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Fristlose Kündigung eines Personalleiters

ArbG Arnsberg – Az.: 2 Ca 33/17 O – Urteil vom 20.04.2017

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die beiden auf den 29.12.2016 datierten Kündigungserklärungen der Beklagten weder fristlos noch fristgerecht beendet wurde.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird auf 24.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier fast zeitgleich ausgesprochener außerordentlichen und fristlosen, hilfsweise ordentlichen und fristgerechten Kündigungen.

Bei der Beklagten handelt es sich um ein Krankenhaus mit circa 400 Mitarbeitern. Ein Betriebsrat ist eingerichtet.

Der Kläger ist seit über 30 Jahren bei der Beklagten beschäftigt.

Im Jahr 2005 wurde er noch nach der Entgeltgruppe 11, Stufe 5 TVöD vergütet. In den folgenden Jahren kam es zu immer weiteren Höhergruppierungen. Ob diese Höhergruppierungen rechtmäßig waren, ist zwischen den Parteien streitig.

Schließlich war der Kläger Personalleiter bei einem monatlichen Bruttogehalt von circa 8.000,00 EUR.

In der Zeit vom 01.05.2016 bis 14.11.2016 war der Kläger zudem Interimsgeschäftsführer, nachdem der vorherige Geschäftsführer überraschend kurzfristig ausgeschieden war. Hierzu verhält sich ein Schreiben der Beklagten vom 29.04.2016, welches die Vertreter der Gesellschafterversammlung sowie des Aufsichtsrates (Prof. Dr. Dr. Q und Dr. C) unterschrieben haben. Hinter dem Wort „Einverstanden“ findet sich die Unterschrift des Klägers (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 22.02.2017, Blatt 37 – 38 der Akte). In dem Dokument, das als Brief an den Kläger gerichtet ist, heißt es wörtlich:

.“Die Bestimmungen Ihres Anstellungsvertrages vom 22.07.1986 (mit der derzeit vereinbarten Vergütung) gelten fort; sofern diese mit der Stellung eines gGmbH-Geschäftsführers nicht vereinbar sind, sollen sie analog gelten.

Für die Tätigkeit als Interims-Geschäftsführer erhalten Sie ab Mai 2016 bis zum Eintritt der auflösenden Bedingung (Bestellung des neuen Geschäftsführers) zusätzlich zum tariflichen Grundgehalt einen Betrag in Höhe von monatlich 2.500,00 EUR brutto. Die Vergütung von Überstunden, Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit ist in diesem Gehalte enthalten. Eine zusätzliche Vergütung erfolgt nicht. Sonderzahlung wie z. B. Weihnachts-/Urlaubsgeld oder Tantiemen werden nicht geleistet.

Die tarifliche Zahlung von Weihnachts-/Urlaubsgeld aus dem Grundgehalt bleibt von dieser Regelung unberührt“.

Im Oktober 2016 erhielt der Kläger zusätzlich zu den anderen Gehaltsbestandteilen eine Zahlung von 3.253,25 EUR brutto. In der Gehaltsmitteilung für Oktober 2016 wurde diese Zahlung als „MehrarbVergüt“ bezeichnet. Ausweislich der Gehaltsabrechnung ergibt sich der Betrag aus der Multiplikation von 42,25 x 77,00 (vergl. Anlage B7 zum Schriftsatz der Beklagten vom 22.03.2007, Bl. 68 d. A.). Die Rechtsmäßigkeit dieser Zahlung ist zwischen den Parteien streitig.

Im November 2016 erhielt der Kläger eine Jahressonderzahlung in Höhe von 6.165,82 EUR brutto. Dieser Betrag ergab sich auf der Grundlage der gesamten bisherigen Zahlungen an den Kläger. Wäre die Zahlung alleine anhand des Grundentgeltes bemessen worden, hätte die Zahlung lediglich 4.158,00 EUR brutto betragen.

Ab dem 15.11.2016 war der Kläger nicht mehr Interims-Geschäftsführer, da Frau T zur neuen Geschäftsführerin bestellt worden war.

Mit Schreiben vom 21.12.2016 hörte die Beklagte ihren Betriebsrat sodann vorsorglich zu einer beabsichtigten fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung an (Anlage B20 zum Schriftsatz der Beklagten vom 22.03.2017, Bl. 106 ff. d. A.). Die Anhörung ist überschrieben mit den Worten: „Mitteilung gem. § 105 BetrVG und vorsorgliche Anhörung gem. § 102 BetrVG“.

In der Betriebsratsanhörung wird eine Zulage in Höhe von 924,12 EUR brutto, welche der Kläger sowohl vor als auch während seiner Bestellung zum Interims-Geschäftsführer erhielt, als „Funktionszulage“ bezeichnet (S. 3 der Betriebsratsanhörung, Bl. 108 d. A.).

Mit Schreiben vom 21.12.2016 teilte der Betriebsrat mit, sich nicht zu der beabsichtigten Kündigung äußern zu wollen (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 22.02.2017, Bl. 36 d. A.). Mit einem irrtümlich auf den 29.12.2016 datierten Kündigungsschreiben, das dem Kläger tatsächlich bereits am 27.12.2016 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis sodann fristlos, hilfsweise zum 30.06.2017 (Kündigungsschreiben Anlage K1 zur Klageschrift, Bl. 4 d. A.).

Mit seiner am 10.01.2017 bei Gericht eingegangenen Kündigungsschutzklage, wendet sich der Kläger gegen diese Kündigung. Mit einer Klageerweiterung vom 17.01.2017, bei Gericht eingegangen am 19.01.2017, hat der Kläger zudem eine weitere, spätere Kündigung der Beklagten angegriffen, welche ebenfalls auf den 29.12.2016 datiert war.

Der Kläger bestreitet das Vorliegen von Kündigungsgründen und hält die ausgesprochenen Kündigungen für sozial nicht gerechtfertigt.

Der Kläger beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die beiden auf den 29.12.2016 datierten Kündigungsschreiben weder fristlos noch fristgerecht beendet wurde.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte stützt sich zur Begründung der außerordentlichen, fristlosen Kündigung auf eine Vielzahl von Sachverhalten.

Zunächst ist die Beklagte der Auffassung, dass der Kläger zu hoch eingruppiert worden sei und den Kläger dafür die Verantwortung treffe. Zwar seien die Beförderungen durch die seinerzeitigen Geschäftsführer gewährt worden. Der Kläger habe es aber als Personalleiter versäumt, die Eingruppierungszulagen auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Als Personalleiter sei er dazu nicht nur im Hinblick auf andere Mitarbeiter, sondern auch in Bezug auf sich selbst verpflichtet gewesen. Es habe eine Vielzahl von Eingruppierungen gegeben, bei denen eine Prüfung nach den tarifvertraglichen Vorgaben nicht erkennbar sei. Als Personalleiter und Prokurist mit Einzelvertretungsberechtigung hätte es nicht nur dem Geschäftsführer, sondern auch dem Kläger oblegen, die Berechtigung der Zahlungen unter Beachtung der Verpflichtungen der Beklagen zu überprüfen.

Weiter wirft die Beklagte dem Kläger vor, dass er nach seiner Bestellung zum Interims-Geschäftsführer trotz der insoweit getroffenen Abreden veranlasst habe, dass ihm eine Zulage in Höhe von 924,12 EUR brutto/Monat weiterhin gezahlt wurde. Auf diese Zulage habe der Kläger aber keinen Anspruch gehabt. Denn in der Vereinbarung zur Tätigkeit als Interims-Geschäftsführer sei ausdrücklich vorgesehen gewesen, dass der Kläger in diesem Zeitraum zusätzlich zu seinem tariflichen Grundgehalt ein Betrag in Höhe von monatlich 2.500,00 EUR brutto erhalten sollte, wobei dann aber die Vergütung von Überstunden, Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit in diesem Gehalt enthalten sein sollte. Alleine die tarifliche Zahlung des Weihnachts-/Urlaubsgeldes sei hiervon ausgenommen.

Die Beklagte wirft dem Kläger vor, dass er, nachdem die Buchhaltung die Zulage der 924,12 EUR brutto nach Aufnahme der Tätigkeit als Interims-Geschäftsführer zunächst gestrichen habe, die stellvertretende Ableitungsleiterin Personal, Frau A, ausdrücklich angewiesen habe, die Zulage weiter zu zahlen. Frau A habe die entsprechende Weisung in einem Aktenvermerk notiert (Anlage B6 zum Schriftsatz der Beklagte vom 22.03.2017, Bl. 67 d. A.).

Die Beklagte wirft dem Kläger desweiteren vor, veranlasst zu haben, dass ihm mit dem Oktobergehalt zusätzlich 3.253,25 EUR brutto Mehrarbeitsvergütung für 42,25 Stunden bezahlt wurden. Die Zahlung müsse auf einer Anweisung des Klägers beruft haben, da derartige Auszahlungen nur nach Anweisungen erfolgten. Dies könne die Mitarbeiterin A bestätigen. Auch die Auszahlung der 3.253,25 EUR brutto seit auf ausdrücklicher Anweisung des Klägers gegenüber Frau A erfolgt.

Für eine Auszahlung von Überstunden habe es keine Rechtsgrundlage gegeben, da mit dem Kläger für die Zeit der Interims-Geschäftsführung ausdrücklich vereinbart gewesen sei, dass Überstunden nicht ausgezahlt werden sollten. Im Übrigen wären 77 Überstunden nach Auffassung der Beklagten mit den zusätzlich gezahlten 2.500,00 EUR brutto/Monat abgegolten gewesen.

Aus den Stempelkartenauswertungen des Klägers ergebe sich zudem, dass gar nicht 77 Überstunden angefallen seien.

Die Beklagte wirft dem Kläger weiter vor, dass er ein zu hohes Weihnachtsgeld erhalten habe, daraufhin aber nichts veranlasst habe. Dabei stellt die Beklagte dar, dass das Weihnachtsgeld nicht auf eine ausdrückliche Anweisung des Klägers überwiesen worden sei. Vielmehr habe es einen Fehler in der Buchhaltung gegeben. Die Buchhaltung habe das Weihnachtsgeld nämlich auf Grundlage der Bezüge während der Interims-Geschäftsführung errechnet und nicht auf Grundlage des Grundgehaltes. Aus der Vereinbarung zur Interims-Geschäftsführung ergebe sich aber, dass das Grundgehalt zugrunde zu legen sei. Der Kläger habe daher 2.006,00 EUR brutto Weihnachtsgeld zu viel erhalten.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Pflicht des Klägers gewesen sei, dies sofort offen zu legen und den Betrag zu erstatten.

Schließlich wirft die Beklagte dem Kläger vor, dass er seinen Urlaub in der KW 42/2016 nicht ordnungsgemäß dokumentiert habe und darüber hinaus seine Stempelkarten nicht ordnungsgemäß geführt habe, da er immer wieder Raucherpausen gemacht habe, ohne sich auszustempeln. Die Beklagte macht hierzu konkrete Ausführungen (Seite 7 d. Schriftsatzes der Beklagten vom 22.03.2017).

Die Beklagte behauptet, dass die Geschäftsführerin T erst am 18.12.2016 im Einzelnen von den Vorwürfen erfahren habe. Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Kläger bis zuletzt leitender Angestellter gewesen sei. Der Betriebsrat sei höchst vorsorglich angehört worden.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die fristlose Kündigung auf jeden einzelnen dargestellten Vorwurf gestützt werden könne. Zumindest in der Zusammenschau ergebe sich, dass der Kläger so erhebliche Verstöße gegen seine vertraglichen Verpflichtungen begangen habe, dass eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung gerechtfertigt sei. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass der Kläger während seiner Zeit als Interims-Geschäftsführer eine besondere Vertrauensstellung gehabt habe, welche er missbraucht habe.

Der Kläger bestreitet das Vorliegen von Kündigungsgründen.

Zu den Höhergruppierungen bzw. Beförderungen führt der Kläger aus, dass diese keineswegs einer besonderen freigiebigen Grundhaltung des damaligen Geschäftsführers T1 geschuldet gewesen seien. Vielmehr sei Herr T1 der Auffassung gewesen, dass besondere Anforderungen und Leistungen auch angemessen entlohnt werden müssten. Die Höhergruppierungen seien durchaus von Herrn T1 ausgegangen. Auch die letzte Höhergruppierung sei nicht im Geheimen erfolgt, sondern nach einer Information an den damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden und dessen Stellvertreter.

Hinsichtlich der Zulage in Höhe von 924,12 EUR brutto/Monat ist der Kläger der Auffassung, dass es falsch sei, dass er seit seiner Eingruppierung im TvöD EG15Ü keinen Zulagenanspruch mehr gehabt habe. Die Beklagte sei eine GmbH und daher nicht daran gehindert, eine leistungsgerechte Vergütung auch über den Sätzen des TVöD zu zahlen. Der Kläger ist der Meinung, dass aus den Formulierungen der Abrede zur Tätigkeit als Interims-Geschäftsführer nicht geschlossen werden könnte, dass die bis dahin gezahlte Zulage in Höhe von zuletzt 924,12 EUR brutto nicht mehr gezahlt werden sollte. Der Kläger verweist insoweit auf den Passus in der Abrede, dass die Bestimmungen des Anstellungsvertrages vom 22.07.1986 fortgelten sollten. Auch in dem mündlichen Gespräch am 25.05.2016 sei es immer nur darum gegangen, welche Vergütung zusätzlich gezahlt werden sollte, und nie darum, dass bisher gezahlte Zulagen wegfallen sollten.

Der Kläger bestreitet, eine Überstundenvergütung in Höhe von 3.253,25 EUR brutto erhalten zu haben. Dieser in der Oktoberabrechnung berücksichtigte Zahlungsbetrag sei nur fälschlich als Mehrarbeitsvergütung bezeichnet worden. Tatsächlich handele es sich um eine Urlaubsabgeltung. Hintergrund sei gewesen, dass in der Personalabteilung eine erhebliche Arbeitsbelastung bestanden habe. Daher, so führt der Kläger aus, habe er mit den drei Mitarbeiterinnen der Personalabteilung Anfang Oktober 2016 ein Gespräch über den noch vorhandenen Resturlaub geführt. Im Ergebnis seien alle Gesprächsteilnehmer damit einverstanden gewesen, dass der restliche Urlaub teilweise nicht in Natura genommen werden sollte, sondern ausbezahlt werden sollte. Der Kläger führt aus, dass er mit guten Beispiel vorangegangen sei und sich von seinen 21 Tagen Resturlaub 10 habe auszahlen lassen. Zur Auszahlung der 10 Urlaubstage seien bei einer Arbeitswoche von 38,5 Stunden 77 Arbeitsstunden anzusetzen gewesen. Als Stundensatz sei ein Betrag von 42,25 EUR angesetzt worden.

Der Kläger verweist darauf, dass aufgrund der Urlaubsabgeltung in der Gehaltsmitteilung für September 2016 (Anlage K13 zum Schriftsatz des Klägers vom 06.04.2017, Bl. 174 d. A.) noch 21 Tage Resturlaub ausgewiesen gewesen seien. Nach der Urlaubsabgeltung von 10 Urlaubstagen seien in der Gehaltsabrechnung Oktober 2016 (Anlage B7 zum Schriftsatz der Beklagten vom 22.03.2017, Bl. 68 d. A.) nur noch 11 Tage ausgewiesen.

Der Kläger erklärt weiter, dass er während einer Woche, vom 17. bis 21.10.2016, gleichwohl wegen eines Überstundenabbaus abwesend gewesen sei. Allerdings habe er auch in dieser Zeit Arbeitsleistungen in Form von Telefonaten erbracht.

Zu dem Vorwurf, dass er eine überhöhte Weihnachtsgeldzahlung nicht gerügt habe, erklärt der Kläger, dass ihm eine mögliche Zuvielzahlung jedenfalls nicht aufgefallen sei. Der Kläger betont, dass er nicht die Anweisung gegeben habe, ihm Weihnachtsgeld zu überweisen.

Zu dem Vorwurf sich zu Raucherpausen nicht ausgestempelt zu haben, führt der Kläger aus, dass er sich sehr wohl ausgestempelt habe.

Der Kläger sieht keinerlei Befugnis der Beklagten, dass Arbeitsverhältnis zu beenden.

Der Kläger hat seine Einwände zu der beklagtenseits gegebenen Begründung der Kündigung in einem Schriftsatz vom 06.04.2017 dargelegt. Die Beklagte hat deshalb im Kammertermin am 20.04.2017 insoweit die Gewährung einer Schriftsatzfrist beantragt.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen und den übrigen Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Begründung der Beklagten für die Kündigungen erweist sich als unschlüssig, sodass die Kammer auch ohne eine Berücksichtigung des Schriftsatzes des Klägers vom 06.04.2017 zu der Erkenntnis gelangt ist, dass die Kündigungen unwirksam sind. Da sich die Unwirksamkeit der Kündigungen somit auch ohne Berücksichtigung des Schriftsatzes des Klägers vom 06.04.2017 ergibt, musste der Beklagten keine Schriftsatzfrist eingeräumt werden.

I.

Die beiden ausgesprochenen Kündigungen vom 29.12.2016 sind sowohl als außerordentliche fristlose, als auch als ordentliche Kündigungen unwirksam.

1. Die beiden Kündigungen vom 29.12.2016 konnten das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht fristlos beenden, da kein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vorliegt.

Da beide Kündigungen innerhalb von drei Wochen nach ihrer Zustellung gerichtlich angegriffen wurden, sind sie gem. § 13 Abs. 1 S. 2 KSchG in Verbindung mit § 4 S. 1 KSchG auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen; hinsichtlich der zweiten Kündigung hat die Beklagte kein Zugangsdatum behauptet, dass zu einer Überschreitung der 3-Wochen Frist führen würde.

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Beachtung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Eine außerordentliche Kündigung setzt gemäß § 626 Abs. 1 BGB voraus, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses den Kündigenden unzumutbar belastet. Sie ist daher nur zulässig, wenn sie die unausweichlich letzte Maßnahme für den Kündigungsberechtigten ist. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kommt somit eine außerordentliche Kündigung nur in Betracht, wenn alle anderen nach den jeweiligen Umständen des konkreten Falles möglichen und angemessenen milderen Mittel, die geeignet sind, das in der bisherigen Form nicht mehr tragbare Arbeitsverhältnis fortzusetzen, erschöpft sind (BAG, Urteil vom 30.05.1978 – 2 AZR 630/76 – NJW 1978, 1310-1311).

Da die fristlose Kündigung vorliegend auf ein Fehlverhalten der klagenden Partei gestützt wird, muss ein schwerwiegendes Fehlverhalten, vorliegen, das jede Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ausschließt.

Die Rechtsprechung konkretisiert den wichtigen Grund durch eine abgestufte Prüfung. Es ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund abzugeben. Sodann ist zu prüfen, ob bei Berücksichtigung dieser Umstände und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist. Dabei ist auf einen objektiven Maßstab, nicht etwa die subjektive Beurteilung des Kündigenden abzustellen (BAG, Urteil vom 17.05.1984 – 2 AZR 3/83 – NJW 1985, 284-285). Die außerordentliche Kündigung kann nur auf solche Gründe gestützt werden, die sich zukünftig konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken können. Diese konkrete Beeinträchtigung kann sich im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit der Mitarbeiter (Betriebsordnung, Betriebsfrieden) oder im persönlichen Vertrauensbereich ergeben. Dabei kommt es bei einer besonders schwerwiegender Pflichtverletzung nicht auf eine Wiederholungsgefahr an, wenn die dadurch verursachte Störung des Vertrauensverhältnisses anhält (BAG, Urteil vom 24.11.2005 – 2 AZR 39/05 – NZA 2006, 484).

Davon abzugrenzen ist ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers, dass zwar schwerwiegend sein mag, aber das Vertrauen der Parteien zueinander noch nicht so grundlegend gestört hat, dass das Arbeitsverhältnis sofort beendet werden müsste. In diesem Fall darf nicht sofort zur Kündigung gegriffen werden. Sofern das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis in der Regel auch nicht ordentlich kündigen. Der Arbeitgeber kann jedoch eine Abmahnung aussprechen. Diese hat die Funktion, den Arbeitnehmer auf sein Fehlverhalten hinzuweisen, so dass er sich in Zukunft korrekt verhalten kann. Wenn sich der Arbeitnehmer dann in gleicher oder ähnlicher Weise erneut fehlerhaft verhält, darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis auch bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetztes beenden (BAG, Urteil vom 17.02.1994 – 2 AZR 616/93 – NZA 1994, 656 bis 658).

Gemessen an diesen Maßstäben der höchstrichterlichen Rechtsprechung erweist sich der Vortrag der Beklagten zur Begründung der beiden Kündigungen als nicht ausreichend.

a) Hinsichtlich des Umstandes, dass der Kläger wiederholt befördert und höher eingruppiert wurde, folgt keineswegs eine Kündigungsbefugnis der Beklagten. Vielmehr ist insoweit überhaupt kein Pflichtenverstoß des Klägers erkennbar, sodass das beklagtenseits geschilderte Geschehen schon bei abstrakter Betrachtung nicht ausreicht, um eine fristlose Kündigung zu begründen.

Entgegen der Betrachtungsweise der Beklagten ist der Kläger nicht als Personalleiter tätig geworden, als er mit seinem Vorgesetzten, dem damaligen Geschäftsführer T1, in Verhandlungen über Höhergruppierungen bzw. Gehaltserhöhungen war. Insoweit ist auch völlig gleichgültig, von wem die Initiative zu solchen Verhandlungen ausging. Vielmehr handelte der Kläger insoweit in eigenem Namen als Arbeitnehmer. Vor diesem Hintergrund war der Kläger berechtigt, seine eigenen Interessen zu vertreten, wie dies jeder Arbeitnehmer in einem Personalgespräch darf. Für die Entscheidung, den Kläger höher zu gruppieren bzw. ihm eine Gehaltserhöhung zu gewähren, war demnach nicht der Kläger verantwortlich, sondern der Geschäftsführer T1, der insoweit im Namen der Beklagten handelte. Dementsprechend gehörte es nicht zu den Arbeitsverpflichtungen des Klägers, die Richtigkeit oder Vertretbarkeit der eigenen Gehaltserhöhung zu hinterfragen. Dies war vielmehr alleinige Verpflichtung des Geschäftsführers T1.

Darüber hinaus ist dem Kläger in seiner Argumentation durchaus beizupflichten, dass ein Arbeitgeber selbstverständlich auch befugt ist, ein Arbeitsentgelt zu gewähren, dass über das Gehalt hinausgeht, das der Tarifvertrag vorsieht. Es ist nicht erkennbar, dass es bei der Beklagten bzw. seitens der Gesellschafterversammlung irgendwelche Vorgaben gab, dass dies vorliegend nicht möglich sein durfte. Mithin ist auch nicht erkennbar, dass der Geschäftsführer T1 seine Befugnisse überschritten hat, als er dem Kläger Gehaltserhöhungen bzw. Höhergruppierungen gewährte. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass dies durchaus eine Ermessensentscheidung war, die er treffen durfte. Dementsprechend kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger irgendwie erkennen konnte, dass sein damaliger Geschäftsführer im Falle einer Höhergruppierung oder Gehaltserhöhung gegen Vorgaben der Gesellschafterversammlung oder Vorgaben anderer Art im Falle einer Höhergruppierung verstoßen würde. Dementsprechend fehlt jeder Ansatzpunkt, um vorliegend ein Zusammenwirken des Klägers und seines Geschäftsführers zu Lasten der Gesellschafter anzunehmen.

Dem Kläger ist hinsichtlich der Höhergruppierung mithin keinerlei Vorwurf zu machen und ein Kündigungsgrund daraus nicht abzuleiten.

b) Dem Kläger ist auch nicht vorzuwerfen, dass er die Buchhaltung angewiesen hat, ihm weiterhin die Zulage in Höhe von 924,12 EUR brutto/Monat zu zahlen, nachdem er Interim-Geschäftsführer geworden war.

(1) Zunächst ist dem Kläger nicht vorzuwerfen, dass er der Buchhaltung überhaupt Anweisungen gegeben hat, die seine eigene Person bzw. seine eigenen Bezüge betrafen.

Zwar kann bei abstrakter Betrachtung durchaus ein fristloser Kündigungsgrund im Sinne des § 626 BGB gegeben sein, wenn ein Arbeitnehmer ohne ausdrückliche Erlaubnis Verfügungen zu Lasten des Arbeitgebers zu seinen eigenen Gunsten vornimmt, selbst wenn ein materieller Anspruch auf das Erlangte bestanden haben mag. So kann durchaus ein fristloser Kündigungsgrund gegeben sein, wenn etwa ein Mitarbeiter der Buchhaltung eine Auszahlung zu seinen eigenen Gunsten ohne vorherige Rücksprache mit seinem Vorgesetzten veranlasst, selbst wenn ein entsprechender Auszahlungsanspruch objektiv gegeben sein mag.

Vorliegend hat der Kläger unstreitig die Buchhaltung angewiesen, ihm die 924,12 EUR brutto monatlich auch weiterhin, also nach dem Interims-Geschäftsführer geworden war, zu zahlen. Dementsprechend ergibt sich bei abstrakter Betrachtung zunächst ein Grund für eine fristlose Kündigung.

Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des vorliegenden Falles ergibt sich aber ein anderes Bild. Da der Kläger Personalleiter und gleichzeitig Interims-Geschäftsführer war, war er aufgrund dieser Funktion notwendig auch für seine eigenen Bezüge zuständig. Der Kläger hatte keinen unmittelbaren Vorgesetzten, sondern hätte sich allenfalls an den Vertreter der Gesellschafterversammlung oder an den Aufsichtsratsvorsitzenden wenden können. Eine Verpflichtung, in diesem Sinne zu verfahren, bestand jedoch für den Kläger vorliegend nicht, weil es sich dabei nicht um Vorgesetzte im klassischen Sinne handelt. Vielmehr hätte eine entsprechende Verpflichtung gegenüber dem Kläger ausdrücklich kommuniziert werden müssen, sei es in der Abrede über die Tätigkeit als Interims-Geschäftsführer oder in anderer Weise.

Der Vertrag über die Tätigkeit als Interims-Geschäftsführer enthält solche Regelungen aber nicht. Die Beklagte hat dem Kläger auch keine Weisung erteilt, vor Angelegenheiten, die seine Person betrafen, zunächst Rücksprache zu nehmen. Dementsprechend brauchte der Kläger bei Vorgängen, die seine eigene Vergütung betrafen, und die lediglich der Umsetzung bereits geschlossener Regelungen dienten, keine Rücksprache mit der Gesellschafterversammlung oder dem Aufsichtsrat nehmen. Aufgrund seiner Stellung als Personalleiter durfte er vielmehr eigenständig alle Zahlungsverfügungen veranlassen, auf die er einen Anspruch hatte.

Bei Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalles ergibt sich somit kein Fehlverhalten des Klägers im Hinblick darauf, dass er überhaupt eine Anweisung an die Buchhaltung gegeben hat, dass zu seinen eigenen Gunsten Zahlungen erfolgen sollten.

(2) Dem Kläger kann darüber hinaus auch nicht der Vorwurf gemacht werden, dass er die Buchhaltung angewiesen habe, eine Zahlung an ihn zu leisten, auf die er objektiv keinen Anspruch hatte. Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt aus der Abrede über die Tätigkeit als Interims-Geschäftsführer nämlich keineswegs, dass die Zulage in Höhe von 924,12 EUR brutto für die Zeit der Interims-Geschäftsführung nicht gezahlt werden sollte. Vielmehr regelt die Vereinbarung vom 29.04.2016 ausdrücklich, dass die bisherigen Bestimmungen des Anstellungsvertrags fortgelten sollten bzw. analog gelten sollten. Daraus folgt aber auch, dass bisherige Zulagen weiter gezahlt werden sollten, denn die Vereinbarung vom 29.04.2017 stellt ausdrücklich auf die derzeit vereinbarte Vergütung ab. Dabei ist bei lebensnahem Verständnis auf die Gesamtvergütung und nicht auf einzelne Vergütungsbestandteile abgestellt worden. Es sollte offensichtlich zum Ausdruck kommen, dass das bisherige Gehalt unangetastet bleibt.

Auch der Umstand, dass im Folgeabsatz geregelt wurde, dass zusätzlich zum tariflichen Grundgehalt ein Betrag in Höhe von 2.500,00 EUR brutto monatlich gezahlt werden sollte, ändert daran nichts. Auch daraus folgt nicht, dass nicht noch weitere Zulagen weiterhin gezahlt werden sollten. Lediglich die Vergütung von Überstunden, Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit sollte ausweislich des Folgesatzes nicht erfolgen.

Somit ergibt sich der Gesamteindruck, dass der Kläger seine bisherige Vergütung zuzuüglich 2.500,- brutto erhalten sollte, außer den ausdrücklich genannten Einschränkungen (Überstunden usw.)

Es ist auch nicht erkennbar, dass die Zulage in Höhe von 924,12 EUR brutto die Ableistung von Überstunden betraf. Vielmehr bezeichnete die Beklagte in ihrer Betriebsratsanhörung die Zulage selbst als Funktionszulage und nicht etwa aus pauschale Abgeltung für Überstunden oder ähnliches.

Schließlich findet sich in der kurzen Abrede über die Tätigkeit des Interims-Geschäftsführers der Satz: „Eine zusätzliche Vergütung erfolgt nicht.“. Auch aus diesem Satz folgt jedoch nicht, dass die bisherigen Zulagen nicht weiter gezahlt werden sollten. Vielmehr steht dieser Satz unmittelbar hinter dem Satz, der regelt, dass Überstunden sowie Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit in dem Gehalt enthalten sein sollen. Aus der systematischen Zusammenschau der beiden Sätze ergibt sich, dass die Regelung, dass eine zusätzliche Vergütung nicht erfolgen solle, sich darauf bezieht, dass eine zusätzliche Vergütung gerade nicht für Überstunden, Sonn-, Feiertag- und Nachtarbeit gezahlt werden soll.

Zusammenfassend ergibt sich mithin, dass die Vertragsparteien regeln wollten, dass der Kläger in der Zeit der Interims-Geschäftsführung 2.500,00 EUR brutto mehr erhalten sollte. Dementsprechend ist unter der „derzeit vereinbarten Vergütung“ im Sinne des dritten Absatzes der Abrede vom 29.04.2016 das derzeit vereinbarte Gehalt nebst aller Zulagen zu verstehen.

Der Kläger hatte also auch während der Zeit der Interims-Geschäftsführung einen Anspruch auf den Zuschlag von 924,12 EUR brutto, sodass sich ein Pflichtenverstoß auch nicht darauf ergibt, dass der Kläger der Buchhaltung eine Anweisung gab, ihm eine objektiv nicht zustehende Zahlung zukommen zu lassen.

(3) Auch die Anweisung des Klägers an die Buchhaltung, ihm weiterhin die Zulage von 924,12 EUR brutto/Monat zu zahlen ist somit keine Pflichtverletzung. Ein Kündigungsgrund hinsichtlich dieses Vorganges scheidet daher aus.

c) Auch die Ausführungen der Beklagten dazu, dass sich ein Kündigungsgrund daraus ergebe, dass der Kläger sich 3.253,25 EUR brutto Überstundenvergütung habe überweisen lassen erweist sich als nicht geeignet, eine fristlose Kündigung zu begründen.

Zwar standen dem Kläger ausweislich der Vereinbarung über die Tätigkeit als Interims-Geschäftsführer keinerlei Ansprüche auf Überstunden zu. Allerdings hat die Beklagte den Sachverhalt, dass der Kläger die Überweisung der Überstunden veranlasst habe, nicht substantiiert dargestellt. Die Beklagte hat vielmehr nur zunächst vermutet, dass eine entsprechende Zahlungsanweisung des Klägers vorliegen müsste und sodann – konkretisierend – die Mitarbeiterin A als Zeugin benannt. Dies ist aber nicht ausreichend. Vor dem Hintergrund, dass das Verhalten des Klägers zur Begründung der fristlosen Kündigung eines über 30 Jahre lang bestehenden Arbeitsverhältnis herangezogen werden soll, ist ein präziser Sachvortrag dahingehend erforderlich, welche Anweisungen der Kläger an welche Mitarbeiterin der Buchhaltung bei Vorliegen welcher Umstände gegeben haben soll. Die Beklagte hätte also insoweit den Sachvortrag zunächst aufklären müssen (etwa durch eine Befragung aller in der Buchhaltung tätigen Mitarbeiter und einer Anhörung des Klägers), um den Sachverhalt so gut wie möglich nachzuvollziehen. Diesen Sachverhalt hätte sie sodann hinsichtlich Ort und Zeit sowie aller Umstände vortragen können und müssen. In diesem Fall wäre das Gericht in der Lage gewesen, zu erkennen, welche Umstände, Überlegungen, Gedankengänge oder ähnliches letztlich dazu geführt haben, dass in der Gehaltsabrechnung ein Betrag von 3.253,23 EUR brutto zugunsten des Klägers ausgewiesen wurde.

Tatsächlich hat sich die Beklagte aber damit begnügt, aufgrund der Gehaltsabrechnung einen Anfangsverdacht zu fassen. Dies reicht aber gerade nicht zur Begründung einer fristlosen Kündigung nach 30 Jahren Beschäftigung aus, weil das Gericht so nicht in der Lage ist, den Sachverhalt unter Berücksichtigung aller Umstände zu würdigen. Das Gericht weiß nicht, was genau zwischen dem Kläger und Frau A besprochen worden sein soll. Ebenfalls ist unbekannt, auf welchen Zeitraum sich eine etwaige Überstundenabgeltung beziehen soll. Insoweit wäre etwa auch denkbar, dass noch Überstunden aus der Zeit vor der Interims-Geschäftsführung bestanden. Ebenfalls ist unklar, ob es sonst irgendeine Vorgeschichte gab (z. B. Auszahlungen von Überstunden bei mehreren Mitarbeitern), die zumindest bei einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen sind.

Somit erweist sich der Vortrag der Beklagten hinsichtlich des Vorganges um die 3.253,25 EUR brutto als unsubstantiiert, so dass daraus kein Kündigungsgrund abgeleitet werden kann.

Deshalb kommt es auf die Einwände des Klägers, dass die Auszahlung der 3.253,25 EUR brutto tatsächlich eine Urlaubsabgeltung darstelle, nicht an. Auch hinsichtlich dieses Vorwurfes musste der Beklagten deshalb kein Schriftsatzrecht gewährt werden.

d) Ein Kündigungsgrund folgt auch nicht daraus, dass der Kläger das möglicherweise zu hoch bemessene Weihnachtsgeld nicht bei Erhalt der Gehaltsabrechnung sofort gerügt hat.

Auch insoweit ist keine Pflichtverletzung des Klägers erkennbar, da sich aus dem Sachvortrag der Beklagten nicht ergibt, dass der Kläger tatsächlich bemerkt hat, dass er zu viel Weihnachtsgeld erhalten hat. Zwar ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger die insoweit maßgebliche Gehaltsabrechnung für November erhalten hat. Daraus folgt aber keineswegs, dass der Kläger die Gehaltsabrechnung auch tatsächlich aktiv überprüft hat. Denkbar ist vielmehr auch, dass der Kläger dies unterlassen hat. Ob dies wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist spielt keine Rolle. Die Beklagte muss als die Partei, die hinsichtlich des Kündigungsgrundes beweisbelastet ist, ein Geschehen schildern, aus dem erkennbar ist, dass der Kläger tatsächlich erkannt haben muss, dass ihm zu viel Weihnachtsgeld gezahlt wurde. Andernfalls kann nicht davon ausgegangen werden, dass er dies tatsächlich erkannt hat.

Da entsprechende Umstände seitens der Beklagten nicht angeführt werden, kann die Kammer nicht davon ausgehen, dass der Kläger die Zuvielzahlung bemerkt hat.

Darüber hinaus stellt sich die Rechtsfrage, ob ein Arbeitnehmer der bemerkt, dass ihm zu viel Gehalt gezahlt wurde, überhaupt verpflichtet ist, dies dem Arbeitgeber mitzuteilen. Sofern eine solche Verpflichtung tatsächlich bestehen sollte, stellt sich weiter die Frage, ob ein Verstoß gegen diese Verpflichtung so schwer wiegt, dass darauf eine fristlose Kündigung nach über 30 Jahren Beschäftigung gestützt werden kann.

Diese Fragen können jedoch dahingestellt bleiben, da völlig unklar bleibt, ob der Kläger die Zuvielzahlung überhaupt bemerkt hat.

e) Die Beklagte kann sich zur Begründung der fristlosen Kündigung auch nicht darauf berufen, dass der Kläger zu Raucherpausen nicht ordnungsgemäß ausgestempelt habe. Schon bei abstrakter Begründung ergibt sich insoweit kein fristloser Kündigungsgrund. Wie oben dargestellt, ist eine fristlose Kündigung nur ausnahmsweise möglich, wenn dem Arbeitgeber keine milderen Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erlauben.

Vorliegend wäre es aber durchaus möglich und der Beklagten zumutbar gewesen, den Kläger hinsichtlich von Fehlern bei der Bedienung der Stempeluhr abzumahnen, zumal grundsätzlich jeder Pflichtenverstoß abgemahnt werden muss, bevor darauf eine verhaltensbedingte Kündigung gestützt werden darf.

Ob der Kläger sich bezüglich der Raucherpausen ordnungsgemäß abgemeldet hat oder nicht, kann daher dahingestellt bleiben.

f) Keiner der beklagtenseits angeführten Sachverhalte ist dementsprechend geeignet, eine fristlose Kündigung zu begründen. Die beiden Kündigungen vom 29.12.2016 konnten das Arbeitsverhältnis daher nicht fristlos beenden.

2. Die beiden Kündigungen vom 29.12.2016 konnten das Arbeitsverhältnis auch nicht als ordentliche, verhaltensbedingte Kündigungen beenden.

Auch die ordentlichen Kündigungen, die hilfsweise ausgesprochen wurde, erweisen sich als nicht rechtmäßig.

Die Wirksamkeit der ordentlichen, verhaltensbedingten Kündigungen ist nach Maßgabe des Kündigungsschutzgesetzes zu beurteilen, da die Beklagte weit mehr als 10 Mitarbeiter beschäftigt und die Klägerin bereits länger als 6 Monate bei der Beklagten beschäftigt ist. Auch die Frist des § 4 S. 1 KSchG ist eingehalten (Erhebung der Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung). Es ist nicht erkennbar, dass der Zugang der Nachkündigung so früh erfolgte, dass die 3-Wochen-Frist überschritten wäre.

Eine ordentliche, verhaltensbedingte Kündigung setzt regelmäßig eine vorangegangene Abmahnung des Arbeitnehmers voraus. Dies folgt daraus, dass auch die ordentliche, verhaltensbedingte Kündigung nur das letzte Mittel zur Behebung eines Fehlverhaltens sein soll. Dementsprechend ist der Arbeitnehmer grundsätzlich nach Auftreten eines Fehlverhaltens zunächst auf dieses hinzuweisen. Nur wenn der Arbeitnehmer trotz dieses Hinweises unter der Warnung, dass das Arbeitsverhältnis im Fall eines erneuten Verstoßes gekündigt werden könne, erneut eine Pflichtverletzung begeht, kommt dementsprechend eine Kündigung in Betracht (BAG, Urteil v. 17.02.1994 – 2 AZR 616/93 – NZA 1993, 656 bis 658).

Dementsprechend scheitern die hilfsweisen ordentlichen Kündigungen vorliegend wie die außerordentlichen, fristlosen Kündigungen daran, dass keine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung erteilt wurde.

Vorliegend liegen keine Abmahnungen vor. Auch der seltene Fall einer verhaltensbedingten Kündigung ohne vorherige Abmahnung liegt nicht vor. Wie oben dargestellt, kommt dies nur ausnahmsweise in Betracht, wenn dem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gar nicht zumutbar ist. Davon kann jedoch vorliegend nicht ausgegangen werden, und zwar aufgrund der Erwägungen, die auch hinsichtlich der fristlosen Kündigungen maßgeblich waren. Auf die Ausführungen zu den fristlosen Kündigungen wird daher auch hinsichtlich der hilfsweise ordentlichen Kündigungen Bezug genommen.

3. Damit erweisen sich die Kündigungen als insgesamt unrechtmäßig, sodass der Kündigungsschutzklage in vollem Umfang stattzugeben ist.

II.

Da der Kläger im Verfahren obsiegt, hat die Beklagte die Kosten desselben zu tragen. Der Streitwert beläuft sich auf 3 Bruttomonatsgehälter.

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