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Verletzung Verkehrssicherungspflicht Bauunternehmer wegen fehlender Absturzsicherung

Verantwortung und Haftung bei Verstößen gegen Sicherheitsvorschriften auf Baustellen

In diesem Fall dreht sich alles um die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht eines Bauunternehmers aufgrund mangelnder Absturzsicherung und die daraus resultierenden rechtlichen Konsequenzen. Im Kern des Falles steht die Frage, wer die Verantwortung und Haftung für die Einhaltung und Durchführung der öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften trägt, insbesondere wenn durch Missachtung dieser Vorschriften Schäden entstehen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 O 2661/21  >>>

Das Wichtigste in Kürze


  • Bauunternehmer verletzte Verkehrssicherungspflicht durch fehlende Absturzsicherung.
  • Bauherr trägt grundsätzlich Verantwortung, muss für Sicherheit auf Baustelle sorgen.
  • Verletzung von Unfallverhütungsvorschriften kann zu grober Fahrlässigkeit führen.
  • Bauherr kann Verantwortung unter bestimmten Voraussetzungen auf zuverlässige und fachkundige Person übertragen.
  • Verstoß gegen Arbeitsschutzgesetz führt nicht automatisch zu zivilrechtlicher Verantwortlichkeit.
  • Keine Haftung, wenn Gefahren offensichtlich und vermeidbar sind.

Verkehrssicherungspflicht und Verantwortlichkeit des Bauherrn

Verkehrssicherungspflicht Bauunternehmer
Verantwortung und Haftung auf Baustellen: Ein Blick auf die Konsequenzen mangelnder Absturzsicherung und Missachtung von Sicherheitsvorschriften. (Symbolfoto: Virrage Images /Shutterstock.com)

Grundsätzlich ist der Bauherr als Initiator des Bauvorhabens verkehrssicherungspflichtig und haftet deliktisch. Er ist primär dafür verantwortlich, dass von seinem Bauvorhaben keine Gefahren ausgehen, die Dritten Schaden zufügen könnten. Der Bauherr muss sicherstellen, dass die Baustelle sicher ist und die Unfallverhütungsvorschriften eingehalten werden. Mitarbeiter, die durch Nichtbeachtung dieser Vorschriften zu Schaden kommen, können den Bauherrn normalerweise nicht haftbar machen.

Rolle des Unternehmers und Verletzung der Sicherheitsvorschriften

Der Unternehmer ist in erster Linie für die Sicherheit der Baustelle verantwortlich. Im vorliegenden Fall hat der beklagte Unternehmer keine Sicherheitsmaßnahmen für Dacharbeiten getroffen und die Pflicht vernachlässigt, das Gerüst auf Sicherheitsanforderungen zu überprüfen. Der Verstoß gegen die DGUV-Vorschrift „Bauarbeiten“ und das völlige Fehlen von Schutzvorkehrungen, obwohl die Sicherheitsanweisungen klar waren, legen eine grobe Fahrlässigkeit nahe.

Haftung und Mitverschulden

Es wurde argumentiert, dass das von einem Beklagten errichtete Gerüst nicht für die strittigen Dacharbeiten vorgesehen war und dass ein haftungsausschließendes Mitverschulden vorliegt, da die fehlende Sicherung bekannt und ignoriert wurde. Der andere Beklagte behauptete, er habe nicht schuldhaft gehandelt und sei nicht verpflichtet gewesen, die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften im Detail selbst zu überprüfen.

Rechtliche Konsequenzen und Schadensersatzpflicht

Die Verantwortung nach dem Arbeitsschutzgesetz führt nicht automatisch zu einer zivilrechtlichen Verantwortlichkeit. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 836 I S. 1 BGB, die eine Schadensersatzpflicht bei Verletzung von Körper oder Gesundheit durch den Einsturz eines Gebäudes oder eines anderen mit einem Grundstück verbundenen Werkes vorsehen, sind nicht erfüllt. Es wurde festgestellt, dass der Unfall nicht durch die Beschaffenheit des Gerüsts verursacht wurde und keine fehlerhafte Errichtung oder mangelhafte Unterhaltung des Gerüsts vorlag.

Schlussbemerkungen

Dieser Fall unterstreicht die Bedeutung der Einhaltung von Sicherheitsvorschriften und der Verkehrssicherungspflicht auf Baustellen und beleuchtet die komplexen Fragen der Verantwortlichkeit und Haftung bei Verstößen gegen diese Vorschriften. Die Klärung der Verantwortlichkeiten zwischen Bauherrn und Unternehmern ist von entscheidender Bedeutung, um die Sicherheit auf Baustellen zu gewährleisten und rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.

➨ Haftungsfragen bei Bauprojekten: Wer trägt die Verantwortung?

Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften auf Baustellen können gravierende rechtliche Folgen nach sich ziehen. Wer trägt in solchen Fällen die Verantwortung und Haftung? Ist es der Bauherr, der Unternehmer oder gar beide? Wenn auch Sie sich mit solchen Fragestellungen konfrontiert sehen, bieten wir Ihnen eine fundierte Ersteinschätzung und anschließende Beratung an, um Klarheit in Ihre individuelle Situation zu bringen. Unsere Expertise ermöglicht es uns, Sie umfassend zu unterstützen und gemeinsam mit Ihnen rechtssichere Lösungen zu erarbeiten. Zögern Sie nicht, Kontakt mit uns aufzunehmen.

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Verkehrssicherungspflicht Bauunternehmer – kurz erklärt


Bauunternehmer, die eine Baustelle im Bereich des öffentlichen Verkehrsraums betreiben, sind für diese verkehrssicherungspflichtig. Dies wurde durch ein Urteil des OLG Brandenburg vom 24.02.2022 (Az. 12 U 254/20) bestätigt. Die Verkehrssicherungspflicht beinhaltet die Pflicht, notwendige und zumutbare Vorkehrungen zu treffen, um Schäden anderer zu verhindern, wenn eine Gefahrenquelle geschaffen oder unterhalten wird.

Grundsätzlich trifft die primäre Verkehrssicherungspflicht den Bauherrn als Veranlasser des Bauvorhabens, jedoch kann der Bauherr seine Verkehrssicherungspflicht auf den von ihm ausgewählten sorgfältig arbeitenden Unternehmer übertragen. Wenn durch fehlende oder nicht vorschriftsmäßige Sicherung einer Baustelle jemand zu Schaden kommt, haftet in der Regel der Bauherr, es sei denn, die Verkehrssicherungspflicht wurde wirksam auf einen Dritten übertragen.

Die Verkehrssicherungspflicht des Bauherrn und des Bauunternehmers gilt grundsätzlich für alle Personen, die die Baustelle betreten dürfen, einschließlich Bauarbeiter, Handwerker, möglicherweise freiwillige Helfer und Zulieferer. Eine erweiterte Verkehrssicherungspflicht gilt gegenüber Kindern.

Während der Bauausführung ist jeder Bauunternehmer primär selbst zur Verkehrssicherung verpflichtet. Die Verkehrssicherungspflicht des Bauunternehmers endet erst, wenn die Sicherung der Baustelle in einem verkehrssicheren Zustand verlassen wird.


§ Relevante Rechtsbereiche sind unter anderem:

  • Arbeitsschutzrecht: In diesem Fall geht es um die Verantwortung und Pflichten von Bauunternehmern und Bauherren bezüglich der Einhaltung von Sicherheitsvorschriften und Unfallverhütung auf Baustellen. Es werden die Verpflichtungen und möglichen rechtlichen Konsequenzen bei Verstößen gegen diese Pflichten dargestellt, insbesondere im Hinblick auf die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften.
  • Deliktsrecht (§ 823 BGB): Hier wird die Haftung bei der Verletzung von Rechtsgütern wie Körper und Gesundheit behandelt. In diesem Fall wird die Frage der Haftung und Verantwortung bei Unfällen und Verletzungen auf Baustellen, insbesondere bei Verletzungen durch mangelnde Absicherung und Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften, erörtert.
  • Vertragsrecht mit Schutzwirkung zugunsten Dritter: Dies betrifft die Frage, ob und inwieweit Verträge, die zwischen zwei Parteien geschlossen werden, auch Schutzpflichten zugunsten Dritter begründen können. In diesem Fall könnte es relevant sein, um zu klären, ob Verträge zwischen Bauherren und Unternehmern auch Schutzpflichten und damit verbundene Haftungen gegenüber den Arbeitern oder anderen Dritten begründen können.


Das vorliegende Urteil

LG München II – Az.: 2 O 2661/21 – Endurteil vom 30.09.2022

Leitsätze:

1. Regelungsgegenstand des § 13 ArbSchG ist allein die öffentlich-rechtliche bzw. verwaltungsrechtliche Verantwortung für den Arbeitsschutz. Dabei geht es darum, wer für die Einhaltung und Durchführung der öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften gegenüber den zuständigen Aufsichtsbehörden des Staates verantwortlich ist, dh wer als Adressat für behördliche Anordnungen und Zwangsmaßnahmen in Betracht kommt. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

2. Von dieser Verantwortung ist die zivilrechtliche Verantwortung für den Arbeitsschutz abzugrenzen. Sie regelt, gegen wen im Fall einer Verletzung von Arbeitsschutzvorschriften zivilrechtliche Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche (§ 618 Abs. 1 BGB, § 823 BGB) geltend gemacht werden können. Ergänzt wird die zivilrechtliche Verantwortung durch die haftungsrechtliche Verantwortung, die sich aus den §§ 104 ff. SGB VII ergibt und festlegt, wer die durch Arbeitsunfälle entstandenen Personen- und Sachschäden zu tragen hat. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

3. Bei Bauarbeiten ist zwar grundsätzlich der Bauherr als Veranlasser des Bauvorhabens verkehrssicherungspflichtig und als solcher auch deliktisch einstandspflichtig. Er ist es in erster Linie, der die Gefahrenquelle eröffnet. Demgemäß hat er dafür zu sorgen, dass von seinem Bauvorhaben keine Gefahren ausgehen, durch die Dritte Schäden erleiden können. Das gilt jedoch im Verhältnis des Bauherrn zu dem von ihm beauftragten Unternehmer und dessen Mitarbeitern nicht uneingeschränkt, soweit es um die Sicherheit der Baustelle geht. Für die Sicherheit der Baustelle ist in erster Linie der Unternehmer verantwortlich. Die Unfallverhütungsvorschriften wenden sich nur an ihn. Mitarbeiter eines von dem Bauherrn beauftragten Unternehmers, die bei der Ausführung von Bauarbeiten infolge Nichtbeachtung von Unfallverhütungsvorschriften zu Schaden kommen, können deshalb den Bauherrn dafür regelmäßig nicht haftbar machen. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)


1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 1.014.010,89 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten im Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall auf einer Baustelle in Anspruch.

Die Klägerin ist Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung.

Der Beklagte zu 1) ist Inhaber einer Zimmerei.

Der Beklagte zu 2) ist Landwirt. Er beauftragte die Beklagte zu 1) mit der Durchführung von Zimmererarbeiten für einen Stallanbau.

Am 14.03.2017 befanden sich die Mitarbeiter des Beklagten zu 1), … … und …, auf der Baustelle beim Beklagten zu 2). … … war bereits seit 2010 als Zimmerergeselle beim Beklagten zu 1) beschäftigt; davor hatte er schon 5 Jahre Berufserfahrung. An der Traufseite des Anbaus war ein Gerüst aufgebaut, nicht an der Stirnseite. Das Gerüst war vom Beklagten zu 2) aufgestellt worden. Eine Absturzsicherung für die Arbeitsplätze auf dem Dach war nicht angebracht. Beide Mitarbeiter des Beklagten zu 1) befanden sich auf dem Dach, um dort die Lattung aufzuschnüren. … … kniete hierzu mit dem rechten Knie auf dem Dach und stützte sich mit dem linken Fuß an der Stange des vom Beklagten zu 2) errichteten Gerüsts ab. So robbte er sich von der einen Seite des Daches zur anderen, um alle ca. 70 cm die Schlagschnur anzubringen. Nachdem er mit etwa 3/4 des Daches fertig war, hob er seinen linken Fuß an, um ihn weiter nach vorne auf die nächste Stange des Gerüsts zu setzen. Offenbar löste er dabei die Entriegelung der Stange, was zur Folge hatte, dass diese Stange wegklappte, er das Gleichgewicht verlor und seitlich am Gerüst vorbei ca. 6 Meter in die Tiefe stürzte. Dabei zog er sich massive Verletzungen zu. Er ist nun zu 100% erwerbsunfähig. Von der Klägerin erhält er eine Verletztenrente, Pflegegeld und eine Entschädigung für Kleider- und Wäscheverschleiß.

Am 20.09.2018 erließ die Bußgeldstelle der Klägerin gegen den Beklagten zu 1) einen Bußgeldbescheid wegen Verstöße gegen §§ 4 II, 12 I Nr. 4 i.V.m § 74 der UVV „Bauarbeiten“ DGUV Vorschrift 38).

Die Klägerin zahlte an den Geschädigten … bisher Aufwendungen in Höhe von insgesamt 879.010,89 € gezahlt.

Mit der Klage macht die Klägerin gegen die Beklagten aus übergegangenem Recht gemäß § 116 SGB X in Höhe von 50%, nach Anrechnung eines Mitverschuldens des Geschädigten … in Höhe von 25%, sowie gegen den Beklagten zu 1) aus originärem Recht einen Anspruch aus § 110 SGB VII auf Erstattung von weiteren 25%, mithin insgesamt 75%, geltend. Den Beklagten zu 2) nimmt sie wegen eines gestörten Gesamtschuldverhältnisses lediglich in Höhe von 50% in Anspruch.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte zu 1) als Arbeitgeber des Geschädigten … hafte, weil er den Unfall grob fahrlässig verursacht habe. Der Beklagte zu 1) habe gegen Unfallverhütungsvorschriften (UVV) verstoßen. Bei einem Verstoß gegen UVV liege die grobe Fahrlässigkeit häufig vor. Diese werde dann angenommen, wenn sich die UVV, gegen die verstoßen worden sei, mit Vorrichtungen zum Schutz der Arbeiter vor tödlichen Gefahren befasse und elementare Sicherungspflichten zum Inhalt habe. Auch spiele insbesondere eine Rolle, ob der Schädiger nur unzureichende Sicherungsmaßnahmen getroffen oder von den vorgeschriebenen Schutzvorkehrungen völlig abgesehen habe, obwohl die Sicherungsanweisungen eindeutig gewesen seien. Allein aufgrund des Verstoßes gegen § 12 I Nr. 4 der DGUV-Vorschrift „Bauarbeiten“ liege die grobe Fahrlässsigkeit des Beklagten zu 1) auf der Hand. Die Vorschrift solle vor tödlichen Gefahren schützen, insbesondere bei Arbeiten in ca. 6 Metern Höhe, wie sie im vorliegenden Fall vom Geschädigten … ausgeführt worden seien. Der Beklagte zu 1) habe überhaupt keine Sicherheitsmaßnahmen für die Dacharbeiten getroffen, so dass der Schluss auch auf ein subjektiv gesteigertes Verschulden gerechtfertigt sei. Der Beklagte zu 1) sei auch nicht dadurch seiner eigenen Verkehrssicherungspflicht entbunden, dass an der Unfallstelle ein Gerüst vom Beklagten zu 2) errichtet gewesen sei, da dieses Gerüst nicht den einschlägigen Sicherheitsvorschriften entsprochen habe. Der Beklagte zu 1) habe die Pflicht gehabt, das Gerüst hinsichtlich der Sicherheitserfordernisse zu prüfen. Er könne sich auch nicht darauf zurückziehen, zu behaupten, der Geschädigte … habe selbst entschieden, auf das ungesicherte Dach zu gehen und dort Arbeiten zu verrichten. Eine Anweisung, nur in gesichertem Bereich zu arbeiten, könne die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften nicht ersetzen. Dies würde die Verantwortlichkeit für die eigene Absicherung in unzulässiger Weise auf den Arbeitnehmer verlagern. Zudem habe der Beklagte zu 1) für einen verkehrssicheren Arbeitsplatz zu sorgen (§ 618 BGB). Nur unter bestimmten Voraussetzungen könne der Arbeitgeber diese Pflichten auf eine zuverlässige und fachkundige Person schriftlich übertragen (§§ 7, 13 II ArbSchG). Eine schriftliche Übertragung auf … … habe hier nicht stattgefunden.

Nach Auffassung der Klägerin hafte der Beklagte zu 2) aus übergegangenem Recht (§ 116 SGB X) nach §§ 836, 837, 823 BGB. Bei dem Gerüst handle es sich um ein mit dem Grundstück verbundenes Werk. Dieses habe diverse Mängel aufgewiesen, da es insbesondere als Dachfanggerüst ungeeignet gewesen, es zu niedrig aufgebaut gewesen sei und ausreichende Verankerungen sowie die Fanglage für die Dacharbeiten gefehlt hätten. Es überzeuge nicht, dass das Gerüst nicht für Dacharbeiten hätte verwendet werden sollen. Der Beklagte zu 2) hätte damit rechnen müssen, dass die Zimmerleute des Beklagten zu 1) das Dach über das Gerüst betreten würden. Ein Gerüstersteller müsse immer damit rechnen, dass sein Gerüst auch von anderen Bauarbeitern (auch unbefugt) benutzt werde und daher müsse er für die Verkehrssicherheit des Gerüsts sorgen bzw. das Gerüst für jedermann erkennbar sperren, wenn die Verkehrssicherheit nicht gegeben sei.

Die Klägerin beantragt,

1.

Die Beklagten zu 1) und zu 2) werden verurteilt, an die Klägerin 438.745,55 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen. Dabei haften der Beklagte zu 1) und der Beklagte zu 2) wie Gesamtschuldner.

2.

Der Beklagte zu 1) wird über Ziffer 1. hinaus verurteilt, an die Klägerin weitere 219.392,78 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.

3.

Der Beklagte zu 1) wird über Ziffer 1. und 2. hinaus verurteilt, an die Klägerin weitere 220.892,56 € zzgl Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

4.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin über Ziffer 1. bis 3. hinaus 75% der weiteren nach § 110 SGB VII erstattungsfähigen Aufwendungen zu ersetzen, die der Klägerin anlässlich des Unfalls ihres Versicherten … …, geb. 24.03.1990, auf der Baustelle des Beklagten zu 2) in …, 8… S. entstanden sind und noch entstehen werden.

5.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 2) verpflichtet ist, der Klägerin über Ziffer 1. hinaus 50% der weiteren nach § 116 SGB X übergangsfähigen Aufwendungen zu ersetzen, die der Klägerin anlässlich des Unfalls ihres Versicherten … …, geb. 24.03.1990, auf der Baustelle des Beklagten zu 2) in …, 8… S. entstanden sind und noch entstehen werden.

6.

Die Beklagten zu 1) und zu 2) haften dabei in Bezug auf die ersten 50% der weiteren Aufwendungen (Ziffer 4. und 5.) wie Gesamtschuldner.

7.

Die Beklagten zu 1) und zu 2) tragen 26% der Kosten des Rechtsstreits. Dabei haften der Beklagte zu 1) und der Beklagte zu 2) wie Gesamtschuldner. Die übrigen Kosten trägt der Beklagte zu 1) alleine.

Die Beklagten beantragen, K l a g e a b w e i s u n g.

Der Beklagte zu 1) behauptet, … … sei als qualifizierter Mitarbeiter auch schon vor dem Unfallereignis mit der Leitung von Baustellen beauftragt worden. Bezüglich der Baustelle habe er mit dem Beklagten zu 2) besprochen, dass für die Dacharbeiten ein Gerüst benützt werden könne, welches der Beklagte zu 2) gestellt habe. Er habe vor Beginn der Arbeiten den … … darauf hingewiesen, dass er das vom Beklagten zu 2) gestellte Gerüst auf Tauglichkeit überprüfen und es entsprechend der Bedürfnisse für die Baumaßnahme ergänzen solle. Hierfür habe er dem … … das notwendige ergänzende Gerüstmaterial mit Sicherungsnetz zur Verfügung gestellt. Aufgrund seiner mehrjährigen Berufserfahrung habe der … … die Anforderungen, die an ein Gerüst bei Dacharbeiten zu stellen gewesen wären, gekannt. Der Umstand, dass … … vormals als Bauleitung für den Beklagten zu 1) tätig gewesen sei, unterstreiche seine besondere Erfahrung im Hinblick auf die Anforderungen an Baugerüste. Eine Übertragung von Verkehrssicherungspflichten sei vorliegend rechtlich nicht geboten gewesen. Daher komme es auf das von der Klägerin hingewiesene Schriftformerfordernis nicht an. Entscheidend sei lediglich, dass die Voraussetzungen des § 7 ArbSchG vorgelegen seien. Es sei vollkommen üblich und rechtlich nicht zu beanstanden, dass ein Arbeitgeber seinen erfahrene Mitarbeitern die Weisung erteile, für die eigene Sicherheit Sorge zu tragen. … … sei mit den entsprechenden Unfallverhütungsvorschriften hinsichtlich Gerüsten vertraut gewesen. Aufgrund der langjährigen Erfahrung mit dem Mitarbeiter … …, der zahlreiche Baustellen für den Beklagten selbst geleitet habe, habe der darauf vertraut, dass dieser vor Beginn der Dacharbeiten das Gerüst entsprechend überprüfen und gegebenenfalls ergänzen werde. Das notwendige Material habe ihm hierfür zur Verfügung gestanden. Ein zeitlicher Druck zur Durchführung der Bauarbeiten habe nicht bestanden. Daher habe für … … auch ausreichend Zeit bestanden, vor Beginn der Dacharbeiten eine etwaige Aufrüstung des Gerüsts mit dem vom Beklagten zu 1) zur Verfügung gestellten Material vorzunehmen. Am Unfalltag habe sich … … zur Baustelle begeben und entgegen der Absprache das Gerüst nicht auf Tauglichkeit geprüft und nicht entsprechend der Unfallverhütungsvorschriften aufgerüstet, sondern gleich mit den Arbeiten begonnen. Spätere Zeit nach dem Unfall habe … … zu ihm gesagt, dass er „Mist gebaut“ habe und er sich deshalb die Unfallfolgen selbst zurechne.

Weiter behauptet der Beklagte zu 1), der Beklagte zu 2) habe es abgelehnt, dass der Beklagte zu 1) ein eigenes Gerüst aufstellt. Der Beklagte zu 2) habe darauf bestanden, dass sein Gerüst benutzt werde. Als gelernter Maurer habe dieser abschätzen können, dass das zur Verfügung gestellt Gerüst nicht ausreichend gewesen sei.

Der Beklagte zu 1) ist daher der Ansicht, er hafte nicht nach § 110 SGB VII, da er den Unfall nicht grob fahrlässig verursacht oder verschuldet habe. Allein der Umstand, dass im Betrieb ein Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften vorgelegen habe, erfülle nicht das Erfordernis der groben Fahrlässigkeit, begründet in der Person des Arbeitgebers. Der Regress nach § 110 SGB VII begründe sich aus dem Umstand, dass es für die Versichertengemeinschaft nicht tragbar wäre, wenn ein Unternehmer im vorbeschriebenen Sinne handle, so dass es schon aus Gründen der Prävention des Regresses bedürfe. Es müsse jedoch ein solcher „krasser“ Verstoß vorliegen, der diesen Regress rechtfertige. Diese Voraussetzungen lägen hier jedoch nicht vor. Er habe nicht schuldhaft gehandelt. Nach den Unfallverhütungsvorschriften sei er nicht gehalten gewesen, deren Einhaltung im Detail jeweils selbst zu überprüfen. Vielmehr habe er einen berufserfahrenen Gesellen hiermit beauftragen können.

Der Beklagte zu 2) behauptet, das von ihm errichtete Gerüst sein nicht dafür vorgesehen gewesen, für die streitgegenständlichen Dacharbeiten verwendet zu werden. Es sei für Maurer- und Verputzarbeiten von ihm aufgestellt worden. Für jeden Laien und insbesondere den … … sei erkennbar gewesen, dass der für Dacharbeiten erforderlichen Sicherheitsschutz nicht vorhanden gewesen sei.

Mit dem Beklagten zu 1) habe er nicht vereinbart, ein Gerüst für die Dacharbeiten zu errichten. Er habe diesen mit Zimmererarbeiten beauftragt, so dass es die Pflicht des Beklagten zu 1) gewesen wäre, für ein entsprechendes Gerüst, falls nötig, aber vor allem für Arbeitsschutz zu sorgen. Entscheidend sei allerdings, dass das Gerüst nicht kausal für den Sturz des … … gewesen sei, sondern die fehlende Absturzsicherung am Dach, die vor den Dacharbeiten nicht angebracht worden sei.

Unabhängig davon liege auch ein haftungsausschließendes Mitverschulden des … … vor, da dieser die fehlende Sicherung gekannt und ignoriert habe. Aus dem Untersuchungsbericht der Klägerin ergebe sich auch, dass der ebenfalls auf der Baustelle anwesende … als „Aufsichtsführender“ bezeichnet worden sei und dieser zu … … gesagt habe, man solle noch das fehlende „Geländer“ anbringen, was … … ignoriert habe.

Der Beklagte zu 1) habe im Übrigen für die Dacharbeiten gar kein Gerüst gebraucht. Vielmehr hätte er Haltebügel mit einer Absturzsicherung an die Dachkonstruktion anbringen müssen.

Eine Haftung nach §§ 836, 837, 823 BGB bestehe nicht. Es habe sich kein Gerüst gelöst oder sei gebrochen, wodurch … … abgestürzt sei. Er sei einzig und allein deshalb vom Dach gestürzt, weil weder er noch der Beklagte zu 1) eine Absturzsicherung am Dach angebracht hätten. Das Gerüst sei zweckwidrig genutzt worden.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen … … und …. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 08.07.2022 Bezug genommen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 08.07.2022 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

– Die Klage ist unbegründet.

I. A. Ansprüche gegen den Beklagten zu 1)

Der Beklagte zu 1) haftet nicht nach § 110 SGB VII.

1. Ein Versicherungsfall i.S. der §§ 7 I, 8 I SGB VII (Arbeitsunfall) liegt unstreitig vor.

2. Die Haftung des Beklagten zu 1) ist gegenüber dem Geschädigten … … nach §§ 104, 105 SGB VII beschränkt. Der Beklagte zu 1) hat die Verletzungen des Geschädigten weder vorsätzlich herbeigeführt noch handelt es sich um einen Wegeunfall.

3. Der Versicherungsfall ist vom Beklagten zu 1) aber nicht grob fahrlässig herbeigeführt worden.

a. Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden sein und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen.

b. Im Bereich der Arbeitssicherheit wird der Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt durch die von den Berufsgenossenschaften erlassenen Unfallverhütungsvorschriften vorgegeben. Allein mit der Verletzung einer Unfallverhütungsvorschrift lässt sich allerdings noch keine grobe Fahrlässigkeit begründen. Vielmehr ist auch in solchen Fällen eine Wertung des Verhaltens des Schädigers geboten, in die auch die weiteren Umstände des Einzelfalls einzubeziehen sind. So kommt es darauf an, ob es sich um eine Unfallverhütungsvorschrift handelt, die sich mit Vorrichtungen zum Schutz der Arbeiter vor tödlichen Gefahren befasst und elementare Sicherungspflichten zum Inhalt hat. Auch spielt insbesondere eine Rolle, ob der Schädiger nur unzureichende Sicherungsmaßnahmen getroffen oder von den vorgeschriebenen Schutzvorkehrungen völlig abgesehen hat, obwohl die Sicherungsanweisungen eindeutig waren. Im letzteren Fall kann der objektive Verstoß gegen elementare Sicherungspflichten ein solches Gewicht haben, dass der Schluss auf ein auch subjektiv gesteigertes Verschulden gerechtfertigt ist (BGH VersR 2015, 193).

c. Auf der streitgegenständlichen Baustelle waren die Unfallverhütungsvorschrift Bauarbeiten (UVV „Bauarbeiten“ DGUV Vorschrift 38) sowie die Berufsgenossenschaftliche Regel Dacharbeiten (BGR 203) zu beachten. Nach § 12 I UVV „Bauarbeiten“ DGUV Vorschrift 38 sind Einrichtungen, die ein Abstürzen von Personen verhindern (Absturzsicherungen) erforderlich bei Arbeitsplätzen und Verkehrswegen auf Dächern mit mehr als 3,00 m Absturzhöhe.

d. An der Unfallstelle war die Absturzhöhe im Bereich von 5 – 6 Metern. Damit war das Anbringen einer Absturzsicherung erforderlich. Es liegt damit eine Verletzung einer Unfallverhütungsvorschrift vor.

e. Die verletzte Unfallverhütungsvorschrift dient dem Schutz des Arbeiters vor tödlichen Gefahren. Sie hat elementare Sicherungspflichten zum Inhalt. Dass ein Sturz aus dieser Höhe zu schwerwiegenden Verletzungen führen kann, steht jedermann klar vor Augen.

f. Der Beklagte zu 1) war als Arbeitgeber des … … für die Einhaltung des Arbeitsschutzes verantwortlich (§ 13 ArbSchG). Regelungsgegenstand des § 13 ArbSchG ist allein die öffentlich-rechtliche bzw. verwaltungsrechtliche Verantwortung für den Arbeitsschutz. Dabei geht es darum, wer für die Einhaltung und Durchführung der öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften gegenüber den zuständigen Aufsichtsbehörden des Staates (Ämter für Arbeitsschutz, Gewerbeaufsichtsämter; vgl. § 21 ArbSchG) verantwortlich ist, d. h. wer als Adressat für behördliche Anordnungen und Zwangsmaßnahmen (vgl. § 22 ArbSchG) in Betracht kommt (Kollmer/Klindt/Schucht/Klindt, 4. Aufl. 2021, ArbSchG § 13 Rn. 2). Davon zu unterscheiden ist zunächst die straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortung im Fall einer Zuwiderhandlung gegen straf- oder bußgeldbewehrte Verhaltenspflichten auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes. Sie ergibt sich aus den einschlägigen Vorschriften des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts (§ 14 StGB, §§ 9, 30, 130 OWiG; vgl. §§ 25, 26; Kollmer/Klindt/Schucht/Klindt, 4. Aufl. 2021, ArbSchG § 13). Die öffentlich-rechtliche bzw. verwaltungsrechtliche Verantwortung ist ferner gegenüber der zivilrechtlichen Verantwortung für den Arbeitsschutz abzugrenzen. Sie regelt, gegen wen im Fall einer Verletzung von Arbeitsschutzvorschriften zivilrechtliche Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche (§§ 618 I, 823 BGB) geltend gemacht werden können. Ergänzt wird die zivilrechtliche Verantwortung durch die haftungsrechtliche Verantwortung, die sich aus den §§ 104 ff. SGB VII ergibt und festlegt, wer die durch Arbeitsunfälle entstandenen Personen- und Sachschäden zu tragen hat (Kollmer/Klindt/Schucht/Klindt, 4. Aufl. 2021, ArbSchG § 13).

Daher führt die Verantwortlichkeit des Beklagten zu 1) nach dem Arbeitsschutzgesetz noch nicht zu einer automatische zivilrechtlichen Verantwortlichkeit, auch wenn die Bußgeldstelle der Klägerin gegen den Beklagten zu 1) einen Bußgeldbescheid erlassen hat.

g. Der Beklagte zu 1) hat den Geschädigten zusammen mit dem Arbeiter … mit der Ausführung von Zimmererarbeiten beauftragt. Beide Arbeiter sind lange Jahre beim Beklagten zu 1) beschäftigt. Sie haben eine Ausbildung als Zimmerergesellen abgeschlossen und wiesen eine langjährige Berufserfahrung auf. Beide gaben im Rahmen ihrer Zeugenvernehmung an, über die Absicherung einer Baustelle Bescheid gewusst zu haben. Der Beklagte zu 1) gab an, er habe die beiden Arbeiter angewiesen, die Absturzsicherung mitzunehmen und zu installieren, weil das vom Beklagten zu 2) gestellte Gerüst nicht ausreichend gewesen sei. Einen Tag vorher sei er auf der Baustelle gewesen und habe gesehen, was an dem Gerüst noch fehle, was also im argen gelegen sei. Daher habe er seine Mitarbeiter angewiesen, das fehlende Zubehör noch mitzunehmen und anzubringen. Er habe nicht geprüft, ob die beiden Mitarbeiter die Absturzsicherung mitgenommen hatten. Einen Arbeitsunfall habe der Herr … noch nie gehabt.

h. Der Zeuge … gab an, er könne sich aufgrund des Unfalls nicht mehr daran erinnern, was an dem Tag des Unfalls war. Er habe früher Baustellen schon alleine gemacht. Wie man alles absichere, auch Dächer, wisse er. Das sei alles selbstverständlich gewesen. An seine Angaben gegenüber der Polizei nach dem Unfall könne er sich nicht mehr erinnern.

i. Gegenüber der Polizei gab der Zeuge … im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens, Az.: 35 UJs 17141/17, am 15.08.2017 an, er könne sich an den Betriebsunfall noch genau erinnern. Er habe sich am unteren Teil des Dachs befunden, um die Schlagschnur zu spannen für das Anbringen der Lattung. Mit dem rechten Knie sei er auf dem Dach gewesen, mit dem linken Fuß habe er sich an der Stange des Gerüsts abgestützt. So habe er sich von der einen Seite des Dachs zur anderen Seite gerobbt, um alle ca. 70 cm die Schlagschnur anzubringen. Als er bereits 3/4 des Dachs fertig gehabt habe, habe er seinen linken Fuß angehoben, um weiter nach vorne auf die nächste Stange zu setzen. Er glaube, dass er dabei die Entriegelung der Stange beim Anheben gelöst und die Stange mit seinem Fuß leicht angehoben habe. Dadurch sei wohl die Stange aus der Verankerung gelöst worden und als er wieder mit dem linken Fuß auf die Stange gestiegen sei, sei diese natürlich weggeklappt. Er habe dann den Halt verloren und sei dann seitlich am Gerüst vorbei hinuntergefallen. An dem Unfall sei kein anderer beteiligt gewesen. Es liege kein Fremdverschulden vor.

j. Der Zeuge … gab an, er sei zusammen mit … … auf der Baustelle gewesen. Er wisse nicht mehr, was der Beklagte zu 1) zu ihnen vor Beginn der Baustelle gesagt habe. Er wisse nur noch, dass er gesagt habe, ein Gerüst sei vor Ort. Als sie auf die Baustelle gekommen seien, hätten sie gesehen, dass das vorhandene Gerüst nicht genügend hoch gewesen sei. Sie hätten dann gedacht, dass sie am nächsten Tag ein Gerüst mitnehmen würden. In den ersten Tagen hätten sie aber das Gerüst nicht gebraucht, weil sie mit dem Kran die Binder aufgestellt und zusammengebaut hätten. Sie hätten sich auch auf die andere Seite des Dachs konzentriert. Dort sei das Dach nur etwa 2,5 m über dem Boden gewesen. Sie hätten dann aufhören wollen, als sie das Gerüst gebraucht hätten. Sie hätten nur noch Aufschnüren wollen. Als der Unfall passiert sei, sei er nicht auf dem Dach gewesen. Daher habe er von dem Unfall nichts mitbekommen. In der Firma gebe es eine entsprechende Anweisung, dass die Baustelle abzusichern sei. Das werde von ihnen auch eingehalten. Einen Baustellenverantwortlichen habe es hier nicht gegeben. Jeder sei gleich verantwortlich gewesen. Er habe den Herrn … nicht darauf hingewiesen, dass Sicherungsmaßnahmen fehlten. Erinnern könne er sich nicht, dass der Herr … dass Fehlen der Sicherungsmaßnahmen belächelt habe. Warum sie die arbeiten trotz fehlender Absturzsicherung durchgeführt hätten, konnte er nicht beantworten.

k. Es liegt hier weder ein objektiv schwerer noch subjektiv nicht entschuldbarer Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt vor. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die auf der Baustelle des Beklagten zu 2) tätigen Mitarbeiter des Beklagten zu 1) … … und …, erfahrene Mitarbeiter waren, die über die notwendigen Sicherungsmaßnahmen Bescheid wussten. Beide sind tätig geworden, obwohl die entsprechende Absturzsicherung nicht vorhanden war. Das Gericht ist aufgrund der informatorischen Anhörung des Beklagten zu 1) überzeugt, dass dieser seine Mitarbeiter auf die fehlende Absturzsicherung hingewiesen und deren Anbringung angeordnet hat. Jedenfalls ergeben sich keine Anhaltspunkte für das Gegenteil. Die Zeugen … und … konnten sich insoweit nicht mehr erinnern. Der Beklagte zu 1) machte auf das Gericht im Rahmen der informatorischen Anhörung einen überzeugenden Eindruck. Beide Mitarbeiter waren in der Vergangenheit zuverlässig. Für den Beklagten zu 1) gab es daher keine Anhaltspunkte, dass sie seiner Anordnung nicht Folge leisten würden. Selbst wenn es keine ausdrückliche Anweisung gegeben hätte, hätte der Beklagte zu 1) keine Anhaltspunkte gehabt, dass die beiden Mitarbeiter die ihnen bekannten Sicherungsanforderungen nicht beachten würden. Eine Kontrolle war für den Beklagten zu 1) unter den hier vorliegenden Umständen nicht veranlasst. Es ist vorliegend also durch den Beklagten zu 1) nicht dasjenige unbeachtet geblieben, was jedem hätte einleuchten müssen. Ein völliges Absehen von Sicherungsmaßnahmen oder unzureichende Sicherungsmaßnahmen können dem Beklagten zu 1) nicht vorgeworfen werden. Zum persönlichen Einrichten der Baustelle war der Beklagte zu 1) nicht verpflichtet. Er durfte sich auf die erfahrenen Mitarbeiter verlassen. Die ihn treffenden Maßnahmen hat der Beklagte zu 1) getroffen, indem er die Mitarbeiter angewiesen hat, die Absturzsicherung mitzunehmen und anzubringen. Eine Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt in einem ungewöhnlich hohen Maß durch den Beklagten zu 1) liegt daher nicht vor. Der Beklagte zu 1) hat den Unfall nicht herbeigeführt. Auch ein grob fahrlässiges Handel liegt nicht vor. Es liegt auch nicht der Fall vor, in dem der Arbeitgeber haftet, wenn er die Weisung erteilt, nur in gesicherten Bereichen zu arbeitet, jedoch unzureichende Sicherungsmaßnahmen trifft. Der Beklagte zu 1) hat hier eine Absturzsicherung angeordnet. Die Mitarbeiter haben sich hieran nicht gehalten. Das vorhandene Gerüst war zwar für die Zimmererarbeiten nicht geeignet. Hierauf hatte der Beklagte zu 1) aber seine Mitarbeiter hingewiesen und deswegen das Anbringen der Absturzsicherung angeordnet.

B. Ansprüche gegen den Beklagten zu 2)

Der Beklagte zu 2) haftet nicht gemäß §§ 836, 823 BGB. Daher ist auch kein entsprechender Anspruch des Geschädigten, … …, auf die Klägerin übergegangen gemäß § 116 SGB X.

1. Ein Anspruch aus § 836 I S. 1 BGB besteht nicht.

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 836 I S. 1 BGB sind nicht gegeben.

a. Danach besteht eine Schadensersatzpflicht, wenn durch den Einsturz eines Gebäudes oder eines anderen mit einem Grundstück verbundenen Werkes oder durch Ablösung von Teilen des Gebäudes oder Werkes der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt wird.

b. Die Verletzungen des Geschädigten … sind hier dadurch eingetreten, dass dieser bei den Arbeiten auf dem Dach mit seinem Fuß die Entriegelung der Stange beim Anheben gelöst hat und dann beim erneuten Kontakt mit der Stange diese weggeklappt ist. Damit war nicht die Beschaffenheit des Gerüsts für den Unfall nicht kausal. Es liegt weder eine fehlerhafte Errichtung des Gerüsts noch eine mangelhafte Unterhaltung desselben vor. Unerheblich ist, dass das Gerüst nur für Maurerarbeiten und nicht für die streitgegenständlichen Zimmererarbeiten geeignet war. Das Gerüst an sich war ordnungsgemäß errichtet. Zwar fehlte die für die Zimmerarbeiten erforderliche Absturzsicherung. Dieses Fehlen fällt aber nicht unter den objektiven Tatbestand des § 836 I S. 1 BGB.

2. Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung und damit eine Haftung nach § 823 I BGB liegt nicht vor.

a. Verkehrssicherungspflichtig ist, wer in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenlage gleich welcher Art für Dritte schafft oder andauern lässt, die mit Gefahren für Rechtsgüter Dritter verbunden ist. Er hat Rücksicht auf diese Gefährdung zu nehmen und deshalb die allgemeine Rechtspflicht, diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich und ihm zumutbar sind, um die Schädigung Dritter möglichst zu verhindern (Grüneberg/Sprau, BGB, 81. A., § 823 Rz. 46). Haftungsbegründend wird eine Gefahrenquelle erst, sobald sich aus der zu verantwortenden Situation vorausschauend für einen sachkundig Urteilenden die nahe liegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter Dritter verletzt werden könnten, andernfalls fällt eine gleichwohl eintretende Schädigung in den Risikobereich des Verletzten (Grüneberg/Sprau, a.a.O.). Der Dritte ist aber in der Regel nur vor Gefahren zu schützen, die er selbst, ausgehend von der sich ihm konkret darbietenden Situation bei Anwendung der von ihm in dieser Situation zu erwartenden Sorgfalt erfahrungsgemäß nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und vermeiden kann, nicht auch vor Gefahren, die jedem vor Augen stehen und vor denen es sich ohne weiteres selbst schützen kann (Grüneberg/Sprau, a.a.O., Rz. 51).

b. Bei Bauarbeiten ist zwar grundsätzlich der Bauherr als Veranlasser des Bauvorhabens verkehrssicherungspflichtig und als solcher auch deliktisch einstandspflichtig (BGHZ 120, 124 = NJW 1993, 1647). Er ist es in erster Linie, der die Gefahrenquelle eröffnet. Demgemäß hat er dafür zu sorgen, dass von seinem Bauvorhaben keine Gefahren ausgehen, durch die Dritte Schäden erleiden können (BGH, NJW 1993, 1647). Das gilt jedoch im Verhältnis des Bauherrn zu dem von ihm beauftragten Unternehmer und dessen Mitarbeitern nicht uneingeschränkt, soweit es um die Sicherheit der Baustelle geht. Für die Sicherheit der Baustelle ist in erster Linie der Unternehmer verantwortlich. Die Unfallverhütungsvorschriften wenden sich nur an ihn (BGHZ 68, 175 = NJW 1977, 898). Mitarbeiter eines von dem Bauherrn beauftragten Unternehmers, die bei der Ausführung von Bauarbeiten infolge Nichtbeachtung von Unfallverhütungsvorschriften zu Schaden kommen, können deshalb den Bauherrn dafür regelmäßig nicht haftbar machen (NJW-RR 1999, 318, beck-online).

c. Als zunächst Verkehrssicherungspflichtiger ist der Bauherr aber zu eigenem Eingreifen dann verpflichtet, wenn er Gefahren sieht oder hätte sehen müssen, wenn er Anlass zu Zweifeln hat, ob dem Schutz dritter Personen ausreichend Rechnung getragen wird (BGH VersR 1981, 262, beck-online), ob der oder die von ihm Beauftragten den Gefahren und Sicherungserfordernissen in der gebührenden Weise Rechnung tragen, oder wenn deren Tätigkeit mit besonderen Gefahren verbunden ist, die auch von ihm, dem Auftraggeber, erkannt und durch eigene Anweisungen abgestellt werden können (BGH NJW 1993, 1647, beck-online). Dabei geht es aber um den Schutz dritter Personen, die nicht auf der Baustelle tätig sind.

d. Im vorliegenden Fall ist … … als Baustellenarbeiter nicht von einer etwaigen Verkehrssicherungspflicht des Beklagten zu 2) als Bauherr geschützt als es um die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften durch … … geht. Insoweit ist er eigenverantwortlich tätig. Das Fehlen der Absturzsicherung war dem … … bekannt. Daher hat sich für den Beklagten zu 2) keine Verkehrssicherungspflicht gegenüber dem … … eröffnet.

e. Auch eine sekundäre Verkehrssicherungspflicht trifft den Beklagten zu 2) als Bauherrn nicht. Diese bestünde wiederum nur gegenüber einem Dritten, nicht aber gegenüber den Auf der Baustelle tätigen Personen, denen die Gefahrenquelle bekannt ist.

3. Auch Ansprüche aus einem etwaigen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bestehen nicht.

Das Fehlen der Absturzsicherung war offensichtlich. Bei einem Tätigwerden ohne Absturzsicherung besteht keine Haftung des Beklagten zu 2).

II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.

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