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Wirksamkeit einer mündlichen Eigenkündigung

Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 11 Sa 1049/20 – Urteil vom 28.04.2021

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 07.10.2020 – 3 Ca 1601/20 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger war seit dem 10.01.2020 bei der Beklagten als LKW-Fahrer beschäftigt. Die Parteien vereinbarten u.a. eine sechsmonatige Probezeit mit einer Kündigungsfrist von 14 Tagen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird auf Bl. 2 f. d. A. verwiesen.

Der Kläger erklärte am 25.02.2020, dass er aufhöre zu arbeiten. Er stellte den Lastkraftwagen ab, packte seine Sachen und gab die Arbeitsunterlagen im Büro ab. Einen von der Beklagten unterzeichneten Aufhebungsvertrag vom 25.02.2020 (Bl. 36 ff. d. A.), wonach das Arbeitsverhältnis auf Wunsch des Arbeitnehmers mit Wirkung zum 28.02.2020 aufgehoben werden sollte, hat der Kläger nicht unterschrieben. Die Beklagte hat den Kläger mit Wirkung zum 01.03.2020 bei der Krankenkasse abgemeldet. Der Kläger war ab dem 26.02.2020 bis mindestens 17.05.2020 arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte kündigte unter dem 06.05.2020 das Arbeitsverhältnis schriftlich sowohl zum 20.05.2020 als auch fristlos.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 07.10.2020 (Bl. 44 ff. d. A.) festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Kündigung vom 06.05.2020 nicht fristlos, sondern fristgerecht mit dem 20.05.2020 beendet worden ist. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein wichtiger Kündigungsgrund sei nicht dargetan. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vom 06.05.2020 habe das Arbeitsverhältnis noch bestanden, denn mangels Schriftform sei weder eine mündliche Kündigung des Klägers vom 25.02.2020 noch der Aufhebungsvertrag vom selbigen Tag wirksam. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbingens sowie der Antragstellung erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Gegen das ihr am 12.10.2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11.11.2020 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Die Beklagte meint, das Arbeitsverhältnis sei bereits zum 01.03.2020 beendet worden. Sie ist der Ansicht, der Kläger könne sich nach dem Grundsatz „venire contra factum proprium“ nicht auf die fehlende Schriftform des Aufhebungsvertrages berufen. Er habe selbst bekundet, das Arbeitsverhältnis beenden zu wollen und geäußert, er werde den Aufhebungsvertrag unterschreiben, wenn er seinen Restlohn erhalte. Die Beklagte habe dies akzeptiert. Der Kläger sei jedoch vor Erhalt des Restlohns verschwunden. Auf Versuche der Kontaktaufnahme habe er nicht mehr reagiert. Der von der Beklagten unterschriebene Aufhebungsvertrag sei als Kündigungserklärung auszulegen, denn die Beklagte habe damit ihren unbedingten Lösungswillen dokumentiert.

Die Beklagte beantragt, unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 07.10.2020, Geschäftszeichen 3 Ca 160/20, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht bis zum 20.05.2020 fortbestand, sondern bereits zum 01.03.2020 beendet wurde.

Der Kläger beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Er könne sich auf die mangelnde Schriftform berufen, denn dies führe zu keinem untragbaren Ergebnis für die Beklagte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 01.12.2020 und 14.01.2021, die Sitzungsniederschrift vom 28.04.2021 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64 Abs. 2 c) ArbGG statthaft und wurde ordnungsgemäß innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.

II. Die Berufung ist unbegründet. Die Berufungsbegründung rechtfertigt keine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

1. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass das Arbeitsverhältnis weder durch eine mündliche Eigenkündigung des Klägers am 25.02.2020 noch durch einen Aufhebungsvertrag aufgelöst worden ist, denn nach § 623 BGB i. V. m. § 126 BGB bedarf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Dies soll insbesondere Rechtssicherheit für die Vertragsparteien und eine Beweiserleichterung im Rechtsstreit bewirken (BAG, Urt. v. 17.12.2015 – 6 AZR 709/14 – m. w. N.).

2. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist es dem Kläger nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf die mangelnde Schriftform zu berufen.

a) Ein Berufen auf einen Formmangel kann nur ausnahmsweise das Gebot von Treu und Glauben verletzen. Die Formvorschrift des § 623 BGB darf im Hinblick auf ihren Sinn und Zweck nicht ausgehöhlt werden. Ein Formmangel kann deshalb nach § 242 BGB nur ganz ausnahmsweise als unbeachtlich qualifiziert werden. Das Ergebnis muss für einen Vertragsteil schlechthin untragbar. Hierfür reicht die Erfüllung der Voraussetzungen der Verwirkung nicht aus. Es müssen vielmehr Umstände hinzukommen, die das Verhalten des Berechtigten in hohem Maße als widersprüchlich erscheinen lassen (BAG, Urt. v. 17.12.2015 – 6 AZR 709/14 – m. w. N.).

b) Solche Umstände hat die Beklagte trotz Hinweis des Arbeitsgerichts auch im Berufungsverfahren nicht ansatzweise vorgetragen. Es ist nicht erkennbar, welche Tatsachen neben dem enttäuschten Vertrauen die Untragbarkeit des Ergebnisses des formellen Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses begründen sollen. Die Beklagte hat z.B. nicht dargetan, dass sie im Vertrauen auf die Beendigung schwerwiegend belastende Dispositionen getroffen hat. Ferner wurden weder eigene Kündigung noch Aufhebungsvertrag vom Kläger als wirksam behandelt. Er hat nicht etwa aus dem nichtigen Vertrag über längere Zeit Vorteile gezogen und versucht auch nicht nunmehr unter Berufung auf den Formmangel sich eigenen Verpflichtungen zu entziehen (vgl. hierzu: BGH, Urt. v. 16.07.2004 – V ZR 222/03 – m. w. N.).

3. Der Beklagten kann auch nicht darin gefolgt werden, dass der von ihr unterzeichnete Aufhebungsvertrag nach § 133 BGB als eigene Kündigungserklärung auszulegen sei.

a) Die Kündigung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die das Arbeitsverhältnis nach dem Willen des Kündigenden sofort oder nach Ablauf der Kündigungsfrist unmittelbar beendet werden soll. Voraussetzung für eine Kündigung ist nicht, dass der Begriff der Kündigung selbst gebraucht wird. Entscheidend ist, dass der Kündigende eindeutig seinen Willen kundgibt, das Arbeitsverhältnis einseitig lösen zu wollen (BAG, Urt. v. 17.12.2015 – 6 AZR 709/14 – m. w. N.). Eine hinreichend bestimmte Kündigungserklärung liegt nicht vor, wenn zwar der Wille des Erklärenden erkennbar ist, das Arbeitsverhältnis beenden zu wollen, jedoch die Deutungsmöglichkeit verbleibt, dass diese Wirkung nicht durch eine Kündigung, sondern durch einen anderen Beendigungstatbestand eintreten kann (vgl. z.B.: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 6. Auflage 2021, D. Rn. 19 m. w. N.).

b) Selbst wenn man im Streitfall zugunsten der Beklagten annimmt, dass der Aufhebungsvertrag trotz seiner klaren wörtlichen Titulierung einer Auslegung zugänglich wäre, so ist die Annahme einer hinreichend bestimmten Kündigungserklärung der Beklagten fernliegend. Der Aufhebungsvertrag beinhaltet bereits in § 1 keinen ursächlichen Beendigungswillen der Beklagten, sondern das Arbeitsverhältnis soll „auf Wunsch des Klägers“ mit Wirkung zum 28.02.2020 vorzeitig aufgehoben werden. Zudem ist die Beendigung eingebettet in einer Reihe weiterer Regelungen zur Abwicklung des Arbeitsverhältnisses (z.B. Inhalt Arbeitszeugnis, Rückgabe von Firmeneigentum, Ausgleichsklausel usw.) die vertragstypisch beide Parteien verpflichten und nicht Ausdruck eines einseitigen Lösungswillens sind.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.

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