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Fristlose Kündigung – Verletzung einer arbeitsvertraglich geschuldeten Vermögensbetreuungspflicht

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Az.: 3 Sa 285/09, Urteil vom 27.01.2010

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 16.06.2009 – 6 Ca 2755/08 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der Kläger ist am …1964 geboren und seit dem 01.01.1995 für den Beklagten als Leiter der Vermögensverwaltung beschäftigt. Er erhielt zuletzt 7.000,00 EUR brutto monatlich.

Die Einstellung des Klägers erfolgte vor folgendem Hintergrund: 1994 war der Beklagte 63 Jahre alt, verheiratet und kinderlos. Sein Ziel war es, sein Vermögen „in einem Stück“ zu erhalten. Diesen Willen hatte er bereits zusammen mit seiner Ehefrau mit einer Stiftung manifestiert. Auf seiner Suche nach einem Nachfolger, der die gewünschte Einheitlichkeit seines Vermögens gewährleisten sollte, gewann er den damals 30-jährigen Kläger (siehe Klägervorbringen im Ss. vom 28.5.2009 – S. 4, – Bl. 115 d.A.)

Fristlose Kündigung - Verletzung einer arbeitsvertraglich geschuldeten Vermögensbetreuungspflicht
Symbolfoto: Bigedhar/Bigstock

Die Parteien schlossen am 22.09.1994 einen zunächst befristeten Arbeitsvertrag ab. In ihm wurde dem Kläger eine Verlängerung über den Tod des Beklagten bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres in Aussicht gestellt. 1998 vereinbarten die Parteien einen Nachtrag zum Arbeitsvertrag, wonach sich das Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit, mindestens jedoch bis zum 31.12.2002 verlängerte. Für die Zeit danach wurde eine Kündigungsfrist von 12 Monaten zum Jahresende vereinbart.

Im Juli 2002 gründete der Beklagte die K… Immobilien GmbH & Co. KG und die K… Immobilien GmbH. In die KG wurde ein Grundstück M… 2, 2… E… vom Beklagten eingebracht. Nach dem Gesellschaftsvertrag sollte diese Einbringung mit 1,8 Mio. EUR bewertet sein. Das Objekt erbringt monatliche Mieteinnahmen von EUR 17.000,–.

Am 18. November 2002 erfolgten vor dem Notar T… R… drei Beurkundungen:

Unter der Urk.-Rolle Nr. 3…/2002 gab der Kläger, nachdem zuvor in der Präambel auf die vorgenannten Gründungen und die Absicht des Beklagten, ihm unentgeltlich seine Anteile zu übertragen, Bezug genommen worden war, eine Erklärung ab, wonach er sich verpflichtete, die Geschäfte im Sinne des Beklagten fortzuführen. Er verpflichtete sich weiter dazu, die Anteile an der GmbH bzw. der KG auf schriftliches Verlangen des Beklagten bzw. seiner Ehefrau zurück zu übertragen, wenn die Tätigkeit des Klägers für die K…-Vermögensverwaltung bzw. als Vorstand der K…-Stiftung ende. Letztendlich verpflichtete er sich, Belastungen des eingebrachten Grundstücks nur mit Zustimmung des Beklagten oder seiner Ehefrau durchzuführen, soweit ein Betrag von EUR 250.000,– überstiegen wird (Anlage B 7, Bl. 76 – 79 d.A.). Unter der Urk.- Rolle Nr. 3…/2002 übertrug der Beklagte dann am 18.11.2002 an den Kläger unentgeltlich seinen Gesellschaftsanteil an der GmbH im Wert von 25.000,00 EUR(Anlage B 5, Bl. 68 ff. d.A.).Unter der Urk.-Rolle Nr. 3…/2002 vom 18.11.2002 übertrug der Beklagte zudem an den Kläger mit Gesellschafterbeschluss vom gleichen Tage unentgeltlich seinen Anteil an der KG, Wertangabe 1,9 Mio. EUR (Anlage B 6, Bl. 71 ff. d.A.).

Anlässlich umfangreicher Mietrückstände eines Mieters des Beklagten sowie anlässlich hoher über den Beklagten abgerechneter Benzinkosten kam es zwischen den Parteien zu nachhaltigen Unstimmigkeiten. Mit Datum vom 27.03.2008 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis „fristgemäß“ zum 31.08.2008 unter Beifügung einer auf den 21.2.2009 datierten Originalvollmacht (Bl. 10 d. Verfahrens 4 Ca 1045/08).

Darin heißt es auszugsweise:

Vollmacht

„wird hiermit in Sachen K…/W…

wegen

Vollmacht erteilt

5. Zur Begründung und Aufhebung von Vertragsverhältnissen und zur Abgabe und Entgegennahme von einseitigen Willenserklärungen (z.B. Kündigungen) im Zusammenhang mit der oben unter „wegen…“ genannten Angelegenheit.“

Das Arbeitsgericht Lübeck erachtete diese Kündigung mit Urteil vom 18.07.2008 für wirksam. Das Urteil wurde dem Klägervertreter am 20.08.2008 zugestellt. Der Kläger legte am 17.09.2008 Berufung ein.

Der Beklagte verlangte unterdessen bereits vom Kläger die Rückübertragung der Anteile an der K… Immobilien GmbH & Co. KG sowie die Rückübertragung der Geschäftsanteile an der K… Immobilien GmbH. Der Beklagte bemühte sich zwischen den Instanzen zunächst dahingehend zu einem Zwischenvergleich zu kommen, dass der Kläger über den einzigen Vermögenswert der KG, das Mehrfamilienhaus, nicht verfügt und die laufenden Mieteinnahmen auf ein Anderkonto gezahlt werden, über das nur beide gemeinschaftlich verfügen sollten.

Zwischenzeitlich berief der Kläger den Beklagten als alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der K… Immobilien GmbH ab und übereignete wenige Tage nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 8. September 2008 das eingebrachte Grundstück an eine andere GmbH & Co. KG, deren alleiniger Gesellschafter bzw. Geschäftsführer er war. Die Abberufung wurde am 10.09.2008 eingetragen. Die Eigentumsumschreibung ist am 22. September 2008 im Grundbuch des Amtsgerichts P… eingetragen worden. Schließlich hat der Kläger das Grundvermögen mit 900.000 EUR belastet, ohne eine Zustimmung des Beklagten oder dessen Ehefrau einzuholen.

In verschiedenen Verfahren vor ordentlichen Gerichten hat der Beklagte gegen die Gesellschaft des Klägers Sicherungsmaßnahmen im einstweiligen Rechtsschutz zur Verhütung einer Weiterübertragung des Grundstücks erwirkt. Im Einzelnen:

– Beschluss des Landgerichts I… vom 15.10.2008 – 7 O …/08 (Anlage B 8, Bl. 80 ff. d.A.) zur Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten der K… Immobilien GmbH & Co. KG gegen die J… Verwaltungsgesellschaft mbH & Co. KG wegen sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB). Dieser Beschluss ist bei der Vertreterin der Beklagten am 20.10.2008 eingegangen (Bl. 80 d.A.). Die einstweilige Verfügung wurde durch Urteil vom 19.02.2009 aufrechterhalten (Anlage B 9, Bl. 83 ff. d.A.).

– Beschluss des Landgerichts J… vom 21.10.2008 – 13 O …/08 (Anlage B 10, Bl. 87 d.A.): Verfügungsverbot gegen die noch vom Kläger vertretene K… Immobilien GmbH hinsichtlich verschiedener Grundstücke. Dieser Beschluss wurde durch Urteil vom 18.11.2008 aufrechterhalten, weil das Beiseiteschaffen des Grundstücks den Tatbestand der Untreue erfüllen könne.

– Beschluss des Landgerichts J… vom 05.12.2008 – 2 O …/08 – gegen die K… Immobilien GmbH & Co. KG: Untersagung der Löschung der Auflassungsvormerkung.

Mit Schreiben seiner damaligen Prozessbevollmächtigten vom 06.10.2008, versehentlich datiert auf den 06.11.2008, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos (Bl. 5 f. d.A.). Die Kündigung ging dem Kläger jedenfalls am 07.10.2008 zu, wenn nicht gar bereits am Abend des 06.10.2008, das ist streitig. In der Kündigung heißt es:

Selbstredend greift diese fristlose Kündigung nur für den Fall, dass rechtskräftig festgestellt werden wird, dass die mit Datum vom 27.03.2008 ausgesprochene ordentliche Kündigung als unwirksam festgestellt wird und für den Fall, dass bei Feststellung der Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung das Arbeitsverhältnis weiter Bestand hätte.

Der Kläger hat gegen diese Kündigung am 13.10.2008 Kündigungsschutzklage erhoben. Das Verfahren ist wegen des schwebenden Berufungsverfahrens betreffend die ordentliche Kündigung vom 27.3.2008 ausgesetzt worden. Nachdem das Landesarbeitsgericht im Berufungsverfahren unter dem Aktenzeichen 3 Sa 343/08 am 17.12.2009 festgestellt hatte, dass diese Kündigung das Arbeitsverhältnis erst zum 31.12.2009 auflöst, wurde das vorliegende Kündigungsschutzverfahren fortgesetzt.

Der Kläger hat stets die Ansicht vertreten, diese Kündigung mit Datum vom 06.11.2008 sei schon u.a. deshalb unwirksam, weil eine Originalvollmacht nicht beigefügt gewesen sei. Jedenfalls liege kein wichtiger Grund im Sinne von § 626 BGB vor.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Das ist im Wesentlichen mit der Begründung geschehen, die Kündigung sei als vorsorglich ausgesprochene, hilfsweise fristlose Kündigung zu verstehen. Sie sei auch nicht gem. § 174 Satz 1 BGB unwirksam, weil dem Kläger die Kündigungsbefugnis der damaligen Vertreterin der Beklagten bereits im Vorverfahren durch Vorlage einer Originalvollmacht nachgewiesen worden sei. Auch liege ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vor, weil er die Durchsetzung der vereinbarten Rückübertragungspflicht durch die Verschiebung auf eine andere KG hinsichtlich des KG-Anteils erschwert und wirtschaftlich ausgehöhlt habe. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf Tatbestand, Anträge und Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Lübeck vom 09.06.2009 Bezug genommen.

Gegen diese dem Kläger am 20.07.2009 zugestellte Entscheidung hat er am 05.08.2009 Berufung eingelegt, die nach Fristverlängerung bis zum 20.10.2009 am 19.10.2009 begründet wurde.

Der Kläger ergänzt und vertieft im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung liege nicht vor, denn der Kläger sei durch die unter der Urkundenrolle 3…/2002 beurkundete Erklärung nicht zur Rückübertragung des KG-Anteils verpflichtet. Die Erklärungen seien unverbindlich und schon formell unwirksam. Auch sei eine Verpflichtung zur Rückübertragung jedenfalls nicht zum Zeitpunkt der Aufforderung am 01.09.2008 fällig gewesen, allenfalls frühestens zum 31.12.2009. Er habe auch zu keinem Zeitpunkt den Willen gehabt, das Grundstück weiter zu verkaufen oder zu belasten. Die Belastung mit einer Grundschuld über 900.000,00 EUR stehe dem nicht entgegen. Sein Verhalten sei nicht vertragswidrig gewesen und habe auch das Vertrauensverhältnis nicht zerstört. Der Beklagte habe ihm vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung systematisch den Kündigungsschutz entzogen. Er, der Kläger, habe sich ungerecht behandelt gefühlt. Im Übrigen sei die Kündigung formell unwirksam und mangels vorgelegter Originalvollmacht auch wirksam zurückgewiesen worden.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck zum Az. 6 Ca 2755/08 dahingehend abzuändern, dass festgestellt wird, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die vorsorgliche fristlose Kündigung des Beklagten, datiert auf den 06.11.2008, nicht beendet wurde, sondern ungekündigt fortbesteht.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend. Für die Belastung des Grundstücks über EUR 250.000,– hinaus mit einer Hypothek von insgesamt EUR 900.000,– habe eine Zustimmung des Beklagten nicht vorgelegen. Die streitgegenständliche Kündigung sei unter Beifügung einer Originalvollmacht durch die damalige Vertreterin des Beklagten ausgesprochen worden. Die vom Kläger übernommene Verpflichtung sei wirksam und ein Verstoß gegen sie rechtfertige die außerordentliche fristlose Kündigung. Der Kläger sei arbeitsvertraglich als Vermögensverwalter des Beklagten tätig gewesen. Er habe seine rechtlichen Möglichkeiten zu Lasten des Beklagten missbraucht und damit seine Vertragspflichten verletzt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist der Beschwer nach statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und auch innerhalb der verlängerten Frist begründet worden.

II. Die Berufung ist nicht begründet. Die fristlose Kündigung ist gerechtfertigt. Für den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung liegt ein wichtiger Grund gem. § 626 Abs. 1 BGB vor. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt. Zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen wird vorab auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts verwiesen. Lediglich ergänzend wird Folgendes ausgeführt:

1) Die Wirksamkeit der Kündigung scheitert nicht bereits an § 174 S. 1 BGB. Danach ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter gegenüber einem anderen vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere aus diesem Grunde das Rechtsgeschäft unverzüglich zurückweist. Die Zurückweisung ist jedoch ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hat (§ 174 S.2 BGB).

Der Berufung auf das etwaige Fehlen einer Originalvollmacht steht vorliegend § 242 BGB entgegen. § 242 BGB schließt die Zurückweisung aus, wenn der Vertreter innerhalb einer ständigen Geschäftsverbindung bereits wiederholt entsprechende Handlungen vorgenommen hat (Palandt- Ellenberger, 69. Aufl., Rz. 7 zu § 174 BGB m.w.N.). Die damalige Vertreterin des Beklagten hat den Beklagten 2008/2009 während aller rechtlichen Auseinandersetzungen gegenüber dem Kläger vertreten. Dem Kläger wurde auch unter anderem im Vorprozess eine Originalvollmacht vorgelegt, die die Vertreterin einschränkungslos und ohne Bezugnahme auf eine einzelne Angelegenheit zum Ausspruch von Kündigungen berechtigte. Das war dem Kläger auch bekannt. Auch die erste Kündigung war schon von der Vertreterin des Beklagten ausgesprochen worden. Die Zurückweisung der 2. Kündigung wegen möglicherweise Nichtvorlage einer Originalvollmacht ist angesichts dessen und angesichts der Tatsache, dass mindestens eine Fotokopie einer solchen Vollmacht beigefügt war, treuwidrig.

2) Trotz des nicht klassisch arbeitsrechtlich eindeutig formulierten Wortlauts handelt es sich bei der streitbefangenen Kündigung auch zweifelsfrei um eine vorsorgliche Kündigung, die für den Fall Wirkung entfalten sollte, dass die erste Kündigung vom 27.03.2008 zum 31.08.2008 das Arbeitsverhältnis nicht oder jedenfalls nicht zum 31.08.2009 beendet haben sollte. Das ergibt die Auslegung des Kündigungsschreibens.

a) Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist, ohne am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, der wirkliche Wille zu erforschen. Die Auslegung hat ausgehend vom Wortlaut, der nach dem Sprachgebrauch der jeweiligen Verkehrskreise unter Berücksichtigung von Treu und Glauben zu bewerten ist, sämtliche den Parteien erkennbaren Begleitumstände der Erklärung, soweit sie einen Schluss auf deren Sinngehalt zulassen, zu berücksichtigen (§§ 133, 157 BGB). Anhaltspunkte für das wirklich Gewollte können sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte, dem Zweck und der vorliegenden Interessenlagen sowie den weiteren Äußerungen der Parteien im Zusammenhang mit der Erklärung ergeben (st. Rechtsprechung des BAG, vgl. nur BAG vom 31.7.2002 – 10 AZR 513/01; BAG vom 12.10.2005 – 10 AZR 501/04 – jeweils zitiert nach JURIS).

b) Das Schreiben der damaligen Vertreterin des Beklagten kann unter Berücksichtigung des Kontextes nur so verstanden werden, dass das Arbeitsverhältnis in jedem Fall vor Erreichen des Rentenalters des Klägers und vor Ablauf einer sich eventuell ergebenden, über den 31.08.2008 hinausgehenden Kündigungsfrist frühestmöglich und fristlos beendet werden sollte. Alle anderen Interpretationsversuche entsprechen nicht dem allgemeinen Empfängerhorizont und auch nicht dem konkreten Empfängerhorizont des Klägers. Auch in der Berufungsverhandlung zum Verfahren 3 Sa 343/08 ging u.a. selbst der Kläger bzw. Klägervertreter davon aus, dass die fristlose Kündigung mit Datum vom 6.11.2008 einen neuen Kausalverlauf in Gang gesetzt hat, der Auswirkungen zeigen kann, wenn das Arbeitsverhältnis als ordentlich unkündbar oder aber als nur mit einer 12monatigen Kündigungsfrist zum Jahresende kündbar angesehen werden sollte. Der Kläger hat damit selbst die fristlose Kündigung eindeutig als Erklärung verstanden, dass der Beklagte mit dieser Kündigung mit Datum vom 06.11.2008 das Arbeitsverhältnis, wenn es denn noch über den 31.08.2008 hinaus fortbestehen sollte, in jedem Fall so schnell wie möglich fristlos, zum frühesten, rechtlich zulässigen Zeitpunkt beenden wollte.

3. Die außerordentliche Kündigung ist auch wirksam. Es liegt ein wichtiger Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vor.

a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die erforderliche Überprüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund darstellt, vollzieht sich zweistufig: Im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht (BAG vom 23.06.2009 – 2 AZR 103/08 – zitiert nach Juris, Rz. 18 m. w. N).

Vom Arbeitnehmer zu Lasten des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte sind regelmäßig an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund zu rechtfertigen. Ein Arbeitnehmer, der im Zusammenhang mit seiner Arbeitsleistung strafrechtlich relevante Handlungen gegen das Vermögen seines Arbeitgebers begeht, verletzt damit seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht schwerwiegend und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen in erheblicher Weise (vgl. BAG vom 13.12.2007 – 2 AZR 537/08 – zitiert nach Juris, Rz. 16 m. w. N.).

Ein Arbeitnehmer ist grundsätzlich gehalten, die Vermögensinteressen seines Arbeitgebers zu wahren. Das ergibt sich bereits aus der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht. Die Verletzung einer arbeitsvertraglich geschuldeten Vermögensbetreuungspflicht zum eigenen Nutzen ist – unabhängig von einer etwaigen strafrechtlichen Relevanz – an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.

Für eine Kündigung aus Anlass eines bestimmten Verhaltens eines Arbeitnehmers gilt das sogenannte Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht Sanktion für die Vertragspflichtverletzung, sondern dient der Vermeidung des Risikos weiterer Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in Zukunft belastend auswirken. (BAG vom 15.11.2007 – 2 AZR 605/00 -; BAG vom 23.06.2009 – 2 AZR 103/08 – Rz. 33).

b) Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die streitbefangene Kündigung wirksam.

Der Kläger hat durch sein Verhalten im Zusammenhang mit der Übereignung des Grundstückes auf eine andere GmbH und Co.KG, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer er war, mindestens seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht verletzt und das für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstört.

Der Kläger war als Leiter der Vermögensverwaltung des Beklagten arbeitsvertraglich tätig. Insoweit bestand für ihn die arbeitsvertragliche Verpflichtung, die Vermögensinteressen des Beklagten zu wahren und zu betreuen. Diese Pflicht hat er durch sein Verhalten nachhaltig und eigennützig verletzt. Insoweit kann es dahingestellt bleiben, ob sein Verhalten einen Straftatbestand erfüllt und/oder ob es zivilrechtlich angreifbar war oder nicht. Der Kläger hat mit seinem Verhalten seine in der Urkundenrolle 3…/2002 abgegebene Verpflichtung zu einem bestimmten Verhalten missachtet. Dabei ist es völlig unbeachtlich, ob diese Verpflichtung zivilrechtlich formwirksam ist oder nicht. Diese Erklärung war jedenfalls Geschäftsgrundlage für das anschließende Handeln des Beklagten. Das ergibt sich bereits aus der reinen Zeitabfolge der Beurkundungen. Der Kläger hat seine Erklärung ausweislich der Nummer der Urkundenrolle abgegeben, bevor ihm der Beklagte unentgeltlich die Anteile an der K… Immobilien GmbH & Co. KG an der Komplementärin dieser KG, der K… Immobilien GmbH übertragen hat. Sie war damit zweifelsfrei für den Beklagten Geschäftsgrundlage für sein in den UR-Nr 3…/ 2002 und 3…/2002 erfolgten Handlungen. Insoweit kommt es nicht darauf an, welche Form für die Fixierung dieser Geschäftsgrundlage gewählt wurde. Ein Formerfordernis war nicht erforderlich.

Der Kläger hat sich an den Inhalt dieser eigenen Erklärung nicht gehalten.

Der Beklagte hat dem Kläger zudem vor der die fristlose Kündigung auslösenden Transaktion des Klägers unstreitig während des vorgreiflichen Kündigungsprozesses um die fristgemäße Kündigung angeboten, bis zur Klärung der rechtlichen Fragen etwaige Einnahmen auf ein Anderkonto zahlen zu lassen, damit keiner von beiden eigenmächtig Zugriff hat. Der Kläger hingegen hat jedoch noch – ohne dieses offenzulegen – während des schwebenden ersten Kündigungsrechtsstreits die Gunst der Stunde genutzt und sich den Alleinzugriff gesichert. Damit hat er jegliche Vertrauensgrundlage für ein künftiges gedeihliches Miteinander im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, das ihn als vertragliche Hauptpflicht zur Wahrung der Vermögensinteressen des Beklagten verpflichtete, auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 31.12.2009 zerstört. Sein Verhalten war ausschließlich von Eigennutz geprägt und widersprach der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht. Das gilt auch unter Berücksichtigung der Enttäuschung des Klägers angesichts des Verhaltens, das der Beklagten vor Ausspruch der ersten Kündigung an den Tag legte, um die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes abzuschaffen. Der Kläger hätte hierauf nicht mit einer „Selbstbedienung“ reagieren dürfen.

Eine Abmahnung als milderes Mittel kommt vorliegend nicht in Betracht. Die Vorgehensweise und der Zugriff auf die Vermögenswerte des Beklagten sind zu krass, um jemals wieder eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu ermöglichen. Die bis zum 31.12.2009 währende Kündigungsfrist ist zu lang. Das Vertrauen ist nachhaltig und irreparabel zerstört. Der Beklagte war berechtigt, sofort zu reagieren und das einzige arbeitsrechtlich mögliche Mittel anzuwenden, um dem Kläger weitere Zugriffsmöglichkeiten zu verwehren.

4. Aus den genannten Gründen war das erstinstanzliche Urteil zu bestätigen. Die Klage ist zu Recht abgewiesen worden. Die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist rechtmäßig. Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Vorliegend handelt es sich ausschließlich um eine Einzelfallentscheidung.

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