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Interessenausgleich mit Namensliste bei betriebsbedingte Kündigung

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 3 Sa 429/19 – Urteil vom 18.05.2020

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 17.10.2019 – Az.: 2 Ca 371/19 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer ordentlichen betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung sein Ende gefunden hat, oder aber nicht, sowie darüber, ob dem Kläger gegenüber der Beklagten noch Zahlungsansprüche zustehen.

Der 1961 geborene, verheiratete Kläger war seit dem 01.08.1976 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Die Beklagte, die Gussteile aus Eisen herstellt und vertreibt, beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer. Der Kläger wurde zunächst als Modellschreiner eingestellt, seit dem 01.12.1995 war er im kaufmännischen Bereich auf wechselnden Arbeitsplätzen tätig. Zuletzt war er seit dem 01.03.2010 als „Sachbearbeiter im Bereich Technik, Fertigungssteuerung/Produktionscontrolling“ beschäftigt und dem Bereich „Auftragszentrum Maschinenformguss (MaFG) und Handformguss/Mittelformguss (HFG/MiFG)“ zugeordnet. Nach Ziffer 1.2 des Arbeitsvertrages vom 11./12.02.2010 können dem Arbeitnehmer, ohne dass es einer Kündigung bedarf, auch andere zumutbare Tätigkeiten übertragen werden. Bei einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 7ERA hat der Kläger zuletzt ein durchschnittliches Bruttomonatsentgelt in Höhe von 3.659,07 € erzielt.

Am 00.00.2019 wurde über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren unter Anordnung der Eigenverwaltung eröffnet.

Am 13.03.2019 hat die Beklagte mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat einen Interessenausgleich und einen Sozialplan vereinbart. Nach dem Interessenausgleich entfallen im Bereich „Auftragszentrum MaFG und HFG/MiFG“ drei von sieben Stellen. Der Interessenausgleich enthält eine Liste, in der die insgesamt 40 zu kündigenden Arbeitnehmer aufgeführt sind. Auch der Name des Klägers steht auf dieser Liste. Den angebotenen Wechsel in eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft hat der Kläger abgelehnt.

In der Präambel des Interessenausgleichs ist ausgeführt, dass zukünftig keine Werkverträge mehr an Fremdfirmen vergeben werden. Stattdessen wird die Beklagte danach eine nichttarifgebundene Tochterfirma, die E. S. GmbH, gründen, die die bisher als Werkvertrag ausgelagerten Aufgabenbereiche, insbesondere die Bereiche Sandstrahlen, Putzen und Pforte, zukünftig übernehmen soll. Dabei handelt es sich um einfache Tätigkeiten. Es soll insoweit ein gemeinsamer Betrieb gebildet werden. Die E. S. GmbH wurde am 00.00.2019 gegründet und ist am 00.00.2019 im Handelsregister eingetragen worden.

Am 00.00.2019 hat die Beklagte eine Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit eingereicht.

Mit Schreiben vom 27.03.2019 hat die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.06.2019 gekündigt. Dagegen wendet sich der Kläger mit der am 15.04.2019 beim Arbeitsgericht eingereichten, der Beklagten am 26.04.2019 zugestellten Kündigungsschutzklage.

Mit Bescheid vom 28.05.2019 wurde der Kläger rückwirkend zum Zeitpunkt der Antragstellung, dem 15.03.2019, einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.

Der Kläger hat vorgetragen, das Kündigungsschreiben habe er am 01.04.2019 aus seinem Briefkasten genommen.

Seit 1996 sei er auf einem Schwerbehindertenarbeitsplatz tätig. Da er bereits 2003 einen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter gestellt habe, seien der Beklagten seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen bekannt gewesen.

Er bestreitet das wirksame Zustandekommen von Interessenausgleich und Sozialplan. Sein Arbeitsplatz sei nicht entfallen.

Die Beklagte habe auch keine ordnungsgemäße Sozialauswahl durchgeführt. Die in seinem Bereich beschäftigten Arbeitnehmer hätten vergleichbare, zum Teil identische Arbeiten wie er ausgeübt und vertreten sich gegenseitig. Er sei, was unstreitig ist, in der Vergangenheit auch als Personalsachbearbeiter, in den Bereichen kaufmännische Verwaltung, Wareneingang und Lager sowie Materialwirtschaft eingesetzt worden. Aufgrund seiner umfassenden Qualifikationen könnten ihm auch andere Arbeiten übertragen werden. Die Beklagte arbeite insbesondere die Arbeitnehmerin J. B., die keine kaufmännische Ausbildung habe, auf dem Arbeitsplatz von Herrn Wa. S. ein. Die Beklagte habe ihm unstreitig während des Verfahrens die Stelle eines Formers im Mittelformguss mit EG5 angeboten, was zeige, dass durchaus freie Stellen vorhanden gewesen seien. Die Beklagte hätte ihm die vollständige Mitarbeiterliste vorlegen und die Vergleichsgruppenbildung erläutern müssen. Die Mitarbeiter der E. S. GmbH verrichteten schließlich alle Tätigkeiten, die er auch ausüben könne. Alle Arbeitnehmer eines gemeinsamen Betriebes seien in die Sozialauswahl einzubeziehen.

Er bestreite, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden sei.

Hilfsweise stehe ihm jedenfalls die Abgeltung für 26 Urlaubstage aus dem Kalenderjahr 2019 sowie die Auszahlung von 12,45 Mehrarbeitsstunden zu.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Prozessparteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 27.03.2019 aufgelöst wurde, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht,

hilfsweise,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.654,20 € brutto nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 27.09.2019 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, das Kündigungsschreiben sei dem Kläger am 28.03.2019 per Boten durch Einwurf in seinen Hausbriefkasten zugestellt worden.

Die Kündigung sei aufgrund einer Betriebsänderung in Form von erheblichem Personalabbau ausgesprochen worden. Sie habe zuletzt 183 Arbeitnehmer beschäftigt.

Die Soziallauswahl sei innerhalb des Bereichs „Auftragszentrum MaFG und HFG/MiFG“ ordnungsgemäß erfolgt. Die Arbeitnehmerinnen S. A. und C. K. seien ebenfalls entlassen worden. Mit den sonstigen Arbeitnehmern dieses Bereichs sei der Kläger nicht vergleichbar. Die Mitarbeiter Wa. S. (AT) und Wo. S. (EG11) seien Leiter des Auftragszentrums, der Mitarbeiter M. C. (EG11) Leiter des Modellbaus Handformguss. Die Arbeitnehmerin E.-M. S. sei gelernte Industriekauffrau und könne anders als der Kläger flexibel alle Tätigkeiten in den Bereichen Disposition, Vertriebsinnendienst, Qualitätsmanagement, Preispflege MDZ und Produktionsplanung ausführen. Der Kläger verfüge zudem nicht über die für die Kundenabwicklung unabdingbaren Englischkenntnisse. Die Arbeitnehmerin B. sei derzeit in EG5 eingruppiert; es sei nicht beabsichtigt, dass Herr Wa. S. in den nächsten Jahren in Rente gehe. Mit anderen kaufmännischen Arbeitnehmern sei der Kläger nicht vergleichbar. Die Sozialauswahl finde entgegen der Darstellung des Klägers keineswegs unternehmen übergreifend statt. Die E. S. GmbH habe ihren Betrieb ohnehin erst im April 2019 aufgenommen.

Das Verfahren nach § 102 BetrVG habe sie, die Beklagte, mit den Verhandlungen mit dem Betriebsrat zum Interessenausgleich verbunden. Sie habe in diesem Zusammenhang den Betriebsrat umfassend über die Restrukturierungsmaßnahmen, das Personalkonzept und die Personalbedarfsplanung unterrichtet. Der Betriebsrat habe eine Liste mit den Sozialdaten und Tätigkeiten aller Mitarbeiter erhalten.

Das Arbeitsgericht Trier hat daraufhin durch Urteil vom 17.10.2019 – 2 Ca 371/19 – die Beklagte verurteilt, an den Kläger 2.124,58 € brutto nebst Zinsen zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen. hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 210 bis 224 d.A. Bezug genommen.

Gegen das ihm am 30.10.2019 zugestellte Urteil hat der Kläger durch am (Montag, den) 02.12.2019 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 30.01.2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf seinen begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 18.12.2019 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 30.01.2020 einschließlich verlängert worden war.

Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, er, der Kläger, habe die Kündigung nicht am 28. oder 29.03., sondern erst am 01.04.2019 aus dem Briefkasten genommen.

Das Vorbringen der Beklagten betreffend wirtschaftliche Schwierigkeiten, Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich und Sozialplan im vorläufigen Insolvenzverfahren, die Vorlage einer Liste aller Mitarbeiter der Beklagten dem Betriebsrat gegenüber, deren persönliche Daten ausgewiesen habe, dass sich Betriebsrat und Arbeitgeber auf die Namensliste geeinigt hätten, dass an der Erörterung im Rahmen des Interessenausgleichs Schwerbehindertenvertreter teilgenommen hätten, bleibe bestritten. Gleiches gelte dafür, dass eine wirksame Anhörung des Betriebsrats zu den Kündigungen erfolgt sei. Ob die Betriebsparteien einen Sozialplan vereinbart hätten, könne dahingestellt bleiben. Richtig sei, dass der Kläger in der Namensliste der zu kündigenden Arbeitnehmer aufgeführt worden sei.

Der Kläger sei schon Jahre zuvor auf einen Schwerbehindertenarbeitsplatz versetzt worden; nach dem Gleichstellungsantrag 2003 habe die Beklagte aufgrund der starken gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers erklärt, dieser (neue) Arbeitsplatz sei nicht gefährdet. Der Kläger sei zudem nach wie vor in der Lage, Schichtdienste auszuführen. Unzutreffend sei, dass der Kläger mit den übrigen Mitarbeitern in dem Bereich „Auftragszentrum MaFG und HFG/MFG“ nicht vergleichbar sei. Diese Personen übten vergleichbare, zum Teil identische Arbeiten wie der Kläger bei gegenseitigen Vertretungen aus. Bestritten bleibe, dass der Kläger nicht auf der Arbeitsstelle von Frau E.-M. S. einsetzbar sei. Offen bleibe, warum der Kläger im Gegensatz zu Frau S. nicht vielseitig bei der Beklagten einsetzbar sei. Der Kläger sei als gelernter Modelltischler zur Beklagten gekommen, in diesem Beruf bei der Beklagten tätig gewesen und habe durch Ausbildung weitere zusätzliche Qualifikationen erlangt (s. S. 7 der Berufungsbegründungsschrift = Bl. 275 d.A.). Infolgedessen sei der Kläger vielfältig eingesetzt worden (S. 7, 8 der Berufungsbegründungsschrift = Bl. 275, 276 d.A.). Folglich könne der Kläger fachlich uneingeschränkt auch für andere Arbeiten eingesetzt werden. Warum darüber hinaus vergleichbare Mitarbeiter in den Bereichen des Betriebes nicht existierten, erschließe sich nicht. Insbesondere übernommene Mitarbeiter (s. S. 8 der Berufungsbegründungsschrift = Bl. 276 d.A.) in unterschiedlichen Bereichen den über Jahre vom Kläger ausgeführten Tätigkeiten ähnliche – vergleichbare Arbeiten aus. Es treffe nicht zu, dass der Kläger nicht auf einen anderen, vergleichbaren Arbeitsplatz im Unternehmen weiterbeschäftigt werden könne.

Dem Betriebsrat seien nicht alle den Kläger betreffenden Aspekte mitgeteilt worden, insbesondere nicht seine Schwerbehinderung bzw. seine bereits bekannte erhebliche Behinderung, für die bereits 2003 ein Gleichstellungsantrag gestellt gewesen sei. Es treffe nicht zu, dass die Beklagte den Betriebsrat über dringende betriebliche Erfordernisse informiert habe, die der Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstünden. Der Betriebsrat habe auf der Grundlage der avisierten Vergleichsgruppen keine angemessene Sozialauswahl durchführen können. Der Kläger bestreite zudem, dass die Fremdmitarbeiter der Firma T. D. E. GmbH über Werkverträge bei der Beklagten eingesetzt worden seien. Vielmehr hätten diese zusammen mit dem Kläger und seinen Kollegen in den entsprechenden Bereichen gearbeitet. Der Arbeitsplatz des Klägers entfalle in Zukunft nicht, vielmehr werde gemäß dem unternehmerischen Konzept ein gemeinsamer Betrieb zwischen der Beklagten und der E. S. GmbH geführt. Die Mitarbeiter der E. S. GmbH verrichteten in Zukunft alle Tätigkeiten, die der Kläger ebenfalls ausüben könne. Die Beklagte habe weder hinlänglich noch nachvollziehbar ihre Sozialauswahl erläutert. Mangels ordnungsgemäßer Auskunftserteilung könne somit nicht von einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl ausgegangen werden. Vielmehr sei diese grob fehlerhaft gewesen.

Mit dem Zahlungsantrag beansprucht der Kläger vorsorglich Urlaubsabgeltung für das gesamte Kalenderjahr. Eine Kappung für das erste Halbjahr greife aufgrund des Zugangs der Kündigung erst am 01.04.2019 nicht.

Insgesamt seien die Mitarbeiter Wa. S., M. C., E.-M. S. und J. B. mit dem Kläger vergleichbar (Schriftsatz vom 11.05.2020 Bl. 351 – 353 d.A.).

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 30.01.2020 (Bl. 269 – 281 d.A.) sowie seinen Schriftsatz vom 11.05.2020 (Bl. 351 – 353 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 17.10.2019 – 2 Ca 371/19 – wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a) Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Prozessparteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 27.03.2019 aufgelöst wurde, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

b) Die Beklagte wird hilfsweise verurteilt, an den Kläger 4.654,20 € brutto nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 17.10.2019 – 2 Ca 371/19 – zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, die Kündigung sei durch die Botin Frau A. L. am 28.03.2019 in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen worden. Der Kläger behaupte insoweit lediglich, dass er die Kündigung erst am 01.04.2019 aus dem Briefkasten genommen habe und ihm unbekannt sei, ob sie per Boten am 28.03.2019 in seinen Briefkasten eingeworfen worden sei. Soweit der Kläger erstmals in der Berufungsbegründung bestreite, dass die Kündigung am 28.03.2019 in den Briefkasten des Klägers geworfen worden sei, sei dieses Bestreiten unsubstantiiert. Frau L. habe am fraglichen Tag sämtliche Kündigungen persönlich durch Einwurf den Briefkasten der jeweiligen Arbeitnehmer zugestellt (s. S. 3, 4 der Berufungserwiderungsschrift = Bl. 327, 328 d.A.). Den Einwurf habe Frau L. fotografiert; die den Einwurf dokumentierenden Fotos seien Frau A. am 29.03.2019 per E-Mail zugesendet worden (s. Bl. 345 d.A.).

Die Ausführungen des Klägers zur Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen seien unerheblich. Denn er habe die Frist der §§ 173 Abs. 3, 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX nicht gewahrt. Der Kläger sei zudem nicht auf einen „Schwerbehindertenarbeitsplatz“, sondern auf einem normalen Büroarbeitsplatz beschäftigt gewesen.

Soweit das Vorbringen hinsichtlich der Wirksamkeit von Interessenausgleich und Namensliste lediglich bestritten werde, sei dies unbeachtlich, denn beide Urkunden habe die Beklagte bereits im erstinstanzlichen Rechtszug (s. Bl. 76 ff. d.A.) vorgelegt. Insgesamt genüge einfaches Bestreiten des Klägers nicht. Hinsichtlich des Vorbringens der Beklagten betreffend das Zustandekommen von Interessenausgleich und Namensliste wird auf S. 6 – 8 der Berufungserwiderungsschrift = Bl. 330 – 332 d.A. Bezug genommen.

Die von der Beklagten vorgenommene Sozialauswahl lasse nicht die gesetzlich geforderte grobe Fehlerhaftigkeit erkennen. Auch insoweit sei das Vorbringen des Klägers unverständlich; die Mitarbeiterinne Frau A. und Frau K. seien gekündigt worden; im Anschluss daran seien dreiseitige Verträge zwischen diesen Mitarbeiterinnen mit der Beklagten und der Transfergesellschaft abgeschlossen worden, die die Beklagte bereits im erstinstanzlichen Rechtszug vorgelegt habe (s. Bl. 188 ff d.A.). die Mitarbeiter Herr Wo. S., Wa. S. und M. C. seien mit dem Kläger nicht vergleichbar. Auch insoweit fehle jegliches tatsächliche Vorbringen des Klägers; zur weiteren Darstellung der Beklagten insoweit wird auf S. 9 – S. 11 der Berufungserwiderungsschrift = Bl. 333 – 335 d.A. Bezug genommen. Die vorübergehende Vertretung eines Mitarbeiters auf einer höheren Betriebsebene z.B. bei Urlaub oder Krankheit, führe nicht zur Vergleichbarkeit der Mitarbeiter. Auch im Hinblick auf Frau E.-M. S. gelte nichts Anderes; hinsichtlich der weiteren Ausführungen der Beklagten insoweit wird auf S. 11 – S. 13 der Berufungserwiderungsschrift = Bl. 335 – 337 d.A. Bezug genommen. Nichts Anderes gelte betreffend die Mitarbeiterin J. B. (s. S. 13, 14 der Berufungserwiderungsschrift = Bl. 337, 338 d.A.). Schließlich sei nicht geplant, dass Herr Wa. S. in den nächsten Jahren in Rente gehe. Die Arbeitnehmer der T. D. E. GmbH seien nicht zu berücksichtigen gewesen; hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten wird auf S. 14 – 16 der Berufungserwiderungsschrift = Bl. 338 – 340 d.A. Bezug genommen.

Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden; hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten insoweit wird auf S. 16 – 18 der Berufungserwiderungsschrift = Bl. 340 – 342 d.A. Bezug genommen.

Schließlich bestehe ein Urlaubsabgeltungsanspruch in der vom Kläger geltend gemachten Höhe nicht.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 23.03.2020 (Bl. 325 – 342 d.A.) nebst Anlagen (Bl. 343 – 345 d.A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 18.05.2020.

Entscheidungsgründe

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist zwar form- und fristgerecht eingelegt worden; allerdings genügt die Berufungsbegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen, so dass die Berufung bereits unzulässig ist.

Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Begründung der Berufung auch im Urteilsverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen anwendbar.

Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die Regelung des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungskläger die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und aus welchen Gründen er das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Dadurch soll bloß formelhaften Berufungsbegründungen entgegengewirkt werden. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den Streitfall zugeschnitten sein. Eine schlüssige Begründung kann zwar nicht verlangt werden. Jedoch muss sich die Berufungsbegründung mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 23.11.2017 – 8 AZR 458/16; 26.04.2017- 10 AZR 275/16; 27.12.2016 – 2 AZR 613/14; 19.02.2013 – 9 AZR 543/11; 16.05.2012 – 4 AZR 245/10 -; 18.05.2011 – 4 AZR 552/09 -; BAG 15.03.2011 – 9 AZR 813/09 – Rn. 11, m. w. N., AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 44; BGH 22.01.2019 – XI ZB 9/18; LAG Rheinl.-Pfalz 25.09.2017 – 3 Sa 249/17, Beck RS 2017, 144194; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Arbeitsrechts, 15. Auflage 2019, Kap. 15, Rn. 720 ff.). Erforderlich ist die aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger weshalb bekämpft (BGH 22.01.2019 – XI ZB 9/18; 07.06.2018/I ZB 57/17, NJW 2018, 2894; 11.10.2016/XI ZB 32/15 NJW-RR 2017, 365).

Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründungsschrift des Klägers ebenso wenig wie der – außerhalb der Berufungsbegründungsfrist – eingereichte Schriftsatz vom 11.05.2020 (Bl. 351 ff. d.A.). Denn die Berufungsbegründung besteht lediglich aus dem wiederholten Bestreiten des Vorbringens der Beklagten im erstinstanzlichen Rechtszug und, soweit überhaupt vorhanden, einer Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens im Übrigen. Eine Auseinandersetzung mit der ausführlichen Begründung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung findet nicht statt, außer dass deutlich wird, dass der Kläger mit dieser nicht einverstanden ist.

Folglich ist die Berufung bereits unzulässig.

II.

Unbeschadet dessen erweist sich die Berufung auch als unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat seiner Entscheidung, soweit für das Berufungsverfahren von Belang, wie folgt begründet:

„I.

Die Klage ist nur teilweise begründet.

1.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch die Kündigung der Beklagten vom 27.03.2019 zum 30.06.2019.

a) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, da der Kläger bereits länger als sechs Monate bei der Beklagten beschäftigt war (§ 1 Abs. 1 KSchG) und die Beklagte regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt (§ 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG). Die Kündigungsschutzklage ist innerhalb der Drei-Wochen-Frist der §§ 4, 7 KSchG erhoben worden.

b) Die ordentliche Kündigung wahrt die Frist des § 113 Satz 2 InsO von drei Monaten zum Monatsende. Es mag sein, dass der Kläger das Kündigungsschreiben erst am 01.04.2019 aus seinem Briefkasten genommen hat. Er hat aber nicht behauptet, dass es sich an den Tagen zuvor nicht darin befunden hatte. Es ist daher von der Richtigkeit des Beklagtenvortrags auszugehen, dass die Kündigung durch einen Boten am 28.03.2019 in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen wurde. Einer Beweisaufnahme hierüber bedurfte es nicht. Eine verkörperte Willenserklärung unter Abwesenden geht nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zu, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von ihr Kenntnis zu nehmen. Nachdem das Kündigungsschreiben in den Hausbriefkasten des Klägers eingelegt wurde, war nach der Verkehrsanschauung jedenfalls spätestens am nächsten Werktag mit der Entnahme durch den Kläger zu rechnen. Die Kündigung ging dem Kläger daher spätestens am 29.03.2019, einem Freitag, zu.

c) Die Kündigung vom 27.03.2019 bedurfte nicht gemäß § 168 SGB IX der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Die Gleichstellung des Klägers mit einem schwerbehinderten Menschen, § 2 Abs. 3 SGB IX, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht behördlich festgestellt, sondern erfolgte erst mit Bescheid vom 28.05.2019. Zwar wurde die Gleichstellung rückwirkend zum 15.03.2019 festgestellt. Der besondere Kündigungsschutz greift aber nur dann ausnahmsweise schon vor der Entscheidung über die Gleichstellung, wenn der Betroffene den Antrag spätestens drei Wochen vor Zugang der Kündigung gestellt hat (§§ 173 Abs. 3, 152 Abs. 1 Satz 3 SGB IX). Vorliegend hatte der Kläger den Antrag erst am 15.03.2019 und damit weniger als drei Wochen vor Ausspruch der Kündigung gestellt.

Eine Schwerbehinderung des Klägers war auch nicht offensichtlich, was schon daraus erhellt, dass eine solche auf den Antrag des Klägers aus dem Jahre 2003 gar nicht und nunmehr lediglich mit einem Grad der Behinderung von 30 festgestellt wurde. Es ist für das Gericht nicht erkennbar, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers der Beklagten aus welchem Grunde bekannt gewesen sein sollen. Inwiefern es sich bei dem von ihm zuletzt innegehabten Arbeitsplatz um einen „Schwerbehindertenarbeitsplatz“ gehandelt haben soll, hat der Kläger nicht dargelegt.

c) Die Kündigung erfolgte aufgrund einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG. Eine solche liegt in Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern nach § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG vor, wenn wesentliche Betriebsteile eingeschränkt oder stillgelegt werden. Hierunter fällt auch die Herabsetzung der Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer. Insoweit sind nicht die Staffelungen des § 112a BetrVG, sondern die Zahlengrenzen des § 17 Abs. 1 KSchG maßgeblich. Werden diese erreicht, ist auch der bloße Personalabbau als Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG einzustufen. Die Beklagte hat 40 von 183 Arbeitnehmern entlassen. Damit ist die Grenze des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG – 10% oder mehr als 25 Arbeitnehmer – überschritten.

e) Die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden sollte, darunter der Kläger, waren in dem Interessenausgleich namentlich bezeichnet.

Der Interessenausgleich ist wirksam zustande gekommen. Der Kläger bestreitet dies zwar, legt aber nicht dar, worauf eine Unwirksamkeit beruhen sollte. Konkrete Anhaltspunkte für eine solche bestehen nicht. Der Vortrag des Klägers ist, was sich insbesondere auch daraus ergibt, dass der Kläger nahezu den gesamten Vortrag der Beklagten Satz für Satz bestreitet, offenbar ins Blaue hineingehalten.

f) Nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO wird danach vermutet, dass die Kündigung durchdringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb oder einer Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen entgegenstehen, bedingt ist.

Im Hinblick auf die gesetzliche Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung trägt der Arbeitnehmer, der diese widerlegen will, gemäß § 292 ZPO entgegen § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die volle Darlegungs- und Beweislast. Erforderlich ist substantiierter Tatsachenvortrag, der den gesetzlich vermuteten Umstand nicht nur in Zweifel zieht, sondern ausschließt (BAG, Urteil vom 27.09.2012, 2 AZR 516/11).

Der Kläger hätte also darlegen und beweisen müssen, dass die Beschäftigungsmöglichkeit für ihn nicht weggefallen sei. Entsprechender Vortrag des Klägers fehlt indes. Dass der Kläger den Vortrag der Beklagten pauschal bestritten hat, reichte angesichts der ihn treffenden Darlegungs- und Beweislast nicht aus. Konkrete Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auf einem freien Arbeitsplatz hat der Kläger nicht aufgezeigt.

Dass die Beklagte dem Kläger während des vorliegenden Gerichtsverfahrens einen Arbeitsplatz als Former im Mittelformguss mit Vergütung nach EG 5 anbot, ist unerheblich. Zum einen handelt es sich aufgrund der niedrigeren Eingruppierung nicht um einen gleichwertigen Arbeitsplatz. Zum anderen wurde der Arbeitsplatz erst nach Ausspruch der Kündigung infolge des Versterbens des Stelleninhabers frei, so dass auch eine Änderungskündigung als milderes Mittel gegenüber der Beendigungskündigung nicht geboten war. Schließlich ist auch zweifelhaft, ob der Kläger, der seit dem Jahr 1995 im kaufmännischen Bereich tätig war und sich auf gesundheitliche Einschränkungen beruft, den angebotenen Arbeitsplatz hätte ausfüllen können. Das Angebot hat der Kläger auch nicht angenommen.

g) Die Kündigung ist auch nicht wegen fehlerhafter Sozialauswahl unwirksam.

Nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO kann die soziale Auswahl der Arbeitnehmer nur im Hinblick auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Unterhaltspflichten und auch insoweit nur auf grobe Fehlerhaftigkeit nachgeprüft werden. Dieser Prüfungsmaßstab gilt nicht nur für die Sozialdaten und deren Gewichtung, sondern für die Richtigkeit der Sozialauswahl in jeder Hinsicht einschließlich der Frage der Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer. Grob fehlerhaft ist eine soziale Auswahl nur, wenn ein evidenter, ins Auge springender schwerer Fehler vorliegt und der Interessenausgleich jede Ausgewogenheit vermissen lässt bzw. tragende Gesichtspunkte nicht in die Bewertung einbezogen worden sind (BAG, Urteil vom 27.09.2012, 2 AZR 516/11).

§ 1 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz KSchG wird durch § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO nicht verdrängt. Auch wenn ein Arbeitnehmer in eine Namensliste aufgenommen worden ist, kann er im Kündigungsschutzprozess die Angabe der Gründe verlangen, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. Nachdem der Kläger die Beklagte zur Auskunft über die Auswahlgründe aufgefordert hat, ist die Darlegungslast zunächst auf die Beklagte übergegangen. Die Beklagte ist ihrer Auskunftspflicht hinreichend nachgekommen. Sie hat vorgetragen, die Sozialauswahl innerhalb des Bereiches „Auftragszentrum MaFG und HFG/MiFG“ vorgenommen zu haben. Vergleichbar sei der Kläger lediglich mit den Arbeitnehmerinnen So. A. und C. K., die in die Transfergesellschaft eingetreten sind. Die Mitarbeiter Wa. S., Wo. S. und M. C. stünden in der Hierarchie über dem Kläger, was sich auch in ihrer höheren Vergütung niederschlage. Die Arbeitnehmerin E.-V. S. sei gelernte Industriekauffrau und vielseitiger einsetzbar als der Kläger, insbesondere im Bereich der Produktionsplanung, wo die Einarbeitungszeit weit über drei Monate betragen würde. Sie verfüge auch im Gegensatz zum Kläger über verhandlungssichere Englischkenntnisse, die sie im Kontakt mit englischsprachigen Kunden benötige.

Danach war es an dem Kläger, die grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl darzulegen. Es reicht dabei nicht aus, dass der Arbeitnehmer die gesetzliche Vermutung erschüttert, er muss vielmehr das Gegenteil beweisen. Dies ist dem Kläger nicht gelungen. Für eine willkürliche Bestimmung der zu kündigenden Arbeitnehmer besteht kein Anhaltspunkt. Die Darlegungen der Beklagten zur sozialen Auswahl innerhalb des Bereiches „Auftragszentrum MaFG und HFG/MiFG“ lassen keine grobe Fehlerhaftigkeit erkennen. Mit den Mitarbeitern Wa. S., Wo. S. und M. C. ist der Kläger nicht vergleichbar, da diese Leitungsaufgaben wahrnehmen. Schon deren höhere Vergütung – außertariflich bzw. EG 11 gegenüber EG 7 beim Kläger – spricht gegen die Vergleichbarkeit. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger im Vertretungsfall Aufgaben der Mitarbeiter C. und Wa. S. übernehmen mag, da es sich hierbei nicht um dauerhaft zugewiesene Tätigkeiten handelt. Auch im Verhältnis zu der Arbeitnehmerin E.-V. S. ist die Sozialauswahl nicht grob fehlerhaft getroffen, da sie anders als der Kläger über eine kaufmännische Ausbildung verfügt. Zumindest lag die Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmerin S. aufgrund ihrer flexiblen Einsetzbarkeit und ihrer Fremdsprachenkenntnisse im berechtigten betrieblichen Interesse. Das pauschale Bestreiten des Klägers ist unerheblich. Aufgrund der ihn treffenden Darlegungs- und Beweislast hätte der Kläger vielmehr substantiierten Sachvortrag halten und Beweis antreten müssen.

Soweit der Kläger in den Jahren 1986 bis 2007 Zusatzqualifikationen (Kranfahrer, Staplerfahrer, REFA-Fachmann, Prozessbegleiter im Betrieb, Office- Anwendungen, Basistraining Einkauf, Gefahrgutbeauftragter) erworben hat, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, auf welchen weiteren Arbeitsplätzen er hierdurch einsetzbar sein will. Der Kläger beruft sich allerdings darauf, in der Vergangenheit als Personalsachbearbeiter, als kaufmännischer Angestellter im Bereich Kaufmännische Verwaltung mit den Aufgabenbereichen Wareneingang, Material-lager und Warentransport, als Betreuer der Gruppe Wareneingang und Lager sowie als kaufmännischer Angestellter innerhalb der Materialwirtschaft eingesetzt worden zu sein. In diesen Bereichen gebe es Mitarbeiter, die ähnliche Arbeiten wie er ausübten. Bestimmte, mit ihm vergleichbare Arbeitnehmer, die sozial weniger schutzwürdig wären, hat der Kläger indes nicht benannt, was aber aufgrund der ihn treffenden Darlegungslast erforderlich gewesen wäre. Die Beklagte hat auch darüber hinaus substantiiert erläutert, dass derartige vergleichbare Arbeitnehmer nicht vorhanden sind. In der Personalabteilung wird nur noch die Mitarbeiterin B. A. beschäftigt, deren Tätigkeiten – unter anderem Erstellung von Gehaltsabrechnungen, Debitoren- und Bankbuchhaltung sowie Vertragsmanagement – der Kläger nicht ausüben könnte und die in EG 8 eingruppiert ist. Im Bereich „Einkauf/ Materialwirtschaft“ verbleibt als einzige kaufmännische Mitarbeiterin S. M., die unter anderem Verträge mit Kunden aushandelt und über verhandlungssichere Englischkenntnisse verfügt. Im Bereich Logistik verrichtet die Mitarbeiterin M. K. die Tätigkeiten eines Speditionskaufmanns, wofür dem Kläger die Ausbildung fehlt.

Ebenso hat die Beklagte auch dargelegt, dass der Kläger nicht mit der Mitarbeiterin J. B. vergleichbar ist. Diese werde zwar in die Aufgaben des Mitarbeiters Wa. S. eingearbeitet. Letzterer werde aber nicht in nächster Zeit in Rente gehen. Die Mitarbeiterin B. ist derzeit zwei Entgeltgruppen unter dem Kläger eingruppiert und mithin nicht mit ihm vergleichbar.

Auf die Frage, ob auch die Mitarbeiter der E. S. GmbH grundsätzlich in die Sozialauswahl hätten einbezogen werden müssen, kam es nicht entscheidungserheblich an. In die E. S. GmbH werden einfache Anlerntätigkeiten wie Sandstrahlen, Putzen und Pforte, ausgelagert. Die Arbeitnehmer der Beklagten, die diese Tätigkeiten zuvor verrichtet hatten, waren in EG 2 eingruppiert. Eine Vergleichbarkeit zum Kläger besteht hier jedenfalls nicht.

Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihm die gesamte getroffene Sozialauswahl erläutert und ihm eine Liste mit sämtlichen Mitarbeitern und deren Sozialdaten vorlegt. Es geht vielmehr allein um die Frage, ob die soziale Auswahl in Bezug auf den Kläger grob fehlerhaft war. Daher spielt es auch für die vorliegende Entscheidung keine Rolle, ob die Beklagte Dauerkranke von der Sozialauswahl ausnehmen durfte, da es solche in der Vergleichsgruppe des Klägers nicht gibt.

Danach hat die Beklagte bei der Bestimmung des Kreises der vergleichbaren Arbeitnehmer die Austauschbarkeit jedenfalls nicht offensichtlich verkannt. Die unterschiedlichen Tätigkeiten und Qualifikationen, die sich auch in einer unterschiedlichen Eingruppierung widerspiegeln, stehen der Annahme einer grob fehlerhaften Sozialauswahl entgegen. In den Fragen, welche Einarbeitungszeiten im Einzelfall zumutbar sind und ob ein berechtigtes betriebliches Interesse die nachträgliche Ausklammerung eines Leistungsträgers rechtfertigt, haben die Betriebspartner einen weiten Einschätzungsspielraum, der vorliegend nicht überschritten ist. Den ihm obliegenden Nachweis einer evidenten Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl hat der Kläger nicht erbracht.

h) Die Kündigung ist auch nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.

Auch bei Vorliegen eines Interessenausgleichs mit Namensliste ist der Arbeitgeber nicht von der Pflicht zur Anhörung des Betriebsrats zur Kündigung entbunden. Die Betriebsratsanhörung unterliegt keinen erleichterten Anforderungen. Der Insolvenzverwalter kann die Betriebsratsanhörung allerdings mit den Verhandlungen über den Interessenausgleich verbinden (BAG, Urteil vom 28.06.2012, 6 AZR 780/10). Einer näheren Darlegung der Kündigungsgründe durch den Arbeitgeber bedarf es nicht, wenn der Betriebsrat bei Einleitung des Anhörungsverfahrens bereits über den erforderlichen Kenntnisstand verfügt, um zu der konkret beabsichtigten Kündigung eine sachgerechte Stellungnahme abgeben zu können (BAG, Urteil vom 23.10.2008, 2 AZR 163/07).

Im Rahmen der Verhandlungen über den Interessenausgleich wurde der Betriebsrat umfassend über die Situation des Unternehmens und die insolvenzauslösen-den Faktoren unterrichtet. Ihm wurden sämtliche Maßnahmen, insbesondere die Umorganisation von Arbeitsabläufen, die Personalbedarfsplanung unter Berücksichtigung der angestrebten größeren Flexibilität der verbleibenden Mitarbeiter und die erforderlichen personellen Konsequenzen, erläutert. Dem Betriebsrat lag eine Liste sämtlicher Mitarbeiter mit deren Sozialdaten vor. Die Betriebsparteien haben gemeinsam eine Sozialauswahl vorgenommen, indem sie Vergleichsgruppen festgelegt und die Sozialdaten gewichtet haben. Demgemäß bestätigte der Betriebsrat unter § 5.1 sowie unter § 6 des Interessenausgleichs ausdrücklich, dass er zu den Kündigungen gemäß § 102 BetrVG angehört wurde, und erklärte abschließend, dass er keine weitere Stellungnahme abgeben werde.

Da der Kläger nicht den besonderen Kündigungsschutz eines schwerbehinderten Menschen oder eines diesem Gleichgestellten genießt, brauchte auch keine dahingehende Information an den Betriebsrat zu ergehen. Als die Beklagte den Betriebsrat anhörte, war der Antrag des Klägers nicht einmal gestellt.

i) Am 00.00.2019 hat die Beklagte die Massenentlassung ordnungsgemäß nach § 17 KSchG der Bundesagentur für Arbeit angezeigt. Unter Berücksichtigung der Entlassungssperre des § 18 KSchG durfte die Beklagte am 28.03.2019 dem Kläger zum 30.06.2019 kündigen. Dass Fehler im Verfahren nach §§ 17, 18 KSchG gemacht wurden, ist nicht ersichtlich. Der Abschluss von Interessenausgleich und Sozialplan zeigt, dass der Betriebsrat unterrichtet war.

j) Gründe, die eine andere Beurteilung im Rahmen der bei jeder Kündigung vorzunehmenden Interessenabwägung rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

2.

Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von 2.124,58 € brutto nebst Zinsen.

a) Der Anspruch des Klägers auf Urlaubsabgeltung folgt aus § 7 Abs. 4 BUrlG. Danach ist der Urlaub abzugelten, der wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden kann.

Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2019 hatte der Kläger Anspruch auf den anteiligen Jahresurlaub für das Jahr 2019 gemäß § 5 Abs. 1 lit. c) BUrlG, da er nach erfüllter Wartezeit, § 4 BUrlG, in der ersten Jahreshälfte ausschied. Der Anspruch des Klägers beträgt gemäß Ziffer 5 des Arbeitsvertrages 30 Arbeitstage je Kalenderjahr, für das Jahr 2019 mithin 30 Arbeitstage: 12 Monate x 6 Monate = 15 Arbeitstage. Hiervon hatte der Kläger vier Urlaubstage bereits genommen, so dass 11 Urlaubstage abzugelten sind. Es errechnet sich ein Zahlungsanspruch von

3.659,07 € brutto x 3 Monate: 13 Wochen: 5 Tage x 11 Tage = 1.861,26 € brutto.“

Diesen Ausführungen folgt die Kammer vollinhaltlich und stellt dies hiermit ausdrücklich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest.

Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts. Denn es enthält keinerlei neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen, die ein abweichendes Ergebnis rechtfertigen könnten. Gleiches gilt für etwaige Rechtsbehauptungen. Es macht vielmehr lediglich, wenn auch aus der Sicht des Klägers heraus verständlich, deutlich, dass der Kläger mit der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des tatsächlichen und rechtlichen Vorbringens der Parteien im erstinstanzlichen Rechtszug durch das Arbeitsgericht, der die Kammer vollinhaltlich folgt, nicht einverstanden ist.

Wenn die gesetzlichen Anwendungsvoraussetzungen gegeben sind, und nachvollziehbares Vorbringen des Klägers dazu fehlt vollständig, weil er das Vorbringen der Beklagten insoweit nicht substantiiert bestritten hat, ist § 125 InsO, der als spezielle Norm dem allgemeinen Kündigungsschutzrecht nach § 1 Abs. 5 KSchG vorgeht (BAG 15.02.2011 EzA § 613 a BGB 2002 Nr. 132) wie folgt anzuwenden (BAG 26.04.2007 – 8 AZR 659/05, JurionRS 2007, 36618; 22.09.2005 EzA § 113 InsO Nr. 18; 28.08.2003 EzA § 125 InsO Nr. 1):

-1.

Es wird vermutet, dass die Kündigung der Arbeitsverhältnisse der bezeichneten Arbeitnehmer durchdringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb oder einer Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen entgegenstehen, bedingt ist;

-2.

Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur im Hinblick auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Unterhaltspflichten und auch nur insoweit grobe Fehlerhaftigkeit nachgeprüft werden;

-3.

Dazu gehört auch die Bestimmung des auswahlrelevanten Personenkreises und die Bildung der auswahlrelevanten Gruppen (s. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Arbeitsrechts, DLW/Dörner, 15. Auflage 2020, Kap.4 Rn. 3132 ff).

Die Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO erstreckt sich nicht nur auf den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeiten für den auf der Namensliste aufgeführten Arbeitnehmer zu unveränderten Bedingungen. Die gesetzliche Regelung umfasst vielmehr auch die Vermutung, dass eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu veränderten Bedingungen im Beschäftigungsbetrieb nicht möglich ist. Darüber hinaus wird die Vermutungswirkung dieser Bestimmung jedenfalls dann auf das Fehlen von anderweitigen Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auf einen freien Arbeitsplatz in anderen Betrieben des Unternehmens erstreckt, wenn sich die Betriebspartner bei den Verhandlungen über den Interessenausgleich mit Beschäftigungsmöglichkeiten in anderen Betrieben befasst haben. Davon ist auch ohne ausdrückliche Erwähnung im Interessenausgleich regelmäßig auszugehen (BAG 20.09.2012 EzA § 125 InsO Nr. 8).

§ 125 InsO dient der Sanierung insolventer Unternehmen. Gerade im Insolvenzfall besteht oft ein Bedürfnis nach einer zügigen Durchführung einer Betriebsänderung und eines größeren Personalabbaus. Die Regelung des § 125 InsO wollen eine erfolgreiche Sanierung insolventer Unternehmen fördern und im Insolvenzfall zusätzliche Kündigungserleichterung schaffen. Deshalb gebieten Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung eine weite Anwendung des eingeschränkten Prüfungsmaßstabes bei der Sozialauswahl (BAG 28.08.2003 EzA § 125 InsO Nr. 1).

Um die Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO zu widerlegen, muss ein substantiierter Tatsachenvortrag erfolgen, der den gesetzlich vermuteten Umstand ausschließt und nicht nur in Zweifel zieht (BAG 26.04.2007 EzA § 125 InsO Nr. 6).

Grob fehlerhaft ist eine Sozialauswahl insoweit dann, aber auch nur dann, wenn ein evidenter, ins Auge springender schwerer Fehler vorliegt und der Interessenausgleich jede Ausgewogenheit vermissen lässt. Denn den Betriebspartnern soll ein weiter Spielraum bei der Sozialauswahl eingeräumt werden. Das Gesetz geht davon aus, dass u.a. durch die Gegensätzlichkeit der von den Betriebspartnern vertretenen Interessen und durch die auf beiden Seiten vorhandene Kenntnis der betrieblichen Verhältnisse gewährleistet ist, dass dieser Spielraum i.d.R. angemessen und vernünftig genutzt wird. Nur wo dies nicht der Fall ist, sodass in der Sache nicht mehr von einer „sozialen Auswahl“ die Rede sein kann, darf grobe Fehlerhaftigkeit angenommen werden (BAG 21.09.2006 EzA § 1 KSchG soziale Auswahl Nr. 72; 17.01.2008 EzA § 1 KSchG soziale Auswahl Nr. 80; 03.04.2008 EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 15; s. DLW/Dörner, a.a.O., Kap. 4 Rn. 3140).

Auch in der Insolvenz ist zwar eine auf den gesamten Betrieb bezogene Sozialauswahl vorzunehmen. Hinsichtlich der Verurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ist den Betriebspartnern durch § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO aber ein weiter Spielraum eingeräumt; auch insoweit ist die Sozialauswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit zu überprüfen. Bezüglich des auswahlrelevanten Personenkreises besteht diese Einschätzungsprärogative u.a. hinsichtlich der tatsächlichen Austauschbarkeit der Arbeitnehmer und der zumutbaren Dauer der Einarbeitungszeit (BAG 19.12.2013 EzA § 125 InsO Nr. 12).

Für das tatsächliche Vorbringen sowohl der darlegungsbelasteten Partei als auch des Prozessgegners gelten gemäß § 138 ZPO folgende Anforderungen:

Gemäß § 138 Abs. 1 ZPO haben die Parteien ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. Gemäß § 138 Abs. 2 ZPO hat sich jede Partei über die von dem Gegner behauptete Tatsachen zu erklären. Gemäß § 138 Abs. 3 ZPO sind Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht. Gemäß § 138 Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

Insoweit hat jede Partei ihre allgemeine Darlegungslast zu beachten, die sie für die tatsächlichen Behauptungen trägt, für die sie die objektive Beweislast hat. Sie genügt den insoweit maßgeblichen Anforderungen dann, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen (BGH 31.07.2013 – VII ZR 59/12 – NJW 2013, 3180; 09.02.2009 – II ZR 77/08 – NJW 2009, 2137). Der Grad der Wahrscheinlichkeit der Behauptungen ist für den Umfang der Darlegungslast ohne Bedeutung (BGH 11.11.2014 – VIII ZR 302/13 – NJW 2015, 409). Im Interesse der Wahrung von Art. 103 Abs. 1 GG darf das Gericht keine überspannten Anforderungen an die Darlegung stellen (BGH 06.12.2012 – III ZR 66/12 – NJW – RR 2013, 296). Gemäß § 138 Abs. 2 ZPO hat sich sodann jede Partei über die vom Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Die Anforderungen an die Substantiierungspflicht des Bestreitenden – vorliegend des Klägers – hängen davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner – hier die Beklagte – vorgetragen hat (BGH 03.02.1999 – VIII ZR 14/98 – NJW 1999, 1404; 11.06.1990 – II ZR 159/89 – NJW 1990, 3151). In der Regel genügt gegenüber einer Tatsachenbehauptung des Darlegungspflichtigen das einfache Bestreiten des Gegners. Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist (LAG Rheinland-Pfalz 10.07.2019 – 7 Sa 433/18 – NZA – RR 2019, 578). Eine darüberhinausgehende Substantiierungspflicht trifft die nicht beweisbelastete Partei nur ausnahmsweise dann, wenn der darlegungspflichtige Gegner außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tatsachen nicht näher kennt, wenn sie der anderen Partei bekannt und ihr ergänzende Angaben zuzumuten sind (BGH 03.02.1999, a.a.O.). Eine über diese anerkannten Fälle der Pflicht zum substantiierten Bestreiten hinausgehende allgemeine Aufklärungspflicht der nicht darlegungs- und beweispflichtigen Partei kennt die Zivilprozessordnung nicht (BAG 20.11.2003 – 8 AZR 580/02 – NJW 2004 2848; BGH 11.06.1990 a.a.O.). Keine Partei ist – über die genannten Fälle hinaus – gehalten, dem Kläger für seinen Prozesssieg das Material zu verschaffen, über das er nicht schon von sich aus verfügt (BGH 11.06.1999, a.a.O.). Eine allgemeine, nicht aus besonderen Rechtsgründen abgeleitete Pflicht zur Auskunftserteilung besteht (auch) im Arbeitsverhältnis nicht (BAG 14.11.2012 – 10 AZR 783/11 – Beck RS 2013, 65960). Zu berücksichtigen ist auch, dass für den Zivilprozess ebenso wie für strafrechtliche oder vergleichbare Verfahren anerkannt ist, dass die Wahrheitspflicht der Partei dort ihre Grenze findet, wo sie gezwungen wäre, eine ihr zur Unehre gereichende Tatsache oder eine von ihr begangene strafbare Handlung zu offenbaren (BVerfG 13.01.1981 – 1 BVR 116/77 – NJW 1981, 1431).

Hinsichtlich des Zugangs der ordentlichen Arbeitgeberkündigung ist entgegen des Vorbringens des Klägers mit dem Arbeitsgericht darauf hinzuweisen, dass es vorliegend unerheblich ist, wann der Kläger das Schreiben aus seinem Briefkasten entnommen hat. Entscheidend ist allein, wann der Kläger die Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte, also wann es in seinen Machtbereich gelangt war. Ein substantiiertes Bestreiten des Einwurfs der Kündigung am 28.03.2019 erfolgt nach wie vor nicht, weil der Kläger insbesondere nicht behauptet, er habe am 28. und am 29.03.2019 den Briefkasten geleert, das Schreiben aber nicht vorgefunden. Vor diesem Hintergrund ist das Vorbringen unbeachtlich. Abgesehen davon hat die Beklagte durch die Fotografien des Briefkastens des Klägers, des Umschlags mit dem Adressfeld des Klägers und den Angaben zu den an Frau A. gesendeten Fotodateien vom 29.03.2019 nicht nur substantiiert dargelegt, sondern auch nachgewiesen, dass der Einwurf in den Briefkasten des Klägers zu dem von der Beklagten angegebenen Zeitpunkt entgegen dem unsubstantiierten Bestreiten des Klägers erfolgt ist.

Tatsächliches – wie dargelegt zu forderndes – substantiiertes Vorbringen des Klägers zur Widerlegung der Vermutung, dass die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Bereich oder einer Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen entgegenstehen bedingt ist oder zur groben Fehlerhaftigkeit der von der Beklagten durchgeführten Sozialauswahl fehlt in beiden Rechtszügen, worauf bereits das Arbeitsgericht hinsichtlich des erstinstanzlichen Rechtszuges völlig zu Recht hingewiesen hat, vollständig. Insofern sind die Ausführungen des Klägers in der Berufungsbegründungsschrift (S. 4 ff = Bl. 272 d.A.) unerheblich, insbesondere soweit er auf seine flexible Einsetzbarkeit hinweist und bestreitet, nicht mit einzelnen Arbeitnehmern vergleichbar zu sein. Nichts Anderes gilt für die Behauptung, der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden; auch insoweit fehlt jegliches tatsächliche Vorbringen, das über das unsubstantiierte Vorbringen hinausgeht, das das Arbeitsgericht im erstinstanzlichen Rechtszug bereits zutreffend beschieden hat. Nichts Anderes gilt für das Vorbringen im Schriftsatz vom 11.05.2020 (Bl. 353 ff.d.A.) das sich – wiederholt – mit der angeblichen Vergleichbarkeit des Klägers mit einzelnen Mitarbeitern der Beklagten auseinandersetzt, was zum einen keinerlei neues Vorbringen im Hinblick auf den erstinstanzlichen Rechtszug bedeutet, zum anderen durch das Arbeitsgericht bereits zutreffend beschieden worden ist und schließlich insbesondere im Hinblick auf den hier maßgeblichen Prüfungsmaßstab der groben Fehlerhaftigkeit und die insoweit bestehende Darlegungslast des Klägers schlussendlich unerheblich ist.

Weitere Ausführungen sind folglich nicht veranlasst.

Hinsichtlich der geltend gemachten Urlaubsabgeltung kommt eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung schon deshalb nicht in Betracht, weil entgegen der Auffassung des Klägers der dem Grunde nach bestehende Anspruch zu kürzen ist, weil der Zugang der ordentlichen Kündigung nicht erst am 01.04.2019 erfolgt ist.

Nach alledem war die Berufung des Klägers vollumfänglich zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

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