit dem Berufungsantrag ebenfalls weiterverfolgt, hat sie sich in der ohnehin nur knapp anderthalbseitigen Berufungsbegründung nicht mit einem Wort mit den Gründen unter Ziff. 3 des angefochtenen Urteils auseinandergesetzt. Die Berufung war deshalb auch insoweit als unzulässig zu verwerfen.

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Berufung bezogen auf den Streitgegenstand Urlaubsabgeltung 2011 zulässig.

Das Arbeitsgericht hat den diesbezüglichen Klagantrag abgewiesen, weil das Arbeitsverhältnis durch die von der Klägerin veranlasste Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III einvernehmlich ruhend gestellt worden sei. Hierdurch sei eine Beschäftigungslosigkeit der Klägerin eingetreten. Bei gleichzeitigem Bezug von Arbeitslosengeld nach § 125 SGB III entstünden daher wegen der Beschäftigungslosigkeit der Klägerin keine Urlaubsansprüche. Auch die spätere Bewilligung der Erwerbsminderungsrente habe die Ruhensvereinbarung nicht beendet. Diese Begründung greift die Klägerin mit der Argumentation an, dass die Tarifvertragsparteien in § 3 Nr. 6 Url-TV geregelt hätten, dass Arbeitnehmer, die aus Gründen der Invalidität aus dem Arbeitsverhältnis ausschieden, unter bestimmten Voraussetzungen den vollen Urlaubsanspruch erhielten. Sie sei unstreitig aus Gründen der Invalidität bzw. der vollen Erwerbsminderung aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden und erfülle auch im Übrigen die dortigen Voraussetzungen. Nach dem Willen der Tarifvertragsparteien sei unter diesen Voraussetzungen in jedem Falle und ohne jegliche Einschränkung der volle Urlaubsanspruch zu gewähren einschließlich des zusätzlichen Urlaubsgeldes und unabhängig davon, ob in dem Arbeitsverhältnis bis zu dessen Beendigung eine Arbeitsleistung tatsächlich noch erbracht worden sei oder nicht. Auf ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses könne es dabei nicht ankommen, denn wenn die Tarifvertragsparteien etwas anderes gewollt hätten, hätten sie dies tarifvertraglich regeln müssen. Dies sei nicht geschehen.

Mit dieser Begründung hat die Klägerin sich mit den tragenden Entscheidungsgründen, dass in einem ruhenden Arbeitsverhältnis keine Urlaubsansprüche entstehen könnten, auseinandergesetzt. Darauf, ob diese Begründung auch in der Sache richtig ist, kommt es bei der Frage der Zulässigkeit nicht an. Die Berufung ist mithin bezogen auf den Urlaubsabgeltungsanspruch für das Jahr 2011 frist- und ordnungsgemäß begründet worden und damit insoweit auch zulässig.

II.

Die insoweit zulässige Berufung hat indessen in der Sache selbst keinen Erfolg, da sie unbegründet ist.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Abgeltung des kompletten 30-tägigen Urlaubs für das Jahr 2011 in unstreitiger Höhe von € 2.721,72 brutto. Ein Urlaubsabgeltungsanspruch besteht nur dann, wenn ein entsprechender Urlaubsanspruch im streitgegenständlichen Zeitraum auch entstanden ist. Vom 01.01.2011 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.07.2011 hat die Klägerin indessen keine Urlaubsansprüche erworben. Dies gilt sowohl für den gesetzlichen (20 Tage) als auch den tariflichen Mehrurlaub (fünf Tage).

1. Spätestens seit Januar 2011 ruhte das Arbeitsverhältnis der Parteien. Die Parteien haben zumindest konkludent das Ruhen des Arbeitsverhältnisses vereinbart, um der Klägerin den Bezug von Arbeitslosengeld zu ermöglichen, nachdem ihr Anspruch auf Krankengeld gemäß § 48 SGB V ausgelaufen war. Um in den Genuss von Arbeitslosengeld zu gelangen hat die Klägerin der Beklagten eine Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III vorgelegt, die von dieser auch ausgefüllt worden ist. Hierin liegt das konkludente Angebot der Klägerin, das Ruhen des Arbeitsverhältnisses zu vereinbaren. Mit Erteilung der Arbeitsbescheinigung hat die Beklagte das entsprechende Angebot auch konkludent angenommen. Die Beklagte hat hiermit der Klägerin ausdrücklich bestätigt: „Das Beschäftigungsverhältnis ist beendet, weil die Beschäftigung nicht mehr ausgeübt wird, das Arbeitsverhältnis besteht jedoch fort. … Grund: Aussteuerung aus dem Krankengeldbezug. Zeitraum: ab 26.12.2010 ausgesteuert.“ Aufgrund der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses mit Wirkung ab dem 27.10.2010 hat die Beklagte zugleich auf das Direktionsrecht verzichtet. Damit waren die wechselseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis, nämlich die Pflicht des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung und die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung der vereinbarten Vergütung suspendiert (BAG, Urt. v. 14.03.2006 – 9 AZR 312/05 -, AP Nr. 90 zu § 7 BurlG, m. w. N.).

2. Durch die einvernehmlich getroffene Ruhensvereinbarung haben die Parteien vorliegend eine Vertragsänderung dahingehend vorgenommen, dass das mit dem Arbeitsvertrag begründete Beschäftigungsverhältnis (unbefristet) außer Kraft gesetzt wurde und die Beklagte auf die Ausübung des Direktionsrechts verzichtete. Die einvernehmliche Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses war Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld I. Diese einvernehmliche Vertragsänderung hatte vorliegend zur Folge, dass während des Ruhenszeitraums mit Wirkung ab dem 01.01.2011 kein Urlaubsanspruch entstehen konnte.

a) Dabei verkennt die Kammer nicht, dass das Ruhen des Arbeitsverhältnisses als solches der Entstehung des Urlaubsanspruchs grundsätzlich nicht entgegensteht. Dies entspricht der langjährigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urt. v. 30.07.1986 – 8 AZR 475/84 -, DB 1986, 2394; v. 26.05.1988 – 8 AZR 774/85 -, DB 1989, 182; 19.04.1994 – 9 AZR 462/92 -, DB 1994, 1880; 19.01.1999 – 9 AZR 204/98 -, AP Nr. 68 zu § 1 TVG ‚Tarifverträge: Einzelhandel‘; 07.09.2004 – 9 AZR 587/03 -, ZTR 2005, 195; v. 17.05.2011 – 9 AZR 197/10 -, ZTR 2011, 605). Indessen wird in der neueren instanzgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vertreten, dass ein Arbeitsverhältnis während des Bezugs von Erwerbsunfähigkeitsrente oder Arbeitslosengeld ruht und in diesem Falle das Ruhen des Arbeitsverhältnisses dem Entstehen von Urlaubsansprüchen entgegenstehe (LAG Hamm, Urt. v. 13.02.2012 – 16 Sa 560/10 – und v. 13.02.2012 – 16 Sa 148/11 -, zit. n. Juris; LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 06.12.2011 – 19 Sa 795/11 – und – 19 Sa 1229/11 -, zit n. Juris; LAG Köln, Urt. v. 19.08.2011 – 12 Sa 110/11 –, ZTR 2011, 732; Urt. v. 10.03.2011 – 3 Sa 1057/10, ZTR 2011, 689; Urt. v. 29.04.2010 – 6 Sa 104/10 -, ZTR 2012, 589; LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 09.03.2012 – 9 Sa 155/11 -, zit. n. Juris; Urt. v. 09.06.2011 – 6 Sa 109;10 -, zit. n. Juris; LAG München, Urt. v. 17.11.2011 – 3 Sa 595/11 -, zit. n. Juris; Urt. v. 26.05.2011 – 4 Sa 66/11 -, zit. n. Juris; LAG Düsseldorf, Urt. v. 07.07.2011 – 5 Sa 416/11 -, ZTR 2011, 730; Urt. v. 01.10.2010 – 9 Sa 1541/09 -, zit. n. Juris; Urt. v. 05.05.2010 – 7 Sa 1571/09 -, ZTR 2010, 662; ArbG Bonn, Urt. v. 18.01.2012 – 5 Ca 2499/11 -, zit. n. Juris; . a.A.: LAG Niedersachsen, Urt. v. 29.03.2012 – 7 Sa 662/11 -, zit. n. Juris; LAG Düsseldorf, Urt. v. 23.02.2012 – 5 Sa 1370/11 -, zit. n. Juris; Urt. v. 08.02.2011, 16 Sa 1574/10 -; LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 16.12.2010 – 4 Sa 209/10 -, zit. n. Juris).

b) Das Berufungsgericht geht mit den Landesarbeitsgerichten Hamm (16 Sa 560/10 und 16 Sa 148/11), Berlin-Brandenburg (19 Sa 795/11 und 19 Sa 1229/11) und Düsseldorf (5 Sa 416/11) davon aus, dass durch die von der Klägerin initiierte konkludente Ruhensvereinbarung der Parteien deren Beschäftigungsverhältnis aufgelöst und damit das Arbeitsverhältnis zugleich derart sinnentleert hat, dass Urlaubsansprüche während der Zeit des Arbeitslosengeldbezuges nicht entstanden sind. Dies folgt nicht zuletzt mit Blick auf §§ 117 ff. SBG III. Arbeitnehmer haben danach nur dann Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn sie arbeitslos sind oder sich in einer beruflichen Weiterbildung befinden, § 117 Abs. 1 SGB III. Arbeitslos ist ein Arbeitnehmer indessen gemäß § 119 Abs. 1 SGB III nur dann, wenn er nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und sich zugleich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht. Der Arbeitnehmer muss mithin nicht nur in keinem aktiven Arbeitsverhältnis stehen, sondern sich auch um die Begründung eines (neuen) Beschäftigungsverhältnisses bzw. aktiven Arbeitsverhältnisses bemühen. Lösen die Vertragsparteien das dem Arbeitsverhältnis zugrunde liegende Beschäftigungsverhältnis einvernehmlich auf, ist das formell noch fortbestehende Arbeitsverhältnis nur noch eine sinnentleerte Hülse. Im Synallagma stehende Hauptleistungspflichten werden in einem ruhenden Arbeitsverhältnis nicht begründet. Im Falle einer vom Arbeitnehmer selbst initiierten Ruhensvereinbarung zum Zwecke der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um Arbeitslosengeld beziehen zu können, gilt dies auch für Urlaubsansprüche, obgleich es sich bei der Urlaubsgewährung um eine Nebenpflicht des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis handelt, die darauf gerichtet ist, die Hauptpflicht des Arbeitnehmers zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung zu suspendieren (vgl. ErfK/Gallner, Rn. 8 zu § 1 BurlG m. Rspr.-Nachw.). Denn bei einer einvernehmlichen Ruhensvereinbarung haben die Parteien die Hauptleistungspflichten (Arbeitspflicht und Vergütungszahlung) von vornherein suspendiert, so dass eine Urlaubsgewährung, d. h. eine Suspendierung von der Arbeitspflicht, durch den Arbeitgeber von vornherein und unabhängig von der anhaltenden Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht möglich ist.

c) Diese Entscheidung widerspricht auch nicht Artikel 7 der Richtlinie 2003/88/EG in der Auslegung, die er durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Entscheidung vom 20.01.2009 – C-350/06 und C-520/06 – (Schultz-Hoff, zit. n. Juris), die vom Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 24.03.2009 – 9 AZR 983/07 – (AP Nr. 39 zu § 7 BurlG) übernommen worden ist, und der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 22.11.2011 – C-214/10 – (zit n. Juris) erfahren hat. Danach wird mit dem in Artikel 7 der Richtlinie 2003/88/EG verankerten Anspruch ein doppelter Zweck verfolgt, der darin besteht, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zum einen von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen und zum anderen über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen (EuGH, Urt. v. 20.01.2009 – C-350/06 – Rz. 25). Im Übrigen werden nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs der Anspruch auf Jahresurlaub und der auf Zahlung des Urlaubsentgelts als zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs behandelt, so dass die Abgeltung des nicht genommenen Urlaubs so zu berechnen ist wie das gewöhnliche Arbeitsentgelt, das während des bezahlten Jahresurlaubs weiterzuzahlen gewesen wäre.

Aus alledem wird deutlich, dass der Europäische Gerichtshof und ihm folgend das Bundesarbeitsgericht diese Grundsätze nur für die Fälle entschieden haben, in denen alleinige Ursache des nicht genommenen und später abzugeltenden Urlaubs die fortdauernde Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers war. Darin unterscheidet sich der vorliegend zu entscheidende Fall deutlich.

d) Zwar war die Klägerin ununterbrochen seit dem 06.10.2009 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses und darüber hinaus arbeitsunfähig krank und war daher im streitgegenständlichen Zeitraum auch nicht in der Lage, ihre Arbeitsleistung zu erbringen. Doch ist die fortdauernde Arbeitsunfähigkeit der Klägerin spätestens ab Januar 2011 dadurch verdrängt und überholt worden, dass die Parteien ab diesem Zeitpunkt und der eintretenden Arbeitslosigkeit der Klägerin sowie der nachträglichen Rentengewährung wegen voller Erwerbsminderung ihr Arbeitsverhältnis einvernehmlich auf eine andere Grundlage gestellt, nämlich zum Ruhen gebracht haben (LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 06.12.2011 – 19 Sa 795/11 und 19 Sa 1229/11, zit n. Juris). Durch die Ruhensvereinbarung haben die Parteien mit Wirkung ab dem 01.01.2011 das dem Arbeitsvertrag zugrunde liegende Beschäftigungsverhältnis beendet. Nicht die fortdauernde Arbeitsunfähigkeit war dafür ursächlich, dass die Klägerin weder den gesetzlichen noch den tariflichen Mehrurlaub in natura nehmen konnte, sondern der Umstand, dass die Parteien einvernehmlich das Arbeitsverhältnis ruhend gestellt und damit ihr Beschäftigungsverhältnis beendet haben, so dass Urlaubsansprüche gar nicht erst entstehen konnten. Die Klägerin hat sich unstreitig arbeitslos gemeldet und einvernehmlich mit der Beklagten das dem Arbeitsvertrag zugrunde liegende Beschäftigungsverhältnis beendet, um Lohnersatzleistungen beziehen zu können. Obgleich das Arbeitsverhältnis formell noch fortbestand, waren die Hauptleistungspflichten suspendiert. Aufgrund des konkludenten Verzichts auf das Direktionsrecht war die Beklagte auch nicht in der Lage, der Klägerin Urlaub zu gewähren.

e) Zudem weist auch die Berufungskammer darauf hin, dass die Klägerin während der Zeit ihrer Arbeitslosigkeit gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 der Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) vom 23.10.1997, zuletzt geändert durch 2. Änderungsanordnung zur EAO vom 26. September 2008, mit Zustimmung der Agentur für Arbeit sich bis zu drei Wochen pro Kalenderjahr außerhalb des Nahbereichs aufhalten durfte, ohne nachteilige Folgen hinsichtlich ihres Anspruchs auf Zahlung von Arbeitslosengeld befürchten zu müssen. Zwar steht dem arbeitslosen Arbeitnehmer während der Arbeitslosigkeit gegenüber der Agentur für Arbeit kein Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz zu, jedoch bewirkt die Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 1 der EAO im Ergebnis dasselbe. Dies hat seinen Grund darin, dass sowohl arbeitslosen wie in einer Beschäftigung stehenden Arbeitnehmern ein ähnliches Bedürfnis auf Freistellung von Bindungen zugebilligt wird. Auch der arbeitslose Arbeitnehmer kann sich, indem ihm eine Ortsabwesenheit von bis zu drei Wochen im Kalenderjahr bei vorheriger Zustimmung der Arbeitsagentur ermöglicht wird, von den gerade mit einer Arbeitslosigkeit verbundenen Belastungen erholen und über einen begrenzten Zeitraum für Entspannung und Freizeit verfügen. Insoweit entspricht der Verzicht auf die Verfügbarkeit nach § 3 Abs. 1 EAO den mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG verfolgten doppelten Zweck, der, wie der Europäische Gerichtshof vielfach ausgeführt hat, darin besteht, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zum einen von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen und zum anderen über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen. Die sozialrechtlich gewährte Erholungsmöglichkeit für die Klägerin während ihrer Arbeitslosigkeit erfordert daher für denselben Zeitraum in einem sinnentleerten, nur noch rahmenmäßig verbundenen Arbeitsverhältnis keine weitere Erholungsmöglichkeit im Sinne der europarechtlichen Vorgaben und des § 3 Abs. 1 BUrlG durch arbeitsrechtlich begründete Freistellung seitens des hier beklagten Arbeitgebers (LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 06.12.2011 – 19 Sa 795/11 und 19 Sa 1229/11 – zit. n. Juris; LAG Hamm, Urt. v. 13.02.2012 – 16 Sa 148/11 -, zit. n. Juris; LAG Düsseldorf, Urt. v. 07.07.2011 – 5 Sa 416/11 -, zit. n. Juris).

Es entspricht zwar der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Voraussetzungen für die Ausübung und die Umsetzung des allen Arbeitnehmern eingeräumten Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub festzulegen, die Entstehung dieses Anspruchs selbst jedoch nicht von irgendeiner Voraussetzung abhängig machen dürfen (EuGH, Urt. v. 24.01.2011 – C-282/10 -, zit. n. Juris). Für die vorliegende Fallgestaltung besteht jedoch die Besonderheit, dass das Beschäftigungsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitnehmers selbst einvernehmlich beendet wird, indem der Arbeitgeber antragsgemäß auf die Ausübung der Verfügungsgewalt verzichtet, um dem Arbeitnehmer den Bezug von Sozialleistungen zu ermöglichen. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die das Entstehen eines Urlaubsanspruchs verhindern würde, ist hierfür nicht erforderlich. Der lediglich formale Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitiger Möglichkeit, den mit einem Urlaubsanspruch verfolgten Zweck auf andere Art zu verwirklichen, unterscheidet sich unter diesen Umständen von dem Arbeitsverhältnis eines langfristig arbeitsunfähigen Arbeitnehmers, der seinen Urlaubsanspruch nur im fortbestehenden Arbeitsverhältnis verwirklichen kann. Dass der „Urlaub“ des Arbeitslosen nach § 3 Abs. 1 S. 1 EAO nur drei Wochen beträgt, steht der grundsätzlichen Zuordnung dieses Anspruchs zum Sozialrecht für Fallgestaltungen der vorliegenden Art nicht entgegen (LAG Hamm, Urt. v. 13.02.2012 – 16 Sa 148/11 -, zit. n. Juris).

3. Auch der Umstand, dass die Klägerin rückwirkend mit Wirkung ab dem 01.06.2011 Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht, ändert nichts daran, dass ein Urlaubsanspruch für das Jahr 2011 nicht entstanden ist. Denn die Parteien haben die mit Wirkung ab dem 01.01.2011 einvernehmlich getroffene Ruhensvereinbarung bis zur formalen Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.07.2011 unstreitig nicht wieder aufgehoben bzw. rückgängig gemacht (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 09.06.2011 – 6 Sa 109/10 -, zit. n. Juris). Sie haben das dem Arbeitsvertrag zugrunde liegende und mit der Ruhensvereinbarung beendete Beschäftigungsverhältnis gerade nicht zum 01.06.2011 reaktiviert. Erst mit der Kündigungserklärung hat die Klägerin gegenüber der Beklagten mitgeteilt, dass sie Erwerbsminderungsrente bezieht.

4. Schließlich kann die Klägerin auch nicht damit gehört werden, dass ihr gleichwohl der volle Jahresurlaub nach § 3 Nr. 6 Url-TV zustehe. Hiernach haben Betriebsangehörige mit mehr als achtjähriger Betriebszugehörigkeit beim Ausscheiden aus ihrem Arbeitsverhältnis den vollen Urlaubsanspruch, wenn das Ausscheiden auf Invalidität oder Altersgründen (Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze) beruht. Bei dieser Tarifnorm handelt es sich erkennbar um die Ausnahme des Teilurlaubsanspruchs nach § 1 b) Url-TV.

III.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung sowie Divergenz insbesondere zur Entscheidung des LAG Niedersachen vom 29.03.2012 – 7 Sa 662/11 – zuzulassen.

 

 

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