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Corona-Pandemie – fristlose Kündigung bei Weigerung Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen

Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven – Az.: 3 Ca 3052/21 – Urteil vom 04.11.2021

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EUR 8.168,40 festgesetzt.

4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten sowie einen korrespondierenden Weiterbeschäftigungsanspruch. Darüber hinaus streiten die Parteien über die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte.

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 1. Januar 1998 als Bibliotheksangestellte zu einem Arbeitsentgelt von zuletzt 1.633,88 € brutto pro Monat beschäftigt und ist behindert mit einem GdB von 30.

Die Beklagte betreibt als die X-Bibliothek in Bremen, in der die Klägerin arbeitet. Die Beklagte beschäftigt in der Regel mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Ausbildung Beschäftigten.

Die Klägerin arbeitet in der Signaturenstelle der X-Bibliothek. Ihre Aufgabe besteht darin, Bücher mit Signaturetiketten und Bruchsicherungen auszustatten. Auf diese Art und Weise werden von der Klägerin täglich mehrere Meter Bücher bearbeitet. Die Ausübung dieser Tätigkeit setzt dabei stationär in der Bibliothek vorhandene technische Ausstattung – unter anderem Transportwagen für die Bücher sowie einen großen Drucker, der die Signaturetiketten bedruckt – voraus. Es handelt sich bei der Tätigkeit nicht um einen Büroarbeitsplatz.

Am 7. Juli 2020 erstellte die Beklagte nach den Empfehlungen einer Fachkraft für Arbeitssicherheit eine Mustergefährdungsbeurteilung vor dem Hintergrund der SARS-CoV-2-Pandemie. Auf dieser Grundlage erstellte die Beklagte im September 2020 sodann das 1. Hygienekonzept, das sie im weiteren Verlauf überarbeitete.

Corona-Pandemie - fristlose Kündigung bei Weigerung Mund-Nasen-Bedeckung  zu tragen
(Symbolfoto: EugeneEdge/Shutterstock.com)

Unter dem 13. Oktober 2020 erteilte ein der Klägerin ein als ärztliches Attest überschriebenes Dokument mit dem folgenden Text:

„Frau Y. ist von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung BEFREIT! Grund: Einschränkung der vitalen Atemfunktion.“

Bereits seit Anfang Februar 2021 standen die Parteien in Auseinandersetzung, ob die Klägerin verpflichtet sei, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Mit Mail vom 10. Februar 2021 wandte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin an die Beklagte und vertrat hierbei die Auffassung, dass aufgrund der Bescheinigung vom 13. Oktober 2020 der Befreiungstatbestand aus § 3 Abs. 3 Ziff. 3 der „Corona VO Bremen“ greife, so dass die Klägerin von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit sei. Die Klägerin sei bereits aufgrund des Tragens einer Mund-Nasen-Bedeckung ohnmächtig geworden.

Unter dem 12. Februar 2021 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Ermahnung wegen einer Dienstpflichtverletzung unter Hinweis auf die Entscheidung des OVG Münster vom 24. September 2020 – 13 B 1368/20 –. Hierbei vertrat die Beklagte die Auffassung, sie könne verlangen, dass ein begründetes Attest vorgelegt werde, das die Beklagte selbst die Lage versetze, eine Prüfung der Befreiung von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung vorzunehmen.

Am 18. Februar 2021 informierte die Beklagte alle Beschäftigten, einschließlich der Klägerin, darüber, dass auf den gemeinschaftlich mit anderen Mitarbeitern genutzten Flächen nunmehr eine medizinische Maske getragen werden müsse. Diese Weisung gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern basiert auf dem Hygienekonzept der Beklagten mit Stand 18. Februar 2021.

Am 1. März 2021 betrat die Klägerin den Flurbereich der Ebene 0 der Bibliothek, ohne eine medizinische Maske zu tragen.

Unter dem Ausstellungsdatum 3. März 2021 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Abmahnung wegen des Vorfalls vom 1. März 2021, wobei sie hierbei wiederum die Auffassung vertrat, die Klägerin müsse ein „qualifiziertes Attest“ vorlegen, um eine Befreiung von der Maskenpflicht zu erhalten. Darüber hinaus formulierte die Beklagte in der Abmahnung wie folgt:

„Trotz der weiterhin bestehenden Verpflichtung, eine medizinische Maske zu tragen, wurden Sie am 01.03.2021 in der Mittagszeit beim Betreten des Flurbereiches auf der Ebene 0 erneut ohne Maske angetroffen.

Damit haben sie ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt. Aufgrund des vorliegenden Verstoßes sehe ich mich veranlasst, Sie abzumahnen und fordere Sie auf, ab sofort eine medizinische Maske auf allen gemeinschaftlich genutzten Verkehrsflächen der X zu tragen.

Sollten Sie sich zukünftig erneut pflichtwidrig verhalten, werden weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen geprüft (Kündigung des Arbeitsverhältnisses).“

Nachdem die Klägerin am 3. Mai 2021 erneut ohne eine medizinische Maske oder sonst eine Mund-Nasen-Bedeckung auf dem gemeinschaftlich mit anderen Beschäftigten genutzten Flur auf Ebene 0 angetroffen wurde, erteilte die Beklagte der Klägerin unter dem 04. Mai 2021 erneute eine als „2. und letzte Abmahnung“ überschriebene Abmahnung.

Auch in dieser Abmahnung nahm die Beklagte Bezug auf die von ihr angenommene Verpflichtung zur Vorlage eines „qualifizierten Attests“ und formulierte im Weiteren:

„Trotz der weiterhin bestehenden o.g. Verpflichtung, eine medizinische Gesichtsmaske zu tragen, wurden Sie am 03.05.2021 gegen 08:00 Uhr morgens auf dem Flur auf Ebene 0 erneut ohne Maske angetroffen.

Damit haben Sie Ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ein weiteres Mal verletzt. Aufgrund des vorliegenden Verstoßes sehe ich mich veranlasst, Sie ein letztes Mal abzumahnen. Gleichzeitig fordere ich Sie erneut auf, ab sofort eine medizinische Gesichtsmaske auf allen gemeinschaftlich genutzten Verkehrsflächen (insbes. Treppenhäuser, Flure, Gänge und Sanitärräume) der X zu tragen.

Sollten Sie dieser Forderung nicht Folge leisten, müssen Sie mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung rechnen.“

Am 17. Mai 2021 betrat die Klägerin gegen 8:00 Uhr die Bibliothek der Beklagten erneut ohne eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Sie nutzte – ohne medizinische Maske – gegen 8:00 Uhr morgens den gemeinschaftlich genutzten Flur auf Ebene 0 und den Aufzug zur Ebene 1 und betrat daraufhin den gemeinschaftlich genutzten Flur auf Ebene 1 sowie den Büroflur der Personalstelle.

Mit Schreiben vom 20. Mai 2021 informierte die Beklagte sowohl der Personalrat als auch die Frauenbeauftragte hinsichtlich der beabsichtigten außerordentlichen fristlosen sowie hilfsweise ordentlich fristgemäßen Kündigung unter Schilderung des Vorfalls vom 17. Mai 2021 und Bezugnahme auf die erteilten Abmahnungen sowie unter Angabe der Sozial- und Beschäftigungsdaten. Zur Wahrung der außerordentlichen Kündigungsfrist erklärte sie, die Stellungnahmefrist werde gem. § 58 Abs. 1 Satz 3, 65 Abs. 1 lit. c) BremPersVG bzw. § 13 LGG verkürzt. Wegen des Wortlauts der Personalratsanhörung wird auf die betreffende Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 23. Juli 2021 im verbundenen Verfahren, Bl. 43 d. verbundenen Akte, verwiesen.

Am 29. Mai 2021 ging der Klägerin das Kündigungsschreiben der Beklagten vom 28. Mai 2021 zu, mit dem diese die außerordentliche und fristlose, hilfsweise ordentliche und fristgemäße Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zum 31. Dezember 2021 erklärte.

Mit Klageschrift vom 21. März 2021 hat die Klägerin zunächst Klage auf Entfernung der Abmahnung vom 03. März 2021 aus der Personalakte erhoben.

Mit weiterer Klageschrift vom 02. Juni 2021, Zugang beim Arbeitsgericht am selben Tag, hat die Klägerin sodann Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung der Beklagten vom 28. Mai 2021 erhoben. Trotz Abvermerks auf der Verfügung zur Güteladung vom 07. Juni 2021 im Kündigungsschutzverfahren (vgl. Bl. 12 der verbundenen Akte) ist der Akte nicht zu entnehmen, dass die Kündigungsschutz-Klageschrift der Beklagten zunächst tatsächlich zugestellt worden ist. Ein Empfangsbekenntnis der Beklagten liegt nicht vor. Auch fehlt eine automatisierte Eingangsbestätigung des Empfangsservers der Beklagten.

Mit Schreiben vom 07. Juli 2021 hat die Beklagte sodann erklärt, dass ihr die Klageschrift im Kündigungsschutzverfahren nicht vorliege. Die Klageschrift ist der Beklagten daraufhin auf elektronischem Wege übermittelt worden und der Beklagten noch am selben Tag zugegangen, wie sich aus dem Abvermerk der Geschäftsstelle (vgl. Bl. 19 der verbundenen Akte) und der automatisierten Eingangsbestätigung des Empfangsservers der Beklagten ergibt.

Mit Beschluss vom 23. August 2021 hat das Gericht nach Anhörung der Parteien die Verbindung der beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung angeordnet.

Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe keine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt. Eine Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske bzw. Mund-Nasen-Bedeckung habe nicht bestanden. Aus diesem Grunde sei die Beklagte weder zum Ausspruch der Kündigung noch der Abmahnung berechtigt gewesen. Die Klägerin sei von der betreffenden Pflicht aufgrund des Attests vom 13. Oktober 2020 befreit. Die Klägerin ist der Auffassung, dass dieses Attest genüge. Die Beklagte sei nicht berechtigt, ein Attest zu verlangen, aus dem sich ergebe, welche konkreten gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf Grund der Verpflichtung zum Tragen einer Maske zu befürchten seien und woraus diese im Einzelnen resultierten. Die Klägerin führt zu dieser Rechtsmeinung ausführlich und detailliert aus und meint, die Beklagte sei mangels Fachwissen ohnehin nicht in der Lage, den Inhalt des geforderten „qualifizierten“ Attests zu beurteilen. Sie ist der Auffassung, in Bremen fehle es schon an einer Nachweispflicht im Rahmen der bestehenden Verordnung. Jedenfalls enthalte das vorgelegte Attest vom 13. Oktober 2020 eine hinreichende Diagnose, da eine Bezugnahme auf den ICD-10-Code R06 vorliege, der Symptome, die das Kreislaufsystem und das Atmungssystem betreffen, erfasse, wie etwa Hypoventilation, Hyperventilation oder Dyspnoe. Das Attest sei auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Es sei unwahrscheinlich, dass ein approbierter Arzt ein unwahres Attest ausstelle.

Die Kündigung sei auch deshalb unwirksam, weil die Beklagte das ultima-ratio-Prinzip nicht beachtet habe; die Klägerin meint insoweit, die Beklagte habe vor Ausspruch einer Kündigung prüfen müssen, ob der Klägerin nicht ein Home-Office-Arbeitsplatz zugewiesen werden könne.

Die Klägerin behauptet, sie sei schwerbehinderten Menschen gleichgestellt und beruft sich auf den Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen. Die Behauptung der Gleichstellung hat die Klägerin dabei zum ersten Mal in der Kammerverhandlung vom 04. November 2021 erhoben. Sie bestreitet, dass die Beklagte das Verfahren vor dem Integrationsamt zur Kündigung durchgeführt habe. Schließlich bestreitet die Klägerin die ordnungsgemäße Durchführung der Personalratsanhörung.

Die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der BK vom 28.05.2021 nicht beendet worden ist,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die hilfsweise ausgesprochene fristgemäße Kündigung der BK vom 28.05.2021 zum 31.12.2021 beendet worden ist,

3. die BK zu verurteilen, den KL bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits zu unveränderten Bedingungen als Bibliotheksangestellte weiter zu beschäftigen,

4. die Beklagte zu verpflichten, die Abmahnung gegenüber der Klägerin vom 03.03.2021 aus der Personalakte zu entfernen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Klägerin sei zum Tragen einer medizinischen Maske verpflichtet gewesen. Diese Verpflichtung folge bereits aus der betreffenden Weisung der Beklagten, die gem. § 618 BGB und § 3 Abs. 1 S. 1 ArbSchG dazu verpflichtet gewesen sei, ihre Beschäftigten zum Tragen einer Maske anzuhalten. Dieselbe Verpflichtung der Klägerin folge auch aus § 3 Abs. 1 Ziff. 3 der „Bremischen Coronaverordnung“. Sie ist der Auffassung, dass die Klägerin gehalten sei, das Eingreifen der Befreiung von der Verpflichtung zum Tragen einer medizinischen Maske durch Vorlage eines entsprechenden Attests nachzuweisen. Hierfür genüge aber kein einfaches Attest, sondern es bedürfe eines „qualifizierten Attests“. Dieses müsse erkennen lassen, welche konkreten gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf Grund der Verpflichtung zum Tragen einer Maske zu befürchten seien und woraus diese im Einzelnen resultierten. Die Beklagte führt zur Begründung dieser Rechtsmeinung ausführlich und detailliert aus. Das vorgelegte Attest genüge inhaltlich diesen Anforderungen nicht. Auch sei der Beweiswert des Attests erschüttert. Es handele sich um ein Gefälligkeitsattest. Die Beklagte behauptet hierzu, der attestierende Arzt praktiziere nicht mehr und sei im Ärzteverzeichnis der Landesärztekammer nicht mehr als zugelassener Arzt verzeichnet. Er sei in der Vergangenheit als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin tätig gewesen und nunmehr als bekennender Impfgegner in der Öffentlichkeit bekannt. Die Beklagte bestreitet, dass die Klägerin zu ihm nach Z gefahren sei um sich dort untersuchen und ein Attest ausstellen zu lassen.

Die Kündigung sei wegen der beharrlichen Weigerung der Klägerin, eine medizinische Maske zu tragen, gerechtfertigt. Eine Versetzung ins Home-Office habe als milderes Mittel nicht zur Verfügung gestanden, da die Arbeit der Klägerin mangels technischer Ausstattung im Home-Office nicht verrichtet werden könne.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze und die Verhandlungsprotokolle verwiesen.

Entscheidungsgründe

A

Die zulässige Klage ist unbegründet. Sie war daher abzuweisen. Die Kündigung der Beklagten vom 28. Mai 2021 ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos beendet. Ein Weiterbeschäftigungsanspruch bis zur rechtskräftigen Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens besteht nicht. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entfernung der ihr erteilten Abmahnung vom 3. März 2021 aus der Personalakte.

I.

Die Kündigung der Beklagten vom 28. Mai 2021 ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich und fristlos beendet.

1.

Die Kündigung ist nicht bereits aufgrund §§ 4, 7 KSchG als von Anfang an wirksam zu behandeln. Nach diesen Vorschriften gilt eine schriftlich erteilte Kündigung als wirksam, wenn diese nicht binnen einer Frist von drei Wochen ab Zugang mit der Kündigungsschutzklage angegriffen worden ist.

Die Klägerin hat innerhalb der Drei-Wochen-Frist nach Zugang der schriftlichen Kündigung Kündigungsschutzklage hiergegen erhoben. Die Kündigung ist der Klägerin am 29. Mai 2021 zugegangen. Die Kündigungsschutzklage ist beim Arbeitsgericht binnen kürzester Frist am 02. Juni 2021 eingegangen.

Die Kündigungsschutzklage ist der Beklagten jedenfalls „demnächst“ im Sinne von § 167 ZPO zugegangen.

Jedenfalls der zweite Übermittlungsversuch vom 07. Juli 2021 durch das Gericht war erfolgreich. Zwar liegt ein Zustellnachweis in Form eines Empfangsbekenntnisses der Beklagten nicht vor. Die Zustellung zu diesem Datum ist aber gem. § 189 ZPO zu unterstellen, da die Klageschrift der Beklagten an diesem Datum tatsächlich zugegangen ist. Die automatisierte Eingangsbestätigung des Empfangsservers der Beklagten nach elektronischem Versand weist einen Zugang auf dem Eingangsserver der Beklagten am 07. Juli 2021 um 14 Uhr 15 aus. Die Beklagte hat sich zur Klage auch eingelassen, so dass auch aus diesem Grunde von einem Zugang am 07. Juli 2021 auszugehen ist.

Der Umstand, dass es bereits zuvor einen nicht erfolgreichen Zustellversuch gab, ist der Klägerin nicht zuzurechnen. Eine Ursache in der Sphäre der Klägerin ist ausgeschlossen. Die Zustellung war aufgrund eines nicht näher nachvollziehbaren Umstands, der in der verwaltungsmäßigen oder technischen Abwicklung des Zustellversuchs gelegen haben muss, nicht erfolgreich. Trotz Abvermerks der Geschäftsstellenmitarbeiterin auf der Verfügung zur Güteladung vom 07. Juni 2021 (Bl. 12 d.A.), ist aus der Akte nicht zu ersehen, dass die Klageschrift das Gericht verlassen hat oder der Beklagten zugegangen ist. Namentlich liegt eine automatisierte Eingangsbestätigung des Empfangsservers der Beklagten nicht vor.

2.

Die Klägerin kann sich nicht auf den Sonderkündigungsschutz aus §§ 168, 174 SGB IX berufen. Es bedurfte keiner weiteren Aufklärung mehr, ob die Klägerin schwerbehinderten Menschen gleichgestellt ist.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Klägerin nur einen GdB von 30 dargelegt hat. Dass sie schwerbehinderten Menschen gleichgestellt ist, hat sie lediglich behauptet, aber keineswegs dargelegt. Wann sie einen Antrag gestellt haben will, wann ein Bescheid über die Gleichstellung ergangen sein soll, schildert sie nicht. Hierauf kommt es aber nicht an, denn die Klägerin hat ihr Recht, sich auf den Sonderkündigungsschutz gem. § 168 SGB IX zu berufen, verwirkt.

Ein Arbeitnehmer muss, wenn er sich den Sonderkündigungsschutz aus § 168 SGB IX erhalten will, nach Zugang der Kündigung innerhalb einer angemessenen Frist, die regelmäßig drei Wochen beträgt, gegenüber dem Arbeitgeber seine bereits festgestellte oder zur Feststellung beantragte Schwerbehinderteneigenschaft geltend machen. Unterlässt der Arbeitnehmer diese Mitteilung, ist die Kündigung jedenfalls nicht bereits wegen der fehlenden Zustimmung des Integrationsamts unwirksam. Der Arbeitnehmer hat dann den besonderen Kündigungsschutz als Schwerbehinderter verwirkt (BAG, Urteil vom 12. Januar 2006 – 2 AZR 539/05 –, Rn. 16, 24, zit. n. juris).

Jedenfalls hat die Klägerin einen etwaig bestehenden Sonderkündigungsschutz nach § 168 SGB IX nach Maßgabe der vorstehenden Erwägungen verwirkt. Sie hat ihre angebliche Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen erstmals im Kammertermin am 04. November 2021 behauptet und somit deutlich nach Ablauf der drei Wochen seit Zugang der Kündigung vom 28. Mai 2021.

3.

Gegen die Wirksamkeit der Personalratsanhörung bestehen keine Bedenken. Die Beklagte hat eine wirksame Anhörung des Personalrats schlüssig dargelegt. Sie hat den Inhalt der Personalratsanhörung durch Vorlage des betreffenden Schreibens dargetan. Inhaltliche Bedenken sind nicht zu ersehen. Namentlich sind die Sozial- und Beschäftigungsdaten sowie der Kündigungssachverhalt, auf den sich die Beklagte beruft, im Einzelnen geschildert. Gegen die Fristverkürzung für die Anhörung bestehen angesichts der hierzu bestehenden Befugnis aus § 58 Abs. 1 Satz 3 BremPersVG keine Bedenken. Die Klägerin hat keinerlei Vortrag zur Wirksamkeit der Personalratsanhörung mehr erbracht.

4.

Ein wichtiger Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, § 626 Abs. 1 BGB ist gegeben.

a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. In diesem Rahmen ist zunächst zu prüfen, ob Tatsachen vorliegen, die ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls an sich und damit typischerweise geeignet sind, einen wichtigen Grund darzustellen. Auf einer zweiten Stufe bedarf es sodann der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Vertragsinteressen jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht. Auf dieser zweiten Prüfungsstufe ist eine Abwägung vorzunehmen, ob das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand überwiegt. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen einer Vertragspflichtverletzung, die auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers beruht, bedarf deshalb regelmäßig der Abmahnung, die ihrerseits der Objektivierung einer negativen Prognose dient. Ist nämlich der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er gleichwohl seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass es auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen wird. Eine Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes deshalb nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach einer Abmahnung nicht zu erwarten ist oder es sich aber um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – und auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 10.6.2010 – 2 AZR 541 / 09 – Rn. 36f, zitiert nach juris).

b) In Anwendung der vorbezeichneten Grundsätze liegt ein wichtiger Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor.

aa) Die beharrliche Weigerung, entgegen gesetzlicher Anordnung bzw. berechtigter arbeitgeberseitiger Weisung eine Mund-Nasen-Bedeckung zum Schutz anderer Menschen vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 zu tragen, ist typischerweise geeignet, auch die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Hält ein Arbeitnehmer trotz Abmahnungen Vorschriften, die dem Schutz anderer Arbeitnehmer dienen nicht ein, kann dies abhängig vom Gefahrenpotential auch die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen (vgl. zu Arbeitsschutz- und Sicherheitsvorschriften allgemein etwa LAG Rheinland-Pfalz, Urt. V. 14.04.2005 – 11 Sa 810/04 –, Rn 79, LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 14.08.2007 – 5 Sa 150/07 –. Rn 47, beide zit. n. juris)

bb) Auch im vorliegenden Fall rechtfertigt der Verstoß der Klägerin gegen ihre Verpflichtung, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Die Klägerin hat in beharrlicher Art und Weise gegen ihre Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis, während der Arbeitszeit auf den gemeinschaftlich genutzten Flächen im Betrieb der Beklagten eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, in beharrlicher Art und Weise verletzt.

(1) Grundsätzlich bestand eine Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung.

Diese folgt für den 17. Mai 2021 zunächst aus der Weisung der Beklagten, eine medizinische Maske zu tragen gem. § 15 Abs. 1 ArbSchG. Die Beklagte ist mit der Erstellung des Hygienekonzeptes und der darin enthaltenen Weisung, auf gemeinschaftlich genutzten Flächen eine medizinische Maske zu tragen, ihrer Verpflichtung aus §§ 3 Abs. 1, 4 ArbSchG, § 3 Corona-ArbSchV a.F. nachgekommen. In inhaltlicher Hinsicht war die Weisung zum Tragen einer medizinischen Maske auf den gemeinschaftlich genutzten Verkehrsflächen nicht zu beanstanden. Dies folgt einerseits aus der zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Pandemie-Situation. Darüber hinaus hat die Beklagte hiermit die aus § 3 Abs. 1 Ziff. 3, Abs. 2 23. BremCOVVO und deren gleichlautenden Nachfolgeregelungen für Arbeitnehmer grundsätzlich bestehende Verpflichtung, eine medizinische Maske in den betreffenden Räumlichkeiten in Arbeits- und Betriebsstätten zu tragen, umgesetzt.

Für den Zeitpunkt des Kündigungssachverhalts bestand eine grundsätzliche Pflicht zum Tragen medizinischer Masken aufgrund der (gleichlautenden) Regelung aus § 3 Abs. 1 Ziff. 3, Abs. 2 25. BremCOVVO. Nach dieser Vorschrift bestand – wie auch bei den gleichlautenden Regelungen der 23. BremCOVVO und der 24. BremCOVVO – eine Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in Arbeit- und Betriebsstätten sowie innerhalb von Gebäuden von Einrichtungen des öffentlichen Dienstes und Behörden beim Betreten von Verkehrsflächen, wie etwa Eingangsbereich, Treppenhäuser, Flure und Aufzüge sowie beim Aufenthalt in Sanitärbereich und in Warteräumen. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 25. BremCOVVO erfüllten Personen ab 16 Jahre diese Pflicht durch Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske, also einer OP-Maske, einer Maske der Standards „KN95/N95“, „FFP2“ oder eines gleichwertigen Schutzniveaus.

(2) Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin von der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit war.

Gemäß § 3 Abs. 3 Ziff. 3 25.BremCOVVO galt die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht für solche Personen, denen die Verwendung einer Mund-Nasen-Bedeckung u.a. aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Das von der Klägerin vorgelegte Attest ist nicht geeignet, die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung zu beweisen oder auch nur darzulegen. Insoweit bedarf es keiner näheren Betrachtung mehr, ob der Beweiswert des Attests als solcher erschüttert ist. Dem Attest kann jedenfalls nicht entnommen werden, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung vorlagen. Der Arzt hat in dem Attest vom 13. Oktober 2021 weder bestätigt, dass es der Klägerin aus medizinischen Gründen unmöglich oder unzumutbar sei, eine medizinische Maske zu tragen noch eine Diagnose benannt, die dieses zumindest nahelegen würde.

Das Attest führt lediglich aus, die Klägerin sei von der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit. Diese Aussage konnte der attestierende Arzt jedoch nicht treffen, da die Frage, ob die Klägerin von dieser Verpflichtung befreit ist, eine Frage der Rechtsanwendung ist und nicht eine medizinische Angelegenheit, die der Arzt hätte attestieren können.

Auch die Ausführung, Grund der Befreiung sei eine „Einschränkung der vitalen Atemfunktion“ genügt nicht, um die Voraussetzungen einer Befreiung nach § 3 Abs. 3 Ziff. 3 25. Bremen COVVO erkennen zu können. Aus dieser allgemein gehaltenen Angabe kann nicht der Schluss gezogen werden, das Tragen einer medizinischen Maske sei der Klägerin unmöglich oder unzumutbar. Die vitale – lebenserhaltende – Atemfunktion ist letztlich bereits dann eingeschränkt, wenn lediglich eine verstopfte Nase infolge einer Erkältung vorliegt.

Soweit die Klägerin meint, das Attest enthalte eine Diagnose, ist dies nicht nachvollziehbar. Namentlich geht der Verweis auf die ICD-10 ins Leere. Der Arzt hat keine Diagnose, die in der ICD-10 codiert ist, benannt. Er hat gerade keine Dyspnoe o.ä. attestiert. Auch hat der Arzt keinen ICD-10-Code im Attest genannt.

Die pauschale Behauptung der Klägerin in der Mail des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 10. Februar 2021, sie sei bereits einmal wegen Tragens einer Mund-Nasen-Bedeckung ohnmächtig geworden, genügt nicht, um die Voraussetzung von § 3 Abs. 3 Ziffer 3 25. BremCOVVO annehmen zu können. Die Beklagte hat implizit gesundheitliche Einschränkungen der Klägerin bestritten, die dem Tragen einer medizinischen Maske entgegenstehen sollen Näherer Vortrag zu den Umständen der angeblichen Ohnmacht infolge des Tragens einer Mund-Nasen-Bedeckung fehlen.

Weiterer Vortrag der Klägerin zu angeblichen gesundheitlichen Einschränkungen fehlt vollständig.

Der Arbeitnehmer ist gehalten im Rahmen der sekundären Darlegungslast, die Unzumutbarkeit oder Unfähigkeit, eine Mund-Nasen-Bedeckung aus gesundheitlichen Gründen zu tragen, darzulegen und hierbei die behandelnden Ärztinnen oder Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden. Der Arbeitgeber hat typischerweise keine Kenntnis von den gesundheitlichen Beeinträchtigungen eines Arbeitnehmers. Ohne Kenntnis der zugrundeliegenden Diagnose und der sich hieraus ergebenden gesundheitlichen Folgen fehlen dem Arbeitgeber – und dem Gericht – die notwendigen Angaben, um die Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit, eine solche Maske zu tragen, zu beurteilen.

Die Klägerin ist auf diese vom Gericht angenommene Verteilung der Darlegungslast bereits durch Hinweis im Terminbeschluss vom 18. Mai 2021 (Bl. 34 der führenden Akte) im führenden Verfahren hingewiesen worden, auf die das Gericht auch im folgenden Verfahren – Ziffer 6 des Beschlusses aus der Güteverhandlung (vgl. Bl. 15 der folgenden Akte) – Bezug genommen hat

(3) Es ist unstreitig, dass die Klägerin am 17. Mai 2021 morgens gegen 8:00 Uhr zum wiederholten Male Verkehrsflächen, also solche Flächen, die zumindest gemeinschaftliche mit anderen Beschäftigten genutzt werden, ohne Mund-Nasen-Bedeckung betreten hat. Die Klägerin betrat zu diesem Zeitpunkt den Flur auf Ebene 0 und nutzte den Fahrstuhl und den Flur auf Ebene 1 sowie den Flur der Personalstelle, ohne eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Unstreitig handelt es sich hierbei um gemeinschaftlich mit anderen Arbeitnehmern genutzte Flächen

(4) Die Weigerung der Klägerin, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen war beharrlich. Die Klägerin hat in besonders nachhaltiger Weise ihre Verpflichtung hierzu verletzt und zum Ausdruck gebracht, dass sie sich an die gesetzliche Anordnung bzw. arbeitgeberseitige Weisung hierzu nicht gebunden sieht.

Insoweit ist unstreitig, dass die Klägerin trotz Abmahnungen vom 3. März 2021 und 4. Mai 2021, in denen sie jeweils darauf hingewiesen wurde, dass sie eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen habe, erneut am 17. Mai 2021 gemeinschaftlich mit anderen Arbeitnehmern genutzte Flächen betreten, ohne dass sie hierbei eine Mund-Nasen-Bedeckung trug.

Insoweit bedarf es auch keiner näheren Beurteilung, ob die Auffassung der Beklagten zutrifft, dass sich aus dem Attest nachvollziehbar ergeben muss, welche konkret zu benennenden Beeinträchtigungen auf Grund der Verpflichtung zum Tragen einer medizinischen Maske zu erwarten ist und woraus diese im Einzelnen resultieren. Selbst wenn diese Auffassung jedenfalls im Einzelfall möglicherweise nicht zuträfe, bliebe der Warnwert der erteilten Abmahnungen erhalten. Der Klägerin musste aufgrund der Abmahnungsschreiben in jedem Fall bewusst sein, dass die Beklagte es nicht hinnehmen würde, wenn die Klägerin weiterhin, ohne eine medizinische Maske zu tragen, gemeinschaftlich genutzte Verkehrsflächen der Bibliothek betreten würde. Die Klägerin musste in diesem Falle mit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechnen. Die Beklagte hat in den Abmahnungsschreiben klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie es jedenfalls nicht dulden würde, wenn die Klägerin erneut gemeinschaftlich genutzte Verkehrsflächen betritt, ohne eine medizinische Maske zu tragen. Die Beklagte hat die Klägerin dabei ausdrücklich auf die Möglichkeit arbeitsrechtlicher Konsequenzen bis hin zum Ausspruch einer Kündigung für den Wiederholungsfall hingewiesen und die Abmahnung vom 04. Mai 2021 ausdrücklich als „2. und letzte Abmahnung“ überschrieben. Auch in inhaltlicher Hinsicht sind die Abmahnungen nicht zu beanstanden. Die Verpflichtung, eine medizinische Maske in gemeinschaftlich genutzten Räumen zu tragen, bestand am 03. März 2021 und 04. Mai 2021 aufgrund des gleichlautenden § 3 24. BremCOVVO sowie der Weisung der Beklagten.

(5) Die Kündigung erweist sich auch als außerordentliche Kündigung als angemessen. Das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiegt bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls das Interesse der Klägerin am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.

Eine abschließende Festlegung der Umstände, die in diesem Rahmen zu berücksichtigen sind, ist zwar nicht möglich. In der Regel sind aber die Auswirkungen der Vertragspflichtverletzung, namentlich im Hinblick auf das Maß des hierdurch bewirkten Vertrauensverlustes sowie im Hinblick auf etwaige wirtschaftliche Folgen, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr und schließlich die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der für das gesamte Kündigungsschutzrecht prägend ist, kommt eine außerordentliche Kündigung letztlich nur dann in Betracht, wenn es keinen anderen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Mildere Reaktionen sind insbesondere die Abmahnung und die ordentliche Kündigung anzusehen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Ausspruch einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht der Bestrafung eines Verhaltens des Arbeitnehmers in der Vergangenheit dient, sondern vielmehr der Verhinderung etwa nicht zu prognostizieren Vertragsstörungen in der Zukunft. Aus diesem Grunde ist eine Kündigung aufgrund eines Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip bereits dann unwirksam, wenn andere geeignete Mittel zu Verfügung stehen, das Risiko zukünftiger Störungen zu vermeiden. (st. Rspr, grundlegend: BAG vom 30.5.1978 – 2 AZR 630/76, Rn. 17; vergleiche insbesondere auch BAG, Urteil vom 10.6.2010 – 2 AZR 541 / 09 – Rn. 34 jeweils zitiert nach juris).

Die Kammer verkennt nicht, dass die Erhöhung des Infektionsrisikos für andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Beklagten bei Betrachtung des Kündigungssachverhalts an sich möglicherweise nur sehr gering war. Dies tritt jedoch angesichts der weiteren zu berücksichtigenden Umstände in den Hintergrund.

Es ist damit zu rechnen, dass die Klägerin sich auch weiterhin weigern wird, eine medizinische Maske zu tragen. Die Klägerin hat in beharrlicher Weise ihre Verpflichtungen hierzu verletzt. Sie hat ihr Verhalten trotz hinreichend deutlicher Abmahnungen fortgesetzt.

Dabei ist aus Sicht der Kammer aufgrund der Zukunftsbezogenheit der Kündigung aber zu berücksichtigen, dass in Zukunft keineswegs von vornherein davon ausgegangen werden kann, dass jeweils nur eine geringe Erhöhung des Risikos der Infektion anderer Mitarbeiter zu befürchten sei. Denn diese Risikoerhöhung ist von diversen Umständen abhängig, die für die Zukunft überhaupt nicht abgeschätzt werden können, wie etwa die zukünftig zu erwartenden Inzidenzen, die genauen räumlichen Verhältnisse und die Anzahl anwesender Menschen sowie die Aufenthaltsdauer der Klägerin im Falle zukünftiger Verstöße. Darüber hinaus ist nicht absehbar, ob möglicherweise neue infektiösere oder gefährlichere Varianten zu einer Risikoerhöhung beitragen. Schließlich trägt jede Infektion mit SARS-CoV-2 das Risiko eines schweren, möglicherweise tödlichen Verlaufs in sich. Die Klägerin hat sich trotzdem über ihre Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske hinweggesetzt, ohne dass ein vernünftiger Grund hierfür ersichtlich wäre. Die medizinischen Gründe, die die Klägerin anführt, beschränken sich auf pauschale Behauptungen.

Es ist auch nicht zu ersehen, dass die Klägerin unverschuldet gehandelt hätte. Zwar lag ein Attest vor. Der Klägerin musste jedoch bereits aufgrund der Auseinandersetzungen im Rahmen des zunächst anhängigen Streits über die Abmahnung vom 03. März 2021 klar gewesen sein, dass das vorgelegte Attest möglicherweise nicht genügt, um eine Befreiung von der Maskenpflicht darzulegen. Sie hat die Möglichkeit, gegen eine für sie geltende Maskenpflicht zu verstoßen, zumindest billigend in Kauf genommen.

Zu berücksichtigen ist auch, dass der Arbeitgeber jedenfalls über § 618 Abs. 1 BGB und § 3 ArbSchG verpflichtet ist, die Einhaltung der Maskenpflicht zu gewährleisten, um andere Arbeitnehmer vor einer Ansteckung mit SARS-CoV-2 zu schützen.

Angesichts diese Umstände geben auch weder das Lebensalter noch die Dauer der Betriebszugehörigkeit der Klägerin Anlass anzunehmen, dass das Interesse der Klägerin am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung überwiegen könnte.

Mildere Mittel sind nicht ersichtlich. Die ausgesprochenen Abmahnungen zeitigten keinen Erfolg. Eine Versetzung ins Home-Office kam nicht in Betracht. Die übertragenen Aufgaben sind in der technischen Buchbearbeitung angesiedelt und können nicht vom Home-Office aus erbracht werden. Die Ausübung dieser Tätigkeit ist an stationäres technisches Equipment – u.a. Transportwagen für die Bücher und einen großen Drucker, der die Signaturenetiketten druckt – gebunden. Dem entsprechenden Vortrag der Beklagten ist die Klägerin nicht entgegengetreten, sodass er gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu unterstellen war. Eine ordentliche Kündigung war bereits angesichts der Kündigungsfristen nicht geeignet, zukünftige Störungen in der akut anhaltenden Pandemie-Situation zu vermeiden.

5.

Die aus § 626 Abs. 2 BGB folgende Zwei-Wochen-Frist ist gewahrt. Der Kündigungsvorfall ereignete sich am 17. Mai 2021. Fristablauf war daher frühestens der 31. Mai 2021. Die Kündigung ist der Klägerin am 29. Mai 2021 und somit binnen zwei Wochen seit Kenntnis der Kündigungsberechtigten vom Kündigungssachverhalt zugegangen.

II.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung als Bibliotheksangestellte.

Ein Weiterbeschäftigungsanspruch des gekündigten Arbeitnehmers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens besteht auch außerhalb der Regelung des § 102 Abs. 5 BetrVG, wenn das Interesse des gekündigten Arbeitnehmers an der Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses das Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung überwiegt. Abgesehen von den Fällen der offensichtlich unwirksamen Kündigung begründet die Unsicherheit über die Wirksamkeit der Kündigung und damit die Ungewissheit des Prozessausgangs und die daraus folgenden Risiken grundsätzlich ein schützenswertes Interesse des Arbeitgebers, den gekündigten Arbeitnehmer für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses nicht zu beschäftigen. Liegt jedoch ein erstinstanzliches Urteil vor, mit dem die Unwirksamkeit der Kündigung und damit der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses festgestellt wird, dann müssen zusätzliche Umstände hinzukommen, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht weiter zu beschäftigen (vgl. grundlegend BAG Großer Senat, Beschluss vom 27. Februar 1985 – GS 1/84, zit. n. juris).

Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor. Die Kammer hat die Wirksamkeit der Kündigung angenommen. Besondere Umstände, die ausnahmsweise ein überwiegendes Interesse der Klägerin an der Weiterbeschäftigung begründen könnten, sind von ihr nicht vorgetragen worden.

III.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung vom 03. März 2021 aus der Personalakte.

1.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat ein Arbeitnehmer grundsätzlich keinen Anspruch auf Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte. Etwas Anderes kann nur dann gelten, wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Abmahnung auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden kann (BAG Urt. v. 14.09.1994 – 5 AZR 632/93 –, Rn 23ff., zit. n. juris). Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat keinen entsprechenden Vortrag erbracht. Inwieweit damit zu rechnen ist, dass die Abmahnung der Klägerin zukünftig noch schaden können, hat sie nicht geschildert.

2.

Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht auf Art. 17 Abs. 1 lit. a) DS-GVO stützen.

Nach zutreffender Auffassung hat die Klage auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte aufgrund eines Entfernungsverlangens gem. §§ 242, 1004 BGB einen anderen Streitgegenstand als eine Klage auf Entfernung der Personalakte wegen eines etwaigen Löschungsanspruchs aufgrund von Art. 17 Abs. 1 lit. a) DS-GVO (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 30.10.2020 – 12 Sa 33/20 – Rn 146, zit.- n. juris).

Die Klägerin hat ihren Anspruch allein auf die Argumentation gestützt, die der Klägerin vorgeworfene Pflichtverletzung liege nicht vor. Sie hat sich zu keinem Zeitpunkt darauf gestützt, dass die Verwendung der Daten nicht mehr notwendig sei, weil das Arbeitsverhältnis beendet sei.

B

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Der Wert des Streitgegenstands war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen, seine Höhe folgt aus § 42 GKG und 3 ff ZPO und entspricht fünf Bruttomonatsgehältern zu je 1.633,88 €. Von diesem Wert entfallen drei Bruttomonatsgehälter auf den Kündigungsschutzantrag und jeweils ein Bruttomonatsgehalt auf den Weiterbeschäftigungsantrag und den Antrag auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Dem zurückgenommenen allgemeinen Feststellungsantrag kommt kein eigener Wert zu, sodass sich hieraus kein abweichender Verfahrensstreitwert ergibt. Gemäß § 62 Abs. 1 ArbGG ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

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