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Beweiswert Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – Erst- und Folgebescheinigungen für Kündigungsfrist

Beweiswert und Tragweite von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen im Kontext von Kündigungen

Die rechtliche Auseinandersetzung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Gültigkeit von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, insbesondere im Kontext von Kündigungen, ist ein wiederkehrendes und kontroverses Thema im Arbeitsrecht. Die Frage, inwieweit eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als Beweismittel anerkannt wird und welche rechtlichen Konsequenzen sich daraus ergeben, steht dabei im Mittelpunkt. Dieser Fall beleuchtet die Thematik aus einer spezifischen Perspektive, in der die Glaubwürdigkeit und der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Frage gestellt werden.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 Ca 20 b/22    >>>

Das Wichtigste in Kürze


  • Arbeitsrechtlicher Streit zwischen Kläger und Beklagtem über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Beendigungskündigung und restliche Zahlungsansprüche.
  • Kläger war als Berufstaucher und Taucheinsatzleiter bei einem Tauchunternehmen beschäftigt.
  • Vorwurf: Kläger hat mehr Tauchstunden abgerechnet, als er tatsächlich getaucht hat.
  • Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann bei Vorliegen wichtiger Gründe das Arbeitsverhältnis ohne Kündigungsfrist beendet werden.
  • Die Beklagte konnte nicht überzeugend einen wichtigen Grund für die Kündigung darlegen.
  • Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat hohen Beweiswert, aber keine gesetzliche Vermutung für tatsächliche Arbeitsunfähigkeit.
  • Kläger konnte nicht ausreichend nachweisen, dass er während der besagten Zeit tatsächlich krankheitsbedingt arbeitsunfähig war.
  • Kläger behauptete zusätzlich, die Beklagte habe es versäumt, Sozialversicherungsbeiträge für ihn abzuführen.

Kern des Disputs

Beweiswert Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen: Zwischen Beweiswert und Kündigungskontroversen. (Symbolfoto: M. Schuppich /Shutterstock.com)

Die zentrale Auseinandersetzung dreht sich um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Beendigungskündigung durch den Arbeitgeber und die daraus resultierenden Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer, in diesem Fall als Berufstaucher und Taucheinsatzleiter tätig, reichte Stundennachweise ein, in denen er täglich mehrere Tauchstunden geltend machte. Der Arbeitgeber zweifelte die Richtigkeit dieser Nachweise an und stützte seine Kündigung auf den Verdacht, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitszeiten nicht korrekt angegeben habe.

Rechtliche Grundlagen und Bewertung

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Hierbei müssen Tatsachen vorliegen, die es dem Kündigenden unzumutbar machen, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Die Kammer kam jedoch zu dem Schluss, dass die vom Arbeitgeber vorgebrachten Gründe nicht ausreichen, um eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insbesondere wurde kritisiert, dass der Arbeitgeber seine Behauptungen nicht ausreichend konkretisiert und substantiiert hat.

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als Beweismittel

Ein zentrales Element des Falles war die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arbeitnehmers. Während solch eine Bescheinigung grundsätzlich einen hohen Beweiswert hat, können bestimmte Umstände diesen Beweiswert erschüttern. Im vorliegenden Fall wurde die Glaubwürdigkeit der Bescheinigung in Frage gestellt, da sie genau den Zeitraum abdeckte, der nach der Kündigung des Arbeitnehmers noch verblieb. Dies wurde als „passgenau“ bezeichnet und führte zu Zweifeln an der Authentizität der Krankmeldung. Insbesondere die Tatsache, dass der Arbeitnehmer direkt nach Ende der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit ein neues Arbeitsverhältnis aufnahm, wurde als Indiz gegen die Glaubwürdigkeit der Bescheinigung gewertet.

Schlussbetrachtung

Die rechtliche Bewertung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, insbesondere im Kontext von Kündigungen, bleibt ein komplexes und vielschichtiges Thema. Dieser Fall unterstreicht die Notwendigkeit für Arbeitnehmer, ihre Arbeitsunfähigkeit nicht nur durch eine Bescheinigung, sondern auch durch konkrete und nachvollziehbare Angaben zu belegen. Gleichzeitig zeigt er die Grenzen und Herausforderungen für Arbeitgeber auf, die die Glaubwürdigkeit solcher Bescheinigungen in Frage stellen möchten.

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Beweiswert Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – kurz erklärt


Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) dient als Nachweis für die Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers. Sie hat nach ständiger Rechtsprechung einen hohen Beweiswert. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber im Allgemeinen davon ausgehen muss, dass ein Arbeitnehmer, der eine solche Bescheinigung vorlegt, tatsächlich arbeitsunfähig ist. Ab dem 1. Januar 2023 müssen gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer ihrem Arbeitgeber keine physische AU mehr vorlegen. Stattdessen soll die elektronische Übermittlung der AU-Daten an den Arbeitgeber diese Pflicht ersetzen. Dennoch bleibt der Beweiswert der AU erhalten. Es ist jedoch zu beachten, dass der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung unter bestimmten Umständen erschüttert werden kann, beispielsweise wenn der Arbeitgeber tatsächliche Anhaltspunkte hat, die gegen die Richtigkeit der Bescheinigung sprechen.



Das vorliegende Urteil

ArbG Neumünster – Az.: 1 Ca 20 b/22 – Urteil vom 23.09.2022

1. Das Versäumnisurteil vom 02.06.2022 wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung vom 03.01.2022 endete, sondern bis zum 28.02.2022 fortbestand.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.888,64 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag in Höhe von 3.024,61 € brutto seit dem 01.03.2022 zu zahlen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 1/3 und die Beklagte 2/3. Davon sind ausgenommen die Kosten der Säumnis im Termin vom 02.06.2022, diese trägt der Kläger.

6. Der Wert des Streitgegenstands wird festgesetzt auf 11.850 Euro.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Beendigungskündigung durch die Beklagte und um restliche Zahlungsansprüche aus einem Arbeitsverhältnis.

Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Tauchunternehmen im Bereich des Unterwasserbaus, seit dem 1.5.2018 als Berufstaucher und Taucheinsatzleiter zu einem Stundenlohn von zuletzt 19 Euro brutto bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von zuletzt 50 Stunden beschäftigt. Der Kläger war zuletzt für die Beklagte auf einer Baustelle der Kläranlage in L. eingesetzt. In Bezug auf die Zeit, Dauer und die Art der Arbeit musste der Kläger für jeden Taucheinsatz einen Stundennachweis ausfüllen und bei der Beklagten einreichen (Anl. B3). In den Stundenzetteln wurde zwischen Tauchstunden und sonstigen Tätigkeiten unterschieden. Auf Grundlage dieser Angaben ermittelte die Beklagte die vom Kläger geleisteten Arbeitsstunden und die monatlich zu zahlende Vergütung.

Am 16.12.2021 hörte die Beklagte den Kläger zu dem Vorwurf an, er habe die Abrechnungen auf der Baustelle in L. nicht ordnungsgemäß geführt. In der Zeit vom 18.12.2021 bis zum 2.1.2022 befand sich der Betrieb der Beklagten in Betriebsferien. Am 3.1.2022 war der Kläger für die Beklagte tätig. Am gleichen Tag übergab er der Beklagten seine Eigenkündigung des Arbeitsverhältnisses zum 28.2.2022 (Anl. B1). Am 4.1.2022 konsultierte der Kläger seine Hausärztin, die ihn zunächst bis zum 14.1.2022 und danach durch Folgebescheinigungen vom 13.1.2022 (bis zum 4.2.2022) und 4.2.2022 (bis zum 28.2.2022, einem Montag) arbeitsunfähig krankschrieb (vgl. Anl. B2). Ab dem 1.3.2022, einem Dienstag, war der Kläger wieder arbeitsfähig und begann eine Tätigkeit bei seinem neuen Arbeitgeber. Die Beklagte zahlte an den Kläger für die Monate Januar und Februar 2022 kein Entgelt und keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle. Der Kläger erhielt in dieser Zeit auch kein Krankengeld von seiner Krankenkasse. Bis zum 3.1.2022 hat der Kläger insgesamt 150,69 Überstunden für die Beklagte erbracht, vgl. die Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 10.6.2022.

Mit Schreiben vom 3.1.2022, dem Kläger zugegangen am 5.1.2022, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos, hilfsweise zum 28.2.2022 (Anl. K1).

Mit seiner Klage vom 6.1.2022, bei Gericht eingegangen am 7.1.2022, macht der Kläger die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung geltend. Durch Versäumnisurteil vom 2.6.2022, dem Kläger zugestellt am 3.6.2022, hat das Arbeitsgericht Neumünster die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich der Einspruch des Klägers vom 10.6.2022, bei Gericht eingegangen am 10.6.2022.

Der Kläger behauptet, in der Zeit vom 4.1.2022 bis zum 28.2.2022 arbeitsunfähig krank gewesen zu sein. Er ist der Ansicht, für die Zeit vom 4.1. bis zum 14.2.2022 einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegen die Beklagte zu haben. Darüber hinaus ist er der Ansicht, für die Zeit vom 15.2. bis 28.2.2022 einen Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte in Höhe des nicht gezahlten Krankengelds von 1.151,08 Euro brutto zu haben. Die Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, die Sozialversicherungsbeiträge für den Kläger abzuführen. Der Kläger behauptet ferner, er habe noch einen restlichen Urlaubsanspruch von fünf Tagen, den er aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr habe nehmen können. Ihm stehe daher ein Abgeltungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 864,03 Euro brutto zu. Insgesamt habe der Kläger einen restlichen Zahlungsanspruch in Höhe von 9.907,72 Euro gegen die Beklagte.

Der Kläger beantragt zuletzt,

1. Das Versäumnisurteil vom 2.6.2022 wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung vom 03.01.2022 endet, sondern unverändert bis zum 28.02.2022 fortbesteht.

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 11.850,00 € brutto nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf die gesamte Bruttovergütung ab 01.03.2022 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil vom 2.6.2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, der Kläger habe für die Tätigkeit auf der Baustelle der Kläranlage in L. mindestens 83 Tauchstunden in seinen Stundennachweisen angegeben, die er tatsächlich nicht getaucht sei. Bereits am 15.12.2021 habe der Zeuge K. der Beklagten berichtet, dass es auf der Baustelle Probleme mit der Abrechnung des Klägers gegeben habe. Aus diesem Grund sei der Kläger hierzu am 16.12.2021 angehört worden. Am 3.1.2022 habe der Zeuge Herr S. der Beklagten dann berichtet, dass der Kläger seit einem längeren Zeitraum auf der Baustelle nur ein bis zwei Mal pro Woche mit verkürzten Tauchgängen getaucht sei. Daraufhin habe sich die Beklagte von ihrer Sekretärin die vom Kläger eingereichten Stundennachweise am 3.1.2022 aushändigen lassen. In diesen Nachweisen habe der Kläger gegenüber der Beklagten täglich zwei bis drei Tauchstunden abgerechnet. Insgesamt ergebe sich hieraus, dass der Kläger während seines Zeitraums auf oben beschriebener Baustelle mindestens 83 Stunden a` 28,50 Euro abgerechnet habe, die er tatsächlich nicht getaucht sei. Die Beklagte nimmt hierzu auf die von ihr erstellte Übersicht Bezug (vgl. Anl. B4). Sie erklärt durch Schriftsatz vom 11.7.2022 die Aufrechnung mit ihrem Anspruch auf Rückzahlung des Entgelts für die nicht erbrachten Tauchstunden gegen den Anspruch des Klägers auf Vergütung der Überstunden. Schließlich bestreitet die Beklagte, dass der Kläger in der Zeit vom 3.1. bis 28.2.2022 arbeitsunfähig krank war.

Der Kläger erwidert hierauf: Die von ihm in den Stundennachweisen angegebenen Tauchstunden seien korrekt. Es habe auch zu keinem Zeitpunkt Beanstandungen der Abrechnungen durch die Beklagte bzw. deren Auftraggeberin gegeben. Sämtliche vom Kläger eingereichten und abgerechneten Tauchstunden seien im Übrigen von der Auftraggeberin an die Beklagte bezahlt worden.

Wegen Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen sowie auf das Protokoll der Kammerverhandlung 23.9.2022 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A. Der Einspruch des Klägers vom 10.6.2022 gegen das Versäumnisurteil ist statthaft und fristgerecht erfolgt. Der Kläger hat innerhalb von einer Woche gem. § 59 S. 1 ArbGG Einspruch gegen das ihm am 3.6.2022 zugestellte Versäumnisurteil erhoben. Der Prozess wurde damit gem. § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, § 342 ZPO in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand.

B. Die zulässige Klage ist in Bezug auf den Kündigungsschutzantrag begründet und im Übrigen unbegründet.

I. Die Kündigung vom 3.1.2022 hat das Arbeitsverhältnis nicht außerordentlich fristlos beendet.

1. Die Kündigung gilt nicht nach § 4 Satz 1, § 7, § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG als rechtswirksam. Der Kläger hat die Rechtsunwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung rechtzeitig innerhalb von drei Wochen seit ihrem Zugang am 5.1.2022 durch Erhebung ihrer Kündigungsschutzklage am 10.1.2022 geltend gemacht.

2. Für die außerordentliche Kündigung vom 3.1.2022 besteht kein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB.

Gem. § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der (fiktiven) Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (BAG, Urt. v. 13.12.2018 – 2 AZR 370/18, Rn. 15 bei juris).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat die Beklagte nicht zur Überzeugung der Kammer einen wichtigen Grund dargelegt. Die Beklagte hat insoweit vorgetragen, der Kläger sei seit einem längeren Zeitraum auf der Baustelle in L. nur ein bis zwei Mal pro Woche mit verkürzten Tauchgängen getaucht (S. 2 Schriftsatz vom 23.3.2022). Insgesamt habe er während dieses Zeitraums mindestens 83 Stunden à 28,50 Euro abgerechnet, die er tatsächlich nicht getaucht sei (S. 3 Schriftsatz vom 23.3.2022). Dieser Vortrag ist ohne inhaltliche Substanz. Aus ihm ergibt sich schon nicht, von welchem genauen Zeitraum die Beklagte ausgeht. Darüber hinaus ist unklar, wann konkret der Kläger nicht getaucht sein soll. Die Angabe „ein bis zweimal pro Woche“ ist vage und pauschal und lässt insbesondere jegliche Differenzierung zwischen den einzelnen Arbeitstagen vermissen. Auch ist die Behauptung, der Kläger habe „verkürzte“ Tauchgänge vorgenommen, so unkonkret, dass daraus der präzise Umfang der tatsächlich vorgenommenen Tauchgänge nicht ersichtlich wird. Insgesamt wird weder aus dem Vortrag noch aus der als Anlage B4 beigefügten Übersicht ersichtlich, wie die Beklagte die einzelnen Fehlstunden pro Arbeitstag ermittelt hat. Die Berechnung der 83 Fehlstunden und damit das Ausmaß der behaupteten Pflichtverletzung bleibt folglich im Unklaren. Die Kammer musste aus diesem Grund auch den von der Beklagten angebotenen Zeugenbeweis nicht erheben. Auch der Schriftsatz der Beklagten vom 11.7.2022 enthält insoweit keinen ergänzenden Sachvortrag, sondern beschränkt sich im Wesentlichen auf eine Bezugnahme auf die als Anlage B3 beigefügte Übersicht. Eine derartige Bezugnahme auf eine Anlage zum Schriftsatz ersetzt indes keinen ordnungsgemäßen Vortrag. Beigefügte Anlagen können den schriftsätzlichen Vortrag lediglich erläutern oder belegen, verpflichten das Gericht aber nicht, sich die unstreitigen oder streitigen Arbeitszeiten aus den Anlagen selbst zusammenzusuchen (BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 347/22, NZA 2012, 939 zur Darlegungslast im Überstundenprozess). Das gilt erst Recht, wenn sich auch aus der Anlage die behauptete Pflichtverletzung nicht ergibt.

Das Gericht war auch nicht verpflichtet, auf die fehlende Substanz des Vortrags hinzuweisen bzw. der Beklagtenpartei einen Schriftsatznachlass zu gewähren. Der Kläger hatte bereits in der Güteverhandlung am 24.2.2022 (s. S. 1 des Protokolls) in seinem Schriftsatz vom 10.6.2022 darauf hingewiesen, dass seine Aufzeichnungen korrekt seien und es vorprozessual keinerlei Beanstandungen durch die Beklagte gegeben habe (S. 2 Schriftsatz vom 10.6.2022). Es war vor diesem Hintergrund nicht überraschend, sondern offensichtlich, dass es sich hierbei um einen streitentscheidenden Punkt handelt, zu dem die Beklagte konkret und substantiiert vorzutragen hat. Die Voraussetzungen einer richterlichen Hinweispflicht gem. § 139 Abs. 2 ZPO lagen aus diesem Grund nicht vor. Unabhängig davon hat das Gericht die Beklagtenpartei aber jedenfalls durch Verfügung vom 18.9.2022 darauf hingewiesen, dass die Behauptung, der Kläger habe 83 Arbeitsstunden zu Unrecht aufgeschrieben, bisher ohne Substanz sein dürfte, weil sich weder aus dem Vortrag noch aus den Anlagen B3 und B4 ergebe, an welchen konkreten Tagen der Kläger Stunden zu Unrecht aufgeschrieben hat. Hierzu hat die Beklagte schriftsätzlich nicht mehr Stellung genommen. Auch in der mündlichen Verhandlung am 23.9.2022 hat die Beklagte ihre pauschale Behauptung zum Umfang der Fehlstunden nur wiederholt und darauf hingewiesen, dass es sich bei den 83 Stunden um Tauchstunden handele (vgl. S. 1 des Protokolls vom 23.9.2022). Die Beklagtenpartei hatte also ausreichend Gelegenheit, ihren Standpunkt vorzutragen. Die Voraussetzungen eines Schriftsatznachlasses gem. § 283 ZPO liegen daher nicht vor. Unabhängig davon hat die Beklagtenpartei aber auch keinen Antrag auf Schriftsatznachlass gestellt, weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung.

Auch hat die Beklagte nichts dazu vorgetragen, ob und wenn ja ihr durch die Pflichtverletzung des Klägers ein Schaden entstanden ist. Der Behauptung des Klägers, die Auftraggeberin habe alle vom Kläger aufgeschriebenen Stunden bezahlt, ist die Beklagte nicht entgegengetreten und hat sie damit zuerkannt im Sinne von § 138 Abs. 3 ZPO. Danach bleiben der Umfang und die Folgen des behaupteten Arbeitszeitbetrugs im Unklaren.

Andere Kündigungsgründe wurden weder von der Beklagten vorgetragen noch sind sie ersichtlich. Im Gegenteil ergibt sich aus dem Kündigungsschreiben vom 3.1.2022 (Anl. K1), dass die Beklagte dem Kläger (allein) einen Arbeitszeitbetrug vorwirft.

3. Ob die Beklagte die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten hat, konnte aus diesem Grund dahinstehen.

4. Im Ergebnis endete das Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigng vom 3.1.2022, sondern durch die Eigenkündigung des Klägers vom 3.1.2022 zum 28.2.2022. Das Versäumnisurteil vom 2.6.2022 war folglich aufzuheben, vgl. § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, § 343 S. 2 ZPO.

II. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Abgeltung des nicht genommenen Urlaubs, auf Zahlung des Arbeitsentgelts für den 3.1.2022 und auf Auszahlung der geltend gemachten Überstunden in Höhe von insgesamt 3.024,61 Euro brutto. Im Übrigen hat der Kläger keinen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 161,50 Euro brutto gem. § 611a Abs. 2 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag der Parteien. Unstreitig hat der Kläger am 3.1.2022 für die Beklagte als Taucher gearbeitet. Der Berechnung der Vergütung durch den Kläger (8,5 Stunden x 19 Euro) ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Auch hat die Beklagte den Anspruch nicht erfüllt. Folglich ergibt sich ein restlicher Zahlungsanspruch des Klägers aufgrund erbrachter Arbeit in Höhe von 161,50 Euro brutto.

2. Darüber hinaus hat der Kläger einen Anspruch auf Abgeltung von 150,69 Überstunden gem. § 611a Abs. 2 BGB i.V.m. mit Arbeitsvertrag der Parteien. Die Beklagte hat den Zahlungsanspruch in Höhe von 2.863,11 Euro brutto anerkannt. Sie hat insoweit erklärt, die Höhe der Überstunden des Klägers und der dazugehörige Stundenlohn seien korrekt (S. 2 Schriftsatz vom 11.07.2022).

Dieser Zahlungsanspruch ist nicht durch Aufrechnung gem. § 389 BGB erloschen. Die Beklagte hat eine Gegenforderung und damit eine Aufrechnungslage nicht hinreichend dargelegt. Ihre Behauptung, der Kläger habe 83 Tauchstunden zu Unrecht aufgeschrieben und hierfür zu Unrecht Arbeitsentgelt erhalten, ist unsubstantiiert (s.o I.2.). Dass die von der Beklagten ermittelte Gegenforderung existiert, steht damit nicht fest. Andere Geldforderungen gegen den Kläger hat die Beklagte nicht behauptet, ebenso wenig wie andere Einwendungen oder Einreden gegen den Anspruch des Klägers auf Abgeltung der Überstunden.

3. Auch hat der Kläger einen Anspruch gegen die Beklagte auf Abgeltung von 5 nicht genommenen Urlaubstagen in Höhe von insgesamt 864,03 Euro brutto gem. § 7 Abs. 4 BUrlG. Die Beklagte hat den diesbezüglichen Vortrag des Klägers, er habe noch fünf Urlaubstage, die er vor Zugang der außerordentlichen Kündigung am 5.1.2022 bzw. vor seiner behaupteten Arbeitsunfähigkeit ab dem 4.2.2022 nicht mehr nehmen konnte, nicht bestritten und damit zuerkannt, vgl. § 138 Abs. 3 ZPO. Auch ist die Beklagte der Berechnung des Klägers (8,5 Stunden x 5 Tage x 20,33 Euro) nicht entgegengetreten. Die Kammer hatte daher keinen Grund, an der Richtigkeit der Berechnungen zu zweifeln. Es verbleibt damit bei einem Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe von 864,03 Euro brutto.

4. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Entgelt für die Zeit vom 4.1. bis 28.2.2022.

a) Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gem. § 3 Abs. 1 EFZG kommt nicht in Betracht. Der Kläger hat nicht hinreichend dargelegt, dass er im o.g. Zeitraum durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert war, § 3 Abs. 1 EZFG.

aa) Nach allgemeinen Grundsätzen trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG (BAG 11. Dezember 2019 – 5 AZR 505/18 – Rn. 16, BAGE 169, 117). Der Beweis krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit wird in der Regel durch die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG geführt. Die ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist das gesetzlich ausdrücklich vorgesehene und insoweit wichtigste Beweismittel für das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Der ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt daher aufgrund der normativen Vorgaben im Entgeltfortzahlungsgesetz ein hoher Beweiswert zu (so die st. Rspr. vgl. BAG 26. Oktober 2016 – 5 AZR 167/16 – Rn. 17, BAGE 157, 102).

Die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung begründet jedoch keine gesetzliche Vermutung einer tatsächlich bestehenden Arbeitsunfähigkeit i.S.d. § 292 ZPO mit der Folge, dass nur der Beweis des Gegenteils zulässig wäre. Aufgrund des normativ vorgegebenen hohen Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung genügt jedoch ein „bloßes Bestreiten“ der Arbeitsunfähigkeit mit Nichtwissen durch den Arbeitgeber grundsätzlich nicht, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit mit einer ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachgewiesen hat. Den Beweiswert erschütternde Tatsachen können sich aber schon aus dem eigenen Sachvortrag des Arbeitnehmers oder aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung selbst ergeben. Das ist beispielsweise der Fall, wenn die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung passgenau die nach einer Eigenkündigung noch verbleibende Dauer des Arbeitsverhältnisses abdeckt (BAG v. 8.9.2021, 5 AZR 149/21, BeckRS 2021, 26392, Rn. 19).

bb) Ausgehend hiervon hat der Kläger die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung für die streitgegenständliche Zeit nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG nicht dargetan. Die Kammer ist der Auffassung, dass sich ernsthafte Zweifel am Vorliegen einer Erkrankung auch daraus ergeben, dass – wie im vorliegenden Fall – eine am Folgetag der Eigenkündigung des Arbeitnehmers ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung passgenau die nach der Kündigung noch verbleibende Dauer des Arbeitsverhältnisses abdeckt, auch wenn der gesamte Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit erst durch eine Erst- und mehrere Folgebescheinigungen bescheinigt wird. Es kann aus Sicht der Kammer zunächst keinen Unterschied machen, ob die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am gleichen Tag wie die Eigenkündigung (wie im Fall des BAG v. 8.9.2021 a.a.O.) oder einen Tag später ausgestellt wird (wie im vorliegenden Fall). In beiden Konstellationen besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zu der kurz zuvor erklärten Eigenkündigung des Arbeitnehmers. Auch kann nicht entscheidend sein, ob die Arbeitsunfähigkeit durch eine einzelne ärztliche Bescheinigung (wie im Fall des BAG v. 8.9.2021 a.a.O.) oder durch mehrere Bescheinigungen, von denen eine eine Erst- und die übrigen Folgebescheinigungen sind (wie im vorliegenden Fall), dargelegt wird. Beiden Fällen ist gemein, dass die gesamte verbliebene Zeit des restlichen Arbeitsverhältnisses „passgenau“ abgedeckt wird. Da die Anzahl der „erforderlichen“ Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen maßgeblich von der Dauer der Kündigungsfrist abhängt, kann es also keinen Unterschied machen, ob der Arbeitnehmer eine Erstbescheinigung oder weitere Folgebescheinigungen einreicht. Das gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – alle Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen durch die gleiche Ärztin ausgestellt wurden und der Arbeitnehmer direkt im Anschluss an den letzten Tag der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit wieder arbeitsfähig ist und ein neues Arbeitsverhältnis beginnt. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass das Ende der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit auf einen Montag fiel (28.2.2022) und der Kläger damit ab Dienstag (1.3.2022) wieder arbeitsfähig war. Eine derartige „Spontangenesung“ mitten in der Woche ist aus Sicht der Kammer schlicht nicht plausibel und führt dazu, dass der Beweiswert einer entsprechenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert ist.

Im vorliegenden Fall ist schließlich zu berücksichtigen, dass der Kläger im Rahmen seiner persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, er habe für die Beklagte in der Vergangenheit häufig gearbeitet, obwohl er eigentlich arbeitsunfähig krank gewesen sei (S. 1 Protokoll vom 23.9.2022). Dies lässt nach Überzeugung der Kammer einzig und allein den Schluss zu, dass sich der Kläger für die Zeit vom 4.1. bis 28.2.2022 allein deswegen hat krankschrieben lassen, um vergangene Zeiten der vermeintlichen aber nicht attestierten Arbeitsunfähigkeit nachträglich zu kompensieren. Dies rechtfertigt gleichfalls eine Erschütterung des Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

Unabhängig davon wurde die voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit in den beiden Folgebescheinigungen vom 13.1.2022 und vom 4.2.2022 aber auch entgegen § 5 Abs. 4 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie für mehr als zwei Wochen im Voraus bescheinigt. Es handelt sich insoweit um nicht ordnungsgemäß ausgestellte Bescheinigungen, deren Beweiswert jedenfalls aus diesem Grund erschüttert ist.

cc) In der Folge trägt der Kläger (wieder) die volle Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung eines Entgeltfortzahlungsanspruchs nach § 3 Abs. 1 EFZG. Es wäre an ihm gewesen, konkrete Tatsachen darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, die den Schluss auf eine in der streitgegenständlichen Zeit bestehende Erkrankung zulassen. Hierzu reicht der Sachvortrag des Klägers indes nicht aus. Es hat nur einfach behauptet, arbeitsunfähig krank gewesen zu sein. Weder hat er dargelegt, an welchen krankheitsbedingten Einschränkungen er gelitten hat noch wie intensiv die gesundheitlichen Beschwerden waren und welche Auswirkungen sie auf die vom Kläger geschuldete Tätigkeit als Taucher hatten. Trotz ausdrücklichem Hinweis des Gerichts auf den fehlenden Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen durch Verfügung vom 18.9.2022 hat sich der Kläger für die Darlegung seiner Arbeitsunfähigkeit lediglich auf die ärztlichen Bescheinigungen berufen, ohne in der Sache konkret vorzutragen und ohne weiteren Beweis anzubieten (vgl. Schriftsatz vom 20.9.2022). Der Kläger ist damit seiner primären Darlegungslast zu einer im Klagezeitraum objektiv bestehenden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht nachgekommen. Eines substantiierten Gegenvortrags der Beklagten bedurfte es vor diesem Hintergrund nicht.

b) Aus den gleichen Gründen hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugslohn gem. § 615, § 611a Abs. 1 i.V.m. Arbeitsvertrag gegen die Beklagte. Der Kläger war nicht arbeitsfähig und damit im Sinne von § 297 BGB außerstande, die Arbeitsleistung zu bewirken.

5. Auch hat der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe des entgangenen Krankengeldes gegen die Beklagte. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die Beklagte eine Pflicht verletzt hat, was unabhängig von der konkreten Anspruchsgrundlage (etwa § 280 Abs. 1 i.V.m. § 611a BGB, § 823 BGB) Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch wäre. Insoweit hätte es dem Kläger oblegen, darzulegen, dass die Beklagte wenigstens fahrlässig im Sinne von § 276 Abs. 1 BGB eine ihr gegenüber bestehende Pflicht verletzt hat. Hierzu hat der Kläger indes lediglich vorgetragen, die Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, die Sozialversicherungsbeiträge für den Kläger abzuführen (S. 2 Schriftsatz vom 16.9.2022). Aus diesem Vortrag wird schon nicht ersichtlich, auf welchen Zeitraum sich die Behauptung des Klägers bezieht. Für den Fall, dass die Zeit ab dem 5.1.2022 gemeint sein sollte, steht einer Pflichtverletzung entgegen, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos mit Zugang der Kündigung am 5.1.2022 gekündigt hatte. Sie war daher nicht verpflichtet, Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV an den Kläger zu zahlen und damit Sozialversicherungsbeiträge an die Einzugsstelle abzuführen. Aus diesem Grund hat sie sich aus ihrer Sicht rechtskonform verhalten und gerade keine Pflicht verletzt. Dass die Beklagte den Kläger willkürlich oder sittenwidrig gekündigt hat und damit zugleich den Anspruch des Klägers auf Zahlung von Krankengeld vereitelt hat, wurde weder vorgetragen noch ist dies ersichtlich.

Unabhängig davon ist aber jedenfalls fraglich sein, ob dem Kläger überhaupt ein ersatzfähiger Schaden entstanden ist. Der Kläger hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung erklärt, seine Krankenkasse habe ihm mitgeteilt, sie werde das Krankengeld nach Ende des Gerichtsprozesses ggf. an den Kläger nachzahlen (vgl. Protokoll vom 23.9.2022, S. 1 am Ende). Vor diesem Hintergrund dürfte es für den Kläger an dem Eintritt eines Vermögensnachteils und damit eines Schadens im Sinne von §§ 249 ff. BGB mangeln.

III. Die Pflicht zur Zahlung von Zinsen folgt aus §§ 280 Abs. 1, 3, 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB. Mit dem Anspruch auf Urlaubsabgeltung gerät der Arbeitgeber erst nach entsprechender Mahnung und Fristsetzung in Verzug. Erst mit Ablauf der Frist kann daher als Verzugsschaden eine Verzinsung in gesetzlicher Höhe verlangt werden (LAG Schleswig-Holstein v. 12.5.2015 – 1 Sa 359a/15, BeckRS 2015, 71970). Eine Mahnung liegt hier indes nicht vor.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i.V.m. § 92 Abs. 1 ZPO und entspricht den gegenseitigen Unterliegensanteilen der Parteien. Die Kosten der Säumnis im Termin am 2.6.2022 musste der Kläger gem. § 344 ZPO tragen. Die Festsetzung des Streitwerts im Urteil beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG und entspricht dem Nennwert des Zahlungsantrags des Klägers (Antrag zu 2) sowie zwei Bruttomonatsgehältern für die Monate Januar und Februar 2022 hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags (Antrag zu 1).

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