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Widerspruch der Weiterarbeit nach § 15 Abs. 5 TzBfG

Arbeitsrecht: Widerspruch und Weiterarbeit nach Ablauf der Befristung

Die zentrale Rechtsfrage, die in dem folgenden Urteil behandelt wird, dreht sich um die Bedingungen und Konsequenzen der Weiterarbeit eines Arbeitnehmers nach Ablauf eines befristeten Arbeitsvertrags gemäß § 15 Abs. 5 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG). Dabei steht insbesondere die Rechtsnatur des Widerspruchs des Arbeitgebers gegen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Fokus.

Das Kernthema umfasst somit die rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen ein befristetes Arbeitsverhältnis in ein unbefristetes übergehen kann und wie eine Kündigung in diesem Kontext zu bewerten ist. Die Problemstellung beleuchtet die Spannung zwischen der Flexibilität im Arbeitsrecht und der Rechtssicherheit für beide Vertragsparteien.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 8 Ca 1428/20   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Gericht entschied, dass trotz der Weiterarbeit des Klägers nach Ablauf des befristeten Vertrags kein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden ist, da der Arbeitgeber rechtzeitig und unmissverständlich widersprochen hatte.

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Der Kläger erreichte das Renteneintrittsalter und sein Arbeitsvertrag sollte automatisch enden, wurde jedoch bis zum 30. Juni 2020 verlängert.
  2. Es wurde eine weitere Befristung bis zum 31. August 2020 in Erwägung gezogen, aber nicht formalisiert.
  3. Der Kläger argumentierte, dass durch seine Weiterarbeit ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden sei, da der Arbeitgeber nicht unverzüglich widersprochen habe.
  4. Der Arbeitgeber hatte ein Angebot für einen weiteren befristeten Vertrag gemacht, welches als Widerspruch gegen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gesehen wurde.
  5. Das Gericht musste entscheiden, ob die Fortsetzung der Arbeit als stillschweigende Zustimmung zur Entfristung des Arbeitsverhältnisses interpretiert werden konnte.
  6. Das Gericht entschied, dass kein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden ist und stützte seine Entscheidung auf die Rechtsnatur des Widerspruchs nach § 15 Abs. 5 TzBfG.
  7. Das Angebot eines befristeten Vertrags zeigte den fehlenden Willen zur Eingehung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses.
  8. Das Urteil betont die Bedeutung klarer Kommunikation und rechtzeitiger Widersprüche von Arbeitgeberseite, um Missverständnisse zu vermeiden.

Spannung im Arbeitsrecht: Ein Fall von Befristung und Weiterarbeit

In dem vorliegenden Fall geht es um eine rechtliche Auseinandersetzung zwischen einem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber bezüglich der Fortsetzung eines befristeten Arbeitsverhältnisses. Der Kläger, ein Arbeitnehmer, erreichte das gesetzliche Renteneintrittsalter und sein Arbeitsvertrag sollte automatisch enden. Die Parteien vereinbarten jedoch, dass der Kläger über das Renteneintrittsalter hinaus weiterbeschäftigt wird und verschoben das Befristungsende auf den 30. Juni 2020. Später einigten sich die Parteien auf eine Änderung der arbeitsvertraglichen Leistungen, wobei der Kläger ein Brutto-Jahresentgelt von 80.000 € erhalten sollte. Es wurde auch eine weitere Befristung bis zum 31. August 2020 in Erwägung gezogen.

Die rechtliche Herausforderung: § 15 Abs. 5 TzBfG im Fokus

Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall liegt in der Interpretation des § 15 Abs. 5 des Teilzeit– und Befristungsgesetzes (TzBfG), der besagt, dass ein Arbeitsverhältnis, das nach Ablauf der Befristung mit Wissen des Arbeitgebers fortgesetzt wird, als auf unbestimmte Zeit verlängert gilt, wenn der Arbeitgeber nicht unverzüglich widerspricht. Der Kläger argumentierte, dass durch sein Weiterarbeiten nach dem 30. Juni 2020 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden sei, da der Arbeitgeber nicht unverzüglich widersprochen habe.

Gerichtliche Entscheidung: Kein unbefristetes Arbeitsverhältnis

Das Gericht musste entscheiden, ob die Fortsetzung der Arbeit und die Kommunikation zwischen den Parteien als stillschweigende Zustimmung zur Entfristung des Arbeitsverhältnisses interpretiert werden konnte. Die Beklagte argumentierte, dass ein Angebot für einen weiteren befristeten Vertrag als rechtzeitiger Widerspruch gegen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gesehen werden sollte. Das Gericht entschied, dass kein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden ist. Es stützte seine Entscheidung auf die Rechtsnatur des Widerspruchs nach § 15 Abs. 5 TzBfG und argumentierte, dass der Widerspruch eine dauerhafte Wirkung entfaltet, die auch durch die Weiterarbeit des Klägers nicht wieder entfallen konnte. Das Gericht berücksichtigte auch die E-Mail-Korrespondenz zwischen den Parteien und stellte fest, dass das Angebot eines befristeten Vertrags den fehlenden Willen zur Eingehung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zeigte.

Fazit und Auswirkungen des Urteils

Die Auswirkungen dieses Urteils liegen in der Klarstellung der Anforderungen an den Widerspruch gegen die Fortsetzung eines befristeten Arbeitsverhältnisses. Es betont die Bedeutung klarer Kommunikation und rechtzeitiger Widersprüche von Arbeitgeberseite, um Missverständnisse bezüglich der Fortsetzung von Arbeitsverhältnissen zu vermeiden. Das Fazit des Urteils ist, dass die Fortsetzung der Arbeit nach Ablauf eines befristeten Vertrags nicht automatisch zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis führt, wenn der Arbeitgeber rechtzeitig und unmissverständlich widerspricht. Das Gericht betonte die Notwendigkeit der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit im Arbeitsrecht und wies die Klage des Arbeitnehmers ab.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was besagt § 15 Abs. 5 TzBfG bezüglich der Fortsetzung befristeter Arbeitsverhältnisse?

Gemäß § 15 Abs. 5 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) gilt ein befristetes Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit verlängert, wenn es nach Ablauf der Befristung mit Wissen des Arbeitgebers fortgesetzt wird und dieser nicht unverzüglich widerspricht. Diese Regelung betrifft die stillschweigende Verlängerung von Arbeitsverhältnissen unabhängig vom Willen der Parteien. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durch die Vertragsparteien stellt einen Tatbestand schlüssigen Verhaltens kraft gesetzlicher Fiktion dar, durch den ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen des vorangegangenen befristeten Arbeitsvertrags zustande kommt.


Das vorliegende Urteil

ArbG Halle (Saale) – Az.: 8 Ca 1428/20 – Urteil vom 07.12.2020

Leitsatz:

Widerspricht der Arbeitgeber nach § 15 Abs. 5 TzBfG, entfaltet der Widerspruch eine dauerhafte Wirkung, die auch durch die anschließende Weiterarbeit des Arbeitnehmers mit dem Wissen des Arbeitgebers nicht entfällt.


1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Der Gegenstandswert wird auf 26.666,65 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Befristung sowie um die Wirksamkeit zweier Kündigungen.

Nachdem der Kläger bereits seit dem 01.01.2006 für deren Rechtsvorgängerin gearbeitet hatte (Anl. K1 = Bl. 7 f. d. A.), begann qua Vertrag vom 01.08.2013 (Anl. K2 = Bl. 9 ff. d. A.) sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten. Mit Vertrag vom 15.07.2018 (Anl. K3 = Bl. 15 f. d. A.) einigten sich die Parteien auf eine Befristung des Arbeitsverhältnisses anlässlich der Regelaltersgrenze nach § 41 S. 3 SGB VI. Hierin hielt man u. a. fest: „Der [Kläger] erreicht am … das gesetzliche Renteneintrittsalter. Sein Arbeitsvertrag endet daher automatisch. Die Parteien vereinbaren, dass der [Kläger] über das Renteneintrittsalter weiterbeschäftigt wird und schieben das Befristungsende hiermit auf den 30. Juni 2020 hinaus.“.

Mit Vertrag vom 31.07.2018 einigten sich die Parteien auf eine Änderung der klägerseits zu erbringenden arbeitsvertraglichen Leistungen dahingehend, dass er ab sofort für ein Brutto-Jahresentgelt in Höhe von 80.000,- € u. a. zuständig ist für „das erfolgreiche HR-seitige Startup des Projektes Schaeffler in Halle“. Hinsichtlich des weiteren Vertragsinhalts wird auf die Anl. K4 (= Bl. 17 f. d. A.) verwiesen. Bei der Schaeffler-Gruppe handelt es sich um einen Zulieferer der Automobil- und Maschinenbauindustrie, der während dieses Zeitraums im Begriff war, ein Montage- und Verpackungszentrum in Halle zu errichten und hierbei durch die … als Gesamtunternehmen, dem die Beklagte angehört, unterstützt werden sollte. Auf Bl. 59 d. A. wird verwiesen. Zunächst war angedacht, auf die Leistungen des Klägers zurückzugreifen.

In einer an die ihm vorgesetzte Mitarbeiterin der … (Mutterunternehmen der Beklagten, Frau … (i. F.: Frau …), gerichteten E-Mail vom 27.08.2019 (Anl. B2 = Bl. 75 d. A.) führte dieser u. a. aus: „Let’s enjoy the final year.“; mit E-Mail vom 22.06. 2020 (Anl. B3 = Bl. 76 d. A.) kündigte er einem Mitarbeiter der Beklagten an: „Sie werden dann am 16.07.2020 meinen Nachfolger Herrn … kennen lernen [sic].“.

Mit E-Mail vom 19.06.2020 unterbreitete ein Schwesterunternehmen der Beklagten, die …, dem Kläger durch Frau … ein Vertragsangebot, das neben sämtlichen essentalia negotii u. a. den folgenden Passus enthielt: „Der Mitarbeiter ist befristet bis 30.06.2020 bei der D. beschäftigt. Die Parteien vereinbaren für den Anschluss daran ein befristetes Beschäftigungsverhältnis miteinander; beginnend am 1.7.2020 und kalendermäßig befristet bis zum 31.8.2020.“. Vertragspartner sollte also nunmehr die…sein. Im Übrigen wird auf die Anl. B8/B9 (= Bl. 82 ff. d. A.) verwiesen.

Mit E-Mail vom 23.06.2020 (Anl. B10 = Bl. 85 d. A.) schrieb Frau …: „Hi, Please find attached your new contract of employment July 1st to August 31st. Let me know, if you have questions. [Anbei befindet sich dein neuer Arbeitsvertrag vom 01.07.2020 bis zum 31.08.2020. Lassen Sie es mich wissen, falls Sie Fragen haben.]“ und mit weiterer E-Mail tags darauf (Anl. B11 = Bl. 86 d. A.) fragte sie:„Any feedback ? I would need additional time fort he translation if you want to change something in the contract. [Irgendwelches Feedback? Sollten Sie etwas am Vertrag ändern wollen, bräuchte ich mehr Zeit für die Übersetzung.]“.Mit E-Mail vom 06.07.2020 antwortete der Kläger sinngemäß, er habe den Vertrag gelesen. Sein Anwalt habe ein allgemeines Problem. Der Vertrag werde zu 100 % von Ebendiesem bearbeitet. Überdies brachte er die Notwendigkeit einer vertraglichen Basis für seine fortgesetzte Tätigkeit zum Ausdruck. Hierzu und hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Anl. B12 (= Bl. 87 d. A.) verwiesen.

Mit E-Mail vom 07.07.2020 (Anl. B13 = Bl. 89 d. A.) erkundigte sich Frau … wegen der bislang unterbliebenen Unterschrift und führte weiter u. a. aus: „I absolutely need an answer ASAP. You are working since 1st of July without any employment contract and we have to solve the issue very quickly. [Ich brauche unbedingt so schnell wie möglich eine Antwort. Seit dem 01.07. arbeiten Sie ohne irgendeinen Arbeitsvertrag und wir müssen das Problem sehr schnell lösen.]“.

Am 15.07.2020 meldete sich der Klägerkrank. Nachmehrerenerfolglosen Versuchen der Kontaktaufnahme mit dessen Prozessbevollmächtigten (Anl. B14/B15 = Bl. 90 f. d. A.) führte die Beklagte in einem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 21.07.2020 (Anl. K5 = Bl. 18 d. A.), diesem zugegangen am 25.07.2020, aus: „Sehr geehrter Herr A., wir nehmen Bezug auf die mit Ihnen in den letzten Tagen geführte Korrespondenz sowie die Korrespondenz mit Ihrem Anwalt. Hiermit weisen wir Sie darauf hin, dass ein etwaiges Arbeitsverhältnis mit der D. jedenfalls mit Ablauf des 30. Juni 2020 aufgrund vereinbarter Befristung geendet hat. Rein vorsorglich kündigen und beenden wir hiermit ein etwaig noch bestehendes (faktisches) Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Wir haben bereits sämtliche Ihrer Zugänge zu den IT-Systemen unseres Unternehmens und verbundener Unternehmen gesperrt. Wir fordern Sie hiermit unverzüglich auf, unverzüglich sämtliche Arbeitsmittel, IT-Equipment, Schlüssel, Unterlagen usw. an uns herauszugeben. Bitte nehmen Sie dazu unverzüglich Kontakt zu Frau … (…) auf.“. Mit Schreiben vom 08.03.2020 (Anl. K6 = Bl. 19 d. A.), dem Kläger zugegangen am 08.05.2020, erklärte die Beklagte abermals die Kündigung.

Der Kläger trägt vor, die fehlende Bereitschaft der Beklagten zur unbefristeten Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihm nicht bewusst gewesen. Konkrete Angaben zum zeitlichen Verlauf einer weiteren Beschäftigung seien nicht getätigt worden.

Der Kläger meint, durch sein mit Wissen der Beklagten erfolgtes Weiterarbeiten nach der nicht formgerechten Annahme des Befristungsangebotes im Anschluss an den 30.06.2020 sei gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden. Der Widerspruch der Beklagten vom 21.07.2020 sei nicht unverzüglich erfolgt.

Der Kläger beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Befristung zum Ablauf des 30.06.2020 beendet ist, sondern als unbefristetes Arbeitsverhältnis über den 30.06.2020 hinaus fortbesteht; festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 21.07.2020, zugegangen am 25.07.2020, sowie die außerordentliche Kündigung vom 03.08.2020, zugegangen am 05.08.2020, nicht aufgelöst worden ist; festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 21.07.2020, zugegangen am 25.07. 2020, sowie die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 03.08. 2020, zugegangen am 05.08.2020, nicht aufgelöst worden ist; festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 25.07.2020 hinaus fortbesteht.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, der Kläger habe die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses bei ihr zum 30.06.2020 bereits im März 2020 einkalkuliert und davon gesprochen, dass er im Jahr 2020 seinen Ruhestand antreten werde. Weiter behauptet sie, eine zweimonatige Verlängerung der Befristung sei zwischenzeitlich angedacht gewesen. Dies sei ihm gegenüber auch deutlich gemacht worden.

Die Beklagte meint, in dem vermittels der E-Mail 19.06.2020 abgegebenen Angebot auf den Abschluss eines weiteren befristeten Arbeitsvertrags sei ein rechtzeitiger Widerspruch gegen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vor dem Ablauf seiner Befristung zu erblicken gewesen. Hilfsweise argumentiert sie, ihr im Schreiben vom 21.07.2020 erklärter Widerspruch gegen die Befristung sei noch rechtzeitig im Sinne des § 15 Abs. 5 TzBfG erfolgt. Darüber hinaus verstoße die Berufung des Klägers auf ein unbefristetes Arbeitverhältnis gegen Treu und Glauben. Er habe das Vertrauen der im deutschen Arbeitsrecht weniger versierten Beklagten bewusst ausgenutzt. Im Übrigen sei der Kläger aufgrund der Art der Befristung und seiner finanziellen Absicherung weniger schutzbedürftig als er es im Falle einer Befristung nach § 14 TzBfG gewesen wäre.

Bezüglich der Einzelheiten des Parteivorbringens in sachlicher und tatsächlicher Hinsicht wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis endete mit Ablauf des 30.06.2020, sodass der Klageantrag zu 1) als unbegründet abzuweisen war.

Trotz der widerspruchslosen Weiterbeschäftigung des Klägers über diesen Tag hinaus gilt das Arbeitsverhältnis nicht als auf unbestimmte Zeit verlängert.

Ob des Klägers Herleitung gegen Treu und Glauben verstößt, was ungeachtet der übrigen Umstände schon aufgrund seiner Weiterarbeit ohne Unterzeichnung des ihm vorgelegten Befristungsangebots (s. u.) zumindest nicht völlig fernliegend erscheint (vgl. Bruns, AP Nr. 136 zu § 14 TzBfG), kann dahingestellt bleiben.

a) Gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG gilt ein Arbeitsverhältnis, das nach Ablauf der Zeit, für die es eingegangen ist, mit Wissen des Arbeitgebers fortgesetzt wird, als auf unbestimmte Zeit verlängert, wenn der Arbeitgeber nicht unverzüglich widerspricht. Die Regelung beruht auf der Erwägung, die Fortsetzung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer mit Wissen des Arbeitgebers sei im Regelfall der Ausdruck eines stillschweigenden Willens der Parteien zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses (BAG, Urt. v. 03.09.2003 – 7 AZR 106/03, Rn. 17 m. w. N.; Urt. v. 11.07.2007 – 7 AZR 501/06, Rn. 23 m. w. N., jew. juris).

b) Der Widerspruch ist eine rechtsgeschäftliche empfangsbedürftige Willenserklärung, die ausdrücklich oder konkludent bereits vor dem Ende der Vertragslaufzeit eines befristeten Arbeitsverhältnisses erklärt werden kann und die an keine Form gebunden ist (BAG, Urt. v. 22.07.2014 – 9 AZR 1066/12, Rn. 25 m. w. N.; Urt. v. 07.10.2015 – 7 AZR 40/14, Rn. 24 m. w. N., jew. juris). Auch ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber organisa- torische Maßnahmen ergreift, um den befristeten Arbeitnehmer an einer Weiterarbeit zu hindern (Bayreuther in BeckOK ArbR, 57. Ed., § 15 TzBfG, Rn. 25 m. w. N.).

In einem vor Ablauf der Befristung abgegebenen Angebot auf Abschluss eines neuen befristeten Vertrags kann ein Widerspruch nach § 15 Abs.5TzBfG liegen, sofern dieses unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass fürderhin keine Fortsetzung der Beschäftigung in Form eines unbefristetes Arbeitsverhältnisses gewünscht ist (BAG, Urt. v. 05.05. 2004 – 7 AZR 629/03, Rn. 38, juris). Nimmt der Arbeitnehmer einen solcherart offerierten Antrag nicht an, begründet sein weiteres Tätigwerden ein fehlerhaftes respektive faktisches Arbeitsverhältnis (Preis in ErfK, 19. Aufl., § 611a BGB, Rn. 145), von dem sich der Arbeitgeber auch nach mehrmonatiger Fortsetzung der Arbeit jederzeit einseitig lösen kann (Arnold in Arnold/Gräfl, TzBfG, 4. Aufl., § 15, Rn. 81 m. Verw. auf BAG, Urt. v. 07.10.2015 – 7 AZR 40/14, Rn. 20, juris).

c) Hiernach ist, ohne dass es darauf ankommt, ob mit dem Schreiben vom 21.07.2020 noch unverzüglich im Sinne der Norm widersprochen wurde, durch die Fortsetzung der Tätigkeit des Klägers über den 30.06.2020 hinaus zwischen den Parteien kein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden.

Darauf, ob der Kläger vorab seinen Ausstand im Jahr 2020 einkalkuliert und von seinem Ruhestandsantritt gesprochen hatte kommt es nach alledem ebenso wenig an wie darauf, ob und inwieweit Kollegen und sonstige Dritte hiervon ausgegangen waren. Folglich waren die hierzu angebotenen Beweise analog § 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 StPO nicht zu erheben.

aa) Frau … übersandte dem Kläger am 19.06.2020 via E-Mail ein mit sämtlichen essentialia negotii versehenes Angebot zum Abschluss einesvom01.07.2020biszum31.08.2020 befristeten Arbeitsvertrags. Damit widersprach sie im Namen der Beklagten der unbefristeten Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses noch vor dem Ende der mit Vertrag vom 15.07.2018 vereinbarten Laufzeit und verhinderte so den Eintritt der gesetzlichen Fiktion des § 15 Abs. 5 TzBfG.

bb) Bereits die in der Offerte enthaltene Befristungsspanne zeugt vom fehlendem Willen der Beklagten zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in unbefristeter Form. Mitunter wird bereits der Hinweis auf den unmittelbar bevorstehenden Ablauf einer Befristung als hinreichend klarer Widerspruch gewertet (Müller-Glöge in ErfK, § 15 TzBfG, Rn. 32). Einen derartigen Hinweis erkennt das Gericht in der angebotenen Befristung, deren Beginn am 01.07.2020 zeitlich unmittelbar an das Ende der mit Vertrag vom 15.07.2018 vereinbarten Befristung anknüpfen sollte. Zusätzlich ist im Rahmen der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB die in den Anl.B7bisB13dokumentierte E-Mail-Korrespondenz zu berücksichtigen, aus der sich der fehlende Wille zur Eingehung eines unbefristeten Arbeitsverhältnis ebenfalls ergibt.

cc) Aus der Dauer der Weiterbeschäftigung und der Tatsache, dass sie in Kenntnis der Beklagten erfolgte, durfte der Kläger ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht folgern, dass diese von ihrem Widerspruch Abstand nimmt (vgl. BAG, Urt. v. 07.10.2015 – 7 AZR 40/14, Rn. 25, juris). Derlei Umstände, die auf eine Aufgabe des Widerspruchs und den Willen der Beklagten schließen lassen könnten, den Kläger trotz der fehlenden Unterzeichnung des befristeten Arbeitsvertrags und damit dauerhaft weiterzubeschäftigen, sind weder dargetan noch ersichtlich.

dd) Des Klägers Einwand, sein Weiterarbeiten nach der Nichtannahme des Angebots mit Wissen der Beklagten habe ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet, vermag – obschon er von Teilen der Rechtsprechung und der Literatur geteilt wird (Müller-Glöge a. a. O., Rn. 32 m. Verw. auf ArbG A-Stadt-Bremerhaven, Urt. v. 10.10. 2012 – 8 Ca 8079/ 12, Rn. 19, juris) – nicht zu verfangen. Das Gericht geht davon aus, dass der Widerspruch der Beklagten eine dauerhafte Wirkung entfaltete und perpetuierte, die auch durch die Weiterarbeit des Klägers nicht wieder entfallen konnte.

aaa) Es rekurriert dabei u. a. auf die Rechtsnatur des Widerspruchs nach § 15 Abs. 5 TzBfG, welche vergleichbar ist mit den Rechtsnaturen der Kündigung, des Rücktritts, der Aufrechnung, der Anfechtung oder des Widerrufs – jener einseitigen Rechtsgeschäfte also, deren dauerhafte und unaufhebbare Gestaltungswirkung unstreitig ist. Durch die Anerkennung der Möglichkeit eines späteren Wegfalls seiner Wirkungen einzig aufgrund des Wissens des Arbeitgebers um eine Weiterarbeit verkäme der Widerspruch gleichsam zu einer Willenserklärung „zweiter Klasse“ mit potentiell beschränkter Wirkdauer, die das BGB inner- wie außerhalb des Bereichs einseitiger Willenserklärungen generell nicht kennt. Ohnehin gebietet der das Recht der Arbeitsvertragsverhältnisse maßgeblich prägende Grundsatz der Privatautonomie keine allzu enge Auslegung tatbestandlicher Schranken (Baumgarten in BB 2014, 2165, 2167). Dies gilt vor allem dann, wenn sich für besagte Auslegung kein Anhaltspunkt im Normwortlaut findet.

bbb) So würde eine solche Gesetzesanwendung mit dem auch im Arbeitsrecht geltenden Gebot der Gesetzesbestimmtheit ebenso kollidieren wie mit der ratio legis, Rechtsklarheit und Rechtssicherheit über den Bestand des befristeten Arbeitsverhältnisses zu schaffen (vgl. Backhaus in Ascheid/Preis/Schmidt, KündR, 4. Aufl., § 15 TzBfG, Rn. 55). Abgesehen davon bildet § 15 TzBfG kein reines Arbeitnehmerschutzgesetz (Müller-Glöge a. a. O., Rn. 1.). Schließlich führte eine solche Restriktion auch zu einem überproportionalen Schutz des befristeten Arbeitnehmers, der vom Gesetzeszweck des TzBfG, den auch die Sicherstellung einer flexiblen Arbeitsorganisation zugunsten des Arbeitgebers bildet (BT-Drs. 14/4374, 12), gerade nicht mehr umfasst wäre (Baumgarten a. a. O., 2168 f.).

2. Aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30.06.2020 waren auch die übrigen Klageanträge als unbegründet abzuweisen.

II.

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.

2. Für die in Gemäßheit des § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil erfolgende Streitwertfestsetzung legt das Gericht ohne Rundung nach zwei Kommastellen einen monatlichen Bruttoverdienst des Klägers in Höhe von 6.666,66 € (80.000,- €:12) zugrunde, sodass der Gegenstandswert für den Entfristungsantrag sich auf drei Bruttomonatsgehälter respektive 19.999,98 € beläuft. Die Monate Juli und August 2020 betreffend überschneidet sich das diesem Antrag zugrunde liegende wirtschaftliche Interesse des Klägers mit jenem wirtschaftlichen Interesse, dem die beiden Feststellungsanträge die Kündigung vom 21.07.2020 betreffend Rechnung tragen, weshalb diese ebenso wie die beiden Feststellungsanträge die Kündigung vom 03.08.2020 betreffend, denen lediglich für den November 2020 ein eigenständiges wirtschaftliches Interesse zugrunde liegt, den Gegenstandswert um ein weiteres Bruttomonatsgehalt erhöhen. Der allgemeine Feststellungsantrag wirkt sich nicht streitwerterhöhend aus.

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