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Änderungskündigung – Gleichbehandlungsinteresse – Weisungsrecht

Arbeitsgericht Villingen-Schwenningen – Az.: 4 Ca 235/21 – Urteil vom 28.10.2021

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 1.400 EUR festgesetzt.

4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung.

Die 40-jährige Klägerin ist seit dem 5. Juli 2002 als gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte in Teilzeit mit 20 Wochenstunden bei 1.400 EUR brutto bei den Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern beschäftigt. Zuvor hat sie dort ihre Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten absolviert.

Der Arbeitsvertrag vom 3. Juli 2002 (Bl. 6 d. A.) enthielt folgende Regelung:

§ 2 Tätigkeit

Der Mitarbeiter wird eingestellt für eine Tätigkeit als Rechtsanwaltsfachangestellte.

Zunächst war die Klägerin, wie alle anderen Rechtsanwaltsfachangestellten im Betrieb der Beklagten, in wechselnden Referaten mit allen für eine Rechtsanwaltsfachangestellte berufstypischen Tätigkeiten betraut. Dazu gehörte auch die Übernahme des regelmäßigen Telefondienstes, der Einsatz beim „Überlauf“ der Telefonzentrale und die Arbeit in verschiedenen Referaten, hier insbesondere das Schreiben von Digitaldiktaten für die Rechtsanwält*innen der Beklagten.

Der „Überlauf“ der Telefonzentrale ist bei der Beklagten so eingerichtet, dass zuvörderst eine Vollzeitkraft (Frau P.) am Empfang und am Telefon tätig wird. Wenn diese tageweise nicht anwesend ist, wird sie entweder von einer Auszubildendenkraft oder Person aus dem Kreis der Rechtsanwaltsfachangestellten vertreten, die sich untereinander abstimmen. Wenn Frau P. anwesend ist, aber vorübergehend nicht ans Telefon gehen kann, leitet die Telefonanlage auf die Telefone an den Arbeitsplätzen der Rechtsanwaltsfachangestellten um. Die Reihenfolge der Umleitungskette ist von den Beklagten programmiert. Die Umleitungskette kann geändert werden und wird auch gelegentlich geändert, um eine gleichmäßige Belastung aller Mitarbeiter*innen zu erreichen.

Die Klägerin war mit ihrer Einbindung in das Referat von Herrn Rechtsanwalt S. und – da sie dies bei der Bearbeitung ihrer anderen Aufgaben als störend empfand – in den Telefonüberlauf unzufrieden. Unter dem 17. Juli 2019 (Bl. 11 d. A.) vereinbarten die Parteien daher nachfolgende Änderung:

Wir vereinbaren hiermit, dass Sie als Rechtsanwaltsfachangestellte ausschließlich in den Beitreibungsreferaten Stadtwerke V. und S.-Klinikum eingesetzt sind und wir Ihnen keine anderen Tätigkeiten zuweisen, auch keinen Telefondienst (Telefonzentrale / Telefonüberlauf).

Neben der Klägerin hatte – und hat – auch die mit der Buchhaltung beschäftigte Frau Z. nicht die Verpflichtung, in den Telefondienst eingebunden zu werden und eine besondere Referatszuweisung zur Buchhaltung. Die übrigen Mitarbeiter*innen haben keine entsprechende Vereinbarung.

Seit der genannten Vereinbarung war die Klägerin ausschließlich mit der Bearbeitung der Mandate betraut, die den Beklagten von den Stadtwerken V. und dem Klinikum S. angetragen wurden. Es handelte sich um sogenannte Beitreibungsmandate. Kunden der Stadtwerke oder Patienten des Klinikums, die ihre Strom-, Gas- oder Arztrechnung nicht bezahlen und die auf außergerichtliche Mahnungen der Mandanten nicht reagiert haben, werden dabei von den Beklagten nach Abstimmung mit den Mandanten außergerichtlich gemahnt, sodann wird ein Mahnbescheid und im Anschluss ein Vollstreckungsbescheid beantragt. Im Falle des Widerspruchs werden die Forderungen im streitigen Verfahren weiterverfolgt. Nachdem ein Vollstreckungsbescheid oder Urteil ergangen ist, erfolgt die Erteilung von Zwangsvollstreckungsaufträgen dann über die Beklagten und wurde federführend von der Klägerin bearbeitet und vorbereitet. Die Klägerin führte dabei – unter anderem – die Korrekspondenz mit Mandantschaft, Gegenseite, Rechtsanwält*innen, betreute die Mahnverfahren, leitete und überwachte Mahnverfahren, fertigte Auskünfte an und wertete diese aus, bearbeitete Gerichtsvollzieheraufträge sowie Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse, betreute Forderungsanmeldungen in Insolvenzverfahren, entwarf gerichtliche Schriftsätze mit Anspruchsbegründung, betreute Nachlasssachen und erstellte Rechnungen.

Die Beklagte wollte die mit der Klägerin getroffene Vereinbarung ab April 2021 wieder beseitigen. Eine einvernehmliche Regelung erzielten die Parteien dabei nicht, die Klägerin befürchtete mit einer solchen Regelung eine erhebliche Arbeitsüberlastung. Unter dem 18. Mai 2021 fassten die Beklagten einen Beschluss, die kanzleiinternen Abläufe ab Januar 2022 wieder so zu organisieren, dass jederzeit die Möglichkeit besteht, alle Rechtsanwaltsfachangestellten mit anderen gleichwertigen Aufgaben innerhalb der Kanzlei einzusetzen, auch in verschiedenen Referaten und an der Telefonzentrale. Hinsichtlich der Einzelheiten dieses Beschlusses wird auf Bl. 36 d. A. verwiesen.

In Umsetzung dieser Entscheidung wurde (nur) gegenüber der Klägerin unter dem 18. Mai 2021 eine Änderungskündigung ausgesprochen (Bl. 12 f. d. A.) und folgende Veränderung mit Wirkung ab 1. Januar 2021 angeboten:

– Sie werden nicht länger ausschließlich in den Beitreibungsreferaten Stadtwerke V. und S.-Klinikum tätig,

– Wir behalten uns vor, Ihnen gleichwertige Tätigkeiten einer Rechtsanwaltsfachangestellten in anderen Referaten der Kanzlei zuzuweisen und Sie auch an der Telefonzentrale und im Telefonüberlauf (d.h. von der Telefonzentrale umgeleitete Anrufe bei parallel mehreren eingehenden Anrufen) als Rechtsanwaltsfachangestellte einzusetzen.

Ihre Arbeitszeiten und Ihre Vergütung sind durch die Änderung nicht betroffen.

Auch an den sonstigen Vertragsbedingungen ändert sich nichts.

Die Klägerin hat diese Änderung unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung angenommen (Bl. 14 d. A.). Im Nachgang wurde die Klägerin zu verschiedenen Dokumentationen ihrer Arbeitstätigkeit aufgefordert, um die Auslastung ihrer Tätigkeit festzustellen; insoweit wird für weitere Einzelheiten auf die Schriftsätze der Parteien verwiesen.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Änderungskündigung nicht sozial gerechtfertigt sei. Diese sei bereits nicht hinreichend bestimmt, weil nicht klar mitgeteilt werde, welche Tätigkeiten künftig ausgeübt werden sollen. Die Klägerin wisse nicht, ob die Tätigkeit in den bisherigen Beitreibungsreferaten ersatzlos weggenommen oder beschränkt werden solle oder wer neben ihr diese Tätigkeit künftig ausüben werde. Auch der „Vorbehalt“ des Einsatzes in der Telefonzentrale genüge den Bestimmtheitsanforderungen nicht, sie wisse nicht, ob diese Aufgaben zugewiesen würden oder nicht und in welcher Reihenfolge sie in den Telefonüberlauf eingebunden werde. Auch werde nicht ausgeführt, was unter „gleichwertigen Tätigkeiten“ zu verstehen sei. Außerdem sei die Kündigung nicht gerechtfertigt, weil die Beklagte nicht dargelegt habe, wie sich ein vermeintlicher Rückgang der Auftragsmenge auf die Klägerin auswirke. Sie sei in den Beitreibungsreferaten für die Stadtwerke V. und das S.-Klinikum ausgelastet. Es dürften nicht nur neu hinzugekommene Mandate berücksichtigt werden, sondern auch die aufgelaufenen Beitreibungsmandate. Diese bearbeite sie eigenständig und eigenverantwortlich. Die bloße Angabe von Mandatszahlen sage nichts über den verbundenen Arbeitsaufwand aus. Es könnten sehr einfache, kleinere Akten auch in hoher Zahl sehr schnell abgearbeitet werden, aber andererseits ein einziges, schwieriges und umfangreiches Mandat erheblichen Arbeitszeitaufwand erfordern. Schließlich seien die von der Beklagten angegeben Fallzahlen nicht repräsentativ, da es sich um die „Corona-Jahre“ handele und für 2021 auch nur den Bruchteil eines Kalenderjahres beträfen. Schließlich seien die Eingänge bei anderen Referaten nicht vergleichbar, weil dort die Akten durch anwaltliche Mitarbeiter*innen bearbeitet würden, die Klägerin indes das komplette Referat inklusive der Schriftsätze, Zwangsvollstreckung und Postbearbeitung selbst erledige. Die Organisationsentscheidung der Beklagten könne keine Sachgrundlage für die Änderungskündigung sein, da der Arbeitsaufwand für die Akten nicht gewürdigt worden sei. Schließlich würden andere Mitarbeiter*innen der Beklagten seit Jahren nicht im Telefondienst eingesetzt. Die Beklagte habe auch nicht die gebotene Sozialauswahl berücksichtigt, da die anderen Mitarbeiter*innen auch ohne Änderungskündigung – mangels Ausschließlichkeitsvereinbarung – im Telefondienst eingesetzt werden könnten, aber nicht werden. Schließlich sei auch der Mitarbeiterin Z. gegenüber keine Änderungskündigung ausgesprochen worden.

Die Klägerin beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung der Beklagten vom 18.05.2021 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31.12.2021 hinaus fortbesteht.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Änderungskündigung sozial gerechtfertigt ist. Ihre Arbeitsbelastung habe beständig abgenommen. Sie erreichten wöchentlich ca. acht E-Mails und 15 Poststücke. Die von ihr zu bearbeitenden Akten seien ebenfalls rückläufig (Bl. 31 d. A.). Dabei handele es sich in der Regel um kurze Sachstandsanfragen oder weiterzuleitende Mitteilungen von Gerichtsvollzieher*innen. Sie könne sich die Arbeit selbst einteilen und arbeite ohne Zeitdruck. Sie lege sich ältere Vorgänge erneut vor um im Sinne der Mandantschaft zu versuchen, titulierte Forderungen noch beizutreiben. Fristgebundene Tätigkeiten fielen bei solchen älteren Vorgängen nicht an. Es werde auch kein Zeitdruck durch die Beklagte aufgebaut, die Klägerin könne nach ihrem individuellen Leistungsvermögen sorgfältig und konzentriert arbeiten. Wenn etwas „liegen“ bliebe, könne sie es später erledigen. Der ihr Referat betreuende Rechtsanwalt U. würde die Klägerin unterstützen und wenn notwendig entlasten. In anderen Referaten – denen ebenfalls Rechtsanwaltsfachangestellte in Teilzeit zugeordnet seien – seien deutlich mehr Akten im Jahr 2021 angelegt und bearbeitet worden. Die Privilegierung der Klägerin lasse sich daher nicht mehr gegenüber den Kolleg*innen rechtfertigen. Jede Fachkraft müsse zumindest bereit sein, hin und wieder den Telefonüberlauf betreuen oder an der Telefonzentrale einzuspringen. Es sollten nicht länger im Arbeitsalltag nicht erklärbare „Sonderrechte“ für die Klägerin bestehen, um den betrieblichen Frieden nicht ohne Not zu gefährden und eine gerechte Gleichbehandlung aller Rechtsanwaltsfachangestellten herbeizuführen. Eine überobligatorische Belastung sei für die Klägerin mit der Umsetzung der organisatorischen Entscheidung der Beklagten nicht verbunden. Die Klägerin werde in Zukunft wieder im gelegentlichen Telefonüberlauf und an der Telefonzentrale betraut sein. Es sei jedoch, so lange noch Beitreibungen für die Stadtwerke und für das Klinikum zu bearbeiten seien, nicht beabsichtigt, die Klägerin in einem anderen Referat einzusetzen als mit der Bearbeitung dieser Vorgänge. Es solle aber, wie bei allen anderen Rechtsanwaltsfachangestellten auch, die Möglichkeit hierzu bestehen. Wenn die Klägerin vertretungsweise an der Telefonzentrale oder im Telefonüberlauf eingesetzt sei, könne sie in dieser Zeit ihre Arbeiten im Referat Stadtwerke und Klinikum in dieser Zeit nicht erledigen, was hingenommen werde. Der Klägerin werde auch in Zukunft nicht mehr Arbeit abverlangt, als sie in den vereinbarten 20 Wochenstunden nach ihrem individuellen Leistungsvermögen erledigen könne. Eine Sozialauswahl sei nicht geboten gewesen, da die Klägerin die einzige Rechtsanwaltsfachangestellten im Betrieb der Beklagten sei, für die die unternehmerische Entscheidung vom 18. Mai 2021 noch nicht vollzogen sei. Alle anderen Rechtsanwaltsfachangestellten – Frau J., Frau M., Frau W., Frau K., Frau S., Frau R., Frau B., Frau B. und Frau G. – seien bereits in der von der Beklagten beschlossenen Weise flexibel einsatzfähig. Mit der Rechtsanwaltsfachangestellten Frau Z. sei die Klägerin nicht austauschbar und vergleichbar, weil Frau Z., anders als die Klägerin, über eine Zusatzqualifikation in der Buchhaltung verfüge und ausschließlich hier eingesetzt werde.

Das Gericht hat am 18. Juni 2021 vor dem Vorsitzenden zur Güte (Bl. 19 d. A.) und am 22. September 2021 streitig vor der Kammer (Bl. 82 f. d. A.) verhandelt. Das Urteil wurde in einem gesonderten Verkündungstermin am 28. Oktober 2021 verkündet.

Entscheidungsgründe

I.

1. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a), b) ArbGG eröffnet. Das Arbeitsgericht Villingen-Schwenningen ist gemäß § 48 Abs. 1a Satz 1 ArbGG, § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. §§ 12, 17, 29 ZPO örtlich zuständig.

2. Der mit Klageantrag Ziff. 2 geltend gemachte allgemeine Feststellungsantrag („Schleppnetzantrag“) ist unzulässig, da der Klägerin das Interesse an einer alsbaldigen Feststellung nach § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. §§ 495, 256 Abs. 1 ZPO fehlt. Das Feststellungsinteresse setzt voraus, dass die klagende Partei weitere Beendigungstatbestände oder deren Möglichkeit bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in den Prozess einführt (BAG vom 26. September 2013 – 2 AZR 682/12, juris Rn. 32). Vorliegend standen allerdings weder weitere noch – nach der Annahme unter Vorbehalt – überhaupt beendende Tatbestände im Raum.

II.

Die Klage ist unbegründet, weil die Änderungskündigung sozial gerechtfertigt ist.

1. Mit ihrer am 8. Juni 2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die dreiwöchige Klagefrist hinsichtlich der am 19. Mai 2021 zugegangenen Änderungskündigung nach §§ 2, 4 Satz 2, 7 Hs. 2 KSchG gewahrt.

2. Die Änderungskündigung ist aus betrieblichen Gründen sozial gerechtfertigt.

Die Kammer ist sich der besonderen Problematik bei der Würdigung der Änderungskündigung bewusst. Diese liegt in zwei Hauptproblemen: Einerseits fallen die Unternehmerentscheidung und die Änderungskündigung faktisch zusammen und sind letztlich kaum voneinander zu unterscheiden, was besondere Anforderungen an die Darlegung der Gründe für die Änderungskündigung und auch die Unternehmerentscheidung selbst begründet. Andererseits bewirkt die Änderungskündigung auch gerade – ausschließlich – die Abkehr von einer zuvor individualvertraglich und ganz individuell vereinbarten Regelung, die eine besondere Rechtsposition der Klägerin begründete und deshalb die Frage der Vertragsbindung in ganz besonderer Weise aufwirft. Die Kammer hält die Änderungskündigung gleichwohl für sozial gerechtfertigt, nicht weil sie durch eine „Neustrukturierung“ aufgrund geänderter Nachfrage oder Auslastung erforderlich wäre und die Änderungen „bedingen“ könnte, sondern weil damit das mit der Unternehmerentscheidung getroffene und legitime Gleichbehandlungsinteresse betroffen ist und die Einschränkungen für die Klägerin als gering und damit zumutbar erachtet werden.

Dazu nun im Einzelnen:

a) Eine betriebsbedingte Änderungskündigung i. S. v. § 2 KSchG ist nur sozial gerechtfertigt, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 KSchG vorliegen. Es kommt also für die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Änderungskündigung nicht auf die Sozialwidrigkeit der Kündigung an, sondern auf die der geänderten Arbeitsbedingungen (LAG Baden-Württemberg vom 20. März 1997 – 11 Sa 91/96). Das Änderungsangebot ist daran zu messen, ob es durch – hier einzig in Betracht kommende – dringende betriebliche Erfordernisse i. S. d. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist und sich darauf beschränkt, solche Änderungen vorzusehen, die Arbeitnehmer*innen billigerweise hinnehmen müssen (BAG vom 20. Juni 2013 – 2 AZR 396/13; BAG vom 5. Juni 2014 – 2 AZR 615/13; LAG Baden-Württemberg vom 6. Juli 2016 – 4 Sa 67/15).

Daraus ergibt sich, dass die Wirksamkeit der Änderungskündigung in zwei Stufen zu prüfen ist. Auf der ersten geht es darum, ob dringende betriebliche Erfordernisse eine Änderung der Arbeitsbedingungen erforderlich machen (dazu unter b). Auf der zweiten Stufe ist zu fragen, ob die angebotene Änderung für den Arbeitnehmer zumutbar ist (dazu unter c). Auf beiden Stufen ist der dem Kündigungsschutz zugrundeliegende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten (LAG Baden-Württemberg vom 6. Juli 2016 – 4 Sa 67/15; LAG Köln vom 16. November 2016 – 5 Sa 1183/15).

b) Die zur sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Änderungskündigung notwendigen dringenden betrieblichen Erfordernisse i. S. d. § 1 Abs. 2 KSchG setzen voraus, dass das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer*innen im Betrieb zu den bisherigen Bedingungen entfallen ist.

aa) Dies kann auf einer unternehmerischen Entscheidung zur Umstrukturierung beruhen. Eine solche Organisationsentscheidung unterliegt grundsätzlich nur einer Missbrauchskontrolle. Sie ist lediglich dahingehend zu überprüfen, ob sie offenbar unvernünftig oder willkürlich ist und ob sie ursächlich für den von Arbeitgeber*innen geltend gemachten Änderungsbedarf ist (BAG vom 20. Juni 2013 – 2 AZR 379/12, juris Rn. 19; BAG vom 22. November 2012 – 2 AZR 673/11, juris Rn. 16; BAG vom 24. Mai 2012 – 2 AZR 124/11, juris Rn. 21). Auch bei einer Änderungskündigung wird die unternehmerische Entscheidung selbst nicht einer weiter reichenden gerichtlichen Kontrolle unterworfen. Zu prüfen ist auch hier grundsätzlich lediglich, ob das Konzept die Änderung tatsächlich erzwingt (BAG vom 20. Juni 2013 – 2 AZR 379/12, juris Rn. 26). Da für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte Organisationsentscheidung die Vermutung spricht, sie sei aus sachlichen Gründen erfolgt, Rechtsmissbrauch also die Ausnahme ist, haben im Kündigungsschutzprozess grundsätzlich der Arbeitnehmer*innen die Umstände darzulegen und im Streitfall zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, dass die getroffene innerbetriebliche Strukturmaßnahme offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG vom 29. November 2017 – 2 AZR 388/06).

bb) Wenn allerdings die Organisationsentscheidung von Arbeitgeber*innen und deren Kündigungsentschluss ohne nähere Konkretisierung praktisch deckungsgleich sind, so kann auch im Falle einer Änderungskündigung nicht in jedem Fall von vornherein die Vermutung greifen, die Unternehmerentscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt. In diesen Fällen müssen Arbeitgeber*innen konkrete Angaben dazu machen, wie sich die Organisationsentscheidung auf die Einsatzmöglichkeiten auswirkt und in welchem Umfang dadurch ein konkreter Änderungsbedarf entsteht (BAG vom 29. November 2017 – 2 AZR 388/06; LAG Baden-Württemberg vom 6. Juli 2016 – 4 Sa 67/15). Erhöhte Anforderungen an die Darlegungslast sind insbesondere dann zu stellen, wenn Arbeitgeber*innen durch eine unternehmerische Entscheidung das Anforderungsprofils für Arbeitsplätze ändert, die bereits mit langjährig beschäftigten Arbeitnehmer*innen besetzt sind (LAG Baden-Württemberg vom 6. Juli 2016 – 4 Sa 67/15). Vermieden werden soll, dass die unternehmerische Entscheidung lediglich als Vorwand benutzt wird, obwohl bei unverändertem Beschäftigungsbedarf und unveränderter Beschäftigungsmöglichkeit lediglich die Vertragsinhalte als zu belastend angesehen werden. Auch im Bereich der Änderungskündigung kann es im Einzelfall als rechtsmissbräuchlich, angesehen werden, wenn ohne Änderung der realen Abläufe abstrakte Änderungen von Organisationsstrukturen benutzt werden, um Arbeitsbedingungen zum Nachteil der Arbeitnehmer*innen zu verändern (LAG Hessen vom 28. März 2011 – 17 Sa 1024/10).

cc) Gemessen an diesen Anforderungen kann von vorneherein nur die auf eine Herbeiführung einer gleichen Ausgangssituation zur Zuteilung des Weisungsrechts bei Referaten, Telefonzentrale und Telefonüberlauf getroffene Unternehmerentscheidung relevant sein.

(1) Etwaige „außerbetriebliche Umstände“ (Auftrags- / Umsatzrückgang) können den Änderungsbedarf hier nicht rechtfertigen. Anders als bei einer Beendigungskündigung, bei der ein Rückgang an Nachfrage zu einer fehlenden Auslastung führen mag (BAG vom 23. Februar 2012 – 2 AZR 548/10, juris Rn. 15 ff.; BAG vom 26. September 2002 – 2 AZR 636/01, juris Rn. 17), ist bei einer mit einer Veränderung des Tätigkeitsbereichs verbundenen Änderungskündigung eine – zumindest hinzutretende – Unternehmerentscheidung (was wird künftig anders / zusätzlich zugeteilt) erforderlich. Insofern kommt es auf dieser Ebene nach Auffassung der Kammer auch nicht darauf an, ob ein Rückgang der „Fallzahlen“ in den bisher zugewiesenen Referaten zu einer geringeren Auslastung der Klägerin führt oder nicht. Allenfalls mögen hier bestehende Rückgänge die Umsetzbarkeit der Unternehmerentscheidung nachvollziehbar erscheinen lassen.

(2) Es liegt eine Unternehmerentscheidung vor, die zum Anknüpfungspunkt für die weitere Prüfung genau zu identifizieren ist. Sie beschränkt sich in ihrer Ausprägung für die Klägerin von vorneherein darauf, mit einer Erweiterung des Weisungsrechts die (bloße) Möglichkeit zu eröffnen, auch Tätigkeiten zuzuweisen, die nach der bisherigen Vereinbarung vom 19. Juli 2019 ausgeschlossen wurden. Es geht aber nicht darum, dass unmittelbar infolge der Entscheidung bereits eine solche Zuweisung erfolgen würde – ausdrücklich hebt die Beklagte die bisherige ausschließliche Zuordnung zu den Beitreibungsreferaten auf und behält sich vor, andere (näher spezifizierte) Tätigkeiten zuzuweisen. Für die Arbeitsverpflichtung der Klägerin im Rahmen einer solchen „neuen“ Tätigkeit bedarf es dann noch einer – nach einer Änderung jedoch zulässigen – Ausübung des Weisungsrechts. Dabei sind nach § 106 GewO die Grenzen des billigen Ermessens zu beachten, was auch bedeutet, dass auf die Belange der Klägerin Rücksicht zu nehmen und Überlastungssituationen vorzubeugen ist (dazu noch näher im Rahmen der Zumutbarkeit).

Zusammengefasst liegt die maßgebliche Unternehmerentscheidung darin, die Weisungsrechte gegenüber (allen) Rechtsanwaltsfachangestellten dahingehend auszuweiten, dass (allgemein) eine Zuweisung zu verschiedenen Referaten und die Einbindung in die Telefonzentrale und den Telefonüberlauf möglich ist. Motiv dafür ist einerseits das Flexibilitätsinteresse und andererseits, nunmehr dem Gleichbehandlungsgrundsatz Rechnung zu tragen bzw. tragen zu können. Es ist nicht zu verkennen, dass dieser Ansatz, wie bereits einleitend ausgeführt wurde und im Rahmen der Zumutbarkeit nochmals vertieft wird, insbesondere deshalb problematisch ist, weil der Gleichbehandlungsgrundsatz „allein“ kein dringendes Bedürfnis für eine Änderungskündigung darstellen kann (BAG vom 28. April 1982 – 7 AZR 1139/79). Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Änderungskündigung nicht auf dem Gleichbehandlungsgrundsatz beruht, sondern zumindest die Unternehmerentscheidung „zwischengeschaltet“ und lediglich deren Motiv ist. Das führt nun nicht bereits zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung, ermöglicht es aber, auf der ersten Stufe an die durch die Unternehmerentscheidung der (allgemein) erweiterten Zuweisung von Tätigkeitsbereichen anzuknüpfen.

dd) Dass die so bezeichnete Organisationsentscheidung zwingend dazu führt, dass der Arbeitsvertrag der Klägerin einer Änderung bedarf, liegt auf der Hand. Ihre Vereinbarung vom 17. Juli 2019 begrenzt ihre Arbeitspflicht und damit das Direktionsrecht der Beklagten auf die Beitreibungsreferate Stadtwerke V. und S.-Klinikum und schließt den Telefondienst (Telefonzentrale / Telefonüberlauf) aus.

Dies genügt auch den strengeren Anforderungen, die dadurch entstehen, dass Unternehmerentscheidung und Kündigungsentschluss zusammenfallen. Dies ist darin begründet, dass allein bei der Klägerin eine Änderung des Arbeitsvertrages erforderlich ist, um die allgemeine Aufgabenzuweisung – bei allen Mitarbeitern – zu begründen.

Die Unternehmerentscheidung zeigt das Flexibilisierungsinteresse und -bedürfnis auf und erläutert auch dessen Umsetzung und Umsetzbarkeit. Eine Zuweisung zu anderen Referaten soll dabei „nach Bedarf“ erfolgen können. Dies führt zu einer Austauschbarkeit der Mitarbeiter*innen und einer erweiterten Zuordnungsmöglichkeit. Die Umsetzbarkeit hat die Beklagte nachvollziehbar dadurch begründet, dass im Einzelfall Weisungen zur Zuordnung, Unterstützung und Entlastung ergriffen werden. Letztlich führt dies auch nicht zu einer besonderen Belastung der betroffenen, angewiesenen Mitarbeiter*innen, sondern zu einer abweichenden Abarbeitungsreihenfolge der anfallenden Arbeiten, wobei die Beklagte die Reihenfolge organisiert und anweist. Auch soweit der Telefondienst betroffen ist, hat die Beklagte nicht nur den konkreten Änderungsbedarf (Änderung des Arbeitsvertrages der Klägerin), sondern auch die Umsetzbarkeit dargestellt. Denn die Beklagte ist bereit, Unterbrechungen und ggf. auch spätere Erledigungen der übrig zugeteilten Arbeiten hinzunehmen.

c) Die geänderten Vertragsbedingungen sind der Klägerin auch zumutbar.

aa) Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist sozial gerechtfertigt, wenn sich Arbeitgeber*innen bei Vorliegen eines Kündigungsgrunds darauf beschränken, lediglich solche Änderungen anzubieten, die Arbeitnehmer*innen billigerweise hinnehmen müssen. Im Rahmen des § 1 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 2 KSchG ist vor allem zu prüfen, ob ein Beschäftigungsbedürfnis für betroffene Arbeitnehmer*innen zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist und Arbeitnehmer*innen bei Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die am wenigsten beeinträchtigende Änderung angeboten wurden. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies für die Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist. Aus dem Vorbringen der Arbeitgeberseite muss erkennbar werden, dass diese auch unter Berücksichtigung der vertraglich eingegangenen Verpflichtungen alles Zumutbare unternommen hat, die notwendig gewordene Anpassung auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken (BAG vom 12. August 2010 – 2 AZR 945/08).

bb) Anders als die Klägerin meint, sind die geänderten Arbeitsbedingungen hinreichend bestimmt.

(1) Eine Änderungskündigung muss das Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen beinhalten. Dieses Angebot muss, wie jedes Angebot i. S. v. § 145 BGB, eindeutig bestimmt oder doch bestimmbar sein. Es muss nach allgemeiner Rechtsgeschäftslehre so konkret gefasst sein, dass es einer Annahme durch Arbeitnehmer*innen ohne Weiteres zugänglich ist. Für diese muss zweifelsfrei deutlich werden, welche Arbeitsbedingungen zukünftig gelten sollen. Nur so kann eine fundierte Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des Angebots getroffen werden. Da Arbeitnehmer*innen von Gesetzes wegen innerhalb einer kurzen Frist auf das Änderungsangebot reagieren müssen, ist schon im Interesse der Rechtssicherheit zu fordern, dass in dem Änderungsangebot zum Ausdruck kommt, zu welchen neuen Bedingungen das Arbeitsverhältnis nach dem Willen der Arbeitgeberseite fortbestehen soll. Unklarheiten gehen zulasten der Arbeitgeber*innen und führen zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung. Bei der Würdigung, ob das Änderungsangebot diesen Anforderungen genügt, ist dessen Inhalt durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln (BAG vom 10. September 2009 – 2 AZR 829/07).

(2) Es wurde bereits ausgeführt, dass die Arbeitsbedingungen eine Erweiterung des Weisungsrechts beinhalten. Das führt dazu, dass nun ein erweitertes Aufgabenspektrum bei der konkreten Tätigkeitszuweisung in Betracht kommt. Dass Arbeitgeber*innen allerdings den Inhalt der Arbeitsleistung noch konkret auszufüllen haben, führt nicht zur Unbestimmtheit der vertraglichen Regelung, auch nicht, wenn sie im Rahmen einer Änderungskündigung betroffen sind. Vielmehr handelt es sich um den typischen Fall des Weisungsrechts, dass dem Arbeitsverhältnis immanent und in § 106 GewO näher beschrieben ist. Unter diesem Aspekt ist die Änderungskündigung in ihrer Unschärfe sehr bestimmt, führt sie doch sehr präzise zur genannten Möglichkeit einer Erweiterung des Direktionsrechts und damit der erweiterten Zuweisungsmöglichkeit. Letztlich wird damit auch lediglich der status quo ante herbeigeführt, also die Situation, wie sie vor der Vereinbarung vom 17. Juli 2019 zwischen den Parteien bestand und gelebt wurde.

cc) Eine Unzumutbarkeit rührt auch nicht etwa daraus, dass das Weisungsrecht nun derart weit ausgestaltet wäre, dass Interessen der Klägerin keine Berücksichtigung mehr finden könnten. Denn das Weisungsrechts unterliegt erheblichen Grenzen.

(1) Eine erste Grenze ergibt sich bereits aus der Vereinbarung selbst. Die Beklagte hat ausgeführt, dass lediglich gleichwertige Tätigkeiten einer Rechtsanwaltsfachangestellten zuzuweisen. Es geht mithin lediglich um eine Erweiterung des bisherigen „Stellenprofils“, bei dem die Klägerin exklusiv für einzelne Referate und nicht für die Telefonzentrale eingesetzt werden konnte. Nicht in Rede steht die Zuweisung von berufs- und ausbildungsfremden Tätigkeiten.

(2) Auch ist die Beklagte gehalten, auf die Belastung ihrer Mitarbeiter*innen, auch auf die der Klägerin, Rücksicht zu nehmen. Es obliegt also der Ausübung des Weisungsrechts im Einzelfall und nicht etwa bereits der Überprüfung der Einräumung des Weisungsrechts selbst, ob es bei der Zuweisung von anderen Referatsbereichen oder die Einbindung in die Telefonzentrale oder den Telefonüberlauf zu einer unzumutbaren Belastung oder Überforderung der Klägerin kommt (vgl. zur Weisungsrechtsausübung m. w. Nachw. Hromadka, NJW 2018, S. 7, 10; ferner LAG Berlin-Brandenburg vom 2. Oktober 2019 – 20 Sa 264/19). Daran wird die Beklagte über die ihr obliegende Fürsorgepflicht und die genannten Grenzen des Weisungsrechts ein noch hinausgehendes, natürliches Eigeninteresse haben, da ihr daran gelegen sein muss, dass die Klägerin ihre Aufgaben zügig, sachgerecht und erfolgsorientiert wahrnehmen kann.

(3) Ferner ist die Beklagte bei der konkreten Ausübung des Weisungsrechts an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden, was auch bedeuten kann, dass bestimmte Tätigkeiten im Einzelfall (nicht) zuzuweisen sind (vgl. BAG vom 30. Januar 2019 – 10 AZR 299/18 (A); Wank in Ennuschat u.a., Gewerbeordnung, 9. Aufl. 2020, § 106 GewO Rn. 22; Preis in ErfK, 21. Aufl. 2021, § 106 GewO Rn. 16; Hoffmann/Schulte in BeckOK-GewO, Stand 1. Juni 2021, § 106 GewO Rn. 81), ohne dass dies im Arbeitsvertrag oder einer Änderungskündigung klargestellt oder gar bereits konkretisiert werden müsste. Entscheidend ist allein, dass nicht bei der Aufstellung der Regel (hier: der Weite des Weisungsrechts) sachfremd differenziert wird (vgl. Maschmann in BeckOGK, Stand 1. September 2018, § 106 GewO Rn. 54).

Es ist jedoch gerade Zweck dieser Regelung, es zu ermöglichen, eine Gleichbehandlung bei der Ausübung des Weisungsrechts nun allgemein herbeizuführen. Nach der bisherigen Vertragsgestaltung war die Klägerin insoweit „privilegiert“, als dass ihr andere Referate und Telefondienste nicht zugewiesen werden konnten, während dies gegenüber anderen Mitarbeiter*innen möglich ist – unabhängig von der Frage, wie dies im Einzelfall angewendet werden mag. Nachdem nunmehr die bereits erwähnte vergleichbare Ausgangslage geschaffen wird, führt dies nicht dazu, dass die Klägerin etwa für unliebsame Aufgaben „exklusiv“ in Anspruch genommen werden könnte.

(a) Das insoweit entstehende Spannungsfeld zwischen privatautonomer Vereinbarung und Gleichbehandlung ist kaum zu verkennen und nur schwer auszuräumen. Grundsätzlich dürfte es vor dem Hintergrund der Vertragsfreiheit nicht angehen, besondere, vertraglich gesicherte Vereinbarungen – auch wenn sie als Privileg eingeordnet würden – über den Gleichbehandlungsgrundsatz zu unterlaufen. Vielmehr müsste sich regelmäßig, solange keine sachfremden oder diskriminierenden Erwägungen maßgeblich sind, die Individualvereinbarung durchsetzen und ihrerseits die „Ungleichbehandlung“ rechtfertigen, ja gar bedingen. Daran dürfte sich auch nicht bereits grundsätzlich dadurch etwas ändern, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht nur dem Gesetz entnommen wird, sondern Arbeitgeber*innen dies zur Unternehmerentscheidung deklarieren, um damit unliebsame Vertragsinhalte zu beseitigen und mithin die Vertragsfreiheit durch eine einseitige Gleichbehandlungspflicht übergehen.

Nicht zu Unrecht ist deshalb darauf hingewiesen worden, dass es grundsätzlichen Bedenken begegnet, wenn durch eine vermeintliche Unternehmerentscheidung mit speziellen arbeitsvertraglichen Inhalten personengenau die Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Änderungskündigung geschaffen werden könnten (LAG Köln vom 11. Dezember 2009 – 10 Sa 328/09). Richtig hat in diesem Zusammenhang auch das Bundesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass „allein“ die Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz kein dringendes Erfordernis nach § 1 Abs. 2 KSchG darstellt (vgl. BAG vom 28. April 1982 – 7 AZR 1139/79).

(b) Andererseits, und das überwiegt in der Gesamtbetrachtung für die Kammer, wäre ein mit einer bestimmten vertraglichen Vereinbarung (zu) konkret begründeter Tätigkeitsbereich ohne jede Korrekturmöglichkeit letztlich eine auch mit Blick auf die Anforderungen des genannten Gleichbehandlungsgrundsatz schwer nachzuvollziehende Ewigkeitsbindung. Eine „Ewigkeitsbindung“ an wirksame Vertragsversprechen ist nämlich auch vor dem Hintergrund der Privatautonomie selbst durchaus problematisch, wenn jedwede Änderungsmöglichkeiten ausscheiden. Nicht ohne Grund wird etwa § 626 BGB für nicht abdingbar gehalten. Solche die Vertragsfreiheit auf den ersten Blick ebenfalls berührenden Grundsätze rechtfertigen sich aus einer immanenten Begrenzung, weil „Unzumutbares niemand zugemutet werden kann“ (Henssler in MüKo-BGB, 8. Aufl. 2020, § 626 BGB Rn. 56).

Wenn Arbeitgeber*innen also grundsätzlich zur Gleichbehandlung bei der Aufstellung und Anwendung von Regeln verpflichtet sind, so ist diese immanente Schranke sowohl bei der Auslegung als auch bei der Bindungskraft von Vereinbarungen zu berücksichtigen. Arbeitgeber*innen sind gehalten, Ungleichbehandlungen zu begründen und dürfen dabei nur auf „vernünftige, einleuchtende Erwägungen“ zurückgreifen (Maschmann in BeckOGK, Stand 1. September 2018, § 106 GewO Rn. 58). Dann allerdings muss auch die Möglichkeit bestehen, dass, wenn solche Erwägungen nicht (mehr) ersichtlich sind, eine Loslösungsmöglichkeit bei (entstehender) Unzumutbarkeit zumindest im Grundsatz besteht. Dafür ist die Änderungskündigung, die gerade den Zumutbarkeitsmaßstab – für beide Vertragsparteien – zum Entscheidungskriterium erhebt, ein geeignetes Mittel.

Dies vorausgeschickt ist bei der Zumutbarkeitsprüfung sehr sensibel vorzugehen und regelmäßig einer individuellen Vereinbarung der Vorrang einzuräumen. Insoweit besteht auch kein Widerspruch zur genannten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (vom 28. April 1982 – 7 AZR 1139/79). Darin wurde festgestellt, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz eine lediglich „mittelbare Auswirkung auf die Interessenabwägung“ auch im Kündigungsrecht haben kann. Abgelehnt wurde allein die Annahme, dass sich der Arbeitgeber zur Beseitigung „bestimmter betrieblicher Sozialleistungen“ auf den Gleichbehandlungsgrundsatz zur sozialen Rechtfertigung berufen könne. Das ist auch die Überzeugung der Kammer. Allerdings dürfte daraus nicht zu schließen sein, dass Motiv einer Unternehmerentscheidung, mit der Weisungsrechte mit Blick auf weitere Tätigkeitsfelder ausgeweitet werden sollen, ausgeschlossen wären. Die Unternehmerentscheidung ist vielmehr die Regel, aus der sich ergibt, durch welche Maßnahmen (Ausweitung des Weisungsrechts) künftig Gleichbehandlung gewährleistet werden soll, bei deren Ausübung dann erneut dem Gleichbehandlungsgrundsatz genügt werden muss.

dd) Auch unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen zur sensiblen Prüfung ist die Änderungskündigung auf das begrenzt, was zur Umsetzung der Unternehmerentscheidung zwingend erforderlich ist. Die Beklagte will allgemein eine Austauschbarkeit der Rechtsanwaltsfachangestellten im Bereich aller Referate und im Bereich der Telefondienste erreichen. Dazu soll sämtlichen Mitarbeiter*innen jedes Referat im Einzelfall zugewiesen werden können, ebenso soll der Einsatz am Telefondienst und Telefonzentrale ermöglicht werden. Dies ist nur möglich, wenn der Arbeitsvertrag der Klägerin um die Begrenzung aus der Vereinbarung vom 17. Juli 2019 geändert wird. Denn die darin enthaltenen Regelungen lassen die von der Beklagten gewünschte Einsatzplanung nicht zu.

Für die Kammer ist ebenfalls entscheidend, dass die Interessen der Klägerin bei den nunmehr bestehenden Zuweisungsmöglichkeiten der Beklagten nur geringfügig betroffen sind. Es mag sein, dass sie den Arbeitsalltag als erfolgsorientierter und zugleich angenehmer empfindet, wenn kein Telefonsignal die Konzentration stört. Soweit allerdings dadurch mehr Zeit benötigt wird, als dass nach einer Telefonpause erneute Zeit für einen konzentrierten „Wiedereinstieg“ in die Sacharbeit anfällt, nimmt die Beklagte dies nach ihrer ausdrücklichen Mitteilung in Kauf und verlangt von der Klägerin nicht etwa, dass die Sacharbeit in der gleichen Zeit – unter Arbeitsverdichtung – erbracht wird. Gelegentlich auch Telefongespräche anzunehmen und weiterzuleiten ist dem Berufsbild von Rechtsanwaltsfachangestellten zuzurechnen und daher keine unzumutbare Tätigkeit. Eine übermäßige Inanspruchnahme braucht die Klägerin dabei weder rechtlich noch tatsächlich zu befürchten: Einerseits sind dem Weisungsrecht bei der Entscheidung über die Einteilung zu verschiedenen Diensten Grenzen gesetzt, wie bereits ausgeführt wurde. Ferner hat die Beklagte im Kammertermin bereits für die Kammer nachvollziehbar ausgeführt, dass sie gewillt ist, sich an die genannten Grenzen des Weisungsrechts – auch bei der Ausübungskontrolle – halten zu wollen. Auch konnte erkannt werden, dass eine Bereitschaft bestand, ggf. sogar über diese Anforderungen hinaus den persönlichen Interessen und Neigungen der Klägerin entgegenzukommen. Auch durch die Zuweisung zu anderen Referaten ist eine „Überlastung“ oder ein sonstiger Nachteil in der Tätigkeit der Klägerin nicht zu befürchten. Soweit sie mit den bisherigen Tätigkeiten, wie sie vorträgt, tatsächlich ausgelastet ist, steht keine Neuzuordnung zwingend zu befürchten und wenn, dann nur insoweit, als dies durch einen anderweitigen Ausgleich dazu führt, dass insgesamt die zugewiesene Tätigkeit im Rahmen der geschuldeten Arbeitszeit erbracht werden kann. Sollte der Arbeitsanfall tatsächlich rückläufig sein oder werden, so führt eine Neuzuweisung nicht zu einer Belastung, sondern vielmehr wieder zu einer Normalauslastung, die es der Klägerin ermöglicht, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten vollumfänglich einzubringen. Ob im Einzelfall der gebotene Ausgleich gelingt, ist freilich ebenfalls gerichtlich überprüfbar.

d) Die Kündigung ist auch unter dem Aspekt der Sozialauswahl gerechtfertigt.

aa) Anders als bei der Beendigungskündigung ist bei der betriebsbedingten Änderungskündigung die Sozialauswahl nicht an der Prüfung auszurichten, welcher von mehreren vergleichbaren Arbeitnehmer*innen durch den Verlust des Arbeitsplatzes am wenigsten hart getroffen wird. Da es bei der ordentlichen Änderungskündigung, unabhängig davon, ob Arbeitnehmer*innen sie unter Vorbehalt angenommen haben oder nicht, um die soziale Rechtfertigung des Änderungsangebotes geht, ist auch bei der sozialen Auswahl darauf abzustellen, wie sich die vorgeschlagene Vertragsänderung auf den sozialen Status der vergleichbaren Arbeitnehmer*innen auswirkt. Es ist zu prüfen, ob Arbeitgeber*innen, statt die Arbeitsbedingungen zu ändern, diese Änderung anderen vergleichbaren Arbeitnehmer*innen hätte anbieten können, denen sie in sozialer Hinsicht eher zumutbar gewesen wäre (LAG Baden-Württemberg vom 5. Januar 2007 – 7 Sa 93/06).

bb) Diese Frage stellt sich vorliegend jedoch nicht, da sämtliche vergleichbare Arbeitnehmer*innen der Beklagten über die von der Beklagten nunmehr herbeiführte „Flexibilität“ in den Arbeitsverträgen verfügen. Es ist nicht entscheidend, wie die Arbeitsaufgaben derzeit konkret zugewiesen werden. Dies ist vielmehr Aspekt des bei der Ausübung des Weisungsrechts zu berücksichtigenden billigen Ermessens, das gegenüber der Klägerin ebenso gilt wie gegenüber allen anderen Arbeitnehmer*innen. Mit der Änderungskündigung erfolgt gerade keine konkrete – insofern ggf. unterschiedliche – Arbeitszuweisung, sondern lediglich die Herbeiführung einer gleichen Vertragsgestaltung und damit einer gleichen Ausgangslage. Nachdem in Umsetzung der genannten Unternehmerentscheidung diese Gleichheit allein noch durch die Änderung des Arbeitsvertrages mit der Klägerin herbeizuführen war, kam eine Sozialauswahl nicht in Betracht.

cc) Soweit auf Frau Z. abgestellt wird, ist die Vergleichbarkeit nicht allein aufgrund der Ausbildung als Rechtsanwaltsfachangestellte gegeben. Aufgrund der Zuweisung zu Aufgaben im Rahmen der Buchhaltung ist hier eine Vergleichbarkeit nicht gegeben. Darüber hinaus würde auch eine „Nichtberücksichtigung“ von Frau Z. nicht zu einer fehlerhaften Sozialauswahl führen, sondern könnte allenfalls die Umsetzung der Unternehmerentscheidung in Frage stellen. Insoweit geht es aber nicht um Aspekte der Vergleichbarkeit und der Sozialauswahl, sondern um die Frage, ob die Unternehmerentscheidung und deren Umsetzung tatsächlich am Gleichbehandlungsgrundsatz ausgerichtet ist. Maßgeblich ist daher der Maßstab, keine sachfremden Gruppen zu bilden; insofern ist die Buchhaltungstätigkeit ein taugliches – der freien Unternehmerentscheidung zuzurechnendes – Differenzierungskriterium hinsichtlich der Gleichbehandlung bei der Referats- und Telefondienstzuteilung.

3. Nachdem der Vortrag der Klägerin als zutreffend unterstellt werden konnte und gleichwohl die Klage abzuweisen war, kamen weder eine Zurückweisung wegen Verspätung noch die Einräumung eines Schriftsatzrechts oder Schriftsatznachlasses für die Beklagte in Betracht.

III.

1. Die den Rechtsmittelstreitwert betreffende Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1

ArbGG. Der Gegenstandswert berechnet sich für die Änderungskündigung mit einem Bruttomonatsverdienst. Der Schleppnetzantrag betrifft zwar einen eigenen Streitgegenstand, wirkt aber auch bezogen auf den Rechtsmittelstreitwert nicht im Wege der Addition nach § 5 ZPO streitwerterhöhend, da das identische wirtschaftliche Ziel verfolgt wird (vgl. LAG Schleswig-Holstein vom 4. Juni 2009 – 6 Ta 106/09, juris Rn. 20).

2. Die Kosten des Rechtsstreits waren nach § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO der unterliegenden Klägerin aufzuerlegen.

3. Nachdem Gründe i. S. v. § 64 Abs. 3 ArbGG nicht vorliegen, war die Berufung nicht gesondert zuzulassen (§ 64 Abs. 3a Satz 1 ArbGG).

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