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Verhaltensbedingte Kündigung wegen nicht autorisierter Rechnungsfreigabe

Arbeitnehmerin erfüllt Verpflichtungen als Projektleiterin nicht: Urteil mit Konsequenzen

Im Zentrum dieses Arbeitsrechtsfalls steht eine außerordentlich gekündigte Mitarbeiterin, die als Projektleiterin tätig war und in ihrer verantwortungsvollen Rolle nicht den Erwartungen des Arbeitgebers entsprach. Der Konflikt betraf vor allem den ordnungsgemäßen Umgang mit finanziellen Vollmachten und Zeichnungsbefugnissen, hier vor allem die sachgerechte Freigabe von Rechnungen im Rahmen eines Großprojekts.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 21 Ca 10927/22  >>>

Das Wichtigste in Kürze


  1. Es handelt sich um einen Rechtsstreit bezüglich einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung durch den beklagten Arbeitgeber.
  2. Es gibt Diskussionen um unautorisierte Rechnungsfreigabe und die Beauftragung eines Unternehmens für Beratungsleistungen.
  3. Der Kläger behauptet, bis zu einem bestimmten Betrag zeichnungsbefugt gewesen zu sein und streitet die Gültigkeit der aktuellen Dienstanweisung ab.
  4. Die Abgrenzung zwischen internen Prozessen und externen Beratern bei der beklagten Firma ist unscharf, was möglicherweise zu Missverständnissen führt.
  5. Die Klägerin missachtet die Bedeutung einer ordentlichen Vertragsdokumentation und gab geschützte Daten an Dritte frei.
  6. Die Klägerin hat in ihren Pflichten versagt und dies war geeignet, für die Beklagte einen besonders schweren Schaden zu verursachen.
  7. Die fristlose Kündigung vom 17.10.2022 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien am 18.10.2022 aufgelöst.

Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin

Verhaltensbedingte Kündigung
Fehlverhalten im Projektmanagement: Kündigung einer Projektleiterin nach ordnungswidriger Rechnungsfreigabe (Symbolfoto: Prostock-studio /Shutterstock.com)

Das Arbeitsgericht Berlin (Az.: 21 Ca 10927/22) wies die Klage der Arbeitnehmerin ab. Die Klägerin war in einem befristeten Arbeitsverhältnis angestellt und wurde aufgrund eines groben Fehlverhaltens außerordentlich gekündigt. Im Kern des Disputs standen Uneinigkeiten um die Freigabe von Beratungsrechnungen, für die die Klägerin die Verantwortung trug.

Herausforderung der Fallgestaltung

Die Klägerin und ihr Arbeitgeber unterschieden sich in der Interpretation ihrer Verantwortlichkeiten maßgeblich. Die Klägerin behauptete, bis zu einem Gegenstandswert von 100.000 Euro zeichnungsbefugt zu sein. Ihr Arbeitgeber widersprach dieser Auffassung und argumentierte, dass klare Vorgaben bezüglich Vollmachten und Zeichnungsbefugnissen existierten. Letztere warfen der Klägerin vor, sowohl durch den fahrlässigen Umgang mit diesen Befugnissen als auch durch die Missachtung interner Regelungen, erheblichen Schaden verursacht zu haben.

Grundsatzfrage der Kündigung

Das Gericht musste in diesem Fall prüfen, ob die außerordentliche Kündigung gerechtfertigt war. Ein zentraler Aspekt war die Frage, ob eine vorausgegangene Abmahnung hätten erfolgen müssen. Grundsätzlich sei bei Vertragspflichtverletzungen eine Abmahnung Voraussetzung für eine Kündigung. In diesem Fall urteilte das Gericht jedoch, dass eine außerordentliche Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung zulässig sein kann, wenn das Fehlverhalten erheblichen Schaden verursachen konnte und der Arbeitgeber alles getan habe, um ein solches Verhalten und seine Folgen einzuschränken.

Beurteilung der Schuldfrage

Die Klägerin konnte ihrer Verantwortung für das Großprojekt und ihre Sorgfaltspflichten als Projektleiterin nicht gerecht werden. Sie agierte weitgehend autark, wurde entsprechend vergütet und hielt wichtige interne Regelungen nicht ein. Durch das Fehlen einer Abmahnung konnte keine Aussage über ihr vertragsgerechtes Verhalten in der Vergangenheit getroffen werden.

Aus diesem Grund kam das Gericht zu dem Entschluss, dass die außerordentliche Kündigung gerechtfertigt war und wies die Klage der Arbeitnehmerin ab.

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Verhaltensbedingte Kündigung – kurz erklärt


Eine verhaltensbedingte Kündigung tritt ein, wenn ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer aufgrund eines Verstoßes gegen die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis kündigt. Das kündigbare Verhalten des Arbeitnehmers muss steuerbar und ihm vorwerfbar sein. Arbeitgeber dürfen verhaltensbedingt kündigen, wenn ein Mitarbeiter den Betriebsfrieden nachhaltig stört, seine Pflichten verletzt oder das Vertrauensverhältnis zerrüttet ist. Die Kündigung sollte das letzte Mittel sein, daher müssen Arbeitgeber vor der Kündigung das falsche Verhalten abmahnen. In Fällen schwerer Pflichtverletzungen, wie Betrug, Diebstahl oder anderen Straftaten, ist jedoch eine verhaltensbedingte Kündigung ohne Vorwarnung möglich.


Das vorliegende Urteil

ArbG Berlin – Az.: 21 Ca 10927/22 – Urteil vom 28.04.2023

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

III. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 67.930 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine außerordentliche, fristlose Kündigung durch die Beklagte, das Fortbestehen ihres Arbeitsverhältnisses, einen Weiterbeschäftigungsanspruch der Klägerin und einen Anspruch der Klägerin auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses.

Die am …1969 geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Klägerin war seit dem 01.07.2016 zunächst als Redakteurin mit besonderen Aufgaben bei der Beklagten beschäftigt. Auf die Niederschrift des Arbeitsvertrages vom 08.06.2016 wird Bezug genommen (Anl. K1, Bl. 5 ff. der Akte). Die Beklagte ist die gemeinsame A, errichtet auf der Grundlage eines Staatsvertrags vom 30.08.2013 / 11.09.2013.

Zum 01.07.2017 übertrug die Beklagte der Klägerin die Leitung der Intendanz (Anl. K2, Bl. 8 der Akte), eine Hauptabteilung mit mehreren Unterabteilungen, wie z.B. Presse und Information, PR und Marketing, B-Gemeinschaftseinrichtungen. Daneben war sie Ansprechpartnerin für die organisatorischen Belange der Bereiche Datenschutzbeauftragte, Compliance-Beauftragte, Vertretungen und Revision. Zum 01.08.2017 übertrug die Beklagte der Klägerin die Leitung der Hauptabteilung Intendanz. Auf die Niederschrift des Arbeitsvertrages vom 15.08.2017 wird Bezug genommen (Anl. K3, Bl. 9 ff. der Akte). Mit Schreiben vom 15.11.2018 bestätigte der Abteilungsleiter Personalmanagement, Herr C, gegenüber der Klägerin, dass sie seit dem 01.07.2016 bei der Beklagten als Leiterin Intendanz beschäftigt sei und erklärte „das Arbeitsverhältnis ist unbefristet und ungekündigt“(Anl. K4, Bl. 13 d.A.).

Der Verantwortungskreis der Intendanz wurde erweitert um das Projekt „D“, die größte Investition in der Geschichte der Beklagten. Dieses Projekt wurde von der Geschäftsleitung direkt geführt, die dabei von einem Lenkungsausschuss unterstützt wurde, zu dessen Mitgliedern die Hauptabteilungsleiter der Beklagten, ein externer Projektmanager und ein externer Projektsteuerer gehörten. Die Klägerin war eine von zwei Vorsitzenden des Lenkungsausschusses. Zur Darstellung der Organisation der Leistungsstrukturen der Beklagten wird Bezug genommen auf das Organigramm (Anlage K 11, Bl. 662 der Akte).

Bei der Beklagten gilt eine Dienstanweisung zur Regelung von Vollmachten und Zeichnungsbefugnissen vom 24.11.2012. Unter Nr. 2 „Vertretung des A gegenüber Dritten“ heißt es in Absatz a) unter anderem: „Sofern nicht abweichend geregelt, gilt die Vollmacht zur Abgabe rechtsgeschäftlicher Erklärungen bis zu einem Gegenstandswert in Höhe von (…) 50.000 EUR für Hauptabteilungsleiter bzw. Hauptabteilungsleiterinnen.“

In Nr. 2 Absatz c) ist das Vier-Augenprinzip für rechtsgeschäftliche Erklärungen geregelt (Bl. 112). Unter Nr. 3.2 „Bestätigungen“ ist in Abs. 2 geregelt:

„Mit der Bestätigung ,,sachlich richtig“ wird die Richtigkeit und Vollständigkeit der in dem Beleg und in den Anlagen enthaltenen Angaben bescheinigt und die Verantwortung dafür übernommen, dass

– ein sachlicher Grund für die in Rechnung gestellte Lieferung oder Leistung vorliegt,

– nach den geltenden Regelungen (z.B. Gesetze, Tarif, Dienstvereinbarungen, Dienstanweisungen, Verträge) verfahren worden ist,

– die Lieferung oder Leistung entsprechend der Vereinbarung oder Bestellung sachgemäß, preisgerecht und vollständig ausgeführt worden ist,

– die Empfängerin bzw. der Empfänger der Zahlungen richtig angegeben ist,

– die zur Prüfung des Belegs erforderlichen Unterlagen und Leistungsnachweise vorhanden sind,

– die für die Zahlung und Buchung maßgeblichen Angaben vollständig und richtig sind.“

Im Übrigen wird auf die Dienstanweisung zur Regelung von Vollmachten und Zeichnungsbefugnissen Bezug genommen (Anl. B7, Bl. 111 ff. der Akte).

Bei der Beklagten gilt auch eine Beschaffungsordnung, deren letzte Fassung zum 31.12.2021 in Kraft getreten ist (Anl. B5, Bl. 101 ff. der Akte). Die Vorgängerversion vom 18.09.2020 trat zum 01.10.2020 in Kraft (Anlage B 71, Bl. 1279 ff. der Akte). In Ziffer 1 Abs. 2 Nr. 6 ist geregelt: „Ausgenommen von dieser Ordnung sind Rechtsgutachten, Prüfungsaufträge und Beratungsdienstleistungen (Verweis auf Anl. 4)“. Anlage 4 enthält „Praxisorientierte Hinweise für einen sachgerechten Einsatz externer Berater“. Darin sind die Definition des Gegenstands einer externen Beratung und deren Leistungserbringer definiert. Es werden „maßgebliche Punkte für einen Beratereinsatz“ erläutert, wie z.B. die Prüfung der Notwendigkeit eines Beratereinsatzes, die Ermittlung der Wirtschaftlichkeit, die eindeutige Beschreibung der Leistung, die eindeutige Abfassung der Verträge, die Kontrolle und Steuerung der Leistung sowie deren Abnahme, die Schaffung von Transparenz über Beratungsergebnis und -ausgaben und die Dokumentation des gesamten Verfahrens. In Abs. 5 „Verträge eindeutig fassen“ heißt es unter anderem:

„Die Verträge sind vor Vertragsabschluss dem Justitiariat zur Abstimmung vorzulegen.

Alle Beraterverträge sind neben der zuständigen HA-Leiterin/dem zuständigen HA-Leiter vom Fachdirektor zu unterzeichnen.“ (Bl. 1296 der Akte)

In Abs. 8 „Transparenz über Beratungsergebnis und -ausgaben schaffen“ ist geregelt:

„Die Buchung von Beratungsleistungen erfolgt ausschließlich auf dem Kto. 47900/Prüfungs-, Beratungs- und Gutachterkosten.

Die Mittelbewirtschaftung als auch das zentrale Controlling ziehen den Umfang von Beratungsleistungen in ihr Controlling und ihre Berichterstattung ein.“

Auf den Inhalt der Beschaffungsordnung einschließlich der Anl. 4, in Kraft ab dem 01.12.2020, wird im Übrigen Bezug genommen (Anlage B 71, Bl. 1279 ff.).

Datiert auf den 12.08.2019 schlossen die Beklagte und das Beratungsunternehmen „E“ (im Folgenden E) einen Vertrag über die Unterstützung der Beklagten durch E bei der vorbereitenden Planung des Projektes „D“ mit einer Laufzeit vom 01.07.2019 bis zum 31.03.2020 und einem Auftragswert i.H.v. 190.000 EUR brutto. Auf die Niederschrift des Vertrages vom 12.08.2019 wird Bezug genommen (Anl. B8, Bl. 126 ff. der Akte).

In der Beschlussvorlage der Hauptabteilungen Gebäudemanagement/Intendanz vom 14.04.2020 für die Direktorensitzung am 15.04.2020 heißt es:

„Die Geschäftsleitung beschließt:

1. Der Beratervertrag mit dem Büro E GmbH (Herr F) soll für die Überarbeitungsphase und das Verhandlungsverfahren um 4 Monate (1. April 2020 bis 30. Juli 2020) verlängert werden. Das Auftragsvolumen erhöht sich um 90 T€ auf insgesamt 280 T€ brutto.

2. Für den weiteren Prozess der Standort- und Projektentwicklung soll ebenfalls eine strategische Beratung und Begleitung beauftragt werden. Die Vergabe soll auf Basis einer EU-weiten Ausschreibung für den Zeitraum vom 1. August 2020 bis 31. Dezember 2022 mit einem Auftragsvolumen von 640 T€ erfolgen.“

Im Übrigen wird auf die Beschlussvorlage für die Direktorensitzung am 15.04.2020 Bezug genommen (Anlage B 10, Bl. 132 ff. der Akte).

Unter dem 23.07.2020 schlossen die Beklagte und die Firma E einen weiteren Beratungsvertrag/Nachtrag mit einer Laufzeit vom 01.04.2020 bis zum 31.07.2020 mit einem Auftragswert von 84.500 EUR brutto. Damit erreichte das Volumen der Beratungsverträge mit der Firma E laut der Auflistung in der Niederschrift des Nachtrags eine Gesamtsumme von 274.500 EUR brutto und lag damit über dem vergaberechtlichen Schwellenwert von 214.000 EUR netto (entspricht unter Hinzurechnung von 19 % Mehrwertsteuer ca. 254.616 EUR brutto), bei dessen Überschreitung eine EU-Ausschreibung erforderlich wird.

Einen sogenannten 2. Nachtrag zum Beratungsvertrag „G A“ vereinbarte die Beklagte mit der Firma E unter dem 06.07.2020 für die Laufzeit vom 01.08.2020 bis zum 31.10.2020 mit einem Volumen von 61.800 EUR brutto, womit das Gesamtvolumen laut Angabe in dem Vertrag auf 336.300 EUR stieg. Die Verträge vom 12.08.2019, 06.07.2020 und 23.07.2020 (Anl. B8 bis B 11, Bl. 126 ff. der Akte) sind alle von zwei Vertretern der Beklagten unterzeichnet.

Unter dem 30.07.2020 schlossen die hiesigen Parteien einen weiteren Dienstvertrag über die Tätigkeit der Klägerin als Leitung der Hauptabteilung Intendanz. Dieser enthält unter anderem die folgenden Vereinbarungen:

㤠1

Funktionsübertragung

Der A überträgt Frau H vom 01.08.2020 bis zum 31.07.2025 die Leitung der Hauptabteilung Intendanz.

§2

Rechte und Pflichten

(1) Frau H nimmt ihre Aufgaben und Pflichten nach den Bestimmungen des Staatsvertrags über die Errichtung einer gemeinsamen A, der Satzung sowie der Geschäftsordnung und den weiteren internen Weisungsregelungen des A wahr.

(…)

§ 3

Vergütung

(1) Frau H erhält für ihre Tätigkeit eine außertarifliche Grundvergütung in Höhe von 160.000,- € brutto jährlich.

(…)

(3) Im A gilt für außertariflich Beschäftigte ein variables Vergütungssystem. Es findet auch auf diesen Vertrag Anwendung. Die Bedingungen richten sich nach dem zwischen der Intendantin und dem Verwaltungsratsvorsitzenden vereinbarten Zielvereinbarungssystem (Konzept Kienbaum) in der Fassung vom 7. Dezember 2017.

Demnach kann Frau H zusätzlich zum auszuzahlenden Grundgehalt nach I 3 Absatz 1 eine Prämie von bis zu 15 % des Grundgehaltes erhalten, sofern sie die zwischen ihr und der Intendantin bzw. dem Intendanten vereinbarten Ziele erfüllt hat.

(…)

§ 7

Laufzeit

(1) Der Dienstvertrag tritt am 1. August 2020 in Kraft und endet am 31. Juli 2025, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

(2)  Frau H hat Anspruch darauf, dass dieser Vertrag, seine Konditionen und die übertragene Funktion nach Ablauf von drei Jahren überprüft wird.

(3) Dieser Vertrag schließt an den Vertrag vom August 2017 an, der den mit Frau H geschlossenen Arbeitsvertrag vom 8. Juni 2016 ersetzt hat. Zuvor war Frau H vom 01. August 2000 bis zum 30. Juni 2016 beim I angestellt.

(4) Wird der Vertrag nach Ablauf nicht verlängert, wird der A Frau H unter Anrechnung ihrer A-Betriebszugehörigkeit eine angemessene Funktion auf Basis der für Frau H zum Zeitpunkt der Übernahme der Hauptabteilungsleiterfunktion maßgeblichen Tarifgruppe des dann beim A geltenden Tarifgefüges anbieten (VG A Stufe 9). Dies gilt nicht, wenn Frau H das Dienstverhältnis auf eigenen Antrag oder der A es durch Kündigung aus wichtigem Grund (§ 626 BGB) beendet.“

Darüber hinaus enthält der Vertrag Vereinbarungen zu Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Reisekosten, Altersversorgung sowie weiteren Versorgungsleistungen.

Unter dem 31.12.2020 stellte die Firma E der Beklagten 13.920 EUR brutto für das Projekt „persönliche strategische Beratung Gastronomiekonzept Berlin/Potsdam“ in Rechnung (Anlage B 18, Bl. 153 der Akte). Am 09.02.2021 schrieb die Klägerin in dem SAP-Verlauf zu der Rechnung „Kostenstelle 1100. Rechnung ist o. k.“ (Bl. 155 der Akte). Ein schriftlicher Vertrag über die der Rechnung zugrundeliegenden Leistungen wurde von keiner Partei zur Akte gereicht. Die Klägerin beauftragte E weder schriftlich noch mündlich.

Die Parteien streiten darüber, ob die Beauftragung der E mit der Beratung hinsichtlich der Erstellung eines Gastronomiekonzepts ohne Ausschreibung vergaberechtlich möglich gewesen ist. Sie streiten ferner darüber, wann wer die Firma E mit der Beratung hinsichtlich des Gastronomiekonzepts beauftragt hat und ob und gegebenenfalls welche Leistungen wann erbracht worden sind.

Im November 2021 erstellte Rechtsanwalt J von der Rechtsanwaltskanzlei K einen Vermerk über die vergaberechtliche Zulässigkeit einer Direktbeauftragung von interimsweise benötigter Leistungen der strategischen Beratung, speziell durch das Unternehmen E. Auf die von der Klägerin eingereichte Kopie des Vermerks wird Bezug genommen (Bl. 711 ff. der Akte).

Im Protokoll der Sitzung der Direktorinnen und Direktoren am 15.11.2021 (Anlage B 59, Bl. 488 ff. der Akte) heißt es unter anderem, die Geschäftsleitung habe folgenden Beschluss gefällt:

„1.  Die Leistungen der Beratungen von E haben den EU-Schwellenwert überschritten. Die Beratung muss europaweit ausgeschrieben werden. E kann für eine Interimsphase bis zum Beginn der Preconstructionphase beauftragt werden, nach Maßgabe des Vermerks von K.“

Unter dem 10.12.2021 schlossen die Beklagte und die Firma E einen weiteren Beratungsvertrag für das Projekt „D“ zur „Vorbereitung der Preconstruction/Einwerbung der Finanzierung“ mit einer Laufzeit vom 01.12.2021 bis zum Ende spätestens mit dem Eintritt des vertragsgegenständlichen Projekts in die „Preconstructionphase“ mit einer Vergütung durch ein monatliches Pauschalhonorar i.H.v. 15.360 EUR zzgl. 3 % Reise – und sonstiger Nebenkosten und zuzüglich der jeweils gültigen gesetzlichen Mehrwertsteuer. § 3 enthält eine Vereinbarung zur Einschaltung von Unterauftragnehmern. In § 8 ist vereinbart, dass Änderungen oder Ergänzungen dieses Beratungsvertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedürfen, die auch nur schriftlich abdingbar sei. Auf die Niederschrift des Vertrages vom 10.12.2021 wird Bezug genommen (Anlage B 22 Bl. 243 ff. der Akte).

In der Sitzung des Lenkungsausschusses vom 25.01.2022 stellte sich die Firma L GmbH vor. Unter dem 14.03.2022 schlossen die E GmbH und die L GmbH einen sogenannten Nachunternehmervertrag für das  A-Projekt „D Beratung und Begleitung im Prozess der Effizienzgewinnung – Phase 1a“ mit einer Laufzeit vom 01.02.2022 bis zum 31.05.2022 und einer Vergütung in Höhe von pauschal 79.500 EUR inklusive Nebenkosten und zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer. Auf die Niederschrift des Vertrages wird Bezug genommen (Bl. 761 ff. der Akte).

Mit Datum vom 29.04.2022 stellte die Firma E der Beklagten die Leistungen des Beraters M im Zeitraum vom 17.12.2021 bis zum 16.04.2022 mit 23.800 EUR brutto in Rechnung (Anlage B 29, Bl. 381 ff. der Akte). Mit E-Mail vom 09.05.2022 bat eine Mitarbeiterin der Beklagten, Frau N, die Klägerin um Zuleitung der entsprechenden vertraglichen Regelung. Mit E-Mail vom 16.05.2022 teilte Rechtsanwalt J von der Kanzlei K der Klägerin mit:

„bitte finden Sie beigefügt unsere damaligen Stellungnahmen zur Interimsbeauftragung E. In diesem Rahmen ist die Hinzuziehung von Nachunternehmern durch E vergaberechtlich unbedenklich. Dies folgt allgemein aus § 25 UVgO sowie § 4 Abs. 8 Nr. 1 VOL/B.“

In einer E-Mail der Klägerin vom 23.05.2022 an die Rechtsanwaltskanzlei K teilte sie Herrn Rechtsanwalt J mit:

„im Dezember hat sich der A mit möglichen Förderungsmöglichkeiten für das DMH beschäftigt. Über eine externe Quelle haben wir erfahren, dass die Möglichkeiten eine KFW55-Förderung für Neubauten zu beantragen, möglicherweise schneller zu Ende gehen wird als offiziell bekannt (31.1.2022).

Aus diesem Grund habe ich – als für diese Themen verantwortliche Lenkungsausschussvorsitzende – mündlich die Firma E beauftragt, einen Experten an Bord zu holen, der den A unterstützt, um schnellstmöglich die Anmeldung auf den Weg zu bringen und einzureichen. Dem A fehlten die personellen Kapazitäten und zum Teil auch das Fachwissen.

Ebenso habe ich die Firma E beauftragt, den A bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung zu beraten. Im Rahmen der Vorgespräche zu den Finanzierungsgesprächen mit den Banken hat sich gezeigt, dass die Banken dazu bestimmte Vorstellungen haben, wie diese Berechnung auszusehen hat. Auch hier waren wir in Zeitdruck, weil wir eine erste Finanzierung über 30 Millionen bereits für Anfang Q3/22 geplant haben.“

In Bezug auf den Berater M unterzeichneten zwei Vertreter der Beklagten und einer der Firma E jeweils ohne Datum ein Nachtragsangebot zum Projekt „D“ für die Leistungsergänzung: Beratung und Begleitung des gesamten BEEG-Förderung Prozesses und Optimierung der Nachhaltigkeit und Energieeffizienz mit dem Leistungszeitraum 01.01.2022 bis 31.05.2022 und einer Vergütung i.H.v. 37.000 EUR zuzüglich der Umsatzsteuer. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen (Anlage B 34, Bl. 393 ff. der Akte).

Im Juni 2022 wurden Vorwürfe gegen die ehemalige Intendantin der Beklagten, Frau O, und das Projekt „D“ erhoben. Am 06.07.2022 beauftragte die Beklagte die Kanzlei P mit einer umfassenden Compliance-Untersuchung. Am 15. Juli 2022 übermittelte die Klägerin den Leitungspersonen der Beklagten einen Stick mit Unterlagen, die die Beraterverträge betrafen (E-Mail-Korrespondenz, Vermerke, Entwürfe, Vertragsfassungen, Beschlüsse, Rechtsprüfungen intern und extern). Auf den Vortrag der Klägerin hierzu im Schriftsatz vom 24.03.2023, Seite 2 sowie auf die Anlage K 10 wird Bezug genommen (Bl. 608 und Bl. 812 ff. der Akte).

Unter dem 18.07.2022 schloss die Beklagte mit der Firma L GmbH rückwirkend für die Projektlaufzeit von Februar bis Mai 2022 eine Projektvereinbarung mit einem pauschalen Honorar i.H.v. 79.500 EUR inklusive Nebenkosten zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer. Der Vertrag wurde seitens der Beklagten von der Klägerin und Frau N unterzeichnet. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen (Anlage B 36, Bl. 402 ff. der Akte).

Mit Schreiben vom 08.08.2022 stellte die Beklagte die Klägerin von der Erbringung der Arbeitsleistung frei. Am 01.09.2022 veröffentlichte das aus fünf Investigativjournalisten bestehende Rechercheteam des Senders der Beklagten einen Beitrag zu den im Zusammenhang mit dem Projekt „D“ abgeschlossenen Beraterverträgen. Nach einer internen Recherche lud die Beklagte die Klägerin zu einer persönlichen Anhörung am 15.09.2022 ein. Die Klägerin sagte den Termin krankheitsbedingt ab. Mit Schreiben vom 15.09.2022 erklärte der spätere Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegenüber der Beklagten: „Hiermit bestätigen wir Ihnen gerne, dass die uns erteilte und Ihnen vorliegende Vollmacht unserer Mandantin auch unsere Empfangsberechtigung umfasst.“ Im Übrigen wird auf das Schreiben und die Prozessvollmacht Bezug genommen (Anl. B1, Bl. 94 ff. der Akte).

Die Beklagte übersandte den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 15.09.2022 ein Anhörungsschreiben (Anlage B 62, Bl. 492 ff. der Akte). Auf Hinweis der Prozessbevollmächtigten der Klägerin verlängerte die Beklagte die Frist bis zum 23.09.2022. Mit Schreiben vom 23.09.2022 nahm die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, Stellung (Anlage B 19, Bl. 163 ff. der Akte).

Die Klägerin erklärte in ihrer Stellungnahme vom 23.09.2022, im Zusammenhang mit dem Gastronomiekonzept sei Herr F/E von der gesamten Geschäftsleitung am 01.10.2020 im Workshop beauftragt worden (Seite 5, Bl. 167). Die damalige Intendantin O habe bei Bedarf eine finanzielle Unterstützung der Verwaltungsdirektion bzw. der Hauptabteilung Gebäudemanagement aus Mitteln der Intendanz zugesagt (Seite 5). In Bezug auf die Rechnung über 13.920 EUR erklärte die Klägerin in ihrer Stellungnahme, sie habe die Rechnung auf der Grundlage des Protokolls und ihrer Erinnerung an den Auftragsumfang (3-6 Arbeitstage) nach Rücksprache mit Frau Q, der Justiziarin Frau R, Herrn F und Frau O freigegeben (Seite 5). Die Abnahme der Leistung sei von der gesamten Geschäftsleitung am 15.02.2021 erfolgt. (Seite 5) Die Leistungserbringung sei im Oktober/November 2020 erfolgt (Seite 5). Die Frage nach dem Vorliegen eines schriftlichen Vertrages müssten E/F oder die Hauptabteilung Gebäudemanagement beantworten (Seite 5). Die Klägerin verwies ferner auf E-Mails zwischen E und Frau S vom 8. und 13.01.2021. Ferner brachte die Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 23.09.2022, Seite 7 (Anlage B 19, Bl. 169 der Akte) vor, die Kontierungsregelungen seien ihr in dieser Detailtiefe nicht bekannt. Die Kontierungszuordnungen erfolgten regelmäßig durch die Sachbearbeitung. Im Übrigen wird auf die Stellungnahme der Klägerin vom 23.09.2022 Bezug genommen (Anlage B 19, Bl. 163 ff. der Akte).

Die Beklagte konfrontierte die Mitglieder der Geschäftsleitung und andere Mitarbeitende mit der Erklärung der Klägerin und bat sie um Stellungnahme. Anschließend übersandte die Beklagte den Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 30.09.2022 ein zweites Anhörungsschreiben (Anlage B 65). Nach einer weiteren Fristverlängerung nahm die Klägerin mit Schreiben vom 07.10.2022 Stellung. Auch auf dieses Schreiben vom 07.10.2022 wird Bezug genommen (Anlage B 20, Bl. 200 ff. der Akte).

Am 10.10.2022 informierte die Beklagte die Frauenvertreterin über ihre Absicht, das Arbeitsverhältnis der Klägerin außerordentlich und fristlos zu kündigen (Anlage B 67, Bl. 504 ff. der Akte). Nach Äußerung der Frauenvertreterin am 12.10.2022, sie erhebe keine Bedenken (Anlage B 68, Bl. 535 der Akte), informierte die Beklagte ihren Personalrat mit Schreiben vom 12.10.2022 (Anlage B 69, Bl. 536 ff d.A.). Der Personalrat teilte mit Schreiben vom 17.10.2022 mit, er nehme die Kündigungen zur Kenntnis und siehe seine Beteiligungsrechte abschließend als erfüllt an (Anlage B 70, Bl. 567 der Akte).

Mit Schreiben vom 17.10.2022 erklärte die Beklagte die außerordentliche, fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin (Anl. K7, Bl. 19 der Akte). Die Beklagte stellte das Kündigungsschreiben den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 19.10.2022 zu. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Klägerin noch weitere Kündigungsschreiben gleichen Inhalts erhalten hat.

Mit ihrer am 02.11.2022 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die außerordentliche Kündigung vom 17.10.2022, beantragt die Feststellung des Fortbestehens ihres Arbeitsverhältnisses über den 17.10.2022 hinaus, verlangt ihre Weiterbeschäftigung und ein Zwischenzeugnis.

Die Klägerin behauptet, das Kündigungsschreiben vom 17.10.2022 habe sie lediglich über ihre Prozessbevollmächtigten erhalten. Die Klägerin ist der Auffassung, die Vollmacht ihrer Prozessbevollmächtigten (Anl. B1, Bl. 94 der Akte) umfasse nicht den Empfang einseitiger Willenserklärungen. Die Klägerin ist ferner der Auffassung, lediglich die Funktionsübertragung, nicht ihr Arbeitsvertrag sei befristet gewesen.

Die Klägerin behauptet, sie sei bis zu einem Gegenstandswert von 100.000 Euro zeichnungsbefugt gewesen. Die Dienstanweisung zu Vollmachten und Zeichnungsbefugnissen sei nicht mehr aktuell gewesen, da sie lediglich den damaligen Organisationsstand der Beklagten widergespiegelt habe und noch nicht die zwischenzeitlichen organisatorischen Änderungen abbilde. Im Übrigen wird auf den Vortrag der Klägerin hierzu im Schriftsatz vom 24.03.2023, Seite 8 (Bl. 614 der Akte) Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet schriftsätzlich im Zusammenhang mit der Rechnung der Firma E über 13.920 EUR, nach ihrem Verständnis sei die Firma E im Zusammenhang mit dem Gastronomiekonzept zunächst durch die Geschäftsleitung aus dem Workshop vom 01.10.2020 heraus beauftragt worden, wie sich aus dem Protokoll ergebe (Protokoll: Anlage B 12, Bl. 137 ff. der Akte). Auf den weiteren Vortrag der Klägerin hierzu im Schriftsatz vom 24.03.2022, dort Seite 10-15 wird Bezug genommen (Bl. 616-621 der Akte). Ob später noch ein schriftlicher Vertrag geschlossen worden sei, entziehe sich ihrer Kenntnis. Sie sei in die Planungen zum neuen Gastronomiekonzept nicht näher involviert gewesen. Die Federführung habe bei Frau S aus der Abteilung Gebäudemanagement gelegen. Die Firma E habe Beratungsleistungen für die Planung zum neuen Gastronomiekonzept erbracht und eine Präsentation hinsichtlich des Projektvorhabens erstellt, zuvor ein Anforderungsprofil erstellt, den Markt nach geeigneten Anbietern sondiert, Gespräche geführt und eine Vorauswahl getroffen. Diese Vorauswahl sei in entsprechende Vertragsabschlüsse mit externen Beratungsdienstleistern gemündet. Die Klägerin behauptet auf Seite 16 des oben genannten Schriftsatzes (Bl. 622 der Akte), die Leistungen von Herrn F/E im Zusammenhang mit dem Projekt Gastronomiekonzept Berlin/Potsdam seien von der gesamten Geschäftsleitung der Beklagten am 15.02.2021 abgenommen worden, wie sich aus dem Protokoll vom 15.02.2021 ergebe. Sie habe vor Freigabe der Rechnung mit der zuständigen Projektsachbearbeiterin, Frau Q, mit der juristischen Direktorin, Frau R, und mit der Intendantin, Frau O, Rücksprache genommen. Frau R habe auch nach Rücksprache mit der Kanzlei T keinerlei Bedenken hinsichtlich der Beauftragung der E gehabt. Die Klägerin trägt vor, sie habe sich berechtigt und verpflichtet gefühlt, die Rechnung freizugeben. Nach ihrem Verständnis habe in der Beauftragung der Firma E mit der Beratung zum Gastronomiekonzept kein vergaberechtliches Problem gelegen, da es sich um einen eigenständigen Beratungsgegenstand gehandelt habe. Im Übrigen wird auf den Vortrag der Klägerin zur Beauftragung und Rechnungslegung von E im Zusammenhang mit dem Gastronomiekonzept im Schriftsatz vom 24.03.2023, Seite 10-20 (Bl. 616-626 der Akte) und im Schriftsatz vom 26.04.2023, Seite 3-4, (Bl. 1863-1864 der Akte) gemäß § 313 Abs. 2 ZPO Bezug genommen.

Zur Beauftragung der Firma E mit der Beratung in Bezug auf die Effizienzförderung und die Wirtschaftlichkeit behauptet die Klägerin, die Beauftragung der L GmbH und des Beraters M seien bereits Besprechungsgegenstand in der Geschäftsleitungssitzung vom 15.11.2021 gewesen. Nach Gesprächen mit der Projektleitung der Beklagten und der entsprechenden Rücksprache mit der Klägerin, habe die E dem Beratungsunternehmen L mit einer Laufzeit vom 01.02.2022 bis zum 31.05.2022 und dem Berater M mit einer Laufzeit vom 01.01.2022 bis zum 31.05.2022 Unterbeauftragungen erteilt. Den Unteraufträgen mit den beiden Beratern seien vorherige Entschließungen der Geschäftsleitung der Beklagten und eine vergaberechtliche Prüfung durch die Anwaltskanzlei K vorangegangen. Auch der Verwaltungsdirektor, Herr U, sei mit der Unterbeauftragung durch die E einverstanden gewesen. Erst im Mai 2022 habe die Klägerin erstmals davon Kenntnis erlangt, dass die Interimsbeauftragung der E und die Beauftragung von Subkontraktoren nun doch rechtlich problematisch sein könne. Wegen der laufenden Fristen, der steigenden Rohstoff- und Baustoffpreise und der Liquiditätsprognose der Beklagten habe hoher Zeitdruck bestanden. Auf den weiteren Vortrag der Klägerin zur Unterbeauftragung der L GmbH und des Beraters M durch die E GmbH im Schriftsatz vom 24.03.2023, dort Seite 25-30 und im Schriftsatz vom 21.04.2023 sowie im Schriftsatz vom 26.04.2023, Seite 4 und 5 wird im Übrigen Bezug genommen (Bl. 631-636 der Akte, Bl. 1173-1178 und Bl. 1864-1865 der Akte).

Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis gestanden. Ihre Freistellung und die Kommunikation darüber durch den Pressesprecher der Beklagten seien rechtswidrig gewesen. Sie hätten zu einer exzessiven medialen Vorverurteilung geführt. Für die außerordentliche Kündigung liege kein wichtiger Grund vor und die Kündigungserklärungsfrist sei nicht eingehalten. Die Kündigung sei nicht verhältnismäßig. Die Beklagte habe die Klägerin vorher abmahnen müssen. Außerdem hätte die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung als milderes Mittel zur Verfügung gestanden. Der Personalrat und die Frauenvertretung seien nicht ordnungsgemäß angehört worden. Schließlich ist die Klägerin der Auffassung, die Kündigung stelle eine unzulässige Maßregelung dar und eine Verletzung des Hinweisgeberschutzgesetzes. Hinsichtlich der nachgeschobenen Kündigungsgründe ist die Klägerin der Auffassung, auch aus diesen folge keine Pflichtverletzung.

Die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 17.10.2022 nicht aufgelöst worden ist,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern über den 17.10.2022 hinaus fortbesteht,

3. für den Fall des Obsiegens mit den Anträgen zu 1. und 2.: Die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen als „Leiterin der Hauptabteilung Intendanz“, gemäß dem konkretisierenden Dienstvertrag (vom 30.07.2020) bis zum 31.07.2025 weiter zu beschäftigen und nach dem 31.07.2025 gem. § 7 Abs. 4 des Dienstvertrages vom 30.07.2020 im Rahmen einer „angemessenen Funktion auf Basis der für Frau H zum Zeitpunkt der Übernahme der Hauptabteilungsleiterfunktion maßgeblichen Tarifgruppe des dann beim A geltenden Tarifgefüges“ (VG A Stufe 9) weiter zu beschäftigen,

4. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie auf Führung und Leistung erstreckt.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie habe das Kündigungsschreiben vom 17.10.2022 von der Intendantin unterschrieben auch durch Einwurf in den Hausbriefkasten an der ihr bekannten Adresse der Klägerin in der V Straße in W am 18.10.2023 zugestellt. Die Beklagte behauptet ferner, die stellvertretende Justiziarin der Beklagten habe nach der Veröffentlichung des Berichts am 01.09.2022 die juristischen Referenten der Beklagten gebeten, die geäußerten Verdachtsmomente zu untersuchen und die Beteiligung der Klägerin zu prüfen. Auf den Vortrag der Beklagten hierzu im Schriftsatz vom 16.12.2022, Seite 45 ff. (Bl. 81 ff. der Akte) wird gemäß § 313 Abs. 2 ZPO im Übrigen Bezug genommen. Auch auf den Vortrag der Beklagten zur Freigabe der Rechnung von E über 13.920 EUR im Schriftsatz vom 16.12.2022, Seite 7-20 und im Schriftsatz vom 21.04.2023, Seite 2-7 wird im Übrigen Bezug genommen (Bl. 43-56 d.A., Bl. 1244-1249 d.A.).

Die Beklagte behauptet ferner, die Klägerin habe Rechnungen der Kanzlei K freigegeben in dem Wissen, dass kein schriftlicher Vertrag vorliege. Die Vertragsdokumente seien im Zeitpunkt der Rechnungsfreigabe nicht von Vertretern der Beklagten nach dem Vier-Augenprinzip unterschrieben gewesen.

Die Beklagte beruft sich außerdem darauf, die Klägerin habe zwei Reisen, einmal nach Paris und einmal nach Israel, unberechtigterweise als Dienstreisen abgerechnet und eine Beschlussvorlage für den Verwaltungsrat bewusst irreführend formuliert.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt der Sitzungsprotokolle vom 09.12.2022 (Bl. 571 d.A.) und vom 28.04.2023 (Bl. 2072 der Akte) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.  Die zulässige Klage ist nicht begründet

I. Die gemäß §§ 4, 7, 13 Abs. 1 S. 2 KSchG rechtzeitig erhobene Kündigungsschutzklage im Antrag zu 1), ist zulässig, aber nicht begründet. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 17.10.2022 ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis fristlos mit Zugang am 18.10.2022 aufgelöst.

1. Die Beklagte beruft sich zur Begründung der außerordentlichen Kündigung zu Recht auf einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB. Ihr ist die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Befristung am 31.07.2025 angesichts der Pflichtverletzungen der Klägerin nicht zuzumuten.

a) Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Dienstvertrag von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Anstelle der ordentlichen Kündigungsfrist tritt als Maßstab der Unzumutbarkeit bei einem befristeten Arbeitsverhältnis ohne Vorbehalt einer ordentlichen Kündigung der Ablauf der kalendermäßigen Befristung. Ein Abstellen auf eine fiktive ordentliche Kündigungsfrist ist nicht geboten.

aa) Es handelt sich bei dem Arbeitsvertrag der Parteien entgegen der Auffassung der Klägerin um einen befristeten Arbeitsvertrag. Die Niederschrift der zeitlich letzten arbeitsvertraglichen Vereinbarung vom 30.07.2020 enthält in § 7 Abs. 1 die folgende Vereinbarung: „Der Dienstvertrag tritt am 1. August 2020 in Kraft und endet am 31. Juli 2025, ohne dass es einer Kündigung bedarf.“ Diese Vereinbarung ist vom Wortlaut her eindeutig und lässt keinen Zweifel am Willen der Parteien, ihr Vertragsverhältnis ohne weitere Gestaltungserklärung am 31.07.2025 zu beenden. Diesem Vertragsverhältnis liegt auch kein anderes zugrunde, wie sich aus § 7 Abs. 3 ergibt. Dort heißt es: „Dieser Vertrag schließt an den Vertrag vom August 2017 an, der den mit Frau H geschlossenen Arbeitsvertrag vom 08.06.2016 ersetzt hat.“ Der unbefristete Vertrag vom 08.06.2017 (Anl. K1, Bl. 5 ff. der Akte) ist damit formgerecht im Sinne von § 623 BGB von den Parteien aufgehoben worden. Sie haben mit der Vereinbarung vom 30.07.2020 ihr Arbeitsverhältnis auf eine neue arbeitsvertragliche Grundlage gestellt, wie schon bereits zuvor durch den Vertrag vom 15.08.2017 (Anl. K2, Bl. 9 ff. der Akte). Die Befristung im Vertrag vom 30.07.2020 bezieht sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht allein auf die Funktionsübertragung der Leitung der Hauptabteilung Intendanz, wie sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 7 Abs. 1 ergibt. Dort ist von dem „Dienstvertrag“ die Rede und nicht lediglich von einer Funktionsübertragung. Auch der abschließende Charakter der Vereinbarung spricht dafür, dass die Parteien nicht lediglich eine befristete Funktionsübertragung auf der Grundlage eines bereits bestehenden Arbeitsvertrages vereinbart haben. So umfasst der Vertragsinhalt in den §§ 2-6 abschließend die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien – von den Pflichten der Klägerin im Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistung über ihren Anspruch auf Vergütung, Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie die Erstattung von Reisekosten und schließlich Altersversorgung sowie weitere Versorgungsleistungen.

Die Pflicht der Beklagten zum Angebot einer anderweitigen Beschäftigung aus § 7 Abs. 4 des Arbeitsvertrages vom 30.07.2020 ändert an der Befristung des streitgegenständlichen Arbeitsvertrages nichts. Ebenso wenig fällt das von der Klägerin zitierte Schreiben des Abteilungsleiters Personalmanagement, Herrn C, vom 15.11.2018 ins Gewicht. Dort heißt es: „Hiermit wird bestätigt, dass Frau H, geboren am …1969, seit dem 01.07.2016 beim A, Anstalt des öffentlichen Rechts, derzeit als Leiterin Intendanz beschäftigt ist. Arbeitsort ist Berlin/Potsdam. Das Arbeitsverhältnis ist unbefristet und ungekündigt“. (Anl. K4, Bl. 13 d.A.) Zum einen datiert das Schreiben auf einen Zeitpunkt vor Abschluss des letzten Arbeitsvertrages vom 30.07.2020. Zum anderen enthält es eine Wissenserklärung und keine rechtsgeschäftliche Willenserklärung.

bb) Es ist bei der Bewertung der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht auf eine fiktive ordentliche Kündigungsfrist abzustellen, sondern auf den Ablauf der kalendermäßigen Befristung am 31.07.2025. Ist die ordentliche Kündigung tarifvertraglich oder gesetzlich (z.B. § 15 Abs. 1 KSchG) ausgeschlossen, so bleibt dem Arbeitgeber im Falle der Unzumutbarkeit einer Vertragsfortsetzung nur die außerordentliche Kündigung. Würde man für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung auf die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Eintritt des Rentenalters abstellen, führte dies unter Umständen zu einer erheblichen Absenkung der Anforderungen an die Schwere des Kündigungsgrunds. Um die Benachteiligung von tarifvertraglich oder gesetzlich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern und daraus folgende Wertungswidersprüche zu vermeiden, ist bei der Feststellung der Unzumutbarkeit in den Fällen der tarifvertraglichen oder gesetzlichen ordentlichen Unkündbarkeit auf die ordentliche Kündigungsfrist abzustellen, die gelten würde, wenn der Arbeitnehmer ordentlich kündbar wäre. Im vorliegenden Fall ist jedoch nicht auf die fiktive ordentliche Kündigungsfrist abzustellen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder tarifvertraglich noch gesetzlich ordentlich unkündbar. Die Alternative zur außerordentlichen Kündigung ist nicht die Fortsetzung bis zum Eintritt des gesetzlichen Rentenalters, sondern die Fortsetzung bis zum Ablauf der kalendermäßigen Befristung. Die ordentliche Unkündbarkeit beruht auf der privatautonom vereinbarten Befristung ohne den Vorbehalt einer ordentlichen Kündigungsmöglichkeit für beide Parteien. Daher ist eine Übertragung der Grundsätze zum Maßstab der Unzumutbarkeit bei tarifvertraglich oder gesetzlich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern auf den hiesigen Fall nicht geboten.

b) Die Klägerin hat am 09.02.2021 die Rechnung der Unternehmensberatung E über 13.920 EUR freigegeben und dadurch eine Zahlung durch die Beklagte veranlasst ohne die Prüfung einer bestimmten, konkret beschriebenen Leistung anhand eines schriftlichen Vertrages. Sie hat sich bewusst und gewollt über das Erfordernis eines schriftlichen Vertrages bei der Rechnungsfreigabe hinweggesetzt. Die Firma E stellte unter dem 31.12.2021 eine Rechnung für „persönliche strategische Beratung Gastronomiekonzept Berlin/Potsdam im Zeitraum November und Dezember 2020“ über 13.920 EUR brutto (Anlage B 18, Bl. 153 der Akte). Die Klägerin schrieb im SAP-Verlauf zu der Rechnung unstreitig: „Kostenstelle 1100. Rechnung ist o. k.“ Diese Erklärung ist schon dem Wortlaut nach als Freigabe der Rechnung als sachlich richtig zu verstehen. Außerdem hat die Klägerin bereits die Kostenstelle angegeben und damit die unmittelbare Überweisung ohne weiteres eingeleitet. In ihrer Stellungnahme vom 23.09.2022 erklärte die Klägerin selbst, sie habe die Rechnung auf der Grundlage des Protokolls des Workshops vom 01.10.2020 und ihrer Erinnerung an den Auftragsumfang nach Rücksprache mit Frau Q, Frau R, Herrn F und Frau O freigegeben. Nach der Dienstanweisung zur Regelung von Vollmachten und Zeichnungsbefugnissen wird mit der Freizeichnung einer Rechnung die Verantwortung unter anderem dafür übernommen, dass

– „ein sachlicher Grund für die in Rechnung gestellte Lieferung oder Leistung vorliegt,

– nach den geltenden Regelungen (z.B. Gesetze, Tarif, Dienstvereinbarungen, Dienstanweisungen, Verträge) verfahren worden ist,

– die Lieferung oder Leistung entsprechend der Vereinbarung oder Bestellung sachgemäß, preisgerecht und vollständig ausgeführt worden ist.“

Mit der Freigabe der Rechnung hat die Klägerin ihre Pflicht zur Einhaltung der Dienstanweisung über Vollmachten und Zeichnungsbefugnisse vom 17.03.2015 (Anl. B7, Bl. 111 ff. der Akte) verletzt, sowie das Erfordernis schriftlicher Beraterverträge aus der Beschaffungsordnung der Beklagten in der Fassung vom 01.10.2020, dort Anlage 4 (Anlage B 71, Bl. 1279 ff. der Akte) missachtet und damit Vermögen der Beklagten in nicht unerheblicher Höhe gefährdet. Außerdem hat sie die Kontierungsregelungen aus Anlage 4 zur Beschaffungsordnung verletzt, indem sie die Zahlung vom Konto der Intendanz freigegeben hat. Sie hat nicht eine Zahlung von dem allein in der Beschaffungsordnung, Anlage 4 Nr. 9 vorgesehenen Konto für Beraterverträge mit der Nummer 47900  / „Prüfungs-, Beratungs- und Gutachterkosten“ durch die Veranlassung einer Mittelumsetzung von der Intendanz zur Verwaltungsdirektion veranlasst. Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, die Kontierungszuordnung erfolge regelmäßig durch die Sachbearbeitung, wenn sie selbst bei Freigabe der Rechnung ausdrücklich eine Kontonummer angibt.

c) Die Missachtung der internen Regelungen zur Freigabe von Rechnungen und zum Abschluss von Beraterverträgen und die daraus folgende gravierende Vermögensgefährdung war geeignet, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Befristung notwendige Vertrauen der Beklagten zu zerstören.

aa) In diesem Zusammenhang ist der entscheidende Punkt nicht, ob und gegebenenfalls von wem die Firma E oder ihr Mitarbeiter Herr F mündlich oder konkludent beauftragt worden ist, ob irgendeine und gegebenenfalls welche Leistung erbracht worden ist und ob die Beauftragung von E im Zusammenhang mit dem Gastronomiekonzept einen eigenen Beratungsgegenstand dargestellt hat mit der Folge, dass vergaberechtliche Bedenken nicht bestanden. Der umfangreiche Vortrag der Parteien hierzu belegt vielmehr die Bedeutung der schriftlichen Vereinbarung von Berateraufträgen. Allein auf der Grundlage des Vortrags der Klägerin lässt sich nicht bestimmen, welche Leistung für die Vergütung i.H.v. 13.920 EUR vereinbart gewesen ist, wann sie erbracht worden ist und ob sie vereinbarungsgemäß erbracht worden ist. So hat die Klägerin in ihrer schriftlichen Anhörung nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten angegeben, die Leistung, die der Rechnung der Firma E über 13.920 EUR zugrunde gelegen habe, sei am 15.02.2021, also nach Freigabe der Rechnung durch die Klägerin, von der gesamten Geschäftsleitung abgenommen worden (Bl. 50 der Akte). Schriftsätzlich hat die Klägerin vorgetragen, erste Leistungen seien bereits am 02.10.2020 erbracht worden, indem Herr F an Frau S mit ersten Vorschlägen zur Herangehensweise herangetreten sei. Weitere Leistungen seien in einer E-Mail vom 13.01.2021 (Bl. 619, 620) der Mitarbeiterin X von der Firma E enthalten. Die Klägerin trägt weiter vor, nach ihrer Kenntnis habe E eine Präsentation für Frau S und ein Anforderungsprofil für den gesuchten Berater erstellt, Gespräche geführt und eine Vorauswahl getroffen. Dies habe zum Vertragsabschluss mit der externen Beratungsfirma Y GmbH geführt, für die ein Vertragsentwurf unter dem 12.03.2021 – also nach Freigabe der Rechnung – gefertigt worden sei. Die Frage, ob es sich um einen eigenständigen Beratungsgegenstand im Sinne des Vergaberechts gehandelt hat, lässt sich aufgrund einer unbestimmten mündlichen Vereinbarung auch nicht beantworten. Das Risiko eines Verstoßes gegen das Vergaberecht kann gegebenenfalls nach vorangegangenem Vergabenachprüfungsverfahren zu Schadensersatzforderungen gegen die Beklagte führen.

bb) Den internen Regelungen der Beklagten zum Abschluss von Beraterverträgen (Anl. 4 zur, Anlage B 71, Bl. 1295 ff. der Akte) und die Dienstanweisung zu Vollmachten und Zeichnungsbefugnissen vom 17.03.2015 (Anl. B7, Bl. 111 ff. der Akte) sind zur Dokumentation, Prüfung, Kontrolle, Steuerung und Abnahme von Beraterleistungen und der Einhaltung der vergaberechtlichen Vorgaben bei der Arbeitsweise bei der Beklagten von zentraler Bedeutung. Die Arbeitsweise bei der Beklagten bringt die Einbeziehung zahlreicher Berater mit sich. Es besteht bei der Beklagten eine unscharfe organisatorische Trennung zwischen den externen Beratern und internen Verfahren, da jedenfalls die Beratungsfirma E sowie die Beratungsfirma Z regelmäßig an den Sitzungen des Lenkungsausschusses, der Geschäftsleitung und anderen Arbeitsgruppen teilgenommen haben. In so einem Arbeitsumfeld erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass mündliche Aussagen als Aufträge (miss-)verstanden werden. Die Dokumentation der vereinbarten Leistungen und Gegenleistungen ist erforderlich, um eine Rechnungsfreigabe nur aufgrund von vereinbarten und erbrachten Leistungen zu gewährleisten und die Rechenschaft über die Verwendung der Beiträge der Gebührenzahler zu ermöglichen. Sie ist nötig, um, die Überschneidung von Beraterverträgen und damit die Doppelbeauftragung zu vermeiden sowie die Einhaltung vergaberechtlicher Vorgaben zu überwachen. Die Missachtung dieser internen Regelungen führt zu einer gravierenden Vermögensgefährdung und Rufgefährdung für die Beklagte. Das Vermögen der Beklagten ist gefährdet, wenn Rechnungen beglichen werden, ohne dass eindeutig feststellbar ist, welche Leistung mit den freigegebenen Beträgen vergütet wird. Der Ruf der Beklagten ist gefährdet, wenn die Beklagte gegenüber den Kontrollgremien, wie dem Verwaltungsrat (§ 18 des Staatsvertrags), dem Rechnungshof (§ 30 des Staatsvertrags) und gegenüber der Öffentlichkeit nicht Rechenschaft darüber ablegen kann, wie sie ihre Finanzmittel einsetzt, die nach § 24 Abs. 3 S. 1 des Staatsvertrages überwiegend aus Gebühren stammen. Dabei ist die Beklagte an die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gebunden, § 24 Abs. 1 des Staatsvertrags.

d) Darüber hinaus hat die Klägerin Anfang 2022 die Firma E mündlich beauftragt, einen Experten an Bord zu holen zur Unterstützung der Beklagten bei einer Anmeldung für eine KfW 55-Förderung für Neubauten. Des Weiteren hat sie die Firma E mündlich damit beauftragt, die Beklagte bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung zu beraten. Dies hat die Klägerin in ihrer E-Mail an Rechtsanwalt J von der Kanzlei K vom 23.05.2022 mitgeteilt (Anlage B 26, Bl. 295 der Akte). In der Mail schreibt sie: „Aus diesem Grund habe ich – als für diese Themen verantwortliche Lenkungsausschussvorsitzende – mündlich die Firma E beauftragt, einen Experten an Bord zu holen, der den A unterstützt, um schnellstmöglich die Anmeldung auf den Weg zu bringen und einzureichen. … Ebenso habe ich die Firma E beauftragt, den A bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung zu beraten.“ Damit hat die Klägerin die internen Regelungen der Beschaffungsordnung der Beklagten, in Kraft ab dem 01.10.2020, verletzt, nach der Beraterverträge schriftlich zu vereinbaren, der Justiziarin vorzulegen und von der Hauptabteilungsleitung und dem Fachdirektor zu unterzeichnen sind. Damit hat sie die Kontrolle, Steuerung und Abnahme einer bestimmten Leistung unmöglich gemacht. Die Feststellung der Überschreitung vergaberechtlicher Höchstgrenzen und die Abgrenzung zu anderen Beratungsverträgen mit der E war auf der Grundlage einer mündlichen Beauftragung ebenfalls nicht möglich. Die mündliche Vereinbarung, auf die sich die Klägerin in ihrer E-Mail vom 23.05.2022 bezieht, lässt offen, ob und welche Honorarhöhe die Parteien vereinbart haben. Die nachträglich vereinbarte Vergütung für diese beiden Beratungsgegenstände i.H.v. 44.300 EUR brutto und 79.500 EUR netto lässt erkennen, dass die Leistung der beiden Unterauftragnehmer keinesfalls von dem monatlichen Pauschalhonorar i.H.v. 15.360 EUR netto aus dem Interimsvertrag abgegolten sein kann. Bei der Vereinbarung und Dokumentation des Honorars in einer Vertragsniederschrift wäre auch deutlich geworden, dass die Beurteilung der Kanzlei K von November 2021 über die vergaberechtliche Unbedenklichkeit des Interimsvertrags und die in seinem Umfang beauftragten Unterauftragnehmer die Vereinbarungen über die Beratungen durch Herrn M und die Firma L mit einem darüber hinaus gehenden Honorar nicht erfasst. Entsprechend hat Herr Rechtsanwalt J in seiner E-Mail vom 16.05.2022 bestätigt, dass nur im Rahmen der Interimsbeauftragung der Firma E die Hinzuziehung von Nachunternehmern vergaberechtlich unbedenklich sei

aa) Auch der Vortrag der Parteien zu der mündlichen Beauftragung von E, weitere Berater „an Bord zu holen“ und die Beklagte bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung zu beraten, verdeutlicht die Bedeutung der Einhaltung der internen Regelungen zum schriftlichen Abschluss von Beraterverträgen. Die Klägerin hat durch die mündliche Beauftragung der Firma E, bestätigt in ihrer E-Mail vom 26.05.2022, die Abgrenzung zu anderen Verträgen mit der E und die Überwachung der vergaberechtlichen Höchstgrenzen vereitelt. Die nach Leistungserbringung unterzeichneten Vereinbarungen mit der Firma E über die Unterbeauftragung des Beraters M (Anlage B 34, Bl. 393 ff. der Akte) mit einem Volumen von 37.000 EUR netto und mit der Firma L vom 21.07.2022 mit einem Volumen von 79.500 EUR netto (Anlage B 36, Bl. 402 ff. der Akte) können den Mangel nicht heilen.

bb) Neben dem Umfang der Vermögens- und Rufgefährdung ist im Zusammenhang mit der mündlichen Beauftragung der Firma E und L auch die unbestrittene Äußerung der Klägerin im Chat an Frau AA hinsichtlich der Firma L von Belang, in der sie auf die ausdrückliche Frage von Frau AA nach einer formalen Beauftragung und einer Vertraulichkeitserklärung geantwortet hat, „Ja, ist alles o. k. Sie sind von uns beauftragt.“ Die Äußerung der Klägerin verdeutlicht ihre Missachtung der Bedeutung einer ordentlichen Vertragsdokumentation als Grundlage für die sachgemäße Verwendung der Finanzmittel und die Rechenschaftslegung sowie für die Freigabe geschützter Daten an Dritte.

e) Für den Fall, dass der Arbeitsvertrag der Parteien nicht als befristeter Vertrag anzusehen wäre, machten die genannten Pflichtverletzungen der Klägerin der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch schon bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nach § 626 Abs. 2 Nr. 2 BGB von zwei Monaten zum Ende eines Kalendermonats unzumutbar.

2. Der Beklagten ist es nicht gemäß § 626 Abs. 2 BGB verwehrt, sich auf die Freigabe der Rechnung über 13.920 EUR durch die Klägerin als Grund für eine außerordentliche Kündigung berufen. Nach § 626 Abs. 2 S. 1 BGB kann die Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Nach § 626 Abs. 2 S. 2 BGB beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.

a) Handelt es sich bei dem Arbeitgeber – wie hier – um eine juristische Person, ist grundsätzlich die Kenntnis des gesetzlich oder satzungsgemäß für die Kündigung zuständigen Organs maßgeblich (vergleiche BAG 05.05.2022 – 2 AZR 483 / 21 – NZA 2022, 1276 ff.). Zur Kündigung berechtigtes Organ ist im hiesigen Fall die Intendantin oder der Intendant, §12 Abs. 1, 21 Abs. 2 des Staatsvertrages. Im Rahmen des § 626 Abs. 2 BGB ist eine positive, vollständige Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen zu fordern. Zu ihnen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Deshalb kann der Kündigungssachverhalt regelmäßig nicht ohne eine Anhörung des Arbeitnehmers hinreichend vollständig erfasst werden (vergleiche BAG 17.03.2005 – 2 AZR 245 / 04 – NZA 2006, 101 ff). Zu den maßgeblichen Tatsachen zählen insbesondere auch diejenigen Umstände, die das Gewicht einer Pflichtverletzung im Geflecht von weiteren an einem Fehlverhalten beteiligten Arbeitnehmern betreffen (vergleiche BAG 05.05.2022 – 2 AZR 483 / 21 – NZA 2022, 1276 ff.). Außerdem gehört es zu den maßgeblichen Umständen, die vom Kündigungsberechtigten zu ergründen und festzustellen sind, mögliche Beweismittel für die ermittelte Pflichtverletzung zu beschaffen und zu sichern. Die zeitliche Begrenzung des § 626 Abs. 2 BGB soll den Arbeitgeber nicht zu hektischer Eile bei der Kündigung antreiben oder ihn veranlassen, ohne genügende Vorprüfung des Sachverhalts oder ohne hinreichender Beweismittel voreilig zu kündigen (vergleiche BAG 17.03.2005 – 2 AZR 245 / 04 – NZA 2006,101 ff).

b) Die für die Einhaltung der Erklärungsfrist darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat konkret und im Einzelnen vorgetragen, dass die Intendantin, Frau BB, von den Kündigungssachverhalten am 01.09.2022 erst nach Veröffentlichung eines Beitrags von fünf Investigativjournalisten des eigenen Senders zu den im Zusammenhang mit dem Projekt „D“ abgeschlossenen Beraterverträgen und der anschließenden internen Recherche über die Vertragsabschlüsse, rechtlichen Prüfungen und Rechnungsfreigaben, an denen die Klägerin beteiligt war, Kenntnis erlangt hat.

Die Beklagte hat mit der gebotenen Eile ermittelt. Sie hat nicht den Abschlussbericht der umfassenden Compliance-Untersuchung durch die Kanzlei P abgewartet, sondern ihre eigenen juristischen Referenten beauftragt, den in dem Beitrag geäußerten Verdachtsmomenten nachzugehen. Dazu hat sie nach ihrem insofern unbestrittenen Vortrag Freigabe- und Zahlungsläufe innerhalb des Systems SAP nachvollzogen, die tatsächliche Leistungserbringung geprüft, Protokolle von Direktoren- und Lenkungsausschusssitzungen durchsucht und erste Gespräche mit den an diesen Vorgängen beteiligten Direktoren, Hauptabteilungsleitern und sonstigen Mitarbeitern geführt. Mit Schreiben vom 12.09.2022 hat die Beklagte die Klägerin zu einer persönlichen Anhörung für den 15. 9. 2022 eingeladen, an der die Klägerin aus krankheitsbedingten Gründen nicht teilgenommen hat. Sodann hat die Beklagte dem späteren Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 15. 9. 2022 ein schriftliches Anhörungsschreiben zugestellt und auf seinen Hinweis die ursprünglich gesetzte Frist zum 20.09.2022 auf den 23.09.2022 um 13:00 Uhr verlängert. Mit der an diesem Tag abgegebenen Stellungnahme der Klägerin hat die Beklagte die Mitglieder der Geschäftsleitung und andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konfrontiert und sie wiederum um Stellungnahme gebeten. Unter dem 30.09.2022 hat die Beklagte ein weiteres Anhörungsschreiben an die späteren Prozessbevollmächtigten der Klägerin übersandt und auf deren Bitte die Frist zur Stellungnahme bis zum 07.10.2022 verlängert. Eine weitere schriftliche Stellungnahme der Klägerin ist am 07.10.2022 eingegangen. Die Beklagte hat die Personalvertretungsgremien (Frauenvertreterin und Personalrat) am 10.10.2022 bzw. 12. 10. 2022 zur beabsichtigten außerordentlichen Tat- und Verdachtskündigung angehört und nach abschließender und fristgerechter Äußerung der Frauenvertreterin am 12.10.2022 und des Personalrats am 17.10.2022 der Klägerin am 18.10.2022 die Kündigung zugestellt.

c) Eine frühere Kenntnis der damaligen Intendantin O von der Begleichung der Rechnung über 13.920 EUR brutto ohne Vorliegen eines schriftlichen Vertrages ist weder dem Vortrag der Beklagten noch dem der Klägerin zu entnehmen. Die Klägerin hat nicht behauptet, Rücksprache mit der Intendantin O oder dem stellvertretenden Intendanten U über die Freigabe der Rechnung ohne Abgleich mit einem wohl nicht vorhandenen schriftlichen Vertrag gehalten zu haben. Selbst wenn die frühere Intendantin finanzielle Mittel für die Beauftragung der Beratungsfirma E zugesagt hat, hatte sie deswegen noch keine Kenntnis von der Begleichung der Rechnung durch die Klägerin ohne Vorliegen eines schriftlichen Vertrages mit einer konkreten Leistungsbeschreibung, die mit der Rechnung für „persönliche strategische Beratung Gastronomiekonzept Berlin/Potsdam“ hätte abgeglichen werden können. Es ist aus dem Vortrag der Parteien auch nicht ersichtlich, dass der stellvertretende Intendant U nach dem Rücktritt von Frau O im August 2022 positive Kenntnis von der Rechnungsfreigabe durch die Klägerin ohne Vorliegen eines schriftlichen Vertrages erlangt hat. Die Tatsache, dass die Klägerin den Mitgliedern der Geschäftsleitung im Juli 2022 im Rahmen der Compliance-Untersuchung einen Stick mit zahlreichen Unterlagen, die die Beraterverträge betrafen, übermittelte, lässt nicht auf die positive Kenntnis der Intendantin oder des stellvertretenden Intendanten von dem Fehlen eines schriftlichen Vertrages bei Freigabe der Rechnung schließen. Es kommt damit allein auf die Kenntnis der Intendantin BB an, die seit dem 15. 9. 2022 im Amt ist und frühestens nach dem zügigen Abschluss der Ermittlungen und dem Eingang der Stellungnahmen der Klägerin im Rahmen der Anhörung durch die Mitarbeiter der Beklagten von den Kündigungssachverhalten Kenntnis erlangt hat.

d) Liegt schon in der Freigabe der Rechnung über 13.920 EUR eine erhebliche Pflichtverletzung der Klägerin im Zusammenhang mit dem Erfordernis schriftlicher Verträge vor, so ist ergänzend für die Gewichtung des Kündigungsgrundes auch das Verhalten der Klägerin beim mündlichen Abschluss von Beratungsverträgen mit der E in Bezug auf die Unterauftragnehmer M und L zu berücksichtigen. Es wäre auch dann zu berücksichtigen, wenn die Frist nach § 626 Abs. 2 insofern nicht eingehalten wäre (vergleiche in einem insofern ähnlichen Fall LAG Hamm 20.11.1997 – 8 Sa 370 / 97 – juris; insofern von der Revision nicht erfolgreich angegriffen: Vergleiche BAG 11.03.1999 – 2 AZR 59 / 98 – juris).

aa) Nach Auffassung der Kammer ist die Erklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB jedoch auch insofern eingehalten. Auf die frühere Kenntnis des stellvertretenden Intendanten U von der mündlichen Beauftragung der Beratungsfirma E durch die Klägerin zu einem Zeitpunkt vor ihrer E-Mail vom 23.05.2022 kommt es nicht an. Eine solche Kenntnis erscheint nicht ausgeschlossen, da Herr U den rückwirkend abgeschlossenen, undatierten Nachunternehmervertrag Beklagten und der Firma E in Bezug auf den Berater M selbst unterzeichnet hat und davon auszugehen ist, dass er den Hintergrund für die Notwendigkeit dieses rückwirkenden schriftlichen Vertragsabschlusses kannte. Aber es kommt nicht auf die abschließende Kenntnis von dieser einen Missachtung der internen Regelungen zum Abschluss von Beraterverträgen an, sondern auf die umfassende Kenntnis von dem Fehlverhalten der Klägerin in Bezug auf die internen Regelungen der Beklagten zum Abschluss von Beraterverträgen. Die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 S. 1 BGB dient dazu, für den betroffenen Arbeitnehmer rasch Klarheit darüber zu schaffen, ob ein Sachverhalt für eine außerordentliche Kündigung zum Anlass genommen wird (vergleiche BAG 17.03.2005 – 2 AZR 245 / 04 – NZA 2006,101 ff.). Sofern ein Fehlverhalten noch an Gewicht gewinnt, weil es wiederholt aufgetaucht ist, kann der Zweck der Vorschrift, dem Arbeitnehmer Klarheit zu verschaffen, erst dann erreicht werden, wenn die einschlägigen Sachverhalte insgesamt umfassend ermittelt sind.

bb) Darüber hinaus konnte die Beklagte auch einen möglicherweise verfristeten Sachverhalt unterstützend für die Gesamtwürdigung des Verhaltens der Klägerin heranzuziehen, wenn es sich um einen gleichartigen Vorwurf handelt – nämlich die Missachtung der internen Regularien zum schriftlichen Abschluss von Beraterverträgen (vergleiche dazu in einem insofern vergleichbaren Fall LAG Hamm 20.11.1997 –. 8 SA 370 / 97 – juris).

3. Die Kündigung ist auch verhältnismäßig. Die Beklagte war nicht auf das mildere Mittel einer Abmahnung vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung zu verweisen. Eine ordentliche Kündigung kommt nicht in Betracht, weil der befristete Arbeitsvertrag der Parteien keinen Vorbehalt einer ordentlichen Kündigung enthält.

Beruht eine Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (vergleiche BAG 27.02.2020 – 2 AZR 570 / 19 – NZA 2020, 1405 ff.). Die außerordentliche Kündigung kann ausnahmsweise bereits bei einmaligem fahrlässigen Versagen ohne vorausgegangene Abmahnung zulässig sein, wenn das Versehen eines gehobenen Angestellten, der eine besondere Verantwortung übernommen hat, geeignet war, einen besonders schweren Schaden herbeizuführen und der Arbeitgeber das Seine getan hat, die Möglichkeit für ein solches Versehen und seine Folgen einzuschränken (vergleiche BAG 04.07.1991 – 2 AZR 79 / 91 – juris).

a) Die Klägerin hat die Aufgaben einer gehobenen Angestellten bei der Beklagten wahrgenommen. Als Leiterin der Hauptabteilung Intendanz war sie direkt der Intendantin unterstellt, die gemäß § 21 Abs. 2 des Staatsvertrages den A in eigener Verantwortung leitet. Als eine von zwei Vorsitzenden des Lenkungsausschusses hat die Klägerin zusätzlich besondere Verantwortung übernommen. Das Jahreseinkommen der Klägerin von ca. 180.000 EUR brutto vergütet die Wahrnehmung dieser Verantwortung. Die Klägerin beansprucht für sich die Zuständigkeit für den Abschluss von Beraterverträgen als Vorsitzende des Lenkungsausschusses. Sie behauptet, sie habe einen Verfügungsrahmen von 100.000 EUR gehabt.

b) Darüber hinaus hat die Klägerin in der Klageschrift vorgetragen, sie sei Ansprechpartnerin für die organisatorischen Belange unter anderem der Bereiche Datenschutzbeauftragte und Compliance-Beauftragte. Nicht nur in ihrer Funktion als Hauptabteilungsleiterin Intendanz und Lenkungsausschussvorsitzende, sondern auch in der Funktion als Ansprechpartnerin für die Bereiche Datenschutz und Compliance hat die Klägerin eine herausgehobene Vorbildfunktion.

c) Das Versagen der Klägerin bei der Wahrnehmung ihrer Pflichten war geeignet, für die Beklagte einen besonders schweren Schaden herbeizuführen. Die Beklagte hat das ihre getan, die Möglichkeit für ein solches Versehen und seine Folgen einzuschränken. Die Beklagte hat klar strukturierte, der Sprache nach verständliche Vorgaben aufgestellt zu Vollmachten und Zeichnungsbefugnissen, insbesondere zur Bedeutung der Freigabe einer Rechnung als „sachlich richtig“(Seite 3 der Dienstanweisung zur Regelung von Vollmachten und Zeichnungsbefugnissen in der Fassung vom 17.03.2015, Anl. B7, Bl. 213). Die Hinweise für einen sachgerechten Einsatz externer Berater, enthalten in Anlage 4 zur Beschaffungsordnung, lassen erkennen, dass die Beklagte die Schwierigkeiten und Risiken im Zusammenhang mit der Beauftragung externer Berater erkannt hat. In den Regelungen sind Beratungsleistungen klar definiert und Eckpunkte für den Einsatz von Beratern bestimmt. Darin ist vorgegeben, dass Verträge eindeutig zu fassen sind, unter anderem im Hinblick auf eine konkrete Leistungsbeschreibung und hinsichtlich des Honorars sowie zahlreicher anderer Punkte. Aus den Hinweisen geht auch hervor, dass die Buchung von Beratungsleistungen zur Schaffung von Transparenz über das Beratungsergebnis und die Beratungsausgaben ausschließlich auf dem Konto 47900 erfolgt. Dies ermöglicht der Beklagten einen Überblick über die insgesamt erfolgten Ausgaben für Beratungsleistungen. Die transparente Dokumentation dient nach den Hinweisen auch dazu, die Sachverhalte für Dritte nachvollziehbar darzustellen.

Die Klägerin beansprucht in der E-Mail vom 23. 5. 2022 für sich als Vorsitzende des Lenkungsausschusses die Zuständigkeit für den Abschluss von Beraterverträgen. Sie behauptet, sie habe einen Verfügungsrahmen von 100.000 EUR gehabt. Diese Zuständigkeit und dieser Verfügungsrahmen bedeuten eine erhebliche Verantwortung für die eingesetzten Finanzmittel, die überwiegend aus öffentlichen Gebühren stammen. Dieser Verantwortung wird die Klägerin in keiner Weise gerecht, wenn sie ohne das Abgleichen mit einem schriftlichen Vertrag Rechnungen freigibt oder wenn sie mündliche Aufträge an Berater vergibt, bei denen noch nicht einmal das Auftragsvolumen klar vereinbart ist. Hätte die Klägerin mit E in Bezug auf M und L eine klare Vergütungsvereinbarung schriftlich fixiert, wäre sofort klar gewesen, dass die Leistungen der beiden Unterauftragnehmer keinesfalls von dem Interimsvertrag mit E abgegolten sein können.

4. Die Klägerin handelte schuldhaft. Die Dienstanweisung und die Beschaffungsordnung sind der Klägerin bekannt. Die Klägerin hat sich gemäß § 2 ihres Arbeitsvertrages verpflichtet, bei Erfüllung ihrer dienstlichen Obliegenheiten den gesetzlichen Bestimmungen, Dienstvorschriften und internen Weisungen nachzukommen. Die Klägerin kannte auch die Praxis bei den zahlreichen Verträgen mit der Firma E, die alle schriftlich abgefasst und von zwei Vertretern der Beklagten, zum Teil auch von der Klägerin, unterzeichnet worden sind. Es kann dahinstehen, ob sich die Klägerin schuldhaft über die Vermögensinteressen der Beklagten hinweggesetzt hat. Der wichtige Grund für die fristlose Kündigung liegt nicht im Eintritt eines Vermögensschadens, sondern unabhängig davon in der zumindest grob fahrlässig verletzten Pflicht, sich bei der Freigabe von Rechnungen und dem Abschluss von Beraterverträgen an die internen Regularien insbesondere zur Schriftform zu halten, und der damit verbundenen erheblichen Vermögensgefährdung. Im Übrigen ist die Kammer der Auffassung, dass es zur erforderlichen Sorgfalt eines jeden Menschen gehört, der mit fremdem Geld Geschäfte schließt, die Rechenschaftslegung über die Verwendung der Mittel sicherzustellen.

5. Im Rahmen der abschließend vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen des Gewichts der Vertragsverletzungen die Bestandsschutzbelange der Klägerin. Hierbei war zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen, dass sie nicht mit dem Ziel der Selbstbereicherung oder der Bereicherung eines ihr nahestehenden Dritten gehandelt hat. Die Dauer des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten seit dem 01.07.2016 fällt nicht erheblich zu ihren Gunsten ins Gewicht. Die Tatsache, dass das Arbeitsverhältnis bislang nicht durch Abmahnungen belastet ist, fällt ebenfalls aus Sicht der Kammer nicht ins Gewicht. Die Klägerin handelte im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses weitgehend eigenverantwortlich, wurde entsprechend vergütet und wurde in ihrer Position als Hauptabteilungsleiterin der Intendanz und Vorsitzende des Lenkungsausschusses nicht derart engmaschig von Vorgesetzten begleitet, das sich aus dem Fehlen einer Abmahnung etwas über ihr vertragsgerechtes Verhalten in der Vergangenheit ableiten ließe. Das Alter der Klägerin, geboren am 12.03.1969, und ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt sind ebenso wie ihr Familienstand und ihre Unterhaltspflichten für zwei schulpflichtige Kinder zu berücksichtigen. Diese Gesichtspunkte wiegen nicht schwerer als das Interesse der Beklagten an der sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses wegen des Gewichts der Vertragsverletzungen der Klägerin. Diese hat weder in ihrem Verhalten im Zusammenhang mit der Rechnung vom 31.12.2021 und dem mündlichen Abschluss von Beraterverträgen, noch in ihrem Parteivorbringen die Bedeutung einer ordentlichen schriftlichen Dokumentation von eindeutig vereinbarten vertraglichen Verpflichtungen und Ansprüchen anerkannt und ernst genommen.

6. Die Beklagte hat die bei ihr gebildeten Personalvertretungsgremium ordnungsgemäß beteiligt. Die Beklagte hat die bei ihr eingerichtete Frauenvertretung am 10.10.2022 gemäß § 17 Abs. 1 LGG angehört (Anlage B 67, Bl. 504 ff.). Die Frauenvertreterin und ihre Stellvertreterin haben per E-Mail vom 12.10.2022 den Eingang des Anhörungsschreibens nebst Anlagen bestätigt und mitgeteilt, dass ihrerseits keine Bedenken gegen die außerordentliche fristlose Kündigung der Klägerin bestehen (Anlage B 68, Bl. 535 d.A.). Am 12.10.2022 hat die Beklagte mit Anhörungsschreiben und Anlagen (Anlage B 69, Bl. 536 ff. d.A.) ihren Personalrat angehört, der mit Schreiben vom 17.10.2022 (Anlage B 70, Bl. 567 d.A.) mitgeteilt hat, er nehme die Kündigung zur Kenntnis und sehe seine Beteiligungsrechte abschließend als erfüllt an. Der Personalrat und die Frauenvertretung sind von der Beklagten entgegen der Auffassung der Klägerin nicht unrichtig oder unvollständig informiert worden. Zutreffenderweise hat die Beklagte den Personalrat und die Frauenvertretung davon in Kenntnis gesetzt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien befristet ist. Außerdem lag der Frauenvertreterin und dem Personalrat die Vertragsniederschrift vom 30.07.2020 in Kopie vor, sodass sie über das Vertragsverhältnis informiert waren. Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, die Personalvertretungsgremien über die Beschwerde der Klägerin beim Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit zu informieren. Die Information über den Zeitpunkt der Kenntniserlangung von den Kündigungsgründen ist unter dem Gesichtspunkt der subjektiven Determination zutreffend.

7. Auf die Vorwürfe der Beklagten im Zusammenhang mit der Rechnungsfreigabe von Rechnungen der Kanzlei K, der Abrechnung der Reisen nach Paris und Israel und der Formulierung einer Beschlussvorlage für den Verwaltungsrat kam es für die Entscheidung über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung am 17.10.2022 nicht mehr an.

8. Das Kündigungsschreiben vom 17.10.2022 ist der Klägerin am 18.10.2022 durch Einwurf in den Briefkasten unter der Meldeanschrift der Klägerin in der V Straße, in … W zugegangen. Diese Anschrift gibt sie auch als Zustellanschrift in ihrer Klage an. Etwaige vorübergehende Abwesenheiten lassen den Zugang bei Einwurf in den Briefkasten nicht entfallen, solange der Arbeitgeber nicht darüber informiert ist, dass die ihm bekannte Anschrift nicht zum Zugang von Willenserklärungen geeignet ist.

9. Damit hat die Kündigung vom 17.10.2022 das Arbeitsverhältnis der Parteien am 18.10.2022 aufgelöst. Die Klage war mit dem Antrag zu 1) abzuweisen.

II. Der Antrag zu 2) ist nicht zulässig. Die Klägerin hat keine weiteren Beendigungstatbestände in den Rechtsstreit eingeführt, sodass ein Feststellungsinteresse i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO für diesen Antrag nicht besteht.

III. Der Antrag zu 3) ist jedenfalls nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 17.10.2022 fristlos aufgelöst worden. Ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung besteht nicht.

IV. Der Antrag zu 4) ist zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist beendet. Ein Anspruch der Klägerin auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses besteht nicht.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 ZPO, 46 Abs. 2 ArbGG.

C. Der Wert des Streitgegenstands war im Urteil festzusetzen und setzt sich zusammen aus den Werten der einzelnen Anträge wie folgt:

Antrag zu 1: Drei Monatsvergütungen, § 42 Abs. 2 S. 1 GKG

Antrag zu 2: Kein eigener Streitwert

Antrag zu 3: Eine Monatsvergütung, § 3 ZPO

Antrag zu 4: Eine Monatsvergütung, § 3 ZPO

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