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Anspruch Arbeitnehmer auf Auszahlung Arbeitszeitguthaben bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern – Az.: 2 Sa 33/18 – Urteil vom 10.07.2018

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 04.01.2018 (5 Ca 743/17) wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses um Ansprüche auf Auszahlung eines Arbeitszeitguthabens aus einem Arbeitszeitkonto sowie um Urlaubsabgeltungsansprüche für die Jahre 2016 und 2017. Die Klägerin ist bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten auf Basis eines Arbeitsvertrages vom 03.07.1995 als kaufmännische Angestellte beschäftigt gewesen. Hinsichtlich der Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird auf Blatt 56 der Akte verwiesen. Der Arbeitsvertrag sieht vor, dass der für den Beschäftigungsort regional geltende Manteltarifvertrag sowie der entsprechend regional geltende Gehaltstarifvertrag für Arbeitnehmer des Kraftfahrzeugs-, Handwerks-, Handels- und Gewerbes in ihrer jeweils letzten Fassung Bestandteil des Vertrages sind. Im Jahre 2013 kam es zu einem Betriebsübergang auf die Beklagte, anlässlich dessen die Parteien eine Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag abschlossen. Nach dieser Änderungsvereinbarung sollen die bei der Betriebsübernahme gültigen Tarifverträge mit dem Stand des Betriebsüberganges dauerhaft statisch fortgelten (Bl. 59 der Akte).

Im September 2015 erkrankte die Klägerin langfristig und durchgängig bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Kündigung erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 17.03.2017 zum 30.04.2017. Im Kündigungsschreiben vom 17.03.2017 forderte die Klägerin die Abrechnung und Auszahlung der Urlaubsabgeltungsansprüche sowie die Auszahlung von „Mehrarbeitsstunden“. Der Klägerin war es krankheitsbedingt nicht möglich, den Jahresurlaub für 2016 sowie den anteiligen Jahresurlaub für 2017 in natura zu nehmen. Der Manteltarifvertrag für das Kraftfahrzeughandwerk, abgeschlossen zwischen der Tarifgemeinschaft Mitteldeutsche Kraftfahrzeuggewerbe e.V. und der IG Metall Bezirksleitung Küste für Mecklenburg-Vorpommern vom 14. Januar 2008 sieht in § 9 für Arbeitnehmer einen Jahresurlaub von 29 Arbeitstagen vor. Weiter sieht der Tarifvertrag ein zusätzliches Urlaubsgeld vor (§ 10 Manteltarifvertrag). Der Tarifvertrag sieht weiter eine Arbeitszeit ohne Pausen an fünf Werktagen von 37,5 Stunden je Woche vor (§ 3 Ziff. 1 a des Manteltarifvertrages).

Die Klägerin erhielt regelmäßig von ihrer Vorgesetzten, zuletzt von Frau Y. G., einen Ausdruck in Form eines Auszugs aus dem Arbeitszeitkonto überreicht. Dieser Stundenauszug führt für die Klägerin sowie weiterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein jeweiliges Stundensaldo auf und schließt basierend auf dem als Anlage K 3 (Blatt 7 der Akte) vorgelegten Ausdruck mit einem Plus-Saldo von 68,95 Stunden. Die Klägerin hat regelmäßig 40 Stunden die Woche gearbeitet. Weiterhin hat die Klägerin mindestens einmal monatlich an einem Samstag zusätzlich gearbeitet. Die Klägerin erzielte zuletzt einen monatlichen Bruttoverdienst von 2.027,96 € (Blatt 2 der Akte). In den Abrechnungen der Klägerin ist regelmäßig ein Urlaubsanspruch von 29 Tagen vermerkt.

Mit der am 18.05.2017 zugestellten Klage begehrte die Klägerin in der ersten Instanz 3.650,40 € Urlaubsabgeltung (berechnet auf Basis von 29 Urlaubstagen für das Jahr 2016 und 10 Urlaubstagen für das Jahr 2017 bei 40 Wochenstunden, verteilt über fünf Arbeitstage, was einen Betrag von 11,70 die Stunde ergibt). Weiterhin begehrte die Klägerin erstinstanzlich die Vergütung von 80,95 € Mehrarbeitsstunden, welche zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis im Arbeitszeitkonto vorhanden waren, insgesamt also 947,12 €. Im Kammertermin der ersten Instanz am 09.11.2017 erschien die ordnungsgemäß geladene Beklagte nicht, so dass ein klagstattgebendes Versäumnisurteil erging (Blatt 85 – 87 der Akte). Gegen dieses Versäumnisurteil legte die Beklagte rechtzeitig Einspruch ein.

Die Klägerin hatte zuletzt erstinstanzlich beantragt, den Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichtes Schwerin unter Aufrechterhaltung dieses Versäumnisurteil zurückzuweisen.

Die Beklagte hatte beantragt, das Versäumnisurteil vom 09.11.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat in der ersten Instanz vorgetragen, die Klägerin habe regelmäßig 37,5 Stunden die Woche gearbeitet. Die Beklagte hat hierzu die Meinung vertreten, die Klägerin habe als „Gehaltsempfängerin“ keine Mehrarbeit geleistet. Die Beklagte bestreitet, dass es eine Vereinbarung hinsichtlich eines Arbeitszeitkontos gebe. Die Beklagte meinte, dass die gesetzlichen Urlaubsregelungen durch Tarifverträge nicht abgeändert würden und bestreitet die Kenntnis der dem Arbeitsvertrag zugrunde liegenden Tarifverträge. Weiterhin vertritt die Beklagte erstinstanzlich die Ansicht, dass lediglich 24 Urlaubstage abzugelten seien.

Mit dem am 04.01.2018 verkündeten und der Beklagten am 16.02.2018 zugestellten Urteil hat das Arbeitsgericht Schwerin folgende Entscheidung getroffen:

1. Das Versäumnisurteil vom 09.11.2017 bleibt in Punkt 1. in Höhe von 4.457,12 Euro nebst Zinsen aufrechterhalten.

2. Im Übrigen wird das Versäumnisurteil vom 09.11.2017 aufgehoben.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Beklagte trägt die Kosten ihrer Säumnis am 09.11.2017. Die übrigen Kosten des Rechtsstreites tragen die Klägerin zu 17 Prozent und die Beklagte zu 83 Prozent.

5. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.597,52 Euro festgesetzt.

6. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Das Arbeitsgericht Schwerin begründet seine Entscheidung im Wesentlichen zusammengefasst wie folgt:

Der Klägerin stehe ein Urlaubsanspruch von 29 Urlaubstagen zu. Dies ergebe sich aus dem wirksam in den Vertrag einbezogenen Manteltarifvertrag. Aus diesem Grund seien für 2016 29 Urlaubstage und für 2017 rechnerisch eine Anzahl von 9,7 Urlaubstagen, welche auf 10 Urlaubstage aufgerundet würden, anzusetzen. Der Urlaub sei weder nach arbeitsvertraglichen Regelungen verfallen noch aufgrund der gesetzlichen Verfallsfrist entsprechend § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz. Das Arbeitsgericht führt diesbezüglich aus, dass im Falle einer Dauererkrankung ein Verfall von Urlaub mit dem Ablauf des ersten Quartals eines Jahres nur dann in Betracht käme, wenn der Urlaub älter als 15 Monate wäre. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe sich der Urlaub in einen Urlaubsabgeltungsanspruch gewandelt (§ 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz). Die seitens der Klägerin geltend gemachten Urlaubsabgeltungsansprüche seien daher in vollem Umfang zuzusprechen.

Hinsichtlich des Auszahlungsanspruches aus dem Arbeitszeitkonto führt das Arbeitsgericht aus, dass die Parteien jedenfalls Überstunden „festgehalten“ hätten. Da allein die Klägerin eine Überstundenübersicht vorgelegt hätte und die Beklagte hierauf geschwiegen hätte, sei von deren Richtigkeit auszugehen. Abzuziehen seien aber die handschriftlich für Juli und August 2015 von der Klägerin in diese Aufstellung eingetragenen Mehrarbeitsstunden. Im Hinblick auf diese insgesamt zwölf Mehrarbeitsstunden wies das Arbeitsgericht die Zahlungsklage ab.

Mit der am 13.03.2018 vorab per Telefax eingegangenen Berufung wendet sich die Beklagte gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Schwerin. Sie führt in der rechtzeitig mit Schriftsatz vom 16.04.2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Berufungsbegründung unter Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag aus, dass ihrer Auffassung nach der Urlaubsabgeltungsanspruch lediglich den gesetzlichen Mindesturlaub von 24 Werktagen im Jahr umfasse. Etwaige darüber hinausgehende Urlaubsabgeltungsansprüche sind nach Ansicht der Beklagten verfallen. Im Hinblick auf die Zahlungsansprüche auf Auszahlung des Guthabens im Arbeitszeitkonto behauptet die Beklagte, dass ein solches nicht vereinbart worden sei. Die Klägerin sei Gehaltsempfängerin gewesen und ein Arbeitszeitkonto sei für die Klägerin nicht geführt worden. Die Klägerin habe im Weiteren auch nicht vorgetragen, dass sie Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet habe. Zu der seitens der Klägerin vorgelegten, von der Mitarbeiterin und Vorgesetzten der Klägerin, Frau G., übergebenen Aufstellung erklärt die Beklagte nichts.

Die Beklagte beantragt in der Berufung:

Das Versäumnisurteil vom 09.11.2017 in Punkt 1 aufzuheben, soweit die Beklagte zur Zahlung von mehr als 2.995,40 Euro verurteilt wurde und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin nimmt dabei Bezug auf ihre erstinstanzlichen Ausführungen. Sie hält das Urteil für zutreffend. Die Klägerin behauptet, die Mehrarbeit sei durch Sonnabendschichten im Umfang von jeweils vier Stunden angefallen. Zwischen den Parteien sei vereinbart worden, ein Stundenkonto zu führen. Die Klägerin habe einen Auszug aus dem Stundenkonto, welches ihr von der Beklagten überreicht worden sei, vorgelegt.

Hinsichtlich des Weiteren wechselseitigen Vortrages der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, insbesondere die Berufungsbegründung vom 16.04.2018 (Blatt 166 der Akte) sowie die Berufungserwiderung vom 23.04.2018 (Blatt 176 f der Akte) sowie die Sitzungsniederschriften verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG. Die Berufung ist von der Beklagten form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO). Der Berufungswert ist überschritten.

II.

Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klägerin in dem zuerkannten Umfang zu Recht Ansprüche auf Zahlung gegen die Beklagte zugesprochen. Die erkennende Kammer folgt insoweit den zutreffenden und überzeugenden Ausführungen des Arbeitsgerichtes. Zur Vermeidung von Wiederholungen werden gem. § 69 Abs. 2 ArbGG nachfolgend die Entscheidungsgründe lediglich zusammenfassend dargestellt. Die Beklagte hat zweitinstanzlich keine wesentlichen Gesichtspunkte vorgetragen, die Anlass zu einer anderen rechtlichen Beurteilung geben.

1.

Zwischen den Parteien ist infolge der arbeitsvertraglichen Bezugnahme des Manteltarifvertrages für das Kraftfahrzeughandwerk in Mecklenburg-Vorpommern ein Jahresurlaub von 29 Urlaubstagen vereinbart. Dieser vertraglich vereinbarte Jahresurlaub ist im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach den tarifvertraglichen Regeln und – soweit diese wie vorliegend keine gesonderten Regeln vorsehen – nach den Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes abzugelten.

2.

Wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, besteht weder eine arbeitsvertragliche Verfallsregelung hinsichtlich des Urteils noch eine solche, die sich aus dem Tarifvertrag ergeben würde. In Betracht käme damit allenfalls ein Verfall des Urlaubes nach den Regelungen des § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz. Mit dieser gesetzlichen Regelung muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. In diesem Fall der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden. Entsprechend dieser gesetzlichen Regelung wäre der Jahresurlaub aus dem Jahr 2016 mit dem Ablauf des 31.03.2017 verfallen.

a)

Vorliegend war die Arbeitnehmerin, die Klägerin, aber über den Jahreswechsel hinaus und über den 31.03.2017 hinaus arbeitsunfähig erkrankt. Infolge der Entscheidung Schulz-Hoff des EuGH vom 20. Januar 2009 (C-350/06 und C-520/06; Rn. 42 ff) ist der gesetzliche Mindesturlaub nicht nach § 7 Abs. 3 Satz 3 Bundesurlaubsgesetz befristet, wenn der Arbeitnehmer dauerhaft arbeitsunfähig ist. In diesem Fall ist der Mindesturlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – unabhängig von der Erfüllbarkeit des Freistellungsanspruches in einem gedachten fortbestehenden Arbeitsverhältnis – nach § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz abzugelten (vgl. BAG, Urteil vom 23. März 2010, 9 AZR 128/09, Rn. 70; BAG, Urteil vom 24. März 2009, 9 AZR 983/07, Rn. 47; BAG, Urteil vom 4. Mai 2010, 9 AZR 183/09, Rn. 18). Diese Erkenntnisse hat das Bundesarbeitsgericht für Arbeitsverhältnisse mit privatrechtlich organisierten Arbeitgebern aus einer Rechtsfortbildung von § 7 Abs. 3 und 4 Bundesurlaubsgesetz anhand der Vorgaben in Artikel 7 der Arbeitszeitrichtlinie (Richtlinie 2003/88 Nr. 1) gewonnen. § 7 Abs. 3 und 4 Bundesurlaubsgesetz sind danach so zu verstehen, dass gesetzliche Urlaubsansprüche nicht erlöschen, wenn Arbeitnehmer bis zum Ende eines Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraumes erkrankt und deswegen arbeitsunfähig sind. Dies entspricht in Wortlaut, Systematik und Zweck der Regelung, wenn die Ziele des Artikels 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2003/88/EG und der regelmäßig anzunehmende Wille des nationalen Gesetzgebers zur ordnungsgemäßen Umsetzung von Richtlinien berücksichtigt werden (vgl. BAG, Urteil vom 4. Mai 2010, 9 AZR 183/09, Rn. 19).

b)

Der Anspruch der Klägerin auf Abgeltung des gesetzlichen Vollurlaubs für das Jahr 2016 und des anteiligen Urlaubs für das Jahr 2017 ist mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.04.2017 damit als reiner Geldanspruch entstanden. Diese auf eine finanzielle Vergütung im Sinne von Artikel 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie gerichtete Forderung bleibt in ihrem Bestand davon unberührt, das die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin über das Ende des Übertragungszeitraumes am 31. März 2017 hinaus fortdauerte.

3.

Auch der Anspruch der Klägerin auf Abgeltung des vertraglichen Mehrurlaubes (29 statt 20 Arbeitstage auf Basis einer 5-Tage-Woche) ist nicht untergegangen, so dass der komplette Jahresurlaub für 2016 abzugelten ist.

a)

Zwar ist anzunehmen, dass Vertragsparteien Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von Artikel 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gewährleisteten und vom §§ 1, 3 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln können. Insoweit ist die Regelungsmacht der Vertragsparteien und Tarifvertragsparteien nicht durch die für gesetzliche Urlaubsansprüche erforderliche richtlinienkonforme Fortbildung des § 7 Abs. 3 und 4 Bundesurlaubsgesetz beschränkt. Einen tariflich angeordneten Verfall des übergesetzlichen, über den gesetzlichen Jahresurlaub hinaus gehenden Urlaubsanspruches und seine Abgeltung steht nach dem Europäischen Richtlinienrecht und der gesicherten Rechtsprechung des EuGH kein Unionsrecht entgegen (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 24. März 2009, 9 AZR 983/07, Rn. 81 ff.; BAG Urteil vom 23. März 2010, 9 AZR 128/09, Rn. 19 ff.).

b)

Auf die von der Beklagtenseite ins Spiel gebrachte Differenzierung zwischen gesetzlichen Mindesturlaubsansprüchen unter darüber hinausgehenden arbeits- oder tarifvertraglichen Urlaubsansprüchen kommt es entscheidungserheblich aber nicht an.

aa)

Zunächst ist festzuhalten, dass weder der Arbeitsvertrag noch der Tarifvertrag zwischen gesetzlichen und darüber hinausgehenden Urlaubsansprüchen differenziert. In ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes ist anerkannt, dass für einen Regelungswillen der Parteien des Einzelarbeitsvertrages, der zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen vertraglichen Ansprüchen unterscheidet, im Rahmen der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB deutliche Anhaltspunkte für eine entsprechende Differenzierung bestehen müssen. Regel ist insofern der Gleichlauf des Verfalls der (gesetzlichen und [tarif-]vertraglichen) Ansprüche. Ausnahme ist ihr unterschiedliches rechtliches Schicksal (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 4. Mai 2010, 9 AZR 183/09, Rn. 25).

bb)

Im vorliegenden Fall ist ein vom Gesetzesrecht abweichender Regelungswille der Vertragsparteien oder der Tarifvertragsparteien nicht zu erkennen. Sowohl der Arbeitsvertrag als auch der Tarifvertrag differenzieren nicht zwischen den gesetzlichen und den vertraglichen Urlaubsansprüchen. Es ist lediglich ein Gesamturlaubsanspruch von 29 Urlaubstagen festgehalten. Es finden sich keine eigenständigen Regeln für die Gewährung und die Abgeltung des vertraglichen Mehrurlaubsanspruches.

Der Anspruch auf die Abgeltung des Gesamturlaubes nimmt daher mittelbar an der richtlinienkonformen Fortbildung von § 7 Abs. 3 und 4 Bundesurlaubsgesetz teil. Der Abgeltungsanspruch besteht fort, obwohl die Klägerin über das Ende des Übertragungszeitraumes am 31. März 2017 hinaus arbeitsunfähig erkrankt war. Der Abgeltungsanspruch beläuft sich, wie vom Arbeitsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, auf 3.650,40 €.

4.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auszahlung des Zeitguthabens auf dem für sie geführten Arbeitszeitkonto. Die Feststellungen des Arbeitsgerichtes hierzu sind ebenfalls keinerlei Rechtsfehlern ausgesetzt.

a)

Zwar enthält der Arbeitsvertrag der Parteien keine Festlegungen hinsichtlich eines zu führenden Arbeitszeitkontos. Die regelmäßig von der Beklagten an die Klägerin überlassenen Stundenaufstellungen belegen aber, dass die Beklagte die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter – nicht nur der Klägerin – erfasste und saldierte. Die Klägerin hat insoweit unwidersprochen vorgetragen und in der Kammerverhandlung bestätigt, dass die tabellarischen Zeitaufzeichnungen ihr von ihrer Vorgesetzten ausgehändigt worden. Die tabellarischen Aufzeichnungen enthalten nicht nur Zeiten für die Klägerin, sondern auch Zeiten für weitere Mitarbeiter, wobei die jeweiligen Zeitsalden über die Monate und Jahre jeweils auf die Folgezeiträume übertragen wurden.

b)

Es besteht keinerlei Veranlassung, die Ausführungen der Klägerin hierzu in Zweifel zu ziehen. Die Beklagte, deren Geschäftsführer im Kammertermin trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen war, war nicht in der Lage, zu dem insoweit substantiierten Vortrag der Klägerseite zur Erfassung der Arbeitszeit, aber auch zur jeweiligen schriftlichen Information über den Stand des Arbeitszeitkontos durch die Beklagte bzw. deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Stellung zu nehmen. Der Vortrag der Klägerseite gilt insoweit gem. § 138 ZPO als zugestanden. Das gleiche gilt im Hinblick auf die Behauptung der Klägerseite, dass regelmäßig im Rahmen einer 40-Stunden-Woche gearbeitet wurde.

Da also zwischen den Parteien das Arbeitszeitkonto als vereinbart gilt, hat die Beklagte das in diesem Konto vorhandene Arbeitszeitguthaben bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses an die Klägerin auszuzahlen. Da dieses Zeitguthaben nur in anderer Form den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers ausdrückt, genügt für die Schlüssigkeit einer Klage, die auf Ausgleich des Guthabens auf einem Arbeitszeitkonto gerichtet ist, dass der Arbeitnehmer die Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos und das Guthaben zum vereinbarten Auszahlungszeitpunkt darlegt (vgl. BAG, Urteil vom 13. Februar 2002, 5 AZR 470/00, NZR 2002, 683). Dem entsprechend ist es nicht erforderlich, dass der Arbeitnehmer die einzelnen Tage oder Tageszeiten, für die er weitere Arbeitsvergütung fordert, bezeichnet. Weil er keine Ansprüche auf Vergütung einzelner Überstunden geltend macht, sondern die Auszahlung des Zeitguthabens eines Arbeitszeitkontos, bedarf es darüber hinaus nicht der Darlegung, dass die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleisteten Stunden auf Anordnung oder mit Duldung und Billigung des Arbeitgebers geleistet worden sind. Notwendig ist allein die schlüssige Darlegung des Arbeitszeitguthabens, das auf dem Arbeitszeitkonto bestehen soll (ebenso, LAG Hamm, Urteil vom 2. Juli 2013, 14 Sa 1706/12, Rn. 54).

Im vorliegenden Fall steht aufgrund des vorgelegten Auszuges aus dem Arbeitszeitkonto jedenfalls bis Ende Juni 2015 fest, dass dort ein Arbeitszeitguthaben in Höhe von 68,95 Stunden aufgelaufen ist. Weiterhin steht infolge des insoweit schlüssigen Vortrages der Klägerin zudem fest, dass in den Folgemonaten Juni, Juli und August jedenfalls keine negativen Stunden aufgelaufen waren. Diesbezüglich ist zudem festzuhalten, dass die Beklagte etwaige Einwendungen gegen die Richtigkeit des Ausdrucks aus dem Arbeitszeitkonto hätte einwenden müssen. Dies ist nicht geschehen.

Nach alledem erweist sich das Urteil des Arbeitsgerichtes als richtig.

III.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 ZPO. Damit hat die unterliegende Beklagte die Kosten der Berufung zu tragen.

Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass. Sämtliche Rechtsfragen sind geklärt. Die Entscheidung steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes und differiert auch nicht von der Rechtsprechung anderer Landesarbeitsgerichte.

 

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