Skip to content

Entschädigungszahlung nach dem AGG

AGG-Klage wegen Diskriminierung abgewiesen – Kläger handelte rechtsmissbräuchlich

Das Gericht hat die Klage eines arbeitslosen Klägers auf Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wegen angeblicher geschlechtsspezifischer Diskriminierung bei einer Stellenbesetzung abgewiesen. Der Kläger hatte sich erfolglos auf eine Stelle beworben, die kurz nach seiner Bewerbung aufgrund betrieblicher Entscheidungen und nicht aus diskriminierenden Gründen zurückgezogen wurde. Des Weiteren wurde festgestellt, dass der Kläger rechtsmissbräuchlich handelte, indem er systematisch und zielgerichtet auf Entschädigungszahlungen abzielte, ohne ein ernsthaftes Interesse an den ausgeschriebenen Stellen zu haben.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 6 Ca 6055/23 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Das Gericht hält die Klage für unbegründet und weist diese ab.
  2. Es besteht kein Anspruch auf Entschädigung gemäß § 15 Abs. 1, 2 AGG, da keine Diskriminierung vorlag.
  3. Die Nichtberücksichtigung des Klägers war nicht diskriminierend, sondern aufgrund sachlicher und nachvollziehbarer Gründe.
  4. Rechtsmissbrauch durch den Kläger wird festgestellt, da dieser ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen zur Erlangung von Entschädigungszahlungen verfolgte.
  5. Der Kläger war für die Stelle überqualifiziert und es gab Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner Bewerbung.
  6. Beweislast für die Nichtdiskriminierung lag beim Beklagten, welche dieser erfüllen konnte.
  7. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
  8. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entschädigungszahlung bei Diskriminierung am Arbeitsplatz

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bietet Arbeitnehmern Schutz vor Diskriminierung am Arbeitsplatz. Wenn eine Diskriminierung vorliegt, kann ein Anspruch auf Schadensersatz oder Entschädigung geltend gemacht werden. Die Höhe der Entschädigung richtet sich nach dem erlittenen Schaden und kann auch immaterielle Schäden umfassen.

Die Beweislast liegt beim Arbeitgeber, der nachweisen muss, dass keine Diskriminierung vorlag. Entschädigungsansprüche müssen innerhalb von zwei Monaten schriftlich erhoben werden, es sei denn, ein Tarifvertrag regelt dies anders. Das Verschulden des Arbeitgebers ist für die Entschädigung nicht relevant.

Ein aktuelles Urteil des Arbeitsgerichts verdeutlicht die rechtlichen Herausforderungen in diesem Bereich. Ein Kläger hatte sich auf eine Stelle beworben, die kurz nach seiner Bewerbung aufgrund betrieblicher Entscheidungen zurückgezogen wurde. Der Kläger behauptete, dass er aufgrund seines Geschlechts diskriminiert wurde. Das Gericht wies die Klage jedoch ab und stellte fest, dass keine Diskriminierung vorlag.

Dieses Urteil zeigt, dass die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen nach dem AGG komplex und herausfordernd sein kann. Es ist daher wichtig, sich rechtzeitig anwaltlichen Rat zu suchen, um die eigenen Rechte zu wahren.

Wenn Sie Fragen zu einer ähnlichen Situation haben, wo es um Diskriminierung am Arbeitsplatz geht, zögern Sie nicht und fordern Sie noch heute unsere unverbindliche Ersteinschätzung an.

Im Zentrum eines rechtlichen Streits stand die Klage eines arbeitslosen Bewerbers, der nach erfolgloser Bewerbung auf eine Stelle via Ebay-Kleinanzeigen eine Entschädigungszahlung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) forderte. Der Kläger, wohnhaft in Lohne und Empfänger von Arbeitslosengeld 1, hatte sich auf eine ausgeschriebene Stelle als Bürokauffrau in Voll- oder Teilzeit beworben, die spezifische Kenntnisse im Kfz-Bereich voraussetzte.

Das AGG im Fokus des Arbeitsrechts

Die Bewerbung des Klägers, die sowohl über Ebay-Kleinanzeigen als auch postalisch beim Beklagten eingereicht wurde, blieb unbeantwortet, da der Beklagte bereits vor Eingang der Bewerbung entschieden hatte, die Stelle nicht mehr zu besetzen. Dies führte dazu, dass der Kläger eine Entschädigungszahlung wegen angeblicher geschlechtsspezifischer Diskriminierung geltend machte. Der Kläger argumentierte, dass die Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung eine Diskriminierung darstelle, unabhängig davon, ob es zu einer tatsächlichen Einstellung eines anderen Bewerbers gekommen sei oder nicht.

Die rechtliche Auseinandersetzung am Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven

Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven wies die Klage ab und hielt das zuvor ergangene Versäumnisurteil aufrecht. In der Urteilsbegründung führte das Gericht aus, dass die Indizien, die für eine Diskriminierung nach § 22 AGG sprechen könnten, durch den Beklagten entkräftet wurden. Der Beklagte legte dar, dass die Entscheidung, die Stelle nicht zu besetzen, aufgrund eines Rückgangs im Gebrauchtwagenhandel, beeinflusst durch die Corona-Pandemie und den Ukrainekrieg, gefallen sei und nicht auf diskriminierenden Gründen basierte.

Rechtsmissbrauch als zentrale Problematik

Ein wesentlicher Aspekt des Urteils war die Feststellung des Gerichts, dass der Kläger rechtsmissbräuchlich gehandelt habe. Dies begründete das Gericht damit, dass der Kläger ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen verfolgte, um Entschädigungszahlungen zu erstreiten, ohne ein ernsthaftes Interesse an den ausgeschriebenen Stellen zu haben. Es wurde deutlich, dass der Kläger ähnliche Verfahren bereits in der Vergangenheit geführt hatte und somit eine Strategie verfolgte, die auf der Ausnutzung des AGG beruhte.

Schlussfolgerungen des Gerichts

Das Gericht stellte klar, dass die Berufung auf einen Entschädigungsanspruch im vorliegenden Fall als Rechtsmissbrauch zu werten ist. Damit verneinte es einen Anspruch des Klägers auf Entschädigung gemäß § 15 Abs. 1, 2 AGG. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der differenzierten Betrachtung von Diskriminierungsvorwürfen und der Prüfung des tatsächlichen Interesses an einer Stelle, um den Missbrauch von Schutzvorschriften zu verhindern.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven legt somit dar, dass der Schutz vor Diskriminierung nach dem AGG nicht als Mittel für ungerechtfertigte Entschädigungsforderungen missbraucht werden darf. Es betont die Notwendigkeit, dass Klagen auf einer ernsthaften Grundlage beruhen müssen und warnt vor dem rechtsmissbräuchlichen Einsatz des AGG.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

In welchen Fällen kann eine Diskriminierung im Bewerbungsprozess vorliegen?

Diskriminierung im Bewerbungsprozess kann in verschiedenen Phasen auftreten und basiert auf dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das Menschen vor Diskriminierung aufgrund von Merkmalen wie ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexueller Identität schützt.

  • Diskriminierung in Stellenanzeigen: Stellenanzeigen dürfen keine diskriminierenden Anforderungen enthalten, wie z.B. „nur deutsche Bewerber“ oder „Kellnerin gesucht“. Auch indirekte Ausgrenzungen wie „Deutsch als Muttersprache“ oder unbegründete Altersgrenzen sind unzulässig.
  • Diskriminierung bei der Auswahl der Bewerber: Im Auswahlprozess müssen objektive Kriterien wie Ausbildung, Berufserfahrung und Qualifikationen im Vordergrund stehen. Subjektive Elemente wie die Motivation für eine Stelle dürfen berücksichtigt werden, solange sie nicht diskriminierend sind.
  • Diskriminierung im Vorstellungsgespräch: Fragen nach AGG-Merkmalen, Familienplanung oder anderen persönlichen Umständen, die nicht direkt mit der beruflichen Qualifikation zusammenhängen, sind unzulässig.
  • Rechtliche Rahmenbedingungen: Das AGG verbietet Diskriminierung und erlaubt Betroffenen, bei Diskriminierung Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche geltend zu machen. Bewerber müssen Indizien vorbringen, die eine Benachteiligung vermuten lassen, woraufhin die Beweislast auf den Arbeitgeber übergeht.
  • Praktische Maßnahmen: Arbeitgeber sollten den gesamten Auswahlprozess dokumentieren, um nachweisen zu können, dass keine Diskriminierung erfolgt ist. Dazu gehört das Kopieren oder Einscannen der Bewerbungsunterlagen mit Zustimmung der Bewerber.
  • Positive Maßnahmen: Das AGG erlaubt ausdrücklich positive Maßnahmen, die darauf abzielen, bestehende Nachteile zu verhindern oder auszugleichen. Nicht jede unterschiedliche Behandlung ist somit gleich eine Diskriminierung.
  • Anonyme Bewerbungen: Um Diskriminierungen zu vermeiden, wird die Idee verfolgt, dass Bewerbungsunterlagen ohne Foto eingereicht werden können.
  • Fristen für Ansprüche: Betroffene haben nach Erhalt einer Absage zwei Monate Zeit, um sich beim Arbeitgeber zu beschweren. Sollte darauf keine Reaktion erfolgen, kann innerhalb von drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung gerichtlich vorgegangen werden.
  • Ausnahmen: Bestimmte berufliche Anforderungen können gerechtfertigte Ausschlüsse darstellen, wie z.B. bei Stellen, die mit der Betreuung in Mädcheninternaten oder mit Missbrauchsopfern zu tun haben.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Diskriminierung im Bewerbungsprozess in verschiedenen Formen auftreten kann und durch das AGG verboten ist. Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass ihre Verfahren diskriminierungsfrei sind und sollten dies auch dokumentieren, um sich vor rechtlichen Ansprüchen zu schützen.

Welche Rolle spielt die Beweislast im Rahmen des AGG?

Im Rahmen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) spielt die Beweislast eine entscheidende Rolle, da sie regelt, welche Partei im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung die Beweisführung zu erbringen hat. Nach § 22 AGG muss die Partei, die sich diskriminiert fühlt, zunächst Indizien vorlegen, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. Sind solche Indizien gegeben, kehrt sich die Beweislast um, und der Arbeitgeber muss nachweisen, dass keine unzulässige Benachteiligung vorliegt.

Diese Beweiserleichterung ist von großer Bedeutung, da sie es der benachteiligten Person ermöglicht, ihre Ansprüche leichter durchzusetzen. Es genügt nicht die bloße Möglichkeit, dass die Indizien für eine Diskriminierung sprechen könnten; die Indizien müssen vielmehr so beschaffen sein, dass sie eine Diskriminierung als wahrscheinlich erscheinen lassen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat hohe Anforderungen an die belastenden Indizien für eine Diskriminierung nach dem AGG gestellt, was bedeutet, dass die vorgebrachten Indizien von den Arbeitsgerichten als ausreichend bewertet werden müssen.

Zusätzlich können Ergebnisse von Testing-Verfahren als Indizien im Sinne des § 22 AGG dienen, um die Beweislast zu verschieben. Solche Verfahren müssen jedoch sorgfältig geplant und durchgeführt werden, um als glaubwürdige Beweismittel zu gelten.


Das vorliegende Urteil

Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven – Az.: 6 Ca 6055/23 – Urteil vom 12.09.2023

1. Das Versäumnisurteil vor dem Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven unter dem Az. 6 Ca 6055/23 vom 12.04.2023 wird aufrechterhalten.

2. Der Kläger trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird festgesetzt auf 4.350 €.

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Entschädigungszahlung nach dem AGG.

Der Kläger ist arbeitslos und wohnhaft in Lohne. Er lebt von Arbeitslosengeld 1.

Der Beklagte schrieb über Ebay-Kleinanzeigen eine Stelle als Bürokauffrau in Vollzeit oder Teilzeit aus. Die Stellenausschreibung lautete wie folgt (vergleiche für den vollständigen Wortlaut Bl. 6 ff. der Akte):

„Bürokauffrau in Vollzeit oder Teilzeit

Art Weitere Berufe

Stundenlohn 12,50 €

Berufserfahrung Mit Berufserfahrung

Arbeitszeit Vollzeit

Zur Verstärkung unseres Teams suchen wir eine Bürokauffrau in Vollzeit oder Teilzeit mit Erfahrung im Kfz-Bereich per sofort

Betreuung und Bearbeitung der Buchhaltung

Kundenannahme

Vereinbarung von Kundenterminen

Rechnungsbearbeitung

Telefonservice

Bearbeitung von Emails

Zuverlässigkeit,

Flexibilität, Einsatzbereitschaft und Belastbarkeit

Gute Deutschkenntnisse

Kommunikationsfähigkeit und Kundenorientierung

Freundlichkeit, Aufgeschlossenheit, Höflichkeit und ein sicheres Auftreten

Berufserfahrung

Organisationstalent

alter egal gerne junge rentnerin

Wir verfügen über 13 Jahre Erfahrung im Bereich KFZ.[..]“

Am 04.01.2023 bewarb sich der Kläger bei dem Beklagten mit folgendem Anschreiben über Ebay-Kleinanzeigen (vergleiche Bl. 10 der Akte) und postalisch (vergleiche Bl. 16 der Akte):

„Sehr geehrte Damen und Herren,

mit großem Interesse habe ich ihre Stellenausschreibung gelesen. Ich möchte mich hiermit sehr gerne bei Ihnen bewerben. Durch meine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung bin ich für ihre ausgeschriebene Stelle bestens geeignet. Ich habe Berufserfahrung im Büro und kenne mich mit Word, Excel und Gesetzen gut aus. Lieferscheine und Rechnungen kann ich auch Schreiben und alle weiteren anfallenden Tätigkeiten.

Ich habe Berufserfahrung in der Personalabteilung, Vertrieb und im Groß und Außenhandels sowie im Sekretariat und der Buchhaltung. Meine Stärken sind unter anderem ein hohes Engagement, Belastbarkeit sowie Teamfähigkeit. Durch ein Studium bilde ich mich derzeit berufsbegleitend weiter.

Über eine Rückmeldung sowie ein Vorstellungsgespräch würde ich mich sehr freuen.

Ich wäre ab sofort verfügbar.

Mit freundlichen Grüßen

#.#.“

Der Kläger besitzt eine Ausbildung als Industriekaufmann. Parallel absolvierte der Kläger ein Fernstudium. Der Kläger besitzt auch gute Kenntnisse auf dem Gebiet des Arbeits-, Zivil- und Gesellschaftsrecht.

Der Beklagte und seine Mitarbeiter waren kurz nach Veröffentlichung der Anzeige und vor Eingang der Bewerbung des Klägers der Meinung, dass sie die anfallenden Arbeiten auch ohne eine/n neue/n Mitarbeiter:in bewältigen könnten. Sie entschieden daher vor Eingang der Bewerbung des Klägers die Stelle nicht mehr zu besetzen. Dementsprechend beschäftigten sie sich mit eingehenden Bewerbungen auch nicht mehr, was der einzige Grund dafür war, dass der Kläger keine Reaktion auf seine Bewerbung erhielt und die Anzeige wieder gelöscht wurde. Der Gebrauchtwagenhandel ist vor geraumer Zeit nahezu zum Erliegen gekommen. Aufgrund der Corona-Pandemie und des Ukrainekriegs und der damit verbundenen Störungen der Lieferketten – insbesondere bei Microchips – beträgt die Wartezeit für Neuwagen immer noch über ein Jahr. Das hat zur Folge, dass die Leute ihre Gebrauchtwagen nicht mehr verkaufen, sondern lieber reparieren und weiterfahren. Dies wiederum hat zu einer erheblichen Verknappung des Angebots an Gebrauchtwagen geführt, was sich natürlich auch auf den Gebrauchtwagenhandel auswirkt. Im Betrieb des Beklagten fällt daher deutlich weniger Arbeit an als vorher.

Mit seiner Klagschrift vom 26.02.2023 – bei Gericht eingegangen am 01.03.2023 – macht der Kläger einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 1, 2 AGG geltend.

Der Kläger ist der Auffassung, dass er wegen seines Geschlechts diskriminiert wurde (siehe dazu den ausführlichen und juristisch fundierten Vortrag auf Bl. 3 ff und 47 ff. d.A.). Er ist der Auffassung, dass es für den Anspruch unerheblich sei, ob es im Zuge des Auswahlverfahrens später tatsächlich zu einer Einstellung oder Beschäftigung eines anderen Bewerbers gekommen sei. Die Benachteiligung des Klägers durch den Beklagten liege bereits in der Versagung einer Chance. Der Kläger habe sich einen Umzug an den Beschäftigungsort des Beklagten vorstellen können. Freunde des Klägers leben in Bremen.

Das Gericht hat in der Güteverhandlung vom 12.04.2023 ein klagabweisendes Versäumnisurteil gegen den Kläger erlassen, nachdem dieser vorab angekündigt hatte der Güteladung nicht Folge leisten zu wollen.

Der Kläger beantragt,

1. das Versäumnisurteil vor dem Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven unter dem Aktenzeichen 6 Ca 6055/23 vom 12.04.2023 aufzuheben.

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Entschädigungszahlung wegen Diskriminierung, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen. Die Höhe der Entschädigung wird in das Ermessen des Gerichts gestellt, sollte jedoch 4350 EUR nicht unterschreiten.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, der Kläger handele rechtsmissbräuchlich. Außerdem scheide ein Anspruch aus, weil das Bewerbungsverfahren aus sachlichen Gründen rechtzeitig abgebrochen worden wurde.

Wegen des weiteren Sachvortrages wird auf die wechselseitigen Schriftsätze sowie die Protokolle zu den mündlichen Verhandlungen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entschädigung gemäß § 15 Abs. 1, 2 AGG.

1.

Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass die Indizwirkung für eine Diskriminierung gemäß § 22 AGG vorliegt und auch die übrigen anspruchsbegründen Tatbestandsvoraussetzungen gegeben sind.

2.

Der Beklagte hat aus Sicht der Kammer jedoch ausreichend dargelegt, dass die Nichtberücksichtigung des Klägers nicht diskriminierend war.

a.

Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist. Hierfür gilt jedoch das Beweismaß des sogenannten Vollbeweises. Der Arbeitgeber muss Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben (BAG, Urteil vom 23.1.2020 – 8 AZR 484/18, NJW 2020, 2289, 2292, Rn. 36 m.w.N.).

Solche Gründe können zwar in der Regel nicht darin liegen, dass der Arbeitgeber später von einer Einstellung oder Beschäftigung eines anderen Bewerbers absieht, die Stelle also nach Beginn der eigentlichen Bewerberauswahl unbesetzt bleibt. Die Auslegung und Anwendung von § 22 AGG darf nicht dazu führen, dass der Arbeitgeber es in der Hand hat, durch eine geeignete Verfahrensgestaltung die Chancen von Bewerbern und Bewerberinnen wegen der in § 1 AGG genannten Gründe so zu mindern, dass seine Entscheidung praktisch unangreifbar wird. Eine andere Bewertung ist aber dann geboten, wenn der Arbeitgeber substantiiert vorträgt und gegebenenfalls beweist, dass das Auswahlverfahren aus sachlichen und nachvollziehbaren Gründen, zum Beispiel, weil zwischenzeitlich das Erfordernis, die Stelle überhaupt (neu) zu besetzen, entfallen ist, abgebrochen wurde, bevor die Bewerbung der klagenden Partei bei ihm eingegangen ist. In einem solchen Fall hat es kein Auswahlverfahren mehr gegeben, im Rahmen dessen die klagende Partei hätte diskriminiert werden können (BAG, Urteil vom 11.8.2016 – 8 AZR 4/15, NJW 2017, 1409, 1418, Rn. 89; BAG Urt. v. 23.1.2020 – 8 AZR 484/18, BeckRS 2020, 802. Rn 77).

b.

Gemessen an diesen Maßstäben wurde aus Sicht der Kammer die Indizwirkung widerlegt.

Der Beklagte und seine Mitarbeiter waren kurz nach Veröffentlichung der Anzeige und vor Eingang der Bewerbung des Klägers der Meinung, dass sie die anfallenden Arbeiten auch ohne eine/n neue/n Mitarbeiter:in bewältigen könnten. Sie entschieden daher vor Eingang der Bewerbung des Klägers die Stelle nicht mehr zu besetzen.

Hierfür hat der Beklagte auch sachlich nachvollziehbare Gründe angegeben:

Der Gebrauchtwagenhandel ist vor geraumer Zeit nahezu zum Erliegen gekommen. Aufgrund der Corona-Pandemie und des Ukrainekriegs und der damit verbundenen Störungen der Lieferketten – insbesondere bei Microchips – beträgt die Wartezeit für Neuwagen immer noch über ein Jahr. Das hat zur Folge, dass die Leute ihre Gebrauchtwagen nicht mehr verkaufen, sondern lieber reparieren und weiterfahren. Dies wiederum hat zu einer erheblichen Verknappung des Angebots an Gebrauchtwagen geführt, was sich natürlich auch auf den Gebrauchtwagenhandel auswirkt. Im Betrieb des Beklagten fällt daher deutlich weniger Arbeit an als vorher.

Aus Sicht der Kammer ist dieser Vortrag unstreitig und daher ausreichend substantiiert genug.

Zwar hat der Kläger diesen Einwand in seinem Einspruchsschreiben vom 24.04.2023 als unglaubwürdig bezeichnet und moniert, dass der Beklagte keine Gründe dafür vorgetragen habe, dass kein weiterer Mitarbeiter notwendig gewesen sei. Nachdem der Beklagte diese Gründe mit Schreiben vom 04.07.2023 vorgebracht hat, bestritt der Kläger den insofern konkretisierten Sachvortrag trotz entsprechender Auflage aus dem Protokoll zur Verhandlung vom 23.05.2023 weder schriftlich noch im Rahmen der mündlichen Kammerverhandlung vom 12.09.2023, in der dieser Einwand und das fehlende Bestreiten ausführlich erörtert wurde.

3.

Zudem ist die Kammer im Rahmen der Schlussberatung ebenfalls zur Überzeugung gelangt, dass die Berufung auf den Entschädigungsanspruch im vorliegenden Fall rechtsmissbräuchlich ist.

a.

Nach § 242 BGB sind durch unredliches Verhalten begründete oder erworbene Rechte oder Rechtsstellungen grundsätzlich nicht schutzwürdig. Der Ausnutzung einer rechtsmissbräuchlich erworbenen Rechtsposition kann demnach der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen. Allerdings führt nicht jedes rechts- oder pflichtwidrige Verhalten stets oder auch nur regelmäßig zur Unzulässigkeit der Ausübung der hierdurch erlangten Rechtsstellung. Hat der Anspruchsteller sich die günstige Rechtsposition aber gerade durch ein treuwidriges Verhalten verschafft, liegt eine unzulässige Rechtsausübung i.S.v. § 242 BGB vor (BAG Urt. v. 31.3.2022 – 8 AZR 238/21, NZA 2022, 1401, 1405 – Rn- 38; BAG, Urt. v. 25.10.2018 – 8 AZR 562/16, NZA 2019, 527, 533 – Rn. 47 j.m.w.N.).

Hierfür müssen im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten rechtfertigen. Dies kann [..] nur angenommen werden, wenn sich ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen der Person feststellen lässt, das auf der Erwägung beruht, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise werde letztlich ein auskömmlicher „Gewinn“ verbleiben, weil der Arbeitgeber – sei es bereits unter dem Druck einer angekündigten Entschädigungsklage oder im Verlauf eines Entschädigungsprozesses – freiwillig die Forderung erfüllt oder sich vergleichsweise auf eine Entschädigungszahlung einlässt (BAG, Urteil vom 11.8.2016 – 8 AZR 4/15, NJW 2017, 1409, 1415, Rn. 67; vgl. auch BAG, Urt. v. 25.10.2018 – 8 AZR 562/16, NZA 2019, 527, 534 – Rn. 55).

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen, die den – rechtshindernden – Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen, trägt nach den allgemeinen Regeln der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast derjenige, der diesen Einwand geltend macht (BAG Urt. v. 31.3.2022 – 8 AZR 238/21, NZA 2022, 1401, 1405 – Rn- 39; BAG, Urt. v. 25.10.2018 – 8 AZR 562/16, NZA 2019, 527, 533 – Rn. 47 m.w.N.). Der Arbeitgeber muss insofern Indizien vortragen, die geeignet sind, den Schluss auf eine fehlende Ernsthaftigkeit zuzulassen (BAG Urt. v. 31.3.2022 – 8 AZR 238/21, NZA 2022, 1401, 1405 – Rn 39; ErfK/Schlachter, 23. Aufl. 2023, AGG § 15 Rn. 13), wobei sich die Indizien auch aus dem Klagevorbringen selbst ergeben können (vgl. BAG, Urt. v. 25.10.2018 – 8 AZR 562/16, NZA 2019, 527, 534 – Rn. 55 ff.).

b.

Gemessen an diesen Maßstäben liegt aus Sicht der Kammer Rechtsmissbrauch vor.

aa.

Aus Sicht der Kammer lagen bereits vor der mündlichen Kammerverhandlung am 12.09.2023 eine ganze Reihe von Indizien vor, die jedoch – jeweils für sich genommen – und wahrscheinlich auch in ihrer Gesamtheit nicht ausgereicht hätten, um vom Vorliegen des Rechtsmissbrauchseinwands überzeugt zu sein:

· Der Sitz der Beklagten liegt über 80 km vom Wohnsitz des Klägers entfernt, sodass ein tägliches Pendeln angesichts eines Stundenlohns von 12,50 € nicht wirtschaftlich gewesen wäre. Dass der Kläger mit seiner Ausbildung und seinen Fähigkeiten für eine Stelle, die nur knapp über dem Mindestlohn vergütet wird, nach Bremen ziehen würde, erscheint der Kammer zweifelhaft.

· Unabhängig vom Ort der Arbeit scheint es zweifelhaft, ob der Kläger eine knapp über dem Mindestlohn vergütete Stelle mit seinen Fähigkeiten überhaupt angetreten hätte. Der Kläger ist für diese Stelle deutlich überqualifiziert. Er verfügt über eine Ausbildung als Industriekaufmann. Der Kläger besitzt gute Kenntnisse auf dem Gebiet des Arbeits-, Zivil- und Gesellschaftsrechts. Er ist in der Lage juristische Schriftsätze im Bereich des Antidiskriminierungsrechts auf hohem Niveau und mit fundierten Nachweisen zu fertigen. Allein sein letzter – vierseitiger – Schriftsatz vom 8. April 2023 enthält ca. 40 Verweise auf Fundstellen aus der Rechtsprechung des EuGHs und Bundesarbeitsgerichts, juristischen Fachliteratur und Erwägungsgründen zu europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien. Der Kläger ist weiter in der Lage im Rahmen von Gerichtsverhandlungen komplexen juristischen Argumentationen zu folgen und argumentativ eine Position einzunehmen und diese argumentativ zu vertreten. Zudem hat der Kläger angegeben, dass sein parallel absolviertes Fernstudium inzwischen abgeschlossen ist, sodass er inzwischen über einen akademischen Abschluss verfügt.

· Auch die Tatsache, dass der Kläger zu Beginn des Kalenderjahres 2023 noch ein Fernstudium absolvierte, spricht aus Sicht der Kammer gegen eine ernsthafte Bewerbung. Mit der Aufnahme einer Vollzeittätigkeit in Bremen und dem damit verbundenen Ortswechsel in der Endphase seines Studiums, hätte der Kläger den erfolgreichen Abschluss eines Fernstudiums wahrscheinlich gefährdet.

· Im Rahmen der Güteverhandlung am 23.05.2023 hat die Beklagte dem Kläger zur gütlichen Lösung des Rechtsstreits angeboten, dass für den Kläger eine entsprechende Stelle geschaffen werden könnte. Der Kläger hat dieses Angebot nicht angenommen.

bb.

Im Rahmen der Schlussberatung nach der mündlichen Kammerverhandlung am 12.09.2023 gelangte die Kammer schließlich doch zur Überzeugung, dass der Rechtsmissbrauchseinwand vorliegend gegeben ist.

Am Schluss der Kammerverhandlung vom 12.09.2023 erklärte der Kläger, dass es im Rahmen der Berufungsverhandlung aus seiner Sicht nicht mehr auf die Widerlegung der Indizwirkung nach § 22 AGG ankommen werde, sondern allein auf den Rechtsmissbrauchseinwand. In diesem Zusammenhang sprach der Kläger die Entscheidungen des LAG Schleswig-Holstein (Urt. v. 21.6.2022 – 2 Sa 21/22, NZA-RR 2022, 455 ff.) und des LAG Berlin-Brandenburg (Urt. v. 20.1.2023 – 3 Sa 898/22, BeckRS 2023, 12149) an, bei denen man unschwer erkennen könne, dass er in beiden Fällen der Kläger gewesen ist.

In beiden Fällen hatte der Kläger sich auf eine eBay-Kleinanzeige für eine Stelle einer Sekretärin beworben. Vorliegend findet sich zwar das Wort „Sekretärin“ nicht in der Stellenbeschreibung. Allerdings ist der Begriff „Bürokauffrau“ ebenfalls eine geschlechtsspezifische Beschreibung einer Tätigkeit und insofern mit „Sekretärin“ vergleichbar.

Zudem führte der Kläger vor dem Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven unter dem Az. 2 Ca 2104/22 erfolgreich ein vergleichbares Verfahren („Bürokraft/Sekretärin“ auf eBay-Kleinanzeigen), was als gerichtsbekannt berücksichtig werden darf (LAG Berlin-Brandenburg Urt. v. 6.9.2023 – 4 Sa 900/22, BeckRS 2023, 30662 Rn. 33).

Bereits aus diesen vier Verfahren ist für die Kammer ersichtlich, dass sich ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen des Klägers feststellen lässt, das auf der Erwägung beruht, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise werde letztlich ein auskömmlicher „Gewinn“ verbleiben, weil der Arbeitgeber – sei es bereits unter dem Druck einer angekündigten Entschädigungsklage oder im Verlauf eines Entschädigungsprozesses – freiwillig die Forderung erfüllt oder sich vergleichsweise auf eine Entschädigungszahlung einlässt.

Die Kammer vermutet, dass es sich bei diesen vier Verfahren nur um die Spitze des Eisbergs handelt.

· In den einschlägigen juristischen Datenbanken lassen sich zusätzliche vergleichbare Fälle finden, die auf den Kläger hindeuten:

o ArbG Berlin Urt. v. 23.6.2022 – 42 Ca 716/22, BeckRS 2022, 30247, beck-online / LAG Berlin-Brandenburg Urt. v. 6.9.2023 – 4 Sa 900/22, BeckRS 2023, 30662

o ArbG Gelsenkirchen, Urteil vom 3. August 2022 – 2 Ca 547/22 –, juris / LAG Hamm Urt. v. 23.3.2023 – 18 Sa 888/22, BeckRS 2023, 27912

o LAG Hamm Urt. v. 23.8.2023 – 9 Sa 538/22, BeckRS 2023, 29671, beck-online

o Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 28. April 2023 – 14 Sa 1300/22 –, juris

· Aus dem Tatbestand der – unstreitig den Kläger betreffenden – Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg lässt sich ableiten, dass der Kläger im Zeitraum vom März 2021 bis Juni 2022 elf Verfahren beim Arbeitsgericht Berlin zwecks Entschädigung wegen Benachteiligung nach dem AGG anhängig gemacht haben könnte (LAG Berlin-Brandenburg Urt. v. 20.1.2023 – 3 Sa 898/22, BeckRS 2023, 12149 Rn. 14, beck-online; vgl. auch ArbG Berlin Urt. v. 23.6.2022 – 42 Ca 716/22, BeckRS 2022, 30247 Rn. 7, beck-online).

· Das LAG Hamm führt im oben zitieren Urteil aus: „Der Kläger führte eine Vielzahl von Verfahren nach dem gleichen „Muster“ mit dem Ziel, eine Entschädigungszahlung gerichtlich zu erstreiten. Das ist im Hinblick auf das norddeutsche Unternehmen, das beklagte Partei im Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Elmshorn und vor dem LAG Schleswig-Holstein war, zwischen den Parteien unstreitig. Unstreitig ist zudem, dass der Kläger mit teilweise gleichlautenden Anschreiben im Jahr 2021 eine Entschädigungszahlung von einem Düsseldorfer Unternehmen und Anfang 2022 eine Entschädigungszahlung von einem Gladbecker Unternehmen einklagte. Die Beklagte hat vorgetragen, die Kammervorsitzende hätte im Gütetermin des Verfahrens, mit dem das letztgenannte Unternehmen in Anspruch genommen wurde, mitgeteilt, dass 10 bis 12 weitere AGG-Verfahren des Klägers gerichtsbekannt seien. Der Kläger ist dem nicht konkret entgegengetreten, weshalb das Vorbringen der Beklagten insoweit entsprechend § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig anzusehen ist.“ (LAG Hamm Urt. v. 23.3.2023 – 18 Sa 888/22, BeckRS 2023, 27912 Rn. 51 f., beck-online).

Die Systematik des Vorgehens des Klägers lässt sich in diesen Fällen wie folgt beschreiben:

· Das Auffinden potentieller Arbeitgeber zur späteren Geltendmachung von AGG-Entschädigungsansprüchen ist über die Plattform eBay-Kleinanzeigen und die Suchworte „Sekretärin“ oder „Bürokauffrau“ mit verschwindend geringem Aufwand möglich.

· Die (später verklagten) Arbeitgeber sind in der Regel derart kleine Unternehmen, dass sie intern nicht über ausreichend juristischen Sachverstand zur Verteidigung gegen die dann geltend gemachten Entschädigungsansprüche verfügen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg Urt. v. 6.9.2023 – 4 Sa 900/22, BeckRS 2023, 30662 Rn. 29, beck-online).

· Die Anschreiben an die Arbeitgeber ähneln sich sehr und sind zum Teil sogar identisch, was zusätzlichen Individualisierungsaufwand minimiert.

· Zur Minimierung der Kosten und damit des Gewinns erscheint der Kläger in der Regel nicht zur Güteverhandlung und hat sich in beiden Verfahren vor dem Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven nicht anwaltlich vertreten lassen.

· In dem nach seinen Angaben von ihm stammenden Verfahren vor dem LAG Berlin-Brandenburg hatte der Kläger zudem durch die Worte „Suchen Sie nur ausschließlich eine Sekretärin, also eine Frau? In ihrer Stellenanzeige haben Sie dies so angegeben.“ eine Absage provoziert (LAG Berlin-Brandenburg Urt. v. 20.1.2023 – 3 Sa 898/22, BeckRS 2023, 12149 – Rn. 39 ff.). Im ebenfalls nach seinen Angaben von ihm stammenden Verfahren vor dem LAG Schleswig-Holstein hatte der Kläger sogar mehrfach entsprechend nachgefragt (LAG Schleswig-Holstein Urt. v. 21.6.2022 – 2 Sa 21/22, NZA-RR 2022, 455).

Diese Einschätzung widerspricht nicht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urt. v. 19.5.2016 – 8 AZR 470/14, NZA 2016, 1394, 1400 – Rn. 50 m.w.N.), wonach Rechtsmissbrauch nicht bereits daraus geschlossen werden kann, dass eine Person eine Vielzahl erfolgloser Bewerbungen versandt und mehrere Entschädigungsprozesse geführt hat oder führt. Ein solches Verhalten für sich betrachtet lässt sich ebenso damit erklären, dass ein ernsthaftes Interesse an dem Erhalt der jeweiligen Stelle bestand und dass der/die Bewerber/in, weil er/sie sich entgegen den Vorgaben des AGG bei der Auswahl- und Besetzungsentscheidung diskriminiert sieht, mit der Entschädigungsklage zulässigerweise seine/ihre Rechte nach dem AGG wahrnimmt.

Anders als im Sachverhalt der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts bewirbt sich der Kläger hier stets auf Stellen, für die er deutlich überqualifiziert ist, die weit von seinem derzeitigen Wohnort entfernt liegen, weshalb ein Umzug erforderlich ist, der angesichts der geringen Vergütung nicht wirtschaftlich erscheint.

Der Kläger erwähnte seine Qualifikation und Berufserfahrung nur sehr pauschal. Er machte keine konkreten Angaben zu seinem beruflichen Werdegang und der zuvor von ihm ausgeübten Tätigkeit. Unterlagen, wie etwa Zeugnisse oder einen Lebenslauf, übersandte der Kläger weder mit seiner Chat-Nachricht noch mit dem schriftlichen Bewerbungsanschreiben. Solche Unterlagen leitete er der Beklagten auch nicht, wie die Beklagte es in der Stellenausschreibung erbat, per E-Mail zu. Ein Bewerber, der ernsthaft an der Stelle interessiert gewesen wäre, hätte sich ansprechender präsentiert und hätte sich, wenn er schon neben der elektronischen Bewerbung noch ein schriftliches Bewerbungsschreiben verfasst, auch der Mühe unterzogen, jedenfalls dem schriftlichen Bewerbungsanschreiben aussagekräftige Unterlagen beizufügen (vgl. LAG Hamm Urt. v. 23.3.2023 – 18 Sa 888/22, BeckRS 2023, 27912 Rn. 39, beck-online).

Vor diesem Hintergrund und den oben (unter aa.)) dargestellten Erwägungen ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass der Kläger ein ernsthaftes Interesse an dem Erhalt der jeweiligen Stelle hatte.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Der Wert des Streitgegenstands war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen, seine Höhe folgt aus § 42 GKG und 3 ff ZPO. Gemäß § 62 Abs. 1 ArbGG ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Arbeitsrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Arbeitsrecht. Vom Arbeitsvertrag bis zur Kündigung. Nehmen Sie noch heute Kontakt zu uns auf.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Arbeitsrecht einfach erklärt

Weitere interessante arbeitsrechtliche Urteile

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!