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Einstweilige Verfügung auf Unterlassung von Behauptungen gegenüber Arbeitnehmer

ArbG Mönchengladbach, Az.: 5 Ga 7/16, Urteil vom 15.04.2016

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Verfügungsklägerin.

3. Streitwert: 10.000,00 EUR

Tatbestand

Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren um die Verpflichtung des Beklagten zur Unterlassung von Äußerungen und Handlungen.

Der Beklagte war seit dem 1.5.2015 als Hausmeister im Privathaushalt der Klägerin beschäftigt.

Der formularmäßige „Arbeitsvertrag für geringfügig entlohnte Beschäftigte“ traf u.a. folgende Regelung:

„Der Arbeitnehmer erhält eine monatliche Vergütung / einen Stundenlohn von 450,00 Euro.“

Keine der beiden Alternativen war gestrichen worden.

§ 8 des Arbeitsvertrags lautet:

„Verschwiegenheitspflicht

Der Arbeitnehmer hat über alle Angelegenheiten, die ihm im Rahmen oder aus Anlass seiner Tätigkeit im Privathaushalt bekannt geworden sind oder werden auch nach seinem Ausscheiden Stillschweigen zu bewahren“

Das Arbeitsverhältnis endete durch Probezeitkündigung zum 19.6.2015.

Ausgehend von einer Vergütung von 450,- EUR monatlich sind die Ansprüche des Beklagten von der Klägerin erfüllt worden.

Einstweilige Verfügung auf Unterlassung von Behauptungen gegenüber Arbeitnehmer
Symbolfoto: fizkes/Bigstock

Der Beklagte vertrat die Auffassung, es seien 450,- EUR pro Stunde vereinbart worden, zumindest sei der Arbeitsvertrag unter dem Gesichtspunkt allgemeiner Geschäftsbedingungen so auszulegen. Daher hatte er im Juni 2015 Prozesskostenhilfe für eine Klage über 43.200,- EUR brutto abzüglich gezahlter 1.050 EUR netto beantragt. Dieser Antrag blieb sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem Landesarbeitsgericht erfolglos.

Am 17.9.2015 mahnte die Klägerin den Beklagten ab. Auf das Schreiben (Anlage A 6, Anlagenband) wird Bezug genommen. Der Beklagte unterzeichnete die beigefügte Unterlassungserklärung nicht.

Am 16.2.2016 berichtete die C.-Zeitung über die Forderung des Beklagten. Auf den Artikel (Anlage A 7, Anlagenband) wird Bezug genommen.

Mit am 1.3.2016 beim Landgericht Düsseldorf eingegangener Antragsschrift begehrt die Klägerin u.a. Unterlassung von Äußerungen vom Beklagten. In der Antragsschrift kündigte die Klägerin folgende Anträge an:

Dem Antragsgegner wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, untersagt,

unwahre Tatsachen in Beziehung auf die Antragstellerin gegenüber Dritten zu behaupten oder solche zu verbreiten, welche geeignet sind, dieselbe verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen; insbesondere zu behaupten, die Antragstellerin verweigere ihm die Zahlung der für seine Tätigkeit als Hausmeister vereinbarten Vergütung,

sich über Angelegenheiten, die dem Antragsgegner im Rahmen oder aus Anlass seiner Tätigkeit im Privathaushalt der Antragstellerin bekannt geworden sind oder werden nach inzwischen erfolgter Beendigung des mit der Antragstellerin bestandenen Arbeitsverhältnisses gegenüber Dritten zu äußern oder sich über solche Angelegenheiten auszutauschen

sowie Dritten in den mit der Antragstellerin am 30.4.2015 für eine Hausmeistertätigkeit geschlossenen Arbeitsvertrag für geringfügig Beschäftigte in Gänze oder auch nur in Teilen Einsicht zu gewähren oder Dritten Abschriften des Vertrags zur Verfügung zu stellen.

Mit Beschluss vom 10.3.2016 erklärte sich das Landgericht Düsseldorf für unzuständig und hat den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Mönchengladbach verwiesen. Nachdem dieser Beschluss am 10.3.2016 bzw. 14.3.2016 zugestellt worden war, gingen die Akten am 12.4.2016 beim Arbeitsgericht Mönchengladbach ein. In der mündlichen Verhandlung vom 15.4.2016 hat die Klägerin ihre Anträge umgestellt, woraufhin der Beklagte erklärt hat, er könne sich hierauf nicht einlassen.

Die Klägerin hält den Antrag auf einstweilige Verfügung für berechtigt. Sie werde durch die Äußerungen des Beklagten in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt, da insbesondere der Eindruck entstehe, sie zahle nicht die vereinbarte Vergütung aus einem Arbeitsverhältnis. Ferner halte sich der Beklagte offensichtlich nicht an die im Arbeitsvertrag vereinbarte Verschwiegenheitspflicht.

Die Verfügungsklägerin beantragt, dem Antragsgegner wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, untersagt, unwahre Tatsachen in Beziehung auf die Antragstellerin gegenüber Dritten zu behaupten oder solche zu verbreiten, welche geeignet sind, dieselbe verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen; insbesondere wörtlich oder sinngemäß zu behaupten und/oder verbreiten zu lassen, die Antragstellerin schulde dem Antragsgegner noch offene Lohnzahlungen anlässlich einer Anstellung bei ihr auf Grundlage des zwischen ihnen abgeschlossenen Arbeitsvertrages vom 30.04.2015 und/oder die Antragstellerin verweigere ihm noch Lohnzahlung anlässlich dieses Arbeitsvertrages; ferner dem Antragsgegner zu untersagen, zu behaupten, die Antragstellerin und der Antragsgegner hätten im Rahmen des Abschlusses des Arbeitsvertrages vom 30.04.2015 eine Vergütung eines Stundenlohns von 450,00 EUR vereinbart; sich über Angelegenheiten, die dem Antragsgegner im Rahmen oder aus Anlass seiner Tätigkeit im Privathaushalt der Antragstellerin bekannt geworden sind oder werden nach inzwischen erfolgter Beendigung des mit der Antragstellerin bestandenen Arbeitsverhältnisses gegenüber Dritten zu äußern oder sich über solche Angelegenheiten auszutauschen sowie Dritten in den mit der Antragstellerin am 30.4.2015 für eine Hausmeistertätigkeit geschlossenen Arbeitsvertrag für geringfügig Beschäftigte in Gänze oder auch nur in Teilen Einsicht zu gewähren oder Dritten Abschriften des Vertrags zur Verfügung zu stellen.

Der Beklagte hat um Vertagung gebeten und hilfsweise beantragt, die Anträge zurückzuweisen.

Der Beklagte hält die Anträge für unzulässig und unbegründet. Die Anträge seien nicht hinreichend bestimmt. Die Umstände und die unterschiedlichen Interpretationen des Arbeitsvertrags seien der Klägerin seit dem 17.9.2015 bekannt gewesen, was sich schon aus der Abmahnung ergebe. Daher fehle einem im März 2016 eingereichten Antrag auf einstweilige Verfügung ersichtlich die Eilbedürftigkeit. In der Sache sei der Beklagte auch berechtigt, eine Stundenvergütung von 450,- EUR zu behaupten. Schließlich habe er damals nach anwaltlicher Beratung einen entsprechenden Prozesskostenhilfeantrag gestellt.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die Sitzungsniederschrift vom 15.4.2016 sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hatten keinen Erfolg. Sie sind teilweise unzulässig, teilweise unbegründet.

I. Die Anträge sind teilweise unzulässig.

1. Der Antrag zu 1), Unterabsatz 1 Hs. 1 ist unzulässig, weil er nicht hinreichend bestimmt ist im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Wie der Beklagte zutreffend eingewandt hat, ist dieser Teil des Antrags lediglich eine nahezu wörtliche Wiedergabe der Vorschrift des § 187 StGB. Gegenstand einer Klage oder eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung muss allerdings eine konkrete Leistung sein, die auch in einem Unterlassen bestehen kann. Eine solche konkrete Unterlassungsverpflichtung geht aus dem Antrag zu 1), Unterabsatz 1 Hs. 1 nicht hervor.

2. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung – und damit exakt einen Monat nach der entsprechenden Rüge durch den Beklagten hinsichtlich der Unbestimmtheit der Anträge und unter Missachtung der schon extrem abgekürzten Einlassungsfrist – den Antrag zu 1), Unterabsatz 1 anderweitig formuliert hat, hat der Vorsitzende dies noch nach § 297 Abs. 1 S. 3 ZPO gestattet. Soweit die Klägerin dann am Schluss der Sitzung auch den Antrag zu 1), Unterabsatz 2 und 3 noch ändern wollte, hat der Vorsitzende dies nicht mehr zugelassen. Es sei hierbei auf die anschauliche Formulierung in einer früheren Auflage bei Zöller/Greger (24. Aufl. 2004 § 297 ZPO Rn. 6) verwiesen, wo es heißt: „Die Neuregelung darf – insbesondere bei umfangreichen Anträgen – nicht dazu führen, dass (…) im Fall des § 159 I gar der Richter zum Schreibgehilfen des Anwalts wird“.

Die in der Sitzung geänderten Anträge stellen zwar eine Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO dar, da sie jedenfalls gegenüber den bisher konkret bezeichneten behaupteten Unterlassungspflichten des Beklagten eine Klageerweiterung darstellen. Diese war allerdings sachdienlich im Sinne von § 263 ZPO, da der bisherige Prozessstoff verwertet werden konnte.

3. Soweit die Unterlassungsanträge im Übrigen für eine Vielzahl von Fallgestaltungen Geltung beanspruchen, macht dies die Anträge noch nicht zu unbestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (vgl. zur Abgrenzung unbestimmter Anträge zu sog. „Globalanträgen“ BAG, Urt. v. 20.2.1997 – 6 AZR 808/95 n.v.).

II. Soweit die Anträge zulässig sind, sind sie unbegründet.

1. Soweit die Klägerin mit dem von ihr vorgetragenen Sachverhalt an Ereignisse unmittelbar anknüpft, die im zeitlichen Zusammenhang mit ihrer Abmahnung vom 17.9.2015 liegen, fehlt es erkennbar an einem Verfügungsgrund.

Gemäß §§ 935, 940 ZPO setzt der Erlass einer einstweiligen Verfügung stets eine besondere Dringlichkeit voraus, den Verfügungsgrund. Ein Verfügungsgrund liegt vor, wenn die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines Rechts ohne alsbaldige einstweilige Regelung vereitelt oder wesentlich erschwert wird (vgl. etwa LAG Hamm, Urt. v. 6.11.2007 – 14 SaGa 39/07). Ein Abwarten des Rechtsstreits in der Hauptsache darf gerade nicht geeignet sein, das Recht zu verwirklichen.

Ein Verfügungsgrund kann entfallen, wenn der Antragsteller die erforderliche Dringlichkeit durch langes Zuwarten selbst widerlegt hat (LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 6.12.2012 – 10 Sa Ga 11/12). Für die Frage, welcher Zeitraum als dringlichkeitsschädlich anzusehen ist, sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (LAG Düsseldorf, Urt. v. 19.9.2012 – 12 SaGa 17/12; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 6.12.2012 – 10 Sa Ga 11/12), wobei das LAG Düsseldorf in der genannten Entscheidung einen Zeitraum von acht Wochen als dringlichkeitsschädlich angesehen hat (LAG Düsseldorf, Urt. v. 19.9.2012 – 12 SaGa 17/12). Im vorliegenden Fall hat die Klägerin – gerechnet ab dem Zeitpunkt der von ihr gesetzten Frist für die Unterlassungserklärung – etwas mehr als 22 Wochen abgewartet, bevor sie dann den Antrag (beim unzuständigen Gericht) gestellt hat.

Daher fehlt der Sache – soweit an in der Abmahnung bereits erwähnte Umstände angeknüpft wird – evident die erforderliche Eilbedürftigkeit, zumal es die Terminierung der erkennenden Kammer zugelassen hatte, bei einer Einreichung einer Klage unmittelbar nach dem 25.9.2015 jedenfalls im Verlauf des Januar 2016 ein Urteil in der Hauptsache zu erlangen.

Soweit die Klägerin den Artikel in der C.-Zeitung vom 16.2.2016 zum Anlass genommen hat, liegt ein Verfügungsgrund vor. Zwar lagen zwischen dem Erscheinen des Artikels und der Einreichung des Antrags zwei Wochen und die Klägerin hätte es in Anbetracht der zu wahrenden Frist des § 17b Abs. 1 S. 1 GVG in der Hand gehabt, durch Rücknahme des Antrags beim Landgericht und Erhebung eines neuen Antrags beim Arbeitsgericht wenigstens die Verfahrensdauer noch um mindestens zwei Wochen zu verkürzen. Doch obwohl dies nicht geschehen ist, kann wegen § 17b Abs. 1 S. 2 GVG insoweit nicht von einer fehlenden Eilbedürftigkeit ausgegangen werden.

2. Soweit danach ein Verfügungsgrund angenommen werden kann, fehlt es an einem Verfügungsanspruch.

a) Der in der mündlichen Verhandlung neu formulierte Antrag zu 1), Unterabsatz 1 Hs. 2 hatte keinen Erfolg. Mit diesem Antrag möchte die Klägerin dem Beklagten Äußerungen und Behauptungen im Zusammenhang mit der in ihrem Arbeitsvertrag vereinbarten Lohnhöhe untersagen.

Ein Anspruch auf Unterlassung wahrheitswidriger Behauptungen aus §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) besteht im Ergebnis nicht (zum Unterlassungsanspruch auf dieser Grundlage allgemein BAG, Urt. v. 18.2.1999 – 8 AZR 735/97, AP Nr. 31 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht). Zwar ist zutreffend, dass die Klägerin sich im Falle wahrheitswidriger Tatsachenbehauptungen des Beklagten mittels des Unterlassungsanspruchs aus § 1004 BGB analog wehren könnte.

Im vorliegenden Fall ist allerdings zu differenzieren. Soweit der Antrag darauf abzielt, den Beklagten zu verurteilen, Behauptungen zu unterlassen, die implizieren, die Klägerin würde dem Beklagten den vereinbarten Lohn verweigern, so ist der Antrag unbegründet. Denn der Beklagte hat durch seine Forderung in Höhe von 43.200 EUR lediglich eine andere Rechtsauffassung hinsichtlich des im Arbeitsvertrag Vereinbarten geäußert. Er hat mit der erhobenen Forderung implizit behauptet, insgesamt 96 Stunden für die Klägerin gearbeitet zu haben (43.200 : 450 = 96). Er hat nicht in Abrede gestellt, dass er von der Klägerin – nach deren Interpretation des Arbeitsvertrags – vergütet worden zu sein. Zwar hat er im vorliegenden Verfahren wiederum andere Stundenzahlen genannt, diese aber nicht zum Anknüpfungspunkt für eine höhere Forderung genommen. Vielmehr ist er stets von der genannten Summe von 43.200,- EUR ausgegangen und hat stets eingeräumt, 1050 EUR erhalten zu haben. Ausgehend von 450 EUR pro Monat bei 12 Stunden pro Woche ergibt sich ein Stundenentgelt von 8,66 EUR (450 : 4,33 :12), was zu einer Vergütungspflicht von 831,36 EUR führen würde. Insofern wäre der Beklagte – legt man 450 EUR pro Monat ohne Überstunden zugrunde – sogar überzahlt worden. Hieraus ergibt sich bereits, dass der Beklagte stets nur darauf hingewiesen hat, gemessen an seiner Interpretation der Vergütungsabrede schulde ihm die Klägerin noch Entgelt. Er hat gerade nicht – jedenfalls ergibt sich dies nicht aus dem C.-Artikel – behauptet, die Klägerin verweigere ihm Lohn in unstreitig geschuldeter Höhe. Letzteres wäre tatsächlich eine unwahre Tatsachenbehauptung gewesen, hinsichtlich derer die Klägerin durchaus ein Interesse haben könnte, diese zu unterbinden. Denn dies würde die Klägerin in der Öffentlichkeit in ein schlechtes Licht rücken oder gar dem Verdacht aussetzen, sie verfüge nicht über die Mittel, ihren Hausmeister zu bezahlen. Darum geht es aber hier nicht. Selbst wenn man unterstellt, der Beklagte habe sich gegenüber der C.-Zeitung so geäußert, wie es der Artikel nahelegt, geht daraus eindeutig hervor, dass lediglich Streit darüber besteht, ob die genannte Summe das Monats- oder das Stundenentgelt darstellt. Der von der Klägerin zum Anlass für die einstweilige Verfügung genommene C.-Artikel nimmt ausdrücklich Bezug auf die unterschiedlichen Interpretationen.

Die Äußerung einer derartigen Interpretation des Arbeitsvertrags kann dem Beklagten allerdings nicht verboten werden. Es ist zunächst eine Meinungsäußerung und, soweit Tatsachen behauptet worden sind, sind diese zutreffend oder jedenfalls von der Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt. Jede Vertragspartei darf im Rahmen der Auslegung des von ihr geschlossenen Arbeitsvertrags eine für sich selbst günstige Interpretation verfolgen. Auch wenn diese Interpretation abwegig (das LAG Düsseldorf, Beschl. v. 10.8.2015 spricht von „vollständig fernliegend“) ist, ist es dem Beklagten – jedenfalls bis zur Rechtskraft eines entsprechenden Urteils in der Hauptsache – nicht verboten, seine Sicht der Dinge jedem, der es hören mag, darzulegen. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass er zwischenzeitlich einen Rechtsanwalt gefunden hatte, der ihn dabei unterstützte und sogar meinte, der Beklagte könne ein Urteil des Bundesgerichtshofs für seine Rechtsauffassung nutzbar machen. Dass sich schon bei flüchtiger Lektüre der genannten Entscheidung (BGH, Urt. v. 20.6.2013 – VII ZR 82/12, NJW 2013, 2583) recht zwanglos ergibt, dass sie aus verschiedenen Gründen die von der Klägerin, dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht vertretene Rechtsauffassung stützt, spielt hier keine Rolle. Denn es kann nicht geleugnet werden, dass – betrachtet man lediglich den Wortlaut der einzelnen Klausel ohne weitere Kenntnisse über den Vertrag, seinen Gegenstand und die Parteien – die eine Variante ebenso wahrscheinlich ist wie die andere. Es kann dem Beklagten daher nicht verwehrt werden, seine Interpretation der Vergütungsabrede zu äußern, mag diese auch noch so fernliegend sein.

b) Aus dem gleichen Grund ist der in der mündlichen Verhandlung neu gestellte Antrag zu 1) Unterabsatz 2 (Behauptung, es seien 450,- EUR Stundenlohn vereinbart worden) erfolglos. Denn dies ist lediglich die Folge der Interpretation des Arbeitsvertrags durch den Kläger. Ergäbe – beispielsweise über § 305c Abs. 2 BGB – die Auslegung nach §§ 133, 157 BGB einen Stundenlohn von 450,- EUR, so wäre dieser ja zugleich „vereinbart“. Diese „Gefahr“ hat ja sogar die Klägerin gesehen, hatte sie schließlich die Vergütungsabrede mit Schriftsatz vom 12.6.2015 vorsorglich angefochten. Dass eine Vergütung mit einem Stundenentgelt von 450,- EUR – wie bereits dargelegt – bei zutreffender Auslegung des Arbeitsvertrags nicht vereinbart worden ist, ändert nichts daran, dass es zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gehört, dies zu behaupten, jedenfalls so lange, wie man wahrheitsgemäß darauf hinweist, dass im Originalvertrag keine der beiden Varianten, die sich nun einmal gegenseitig ausschließen, gestrichen ist.

c) Der Antrag zu 1), Unterabsatz 2 aus der Antragsschrift (Verschwiegenheitspflicht) ist unbegründet.

Die Klägerin beruft sich hierbei auf § 8 des Arbeitsvertrags und ist der Auffassung, diese Klausel verbiete dem Beklagten, sich über den Inhalt seines Arbeitsvertrags zu äußern.

Dies ist unzutreffend. § 8 des Arbeitsvertrags verbietet dem Kläger nur, sich über Dinge zu äußern, die ihm im Rahmen oder aus Anlass seiner Tätigkeit im Privathaushalt bekannt geworden sind. Damit sind ersichtlich andere Tatsachen gemeint, etwa, ob und welche Besucher die Klägerin empfängt, über welche Einrichtungsgegenstände sie verfügt und dergleichen mehr. Der Inhalt des Arbeitsvertrags gehört nicht zu den Dingen, die aus Anlass der Tätigkeit bekannt werden. Vielmehr ist es umgekehrt: Die Durchführung des Arbeitsvertrags führt ja erst dazu, dass dem Beklagten während seiner Tätigkeit Dinge bekannt werden können.

Doch selbst wenn man § 8 mit der Klägerin dahingehend verstehen würde, dass der Arbeitsvertrag zu den Tatsachen gehört, die durch die Tätigkeit bekannt werden, wäre der Antrag unbegründet. Denn in diesem Fall wäre die Klausel unwirksam und der Antrag wäre unabhängig davon ein sog. „Globalantrag“ im Sinne der Rechtsprechung des BAG (BAG, Urt. v. 13.10.2009 – 9 AZR 139/08).

Im Einzelnen: In dem Fall, dass § 8 den Austausch mit Dritten über den Inhalt des Arbeitsvertrags verböte, wäre § 8 des Arbeitsvertrags zumindest unwirksam nach § 307 Abs. 1 BGB. Denn der Beklagte würde unangemessen benachteiligt, wenn er diesen nicht einmal seinem Rechtsanwalt, dem erkennenden Gericht oder der Bundesagentur für Arbeit vorlegen dürfte, die jeweils zweifellos „Dritte“ im Sinne dieser Klausel sind. Darüber hinaus wäre der Antrag der Klägerin ein unbegründeter sog. „Globalantrag“. Das BAG (Urt. v. 13.10.2009 – 9 AZR 139/08) führt aus:

„a) Ein Globalantrag, der eine Vielzahl von Fallgestaltungen erfasst, ist in vollem Umfang als unbegründet abzuweisen, wenn es darunter Fallgestaltungen gibt, in denen sich der Antrag als unbegründet erweist. Etwas anderes gilt nur, wenn sich der Antrag auf voneinander zu trennende und gegeneinander klar abgrenzbare Sachverhalte bezieht und der begründete Teil schon im Antrag selbst als Teilziel des Verfahrens zu entnehmen ist (st. Rspr., zB BAG 28. Februar 2006 – 1 AZR 461/04 – Rn. 38, SAE 2007, 106; zum Feststellungsantrag BAG 20. Februar 1997 – 6 AZR 808/95 – zu II 2 der Gründe).“

Im vorliegenden Fall ist vom Antrag auch eine Mitteilung von Vertragsinhalten an den o.g. Personenkreis (Gericht, Rechtsanwalt, Agentur für Arbeit) erfasst. Der Antrag erfasst daher Fallgestaltungen, die dem Beklagten zweifellos erlaubt sind. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dieser Antrag rechtfertige sich daraus, dass möglicherweise ihre Privatanschrift bekannt werde, hat sie nicht vorgetragen, dass der Beklagte diese gegenüber irgendwem preisgegeben hätte. Aus dem C.-Artikel ergibt sich genau dies nicht. Auch daher ist der Antrag unbegründet.

d) Der Antrag zu 1), Unterabsatz 3 aus der Antragsschrift (Vorlage des Arbeitsvertrags gegenüber Dritten) ist aus den gleichen Gründen erfolglos. Auf die Ausführungen unter c) wird vollinhaltlich Bezug genommen. Der Beklagte kann schon von Gesetzes wegen verpflichtet sein, den Arbeitsvertrag etwas bei der Agentur für Arbeit vorzulegen. Daher ist ein Antrag, der auch diesen Sachverhalt erfasst, ein Globalantrag, der als unbegründet abzuweisen ist.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO und umfasst auch die Kosten nach § 12a Abs. 1 S. 3 ArbGG. Die gem. § 61 Abs. 1 ArbGG erforderliche Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO. Weil es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit handelt, hat die Kammer den Streitwert nach freiem Ermessen auf 10.000,- EUR festgesetzt.

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