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Verzugskostenpauschale gemäß § 288 Abs. 5 BGB im Arbeitsverhältnis

ArbG Gelsenkirchen – Az.: 2 Ca 58/18 – Urteil vom 17.07.2019

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 40 Euro zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Der Streitwert wird auf 40 Euro festgesetzt.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung einer Verzugspauschale nach § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB.

Die Klägerin ist seit dem 01.10.2005 bei der Beklagten als Vorarbeiterin mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden und einem Stundenlohn von 11,95 Euro brutto beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Rahmentarifvertrag für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung Anwendung.

Die Beklagte rechnete den am 15.11.2017 fälligen Lohn für den Monat Oktober 2017 ab, zahlte ihn jedoch erst nach Aufforderung der Klägerin vom 21.11.2017 am 26.11.2017 an die Klägerin aus.

Mit Schreiben vom 13.12.2017 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung einer Verzugspauschale in Höhe von 40 Euro bis spätestens zum 27.12.2018 auf. Mit Schreiben vom 18.12.2017 lehnte die Beklagte die Zahlung unter Berufung auf das Urteil des LAG Köln vom 04.10.2017, Az. 5 Sa 229/17, ab.

Mit ihrer am 10.01.2018 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 18.01.2018 zugestellten Klage verfolgt die Klägerin die Zahlung der Verzugspauschale weiter.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Verzugskostenpauschale gemäß § 288 Absatz 5 BGB entgegen der Entscheidungen des BAG vom 25.09.2018, Az. 8 AZR 26/18, und vom 19.12.2018, Az. 10 AZR 231/18 auch im Arbeitsverhältnis zur Anwendung komme. Sie beruft sich hierzu auf die Entscheidungen des Arbeitsgerichts Dortmund vom 02.10.2018, Az. 2 Ca 2092/18, des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 28.11.2018, Az. 6 Ca 6390/17 und vom 05.03.2019, Az. 6 Ca 6294/18 sowie des Arbeitsgerichts Köln vom 14.02.2019, Az. 8 Ca 4245/18 und führt an, dass § 12a ArbGG zwar nicht nur einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch ausschließe, sondern auch einen inhaltsgleichen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch, dass die Verzugskostenpauschale davon allerdings nicht erfasst werde. Der Zweck des § 12a ArbGG, zusätzliche finanzielle Hürden zur arbeitsgerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen auszuräumen und das Kostenrisiko überschaubar zu halten, verlange gerade nicht die Einbeziehung der Verzugskostenpauschale in den Anwendungsbereich dieser Norm. Vielmehr sei die Verzugskostenpauschale im Gegensatz zu den vom BAG anerkannten Ausnahmen zum Kostenerstattungsausschluss wie die Erstattung von Reisekosten überschaubar und kalkulierbar. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der deutsche Gesetzgeber mit der Norm des § 288 Absatz 5 BGB die Vorgabe der EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Zahlungsverkehrs im Geschäftsverkehr bewusst übererfüllt habe und dass die Verzugskostenpauschale ausweislich der Gesetzesmaterialien Beitreibungskosten als weiteren, neben die Verzugszinsen tretenden Verzugsschaden abgelten solle. Auch sei die Präventionsfunktion des § 288 Absatz 5 BGB nicht im Regelungszweck des § 12a ArbGG enthalten. § 12a ArbGG schließe daher nicht – in Anwendung des Spezialitätsgrundsatzes – die Anwendung des § 288 Absatz 5 BGB aus.

Die Klägerin beantragt, Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 40 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beruft sich auf die Entscheidung des BAG vom 25.09.2018, Az. 8 AZR 70/18, und vertritt die Auffassung, dass § 12a Absatz 1 ArbGG als spezielle arbeitsrechtliche Regelung einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch für bis zum Schluss einer eventuellen ersten Instanz entstandene Beitreibungskosten und damit auch einen Anspruch nach § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB ausschließe.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Die Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin eine Verzugskostenpauschale in Höhe von 40 Euro gemäß § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB zu zahlen.

1.

Nach § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB (in der seit dem 29.07.2014 geltenden Fassung) hat der Gläubiger einer Entgeltforderung bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Gemäß Artikel 229 § 34 EGBGB findet § 288 BGB in der vorgenannten Fassung auch auf vor dem 29.07.2014 entstandene Dauerschuldverhältnisse Anwendung, soweit die Gegenleistung nach dem 30.06.2016 erbracht wird.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Beklagte, die als Arbeitgeberin kein Verbraucher im Sinne des § 13 BGB, sondern Unternehmer im Sinne des § 14 BGB ist, befand sich mit der Zahlung einer Entgeltforderung, nämlich des Lohns der Klägerin für Oktober 2017, in Verzug. Gründe, weshalb die Beklagte ausnahmsweise die nicht fristgerechte Zahlung nicht zu vertreten hätte, sind nicht dargelegt.

Eine Anrechnung der Pauschale gemäß § 288 Absatz 5 Satz 3 BGB kommt nicht in Betracht, da ein Schadensersatzanspruch hinsichtlich der Kosten der Rechtsverfolgung im erstinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Verfahren nach § 12a ArbGG ausgeschlossen ist.

Nach dem Wortlaut der gesetzlichen Vorschriften ist somit der Anspruch auf die Verzugskostenpauschale vorliegend unzweifelhaft gegeben.

2.

Der Anspruch nach § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB kommt auch entgegen der Auffassung der Beklagten im Arbeitsverhältnis zur Anwendung.

2.1

Die Frage, ob die Verzugskostenpauschale gemäß § 288 Absatz 5 BGB auch im Arbeitsverhältnis zur Anwendung kommt, ist umstritten (dafür u.a.: LAG Köln, Urteil vom 07.12.2017, Az. 8 Sa 127/17, Rn. 28, juris; LAG Düsseldorf, Urteil vom 21.11.2017, Az. 8 Sa 477/17, Rn. 78, juris; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.10.2016, Az. 3 Sa 34/16, Rn. 91 ff. juris; LAG Köln, Urteil vom 22.11.2016, Az. 12 Sa 524/16, juris; LAG Niedersachsen, Urteil vom 20.04.2017, Az. 5 Sa 1263/16, Rn. 22, juris; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.10.2017, Az. 9 Sa 593/17, Rn. 63, juris; LAG Hamm, Urteil vom 19.04.2018, Az. 17 Sa 1484/17, juris; dagegen u.a.: LAG Köln, Urteil vom 04.10.2017, Az. 5 Sa 229/17, Rn. 69, juris; ArbG Düsseldorf, Urteil vom 12.05.2016, Az. 2 Ca 5416/15, juris; ArbG Nürnberg, Urteil vom 11.11.2016, Az. 12 Ca 6016/15, Rn. 52, juris). Auch in der Literatur überwogen bislang die befürwortenden (Daum/Eckerth, RdA 2018, 216, 217; Färber/Pipoh, DB 2017, 67; Jesgarzewski, BB 2018, 2876; Lembke, NZA 2016, 1501; Richter, ArbRAktuell 2016, 229; Witschen/Röleke, NJW 2017, 1702, 1706) gegenüber den ablehnenden (Diller, NZA 2015, 1095; Ulrici, jurisPR-ArbR 16/2017 Anm. 5) Stimmen (ArbG Bremen-Bremerhaven, Urteil vom 05.03.2019, Az. 6 Ca 6294/18, juris).

Der 8. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat mit Urteil vom 25.09.2018, Az. 8 AZR 26/18, das Gegenteil entschieden: Dem Anspruch aus § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB stehe § 12a Absatz 1 Satz 1 ArbGG entgegen. Diese Bestimmung schließe als spezielle arbeitsrechtliche Regelung nicht nur einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch, sondern auch einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Erstattung von bis zum Schluss einer eventuellen ersten Instanz entstandenen Beitreibungskosten und damit insoweit auch einen Anspruch auf Pauschalen nach § 288 Absatz 5 BGB aus (BAG, Urteil vom 25.09.2018, Az. 8 AZR 26/18, NZA 2019, 121, 123 Rn. 23). Insofern führt der 8. Senat aus, der Anspruch nach § 288 Absatz 5 BGB sei kein Anspruch „sui generis“, der seinerseits als spezialgesetzliche Regelung der in § 12 Absatz 1 Satz 1 ArbGG getroffenen Regelung vorginge. Die Vorschrift des § 288 Absatz 5 BGB habe auch nicht im wesentlichen Strafcharakter und diene auch nicht schwerpunktmäßig der Prävention, sondern dies seien lediglich einzelne von mehreren Zielen der Vorschrift, von denen keinem aufgrund seiner Bedeutung der Vorrang vor anderen zukomme. § 12a ArbGG sei die gesetzgeberische Grundentscheidung zu entnehmen, das Kostenrisiko in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten dadurch überschaubar zu halten, dass jede Partei von vornherein weiß, dass sie an Beitreibungskosten stets und maximal das zu tragen hat, was sie selbst aufwendet. Vor diesem Hintergrund ergebe sich aus unmittelbarer Anwendung des § 12a ArbGG, dass dieser § 288 Absatz 5 BGB verdränge, einer Analogie bedürfe es insofern nicht. Da dem Gesetzgeber bei der Schaffung von § 288 Absatz 5 BGB die Regelung in § 12a Absatz 1 Satz 1 ArbGG sowie die hierzu ergangene ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bekannt gewesen sei, wäre es nach Ansicht des 8. Senats Sache des Gesetzgebers gewesen, ausdrücklich klarzustellen, dass § 12a Absatz 1 Satz 1 ArbGG durch § 288 Absatz 5 BGB eingeschränkt werden soll.

Dem haben sich der 10. Senat des BAG (BAG, Urteil vom 19.12.2018, Az. 10 AZR 231/18, Rn. 75, juris) sowie – soweit ersichtlich – die 3. und 5. Kammer des LAG Rheinland-Pfalz (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 07.02.2019, Az. 5 Sa 250/18, Rn. 32, BeckRS 2019, 4681; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 03.12.2018, Az. 3 Sa 253/18, Rn. 43, BeckRS 2018, 38983), die 4. Kammer des LAG Hamm (LAG Hamm, Urteil vom 21.11.2018, Az. 4 Sa 388/18, Rn. 41, BeckRS 2018, 39807 ) und die 7. Kammer des LAG Niedersachsen (LAG Niedersachsen, Urteil vom 26.09.2018, Az. 7 Sa 336/18, Rn. 40, BeckRS 2018, 29924) ohne weitere eigene Ausführungen angeschlossen.

Auch der 5. Senat des BAG hat sich mit Urteil vom 12.12.2018, Az. 5 AZR 588/17, Rn. 47ff, juris, der vorgenannten Auffassung angeschlossen und ergänzend ausgeführt, dass maßgebend sei, dass beide Vorschriften im Wege einer generalisierenden Betrachtung dieselben Kosten erfassen würden, die typischerweise für die Rechtsverfolgung entstünden. Dies seien ausgehend von einem Betrag von 40 Euro nicht in erster Linie Porto- und Reisekosten zum Anwalt vor Ort, sondern Rechtsberaterkosten und vor allem eigener Zeitaufwand. Der Grundsatz, dass eine nachträgliche Regelung wie § 288 Absatz 5 BGB einer eventuell vorher bestehenden Sonderregelung wie § 12a ArbGG vorgehe, gelte vorliegend nicht, da sich aus den Normzwecken beider Regelungen etwas anderes ergebe. Zudem lasse das Gesetzgebungsverfahren und die Gesetzesbegründung keine Auseinandersetzung mit den Auswirkungen auf das Arbeitsrecht und den sich aus § 12a ArbGG ergebenden Besonderheiten erkennen; dies deute darauf hin, dass der Gesetzgeber die Rechtsfolgen des § 12a Absatz 1 ArbGG gerade nicht habe ändern wollen.

Der Auffassung des BAG sind zuletzt einige Arbeitsgerichte nicht gefolgt (ArbG Dortmund, Urteil vom 02.10.2018, 2 Ca 2092/18, juris; ArbG Bremen-Bremerhaven, Urteil vom 28.11.2018, 6 Ca 6390/17, juris; ArbG Köln, Urteil vom 14.02.2019, Az. 8 Ca 4245/18, juris; ArbG Bremen-Bremerhaven, Urteil vom 05.03.2019, Az. 6 Ca 6294/18, juris).

2.2

Die erkennende Kammer vermag sich der Auffassung des BAG in den bisherigen Entscheidungen zur Frage der Anwendbarkeit des § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB im Arbeitsrecht gleichfalls nicht anzuschließen, sondern folgt insbesondere den ausführlich und überzeugend begründeten Entscheidungen des ArbG Bremen-Bremerhaven vom 05.03.2019, Az. 6 Ca 6294/18 (juris) und 20.11.2018, Az. 6 Ca 6390/17 (juris), des ArbG Köln vom 14.02.2019, Az. 8 Ca 4245/18 (juris) sowie des LAG Köln vom 22.11.2016, Az. 12 Sa 524/16 (juris).

Als gesetzliche Regelung ist § 288 Absatz 5 BGB nach ihrem Wortlaut, ihrer Entstehungsgeschichte, ihrer systematischen Einordnung sowie ihrem Sinn und Zweck auszulegen. Sämtliche Auslegungskriterien sprechen vorliegend für die Anwendbarkeit der Verzugspauschale auch im Arbeitsrecht.

Im Einzelnen:

2.2.1

Zunächst spricht der Wortlaut der Regelung in § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB eindeutig für eine Anwendbarkeit im Arbeitsrecht. Eine Ausnahmeregelung für das Arbeitsrecht enthält der Wortlaut gerade nicht (LAG Köln, Urteil vom 22.11.2016, 12 Sa 524/16, juris, Rn. 80; ArbG Köln, Urteil vom 14.02.2019, Az. 8 Ca 4245/18, juris).

2.2.2

Auch die Entstehungsgeschichte der Norm spricht für und nicht gegen die Anwendbarkeit im Arbeitsrecht. Das ArbG Köln führt hierzu im o.g. Urteil vom 14.02.2019 zutreffend aus:

„Ausdrückliche Stellungnahmen zur Frage der Anwendbarkeit bzw. Nichtanwendbarkeit der Vorschrift im Arbeitsrecht finden sich in den Gesetzesmaterialien zwar nicht. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Regelung des nationalen Gesetzgebers in § 288 Absatz 5 BGB auf einer bewussten überschießenden Umsetzung einer EU-Richtlinie beruht (so ausdrücklich die Gesetzesbegründung, BT-Drucksache 18/1309 vom 05.05.2014, insbes. S. 19). Während die europäische „Richtlinie zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr“ – deren Umsetzung das „Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr“ dient, durch das § 288 Absatz 5 BGB ins Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt wurde – eine entsprechende Regelung lediglich für den unternehmerischen Rechtsverkehr verlangte, hat der deutsche Gesetzgeber die Regelung bewusst dahingehend erweitert, dass die Pauschale des § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB nicht nur im unternehmerischen Rechtsverkehr, sondern auch zugunsten eines Verbrauchers auf Gläubigerseite geschuldet ist, wenn es sich bei dem Schuldner nicht um einen Verbraucher handelt. Da die EU-Richtlinie nur Mindestvorgaben enthält, war eine solche Erweiterung des Schutzbereichs durch den deutschen Gesetzgeber zulässig. Sie ist ausweislich der Gesetzesbegründung auch bewusst erfolgt (BT-Drs. 18/1309, S. 18/19). Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung führt hierzu aus: „Durch die vorgeschlagene Formulierung soll vermieden werden, dass Verbraucher, die Gläubiger von Nichtverbrauchern sind, gegenüber Nichtverbrauchern schlechter gestellt werden“ (BT-Drs. 18/1309, S. 19).

Gerade diese Ausweitung des Anwendungsbereichs auf Verbraucher steht einer Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht entgegen. Denn die Konstellation, dass ein Verbraucher Gläubiger einer Forderung und ein Nicht-Verbraucher Schuldner der Forderung ist, ist die klassische Konstellation einer Arbeitsentgeltforderung. Wenn der deutsche Gesetzgeber gerade über die EU-Richtlinie hinausgehend auch einen Verbraucher vor schlechter Zahlungsmoral seines Vertragspartners, der kein Verbraucher ist, schützen will, spricht alles dafür, dass dann auch der Arbeitnehmer, der nach zutreffender allgemeiner Meinung Verbraucher im Sinne des § 13 BGB ist, vor schlechter Zahlungsmoral seines Arbeitgebers über § 288 Absatz 5 BGB geschützt werden soll (so ausdrücklich LAG Köln 22.11.2016, a.a.O, Rn 81 f.).

Wenn der Gesetzgeber ausdrücklich vermeiden wollte, dass Verbraucher als Gläubiger gegenüber sonstigen Gläubigern, die keine Verbraucher sind, schlechter gestellt werden, ist nicht ersichtlich, weshalb der Arbeitnehmer als Gläubiger schlechter gestellt werden soll als sämtliche sonstigen Gläubiger, die Verbraucher – aber eben nicht Arbeitnehmer – oder nicht Verbraucher sind.“

Dass einem Arbeitnehmer mit dem arbeitsgerichtlichen Verfahren ein effizienterer und – hinsichtlich der Gerichtskosten – kostengünstigerer Weg zur Beitreibung der Entgeltansprüche zur Verfügung stehen mag als einem Nicht-Arbeitnehmer, der seine Entgeltansprüche vor den ordentlichen Gerichten geltend machen muss (so BAG, Urteil vom 25.09.2018, Az. 8 AZR 26/18, juris, Rn. 59), führt insoweit zu keiner anderen Bewertung; der Gesetzgeber wollte ausweislich der Gesetzesbegründung den Verbraucher, der Gläubiger einer Entgeltforderung ist, und damit klassischer Weise den Arbeitnehmer, gerade hinsichtlich der Verzugskostenpauschale nicht schlechter stellen als Nicht-Verbraucher. Zudem muss der Arbeitnehmer – anders als der klagende sonstige Verbraucher oder Nicht-Verbraucher – seine Rechtsanwaltskosten selbst dann selbst tragen, wenn er mit seiner Entgeltforderung obsiegt.

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in Art. 229 § 34 EGBGB eine Überleitungsvorschrift eingeführt hat, nach der die Verzugskostenpauschale auch auf vor dem 29.07.2014 begründete Dauerschuldverhältnisse anzuwenden ist, soweit die Gegenleistung nach dem 30.06.2016 erbracht wird. Bei Dauerschuldverhältnissen wie Miet-, Leasing-, Kredit- und Versicherungsverträgen, die sich nicht im unternehmerischen Rechtsverkehr abspielen, ist der Verbraucher in der Regel nicht Gläubiger, sondern Schuldner der Entgeltforderung (Mietzins, Leasingrate, Kreditrate, Versicherungsbeitrag), so dass in diesen Konstellationen schon nach dem Wortlaut des § 288 Absatz 5 BGB keine Verzugskostenpauschale in Betracht kommt. Unter einem Dauerschuldverhältnis mit Entgeltforderungen eines Verbrauchers gegen Gegenleistung eines Nicht-Verbrauchers sind hingegen ganz typischerweise Arbeitsverhältnisse zu verstehen. Hätte die Neufassung des § 288 Absatz 5 BGB auf bestimmte Arten von Dauerschuldverhältnissen, namentlich Arbeitsverhältnisse, keine Anwendung finden sollen, so hätte der Gesetzgeber diese Begrenzung – wie auch die zeitliche Begrenzung des Anwendungsbereichs der Norm – entsprechend geregelt bzw. entsprechend regeln müssen.

2.2.3

Auch die systematische Auslegung der Vorschrift des § 288 Absatz 5 BGB spricht für und nicht gegen eine Anwendbarkeit der Vorschrift im Arbeitsrecht. § 12a Absatz 1 Satz 1 ArbGG steht weder in unmittelbarer noch in analoger Anwendung einer Anwendbarkeit des § 288 Absatz 5 BGB im Arbeitsrecht entgegen.

2.2.3.1

Entgegen der Rechtsauffassung des BAG in den bisherigen Entscheidungen schließt § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG nicht in unmittelbarer Anwendung als speziellere Regelung die Verzugspauschale nach § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB für arbeitsrechtliche Entgeltforderungen aus.

Der 8. Senat des BAG führt zur Begründung aus (BAG 25.09.2018, a.a.O., Rn 36 – 39):

„§ 12a Absatz 1 Satz 1 ArbGG schließt als spezielle arbeitsrechtliche Regelung einen Kostenerstattungsanspruch für bis zum Schluss einer eventuellen ersten Instanz entstandene Beitreibungskosten und insoweit auch einen Anspruch auf Pauschalen nach § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB aus.

a) Zwei Rechtsnormen, die als einfachgesetzliche Regelungen im gleichen Rangverhältnis zueinander stehen, beanspruchen zwar grundsätzlich gleichermaßen Geltung und können grundsätzlich nebeneinander anwendbar sein. Eine Verdrängung der einen Rechtsnorm durch eine andere besondere Rechtsnorm kann aber vorliegen, wenn ein Fall von Spezialität gegeben ist, also die verdrängende Rechtsnorm sämtliche Merkmale der allgemeinen Norm enthält und dieser noch ein besonderes Merkmal zur Bildung ihres Tatbestands hinzufügt, oder wenn zwar ein auf Spezialität in diesem Sinne beruhendes Rangverhältnis der Rechtsnormen nicht festzustellen ist, das Zurücktreten einer Norm jedoch aus einem ausdrücklichen oder stillschweigenden Gesetzesbefehl zu folgern ist (vgl. BVerwG 25. Juni 2015 – 5 C 15.14 – Rn. 14 mwN, BVerwGE 152, 264). Letzteres ist der Fall.

b) Der Gesetzgeber hat mit § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG, der nicht nur den prozessualen Kostenerstattungsanspruch, sondern darüber hinaus auch einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch – unabhängig von seiner Anspruchsgrundlage – ausschließt, die abschließende Grundentscheidung getroffen, das Kostenrisiko in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten dadurch überschaubar zu halten, dass jede Partei von vornherein weiß, dass sie an bis zum Schluss einer eventuellen ersten Instanz angefallenen Beitreibungskosten stets und maximal nur das zu tragen hat, was sie selbst aufwendet. Diese gesetzgeberische Grundentscheidung gilt es zu respektieren. Sie darf grundsätzlich nicht durch Zubilligung materiell-rechtlicher Kostenerstattungspflichten unterlaufen werden (vgl. etwa GMP/Germelmann/Künzl 9. Aufl. § 12a Rn. 8 mwN). Ausnahmen sind nur dort geboten, wo Sinn und Zweck von § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG einen Ausschluss der Kostenerstattung nicht rechtfertigen (vgl. GMP/Germelmann/Künzl aaO).

c) Im Hinblick auf den in § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB geregelten Anspruch auf eine Pauschale ist eine Ausnahme von dem durch § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG bewirkten Ausschluss materiell-rechtlicher Kostenerstattungsansprüche indes nicht veranlasst.“

Die vom BAG in den bisherigen Entscheidungen angenommene Spezialität von § 12a ArbGG gegenüber § 288 Absatz 5 BGB überzeugt dogmatisch nicht.

Die Norm des § 12a ArbGG enthält nicht sämtliche Merkmale der Norm des § 288 Absatz 5 BGB und fügt dieser nicht noch ein besonderes Merkmal zur Bildung ihres Tatbestands hinzu. Das Zurücktreten des § 288 Absatz 5 BGB ist auch nicht aus einem ausdrücklichen Gesetzesbefehl zu folgern. Dies sieht auch das BAG so.

Weshalb aus einem stillschweigenden Gesetzesbefehl vorliegend zu folgern sein soll, dass die neue, umfassende Norm des § 288 Absatz 5 BGB hinter die Norm des § 12a ArbGG zurückzutreten habe, wie dies das BAG in den genannten Entscheidungen annimmt, ist nicht nachvollziehbar.

Dies kann insbesondere nicht aus dem Zweck des § 12a Absatz 1 Satz 1 ArbGG abgeleitet werden. Hintergrund dieser Regelung ist es, insbesondere zugunsten des rechtsuchenden Arbeitnehmers als dem sozial Schwächeren das Kostenrisiko zu begrenzen und kalkulierbar zu machen (BeckOK ArbR/Poeche, 52. Ed. 1.6.2018, ArbGG § 12a; BVerfG, Beschluss vom 20.07.1971, Az. 1 BvR 231/69, AP ArbGG 1953 § 61 Kosten Nr. 12; ArbG Köln, Urteil vom 14.02.2019, a. a. O.). Dass der Kostenerstattungsausschluss nach § 12a ArbGG auch zugunsten des Arbeitgebers gilt, beruht allein auf dem Prinzip der Waffengleichheit der Parteien im arbeitsgerichtlichen Verfahren (ArbG Köln, Urteil vom 14.02.2019, a. a. O., m. w. N.; ArbG Bremen-Bremerhaven, Urteil vom 20.11.2018, Az. 6 Ca 6390/17, juris, Rn. 41f). Die Waffengleichheit ist durch die Verzugskostenpauschale nicht gefährdet. Zum einen handelt es sich um einen verhältnismäßig geringfügigen Betrag. Zum anderen ist die pauschale Forderung der Höhe nach – absolut – begrenzt (ArbG Bremen-Bremerhaven, Urteil vom 20.11.2018, a. a. O.). Auch hat der Gesetzgeber bewusst entschieden, dass die Verzugskostenpauschale nur in eine Richtung geltend gemacht werden kann (ArbG Bremen-Bremerhaven, Urteil vom 20.11.2018, a. a. O.). Des Weiteren verfängt das Argument des Arbeitnehmerschutzes bei § 288 Absatz 5 BGB gerade nicht. Da kraft Gesetzes die Durchsetzung einer Verzugspauschale ausgeschlossen ist, wenn der Schuldner Verbraucher ist, ist der Arbeitnehmer gerade nicht der Gefahr ausgesetzt, wenn er sich einer Forderung seines Arbeitgebers ausgesetzt sieht, auch eine Verzugspauschale an diesen zahlen zu müssen. Es ist keine Fallgestaltung denkbar, in der sich aufgrund § 288 Absatz 5 BGB das Prozessrisiko für den Arbeitnehmer erhöht (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.10.2016, 3 Sa 34/16; Daum/Eckerth, RdA 2018, S 216 ff., S. 217; ArbG Köln, Urteil vom 14.02.2019, a. a. O.). Auch ist der im Zahlungsverzug befindliche Arbeitgeber nicht schutzbedürftiger als andere säumige Schuldner (Korff, Entscheidungsbesprechung zu BAG 8 AZR 26/18 vom 25.09.2018, EWiR 2019, S. 57 f.; ArbG Köln, Urteil vom 14.02.2019, a. a. O.). Im Gegenteil ist – so führt das ArbG Köln im genannten Urteil zutreffend aus – im Arbeitsrecht die typisierende Betrachtung vorzunehmen, dass regelmäßig der Arbeitnehmer von seiner Arbeitsvergütung seinen Lebensunterhalt bestreitet und ihn daher ein Zahlungsverzug des Arbeitgebers regelmäßig nicht unerheblich in seiner persönlichen Lebensführung einschränkt. Weshalb vor diesem Hintergrund der Arbeitgeber nicht einmal durch die Verzugspauschale zu einer pünktlichen und vollständigen Zahlung angehalten können werden soll, erschließt sich nicht. Der Schutzzweck des §12a ArbGG würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn aufgrund §12a ArbGG Entgeltansprüche von Arbeitnehmern weniger geschützt sein sollen als die aller anderen Gläubiger im deutschen Privatrecht (ArbG Köln, Urteil vom 14.02.2019, a. a. O., m. w. N.).

Des Weiteren ist es nicht Zweck des §12a ArbGG, sämtliche Kostenerstattungsansprüche auszuschließen (so ausdrücklich BAG, Beschluss vom 17.08.2015, Az. 10 AZB 27/15, juris, Rn. 14), sondern nur die dort ausdrücklich genannten: die Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten und die Entschädigung für Zeitversäumnis. So kann die obsiegende Partei insbesondere auch Fahrtkosten, Übernachtungskosten, Porto- und Fotokopierkosten erstattet verlangen. Dies räumt auch das BAG im Urteil vom 12.12.2018, Az. 5 AZR 588/17, Rn. 48, ein.

Die Verzugskostenpauschale nach § 288 Absatz 5 BGB setzt hingegen nicht voraus, dass Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder eine zu entschädigende Zeitversäumnis entstanden sind. Sie ist vielmehr vollkommen unabhängig davon zu zahlen, ob dem Gläubiger überhaupt ein Schaden entstanden ist (vgl. Bremen-Bremerhaven, Urteil vom 20.11.2018, a. a. O., Rn. 34).

Dass, wie die Anrechnungsregelung in § 288 Absatz 5 Satz 3 BGB zeigt („soweit“; vgl. LAG Hamm, Urteil vom 29.11.2017, Az. 6 Sa 629/17, juris, Rn. 42), von der Verzugskostenpauschale auch Rechtsverfolgungskosten teilweise mit abgedeckt sein können, kann nicht zu einem vollständigen Ausschluss der Verzugskostenpauschale im Arbeitsrecht nach § 12a ArbGG führen. Zum einen zielt § 288 Absatz 5 BGB ausweislich der Anrechnungsregelung nicht nur auf Rechtsverfolgungskosten ab. Zum anderen werden über § 288 Absatz 5 BGB nicht nur die nach § 12a ArbGG ausgeschlossenen Rechtsverfolgungskosten abgegolten, sondern auch solche Rechtsverfolgungskosten, wie beispielsweise Reisekosten, die gerade nicht nach § 12a ArbGG ausgeschlossen sind (ArbG Bremen-Bremerhaven, Urteil vom 20.11.2018, a. a. O., Rn. 38). Im Urteil des ArbG Bremen-Bremerhaven vom 20.11.2018 heißt es hierzu weiter zutreffend: „Mit § 12a ArbGG könnte man also in keinem Fall den Ausschluss der kompletten Verzugskostenpauschale rechtfertigen. Ein quotaler Ausschluss ist nicht praktikabel. Es gibt auch keine statistischen Erkenntnisse über das Verhältnis der beiden Kostenarten. Man kann noch nicht einmal sagen, dass die von § 12a ArbGG erfassten Kosten der Rechtsverfolgung die nicht erfassten Kosten stets überwiegen. Jedenfalls bleibt immer auch ein Anteil letzter Kosten erhalten, den man abschneiden würde, wäre die Verzugskostenpauschale im Arbeitsrecht nicht anwendbar (insbes. hypothetische Parteikosten). Verstärkt wird dieses Argument noch dadurch, dass der Erwägungsgrund 19 zur Zahlungsverzugsrichtlinie die Pauschale im Hinblick auf die internen Beitreibungskosten (Verwaltungskosten und interne Kosten) vorsieht. […] Die Pauschale zielt damit gerade nicht auf die Rechtsanwaltskosten ab.“

Wenn das BAG im Wege einer generalisierenden Betrachtung davon ausgeht, dass § 288 Absatz 5 BGB – ausgehend vom Betrag von 40 Euro – nicht in erster Linie Porto- und Reisekosten zum Anwalt vor Ort, sondern Rechtsberaterkosten und eigenen Zeitaufwand und somit gerade die nach § 12a ArbGG nicht ersatzfähigen Kosten erfasse (BAG, Urteil vom 12.12.2018, Az. 5 AZR 588/17, juris, Rn. 49), vermag die Kammer dieser Annahme ohne weitere Begründung nicht zu folgen. Mit einem Betrag von 40 Euro lassen sich Rechtsberatungskosten auch nicht annähernd abdecken. Zu berücksichtigen ist insoweit ferner wiederum der Erwägungsgrund 19 zur Zahlungsverzugsrichtlinie, der die Verzugskostenpauschale auch im Hinblick auf die internen Beitreibungskosten (Verwaltungskosten und interne Kosten) und somit gerade nicht im Hinblick auf Rechtsanwaltskosten vorsieht.

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass auch die allgemeinen Regelungen zum Zahlungsverzug in § 286 BGB nach der klaren Definition des Gesetzgebers (BT-Drs. 18/1309, Seite 11) „Beitreibungskosten“ darstellen. Während für die allgemein durch den Zahlungsverzug des Schuldners hervorgerufenen Beitreibungskosten die schon zuvor bestehenden gesetzlichen Regelungen hinreichenden Schutz zugunsten des Schuldners boten, stellt die europarechtlich vorgesehene 40-Euro-Pauschale nunmehr ein neues Rechtsinstitut dar, welches die bisherigen Regelungen zum Verzugsrecht ergänzt (BT-Drs. 18/1309, a.a.O.). Weshalb dann § 288 Absatz 5 BGB – anders als die bisherigen gesetzlichen Regelungen zum Schuldnerverzug, insbesondere der Anspruch auf Verzugszinsen nach § 288 Absatz 1 BGB – für Arbeitnehmer nicht gelten sollte, ist in keinster Weise ersichtlich (ArbG Köln, Urteil vom 14.02.2018, a. a. O.; LAG Köln, Urteil vom 22.11.2016, Az. 12 Sa 524/16, juris, Rn 88 – 91).

Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass zwischen gleichrangigen Normen im Falle einer Kollision der Grundsatz gilt, dass die spätere Norm die frühere Norm verdrängt („lex posterior derogat legi priori“). Auch dies spricht vorliegend für die Verdrängung des § 12a ArbGG durch § 288 Absatz 5 BGB und nicht umgekehrt (ArbG Bremen-Bremerhaven, Urteil vom 20.11.2018, a.a.O., Rn 45; ArbG Köln, Urteil vom 14.02.2019, a. a. O.). Dass dieser Grundsatz vorliegend nicht gelten soll, weil sich aus den Normzwecken der beiden Regelungen etwas anderes ergebe (so BAG, Urteil vom 12.12.2018, Az. 5 AZR 588/17, juris, Rn. 50), überzeugt nicht. Wie dargelegt ergibt sich aus den Normzwecken der beiden Regelungen gerade nichts anderes. Insbesondere kann entgegen der Ansicht des BAG aus dem Umstand, dass das Gesetzgebungsverfahren und die Gesetzesbegründung keine Auseinandersetzung mit den Auswirkungen des § 288 Absatz 5 BGB auf das Arbeitsrecht erkennen lassen, nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber habe die Rechtsfolgen des – seinem Wortlaut nach nur prozessuale Kostenerstattungansprüche erfassenden, von der Rechtsprechung auf materiell-rechtliche Kostenerstattungsansprüche analog angewandten – § 12a Absatz 1 Satz 1 ArbGG nicht ändern wollen. Soweit es in der Gesetzesbegründung heißt, die Pauschale umfasse u.a. die Kosten, die durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder eines Inkassounternehmens entstehen, was der geltenden Rechtslage in Deutschland zum Ersatz von Rechtsverfolgungskosten entspreche (BT-Drs. 18/1309 S. 19), trifft diese Aussage in dieser Pauschalität ersichtlich nicht zu. Sie trifft für das allgemeine Zivilrecht, nicht jedoch für das Arbeitsrecht zu. Aus der pauschalen Aussage des Gesetzgebers und dem damit verbundenen Schweigen zu den arbeitsrechtlichen Besonderheiten kann aber nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit darauf geschlossen werden, dass § 288 Absatz 5 BGB nach dem Willen des Gesetzgebers auf das Arbeitsrecht keine Anwendung finden sollte.

Eine ältere Norm kann auch keinen „stillschweigenden Gesetzesbefehl“ haben, eine spätere Norm – die es zum Zeitpunkt der Schaffung der älteren Norm noch gar nicht gab – außer Kraft zu setzen. Denn da es die spätere Norm bei Schaffung der älteren Norm noch nicht gab, konnte sich denklogisch die ältere Norm noch nicht mit ihrem Konkurrenzverhältnis zu der noch vollkommen unbekannten späteren Norm auseinandersetzen (ArbG Köln, Urteil vom 14.02.2019, a. a. O.).

Letztlich ist festzuhalten, dass eine gesetzliche Regelung im Zweifelsfall so anzuwenden ist, wie sie im Gesetz steht. Die Annahme einer Nichtanwendbarkeit des § 288 Absatz 5 BGB im Arbeitsrecht hätte einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung bedurft (ArbG Köln, Urteil vom 14.02.2019, a. a. O.). Ein Gericht kann eine bundesgesetzliche Norm nicht einfach unangewendet lassen. Das Verwerfungsmonopol für die Nichtanwendung bundesgesetzlicher Regelungen liegt ausschließlich beim Bundesverfassungsgericht, Artikel 100 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz.

2.2.3.2

Nachdem § 12a ArbGG die Regelung des § 288 Absatz 5 BGB nicht in direkter Anwendung verdrängen kann, ist die Anwendbarkeit des § 288 Absatz 5 BGB auch nicht aufgrund analoger Anwendung des § 12a Absatz 1 Satz 1 ArbGG ausgeschlossen.

Es fehlt bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat bei § 288 Absatz 5 BGB keine eine Analogie zulassende interpretationsbedürftige Regelungslücke offen gelassen (statt vieler z. B. LAG Köln, Urteil vom 22.11.2016, 12 Sa 524/16, a.a.O., Rn 77; LAG Hamm, Urteil vom 19.04.2018, 17 Sa 1484/17, juris, Rn 122; Jesgarzewski, BB 2018, S. 2876).

Darüber hinaus kommt eine Analogie zu § 12a ArbGG auch methodisch nicht in Betracht. Zum einen ist § 12a ArbGG als Ausnahmevorschrift nach allgemeiner Dogmatik gerade nicht analogiefähig (ArbG Bremen-Bremerhaven, Urteil vom 20.11.2018, a.a.O., Rn 46). Darüber hinaus ist § 12a ArbGG eine prozessuale Regelung, die schon aufgrund ihrer Einordnung ins Prozessrecht nicht analogiefähig für den Ausschluss eines gesetzlichen Anspruchs aus dem materiellen Zivilrecht erscheint.

Der Ausschluss nicht nur des prozessualen, sondern auch des materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs ergibt sich auch nicht aus dem Wortlaut des Gesetzes, sondern erst auf einer von der Rechtsprechung vorgenommenen Analogie zu § 12a ArbGG. Eine Analogie ist nicht nochmals analogiefähig. Der vermeintliche Ausschluss des § 288 Absatz 5 BGB im Arbeitsrecht aufgrund einer Analogie zu einer Analogie zu einer Ausnahmevorschrift  ist methodisch unzulässig und überschreitet die Grenzen der zulässigen richterlichen Rechtsfortbildung (ArbG Köln, Urteil vom 14.02.2019, a. a. O.).

2.2.4

Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen eindeutig gegen eine Unanwendbarkeit des § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB im Arbeitsrecht.

Mit dem Urteil des ArbG Köln vom 14.02.2019 gilt Folgendes:

„Der Zweck der gesetzlichen Neuregelung der Verzugspauschale liegt insbesondere darin, den Gläubiger von einer potentiellen „Überschreitung der Zahlungsfristen abzuschrecken“ (so ausdrücklich Erwägungsgrund 19 der Richtlinie 2011/7/EU vom 16.02.2011; LAG Köln, Urteil vom 22.11.2016, 12 Sa 524/16, Daum/Eckerth, RdA 2018, S. 216 ff., S. 217; Lembke, NZA NZA 2016. S. 1501 ff., S. 1504).

Ein Anlass, den Druck auf potentiell säumige Schuldner zu erhöhen, ihren Zahlungsverpflichtungen pünktlich und vollständig nachzukommen, besteht gerade auch bei Arbeitsentgeltansprüchen. Die „(Un-)Kultur des Zahlungsverzugs“, welche die gesetzliche Neuregelung im „Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr“ nunmehr „bekämpfen“ möchte, besteht gerade auch im Arbeitsrecht (LAG Köln 22.11.2016, a. a. O., Rn 92). Gerade hier besteht aufgrund häufiger unpünktlicher bzw. unvollständiger Zahlung ein entsprechender Bedarf.

Insbesondere ergibt sich gerade auch ein logisches Zusammenspiel zwischen § 288 Abs. 5 Satz 1 und Satz 3 BGB im Arbeitsrecht.“

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Absatz 2 ArbGG i. V. m. § 91 Absatz 1 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits als unterlegene Partei zu tragen.

III.

Der gemäß § 61 Absatz 1 ArbGG im Urteil festzusetzende Streitwert war nach § 3 ZPO mit dem Betrag der Klageforderung in Ansatz zu bringen.

IV.

Die Berufung war gemäß § 64 Absatz 3 Nr. 1 ArbGG angesichts der abweichenden BAG-Entscheidungen wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage der Anwendbarkeit des § 288 Absatz 5 BGB im Arbeitsrecht zuzulassen.

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