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Fristlose Kündigung wegen vorsätzlich falscher eidesstattlicher Versicherung

Im Arbeitsrecht stellt sich häufig die Frage, unter welchen Umständen eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist. Ein solcher schwerwiegender Schritt erfordert das Vorliegen eines wichtigen Grundes, der es dem Arbeitgeber unzumutbar macht, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Ein möglicher Kündigungsgrund kann in der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung liegen. Hierbei geht es um die Integrität und das Vertrauen, das zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehen muss. Ein Vertrauensverstoß kann die Basis für eine außerordentliche Kündigung bilden, insbesondere wenn eine Vertragspflichtverletzung vorliegt.

Allerdings ist vor einer solchen Entscheidung stets zu prüfen, ob nicht mildere Mittel wie eine Abmahnung ausreichend wären, um das Verhalten des Arbeitnehmers zu korrigieren und das Arbeitsverhältnis aufrechtzuerhalten. Die Rechtsprechung verlangt hier eine sorgfältige Abwägung aller Umstände des Einzelfalls.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 Ca 1013/14  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die fristlose Kündigung eines Pflegedienstleiters aufgrund einer angeblich vorsätzlich falschen eidesstattlichen Versicherung wurde als rechtswidrig erachtet, da die Kündigung auf einer fehlinterpretierten Aussage basierte und der Kläger nicht vorsätzlich gehandelt hat.

Zentrale Punkte aus dem Urteil:

  1. Fristlose Kündigung: Die außerordentliche fristlose Kündigung des Pflegedienstleiters war rechtswidrig und somit unwirksam.
  2. Eidesstattliche Versicherung: Die Aussage des Klägers in der eidesstattlichen Versicherung wurde im Gesamtkontext betrachtet und nicht als objektiv falsch angesehen.
  3. Interpretationsspielraum: Die Erklärung des Klägers ließ einen Interpretationsspielraum zu, was gegen eine vorsätzliche Falschaussage spricht.
  4. Verantwortungsbereich: Der Kläger war nicht fürden Abschluss und Inhalt der Rechtsbeziehungen mit der Fremdfirma zuständig, was typisch für die Organisation in einem Krankenhaus ist.
  5. Subjektive Wahrnehmung: Der Kläger schilderte den Sachverhalt so, wie er ihn subjektiv wahrgenommen hat, ohne bewusst eine falsche Darstellung zu geben.
  6. Vorsatz vs. Fahrlässigkeit: Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Kläger vorsätzlich gehandelt hat; eine Abgrenzung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit war nicht eindeutig.
  7. Abmahnung: Vor einer Kündigung wäre eine Abmahnung erforderlich gewesen, um die Prognose zu objektivieren und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren.
  8. Arbeitsverhältnis: Das langjährige, bisher beanstandungsfreie Arbeitsverhältnis des Klägers wurde berücksichtigt, und es wurde keine Ausnahmesituation angenommen, die eine Abmahnung entbehrlich gemacht hätte.

Fristlose Kündigung auf dem Prüfstand: Der Fall des Pflegedienstleiters

Im Zentrum des rechtlichen Disputs stand die Frage, ob die Abgabe einer vorsätzlich falschen eidesstattlichen Versicherung durch einen Pflegedienstleiter einen hinreichenden Grund für eine fristlose Kündigung darstellt. Der Kläger, in seiner Funktion als Pflegedienstleiter, war für die Koordination und den Einsatz des Pflegepersonals in einem fusionierten Krankenhausverbund zuständig. Nach der Fusion der Krankenhäuser wurde die Pflegedienstleitung neu strukturiert, und dem Kläger wurde diese Aufgabe probeweise übertragen. In dieser Rolle hatte er die Verantwortung, über den Einsatz von Servicemitarbeitern aus dem eigenen Pool oder von einer Fremdfirma zu entscheiden.

Die eidesstattliche Versicherung: Ein Dreh- und Angelpunkt im Arbeitsrecht

Die rechtliche Auseinandersetzung entzündete sich an einer eidesstattlichen Versicherung, die der Kläger im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens abgegeben hatte. Darin erklärte er, dass für den Abschluss von Vereinbarungen und den Inhalt der Rechtsbeziehungen mit Fremdfirmen ausschließlich die Verwaltungsleitung zuständig sei und er keinen Einfluss auf die Zahl der eingesetzten Arbeitnehmer einer Fremdfirma habe. Diese Aussage wurde von der Beklagten als falsch angesehen, da der Kläger tatsächlich über den Einsatz von Fremdfirmen-Mitarbeitern entschieden habe.

Vorsatz oder Missverständnis? Die Bewertung der eidesstattlichen Versicherung

Das rechtliche Problem und die Herausforderung in diesem Fall lagen in der Bewertung der eidesstattlichen Versicherung und der daraus resultierenden Vertrauensfrage. Es musste geklärt werden, ob der Kläger tatsächlich keinen Einfluss auf die Entscheidungen hatte, die er in seiner eidesstattlichen Versicherung verneinte, und ob eine mögliche Falschaussage vorsätzlich erfolgte. Die Beurteilung der Vorsätzlichkeit war entscheidend, da sie die Grundlage für eine fristlose Kündigung bilden könnte.

Abmahnung statt Kündigung: Die rechtlichen Konsequenzen

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Kläger bei Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht bewusst einen Sachverhalt objektiv falsch schildern wollte. Vielmehr habe er den Sachverhalt so dargestellt, wie er ihn subjektiv wahrgenommen habe. Selbst wenn die eidesstattliche Versicherung objektiv falsch gewesen sein sollte, sah das Gericht keinen Vorsatz beim Kläger. Zudem wurde festgestellt, dass eine fristlose Kündigung eine negative Prognose für das zukünftige Verhalten des Arbeitnehmers voraussetzt, die hier nicht gegeben war. Eine Abmahnung hätte als milderes Mittel ausgereicht, um den Kläger auf sein Fehlverhalten hinzuweisen und ihm die Möglichkeit zur Verhaltensänderung zu geben.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Welche Rolle spielt die eidesstattliche Versicherung in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten?

Die eidesstattliche Versicherung spielt eine wichtige Rolle in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten, da sie als Instrument zur Glaubhaftmachung von Tatsachen dient. Sie ist eine formelle Erklärung, die eine Person abgibt, um zu versichern, dass bestimmte Tatsachen wahr sind.

In arbeitsrechtlichen Streitigkeiten kann eine eidesstattliche Versicherung beispielsweise dazu dienen, bestimmte Tatsachen oder Ansprüche zu bestätigen. Ein Beispiel könnte die Frage sein, ob jemand tatsächlich Geschäftsführer einer Firma war. Eine eidesstattliche Versicherung könnte dazu dienen, diese Tatsache zu belegen.

Die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung ist jedoch kein leichtfertig abzugebendes Dokument. Sollte sich herausstellen, dass die gemachten Angaben unwahr sind, wird es rechtliche Konsequenzen geben. Die falsche Versicherung an Eides statt ist nach § 156 StGB ein Straftatbestand.

In bestimmten Fällen kann die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung sogar zu einer außerordentlichen Kündigung führen. Wenn ein Arbeitnehmer beispielsweise eine falsche eidesstattliche Versicherung abgibt, kann dies als schwerwiegender Verstoß gegen die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis gewertet werden und eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.

Die eidesstattliche Versicherung bleibt so lange wirksam, bis das Gegenteil der darin behaupteten Tatsachen bewiesen ist. So bleibt zum Beispiel eine im Zivilprozess abgegebene eidesstattliche Versicherung wirksam, bis das Gericht seine endgültige Entscheidung getroffen hat.

Daher sollte man bei der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung immer die Wahrheit sagen und sich der möglichen Konsequenzen bewusst sein. Bei Unsicherheiten ist es ratsam, juristischen Rat einzuholen.


Das vorliegende Urteil

Arbeitsgericht Paderborn – Az.: 3 Ca 1013/14 – Urteil vom 24.10.2014

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose Kündigung vom 23. Juni 2014 beendet wurde.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Kündigungsschutzverfahrens entsprechend den Bedingungen aus der Änderungskündigung vom 31. März 2014 weiter zu beschäftigen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4. Der Streitwert wird auf 22.066,56 € festgesetzt.

T a t b e s t a n d:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung.

Der 1955 geborene Kläger ist seit dem 01.10.1984 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als leitende Pflegekraft/Pflegedienstleiter gemäß den Regelungen des Dienstvertrages vom 27.01.1985 (vgl. Bl. 4 ff. d. A.) sowie der Ergänzung zum Dienstvertrag vom 21.09.1989 (vgl. Bl. 8 f. d. A.) mit einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt in Höhe von 5.516,64 € beschäftigt.

Der Kläger übte seine Tätigkeit als Pflegedienstleiter zunächst im St. W-Hospital in C aus. Im Jahr 2010 erfolgte eine organisatorische Zusammenführung der Krankenhäuser St. W in C, St. K in E, St. B in I und St. S in T. Übergeordneter Pflegedirektor in Personalunion mit der Pflegedienstleitung für die Häuser St. B und St. S wurde Herr P. Zum 01.01.2013 fusionierten die vorgenannten vier Krankenhäuser. Damit einhergehend strukturierte die Beklagte die Pflegedienstleitung dergestalt um, dass die Funktion eines Pflegedienstleiters für alle vier Krankenhäuser gemeinsam eingerichtet wurde. Da der Mitarbeiter P zum 30.09.2012 kündigte, war die Stelle des Pflegedienstleiters für alle vier Häuser vakant. Ab dem 01.10.2012 wurde dem Kläger diese Funktion gemäß § 18 der Anlage 31 zu den AVR probeweise für ein Jahr übertragen. Für diese Zeit sollte der Kläger eine Zulage in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der Entgeltgruppe 11 a und 12 der Anlage 31 zu den AVR erhalten. Die Beklagte informierte den Kläger mit Schreiben vom 02.08.2012 darüber, dass sie nach einem Dreivierteljahr endgültig entscheiden werde, ob dem Kläger diese Stelle auf Dauer übertragen werde. Mit Schreiben vom 11.09.2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die probeweise Übertragung der Funktion des Pflegedienstleiters für die vier Krankenhäuser um ein halbes Jahr bis zum 31.03.2014 verlängert werde. Die vom Kläger in dieser Funktion auszuübenden Tätigkeiten und Aufgaben ergeben sich aus der Funktionsbeschreibung der Pflegedienstleitung im Krankenhaus (vgl. Bl. 41 f. bzw. Bl. 43 d. A.). In einem am 25.02.2014 geführten Gespräch teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass eine dauerhafte Übertragung der Aufgaben als Pflegedienstleitung für alle vier Krankenhäuser nicht erfolgen werde. Mit Schreiben vom 31.03.2014 teilte die Beklagte dem Kläger sodann schriftlich mit, dass die befristet übertragene Führungsposition mit Ablauf des 31.03.2014 entfalle und damit auch die dem Kläger nach § 18 Abs. 3 Anlage 31 AVR gewährte Zulage. Zugleich erklärte die Beklagte gegenüber dem ordentlich unkündbaren Kläger die Kündigung des Dienstverhältnisses aus sonstigen wichtigen Gründen zum Zwecke der Herabgruppierung um eine Entgeltgruppe zum Ablauf des 30.09.2014, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin und bot dem Kläger zugleich die Fortsetzung des Dienstverhältnisses zu geänderten Vertragsbedingungen ab dem 01.10.2014 als Krankenpfleger in der mobilen Pflege der Caritas Pflegestation im Bereich Süd mit der Vergütungsgruppe KR 10 an (vgl. Bl. 99 ff. d. A.). Mit Schreiben vom 01.04.2014 (vgl. Bl. 102 d. A.) teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er der Weisung der Beklagten, als Krankenpfleger in der mobilen Pflege tätig zu werden, nur unter Vorbehalt Folge leiste. Zugleich nahm der Kläger das mit der Änderungskündigung unterbreitete Angebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an. Gegen die Änderungskündigung erhob der Verfügungskläger Änderungsschutzklage beim Arbeitsgericht Paderborn (Aktenzeichen: 1 Ca 545/14). Zudem machte der Kläger in einem einstweiligen Verfügungsverfahren (Aktenzeichen: 2 Ga 4/14) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend, weiterhin als Pflegedienstleiter für alle vier Häuser beschäftigt zu werden. Mit Urteil vom 10.04.2014 wies die 2. Kammer des Arbeitsgerichts Paderborn den Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Mit der Berufung verfolgte der Kläger seinen Antrag weiter (Aktenzeichen: 10 Sa Ga 16/14, LAG Hamm). Im Rahmen der Berufungsbegründung legte der Kläger eine eidesstattliche Versicherung vor (vgl. Bl. 86 ff. d. A.). Die letzten beiden Absätze dieser eidesstattlichen Versicherung lauten wie folgt:

„In der Personalbedarfsrechnung der Verfügungsbeklagten sind Arbeitnehmer der Firma E1 aufgeführt. Es handelt sich um Servicekräfte als Hilfen im Transportdienst und der Ausgabe des Essens, die nicht in den organisatorischen Arbeitsablauf der Pflege eingegliedert sind, da sie keine pflegerische Leistung gegenüber Patienten erbringen. Es handelt sich um Erfüllungsgehilfen im Rahmen eines Dienstleistungsvertrags mit einer Fremdfirma. Sie entlasten die Pflegekräfte von außerhalb der Pflege zu erledigenden Routineaufgaben. Da die Mitarbeiter der Fremdfirmen ihre Vergütung von ihrem Arbeitgeber erhalten, handelt es sich nicht um Personalkosten, sondern um Sachkosten. Für den Abschluss der Vereinbarungen und den Inhalt der Rechtsbeziehungen mit Fremdfirmen ist die Verwaltungsleitung zuständig.

Ich habe weder tatsächlich noch rechtlich einen Einfluss auf die Zahl der eingesetzten Arbeitnehmer einer Fremdfirma. Die Pflegedienstleitung ist zuständig für die Arbeitnehmer in der Pflege (Medizinische Fachangestellte im Stationsdienst, Assistenten in der Pflege, Krankenpflegehelfer, Gesundheits- und Krankenpfleger, Fachkrankenpfleger). Es muss sich um Arbeitnehmer handeln, die eine pflegerische Leistung gegenüber den Patienten erbringen.“

Mit zwei Schreiben vom 13.06.2014 hörte die Beklagte die gemeinsame Mitarbeitervertretung der Krankenhäuser, der Zentralverwaltung und des MVZ Strahlentherapie und Onkologie (vgl. Bl. 48 ff. d. A.) sowie vorsorglich die gemeinsame Mitarbeitervertretung der Seniorenhäuser und der Caritaspflegestationen (vgl. Bl. 44 ff. d. A.) an.

Mit Schreiben vom 23.06.2014, dem Kläger am 23.06.2014 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich fristlos (vgl. Bl. 13 d. A.).

Mit der beim Arbeitsgericht Paderborn am 03.07.2014 eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die ausgesprochene fristlose Kündigung, die er für rechtsunwirksam hält. Mit Klageerweiterung vom 26.08.2014 macht er zudem einen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend. Er trägt vor, dass die von ihm abgegebene eidesstattliche Versicherung vom 03.06.2014 nicht unrichtig sei. Er habe lediglich den Personaleinsatz der ihm fachlich und organisatorisch unterstellten Pflegekräfte, die einen Arbeitsvertrag mit dem Rechtsträger der Einrichtung haben, geplant. Nicht richtig sei, dass er in alleiniger Verantwortung festgelegt habe, ob Servicemitarbeiter der Fremdfirma E1 in der Pflege im Rahmen der Ausschöpfung von Zeitkonten und Mehrarbeit aus eigenem Pool oder von einer Drittfirma eingesetzt werden. Er habe auch nicht regelmäßig aufgrund eigener koordinativer Planung entschieden, ob eigene Mitarbeiter oder Mitarbeiter der Fremdfirma eingesetzt würden. Im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens habe er mit seiner eidesstattlichen Versicherung erklärt, dass für den Abschluss der Vereinbarung und den Inhalt der Rechtsbeziehungen mit der Fremdfirma die Verwaltungsleitung zuständig sei. Nach dem objektiven Empfängerhorizont habe sich der Inhalt seiner Äußerung auf die Zahl der eingesetzten Arbeitnehmer nach den Regelungen der Vereinbarungen bezogen. Er habe lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die Entscheidung über die Festlegung der Zahl der eingesetzten Arbeitnehmer einer Fremdfirma im Rahmen der Gestaltung der Rechtsbeziehungen bei der Verwaltungsleitung gelegen habe. Der untrennbare sachliche Zusammenhang der Sätze ergäbe sich aus der Verwendung „tatsächlich noch rechtlich“, die den Hinweis auf den Abschluss und den Inhalt der Rechtsbeziehungen mit der Fremdfirma verdeutlichten. Dass er als Pflegedienstleiter nicht für den Abschluss und den Inhalt der Gestaltung der Rechtsbeziehungen mit der Fremdfirma sachlich und instanziell zuständig gewesen sei, entspreche der Typizität der Organisation in einem Krankenhaus. Die Mitarbeiter der Fremdfirma seien als Erfüllungsgehilfen im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrages durch die Fremdfirma in eigener Verantwortung der Fremdfirma eingesetzt worden. Allein daraus ergebe sich, dass die Zahl der eingesetzten Arbeitnehmer durch den Inhalt der Vereinbarung des Rechtsträgers der Einrichtung mit der Fremdfirma bestimmt worden sei. Er als Pflegedienstleiter sei bei Abschluss und Festlegung des Inhalts der Vereinbarung mit der Fremdfirma nicht beteiligt gewesen. Die durch die Fremdfirma eingesetzten Personen seien organisatorisch der Objektleitung der Fremdfirma unterstellt. Einstellung, Diensteinteilung, Dienstplangestaltung, Urlaubsplanung erfolge durch die Objektleitung der Fremdfirma. Er habe als Pflegedienstleiter lediglich die Entscheidung zu treffen gehabt, ob und wie die ihm fachlich und organisatorisch unterstellten Pflegekräfte auf der Station bei Abwesenheit der Servicekräfte (z. B. bei Arbeitsunfähigkeit oder Urlaub) und fehlender Kompensation durch die Fremdfirma in Form einer Ersatzkraft deren Aufgaben übernehmen. Selbst wenn die eidesstattliche Versicherung ambivalent sein sollte und missverständlich interpretiert werden könnte, habe er lediglich fahrlässig gehandelt. Keinesfalls habe er vorsätzlich eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben. Ein fristloser Kündigungsgrund läge jedenfalls nicht vor. Insbesondere fehle es an einer negativen Prognose. Auch sei die Interessenabwägung zugunsten des Klägers zu treffen und eine vorherige Abmahnung sei erforderlich gewesen. Schließlich sei die Anhörung der Mitarbeitervertretung nicht ordnungsgemäß erfolgt. Insbesondere sei der Mitarbeitervertretung der Inhalt der eidesstattlichen Versicherung nicht vollständig mitgeteilt worden. Auf die Nachfragen der Mitarbeitervertretung vom 20.06.2014 habe die Beklagte nicht vor Ausspruch der Kündigung reagiert. Ohne ergänzende Unterrichtung der Mitarbeitervertretung sei die am 23.06.2014 erklärte Kündigung unwirksam.

Der Kläger beantragt,

1.12

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 23.06.2014 – zugegangen am 23.06.2014 – nicht aufgelöst worden ist;

2.14

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Kündigungsschutzverfahrens entsprechend den Bedingungen aus der Änderungskündigung vom 31. März 2014 weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der Beklagte vorsätzlich eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben habe, was einen fristlosen Kündigungsgrund darstelle. Der Kläger als Pflegedienstleitung habe den Personalbedarf geplant. Ihm hätte dabei ein Mitarbeiterkontingent von 400 Vollzeitpflege- und Pflegehilfskräften aus einem eigenen Mitarbeiterbestand und Mitarbeitern der Unternehmensgruppe E1 zur Verfügung gestanden. Aus seiner Personaleinsatzplanung habe sich die Notwendigkeit ergeben, Mitarbeiter einer Fremdfirma einzusetzen. Der Kläger habe in alleiniger Verantwortung festgelegt, ob Servicemitarbeiter in der Pflege im Rahmen der Ausschöpfung von Zeitkonten und Mehrarbeit aus eigenem Pool oder von einer Drittfirma eingesetzt würden. Regelmäßig habe er ohne Vorgabe aufgrund eigener koordinativer Planung entschieden, ob eigene Mitarbeiter oder Mitarbeiter der Fremdfirma eingesetzt würden. Rechtlich ergäbe sich sein Einfluss aus der Funktionsbeschreibung der Pflegedienstleitung (vgl. Bl. 41 ff., 43 d. A.). Mit seiner eidesstattlichen Versicherung habe der Kläger glaubhaft machen wollen, dass er keineswegs im Rahmen einer Erprobung gescheitert sei und tatsächlich hinsichtlich des Einsatzes der Servicekräfte der Fremdfirma keinen Einfluss genommen habe, was falsch sei. Mit seiner Erklärung habe der Kläger insbesondere nicht lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die Entscheidung über die Festlegung der Zahl der eingesetzten Arbeitnehmer einer Fremdfirma im Rahmen der Gestaltung der Rechtsbeziehungen bei der Verwaltung gelegen habe. Kern der Erklärung des Klägers sei, dass dieser nicht nur keine Verträge mit der Leiharbeitsfirma verhandelt habe, sondern auch keinen Einfluss auf die Zahl der von der Fremdfirma eingesetzten Arbeitnehmer gehabt habe. Tatsächlich sei der Kläger aber für den koordinativen Einsatz und die Anzahl der beschäftigten Pflegekräfte und somit für die Ermittlung des Bedarfs aber verantwortlich gewesen. Der Kläger als Pflegedienstleitung habe die Einsätze und damit die Anzahl der Assistenten in der Pflege geplant. Wenn er sich für die Einstellung eines Assistenten in der Pflege entschieden habe, so sei der Beschäftigungsbedarf für eine Servicekraft der Leiharbeitsfirma entfallen und umgekehrt. Insoweit habe der Kläger Einfluss auf die Anzahl der Mitarbeiter der Fremdfirma gehabt. Die Arbeitnehmerüberlassung erfolge bei der Beklagten auf Grundlage einer Rahmenvereinbarung. Diese Rahmenvereinbarung sei ausgefüllt durch Kontingentvereinbarungen, die quartalsweise abgeschlossen würden. Die Ausschöpfung des Kontingents hänge davon ab, welcher Bedarf vom Kläger als Pflegedienstleitung gemeldet worden sei. Hinsichtlich des Pflegebereiches sei das so geschehen, dass der Kläger dem Mitarbeiter L den Bedarf übermittelt habe und dieser – wenn der Kläger nicht selbst Kontakt mit der Fremdfirma aufgenommen habe – den Bedarf an Leiharbeitskräften der Fremdfirma gemeldet habe, die sodann einen geänderten Kontingentvertrag vorgelegt habe. Die Entscheidung, ob Servicemitarbeiter in der Pflege im Rahmen der Ausschöpfung von Zeitkonten und Mehrarbeit aus dem Mitarbeiterpool der Beklagten oder Leiharbeitnehmer eingesetzt werden, habe mithin dem Kläger oblegen. Dies ergebe sich daraus, dass der Kläger in seiner Funktion als Pflegedienstleitung mit der Planung des Personalbedarfs befasst gewesen sei und dabei entschieden habe, welche eigenen Arbeitnehmer zum Einsatz kommen sollten und – als notwendige Folge – welche Tätigkeiten mit Leiharbeitnehmern zu erledigen wären. Unrichtig sei, dass die Servicekräfte durch die Objektleitung der Firma E1 organisiert seien und lediglich im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrages als Erfüllungsgehilfen eingesetzt würden. Die Servicekräfte der Fremdfirma seien der Pflegedienstleitung unterstellt gewesen, was sich insbesondere auch aus der Funktionsbeschreibung (vgl. Bl. 41 ff. d. A.) ergebe. Gemäß dieser Funktionsbeschreibung habe der Pflegedienstleiter sowohl den Pflege- als auch den Funktionsdienst der Krankenhäuser fachlich zu leiten und den Personaleinsatz zu organisieren. Die Erklärung des Klägers sei objektiv unrichtig gewesen und nicht lediglich ambivalent. Mit seiner Erklärung habe der Kläger jegliche Einflussnahme in Abrede gestellt. Von einer bloß fahrlässigen Unrichtigkeit könne nicht ausgegangen werden, zumal ein Hinweis auf die Strafbarkeit in der Erklärung enthalten gewesen sei. Aufgrund seiner Vertrauensstellung und des erheblichen Missbrauchs dieser Vertrauensstellung sei die Interessenabwägung zu Lasten des Klägers zu treffen. Das Vertrauen hätte nicht durch Ausspruch einer Abmahnung wieder hergestellt werden können. Die Zweiwochenfrist sei eingehalten worden. Der Beklagten sei am 10.06.2014 eine Abschrift der Berufungsbegründung im Verfahren 10 Sa Ga 16/14 zugegangen, der die eidesstattliche Versicherung des Klägers beigelegen habe. Die Kündigung sei innerhalb der Zweiwochenfrist am 23.06.2014 ausgesprochen worden. Zuvor sei die Mitarbeitervertretung ordnungsgemäß mit Schreiben vom 13.06.2014 angehört worden. Dem Anhörungsschreiben sei die komplette eidesstattliche Versicherung des Klägers beigefügt gewesen. Dass die Mitarbeitervertretung am 20.06.2014 noch Fragen zur beabsichtigten Kündigung gestellt habe, führe nicht zur Fehlerhaftigkeit der ordnungsgemäß erfolgten Anhörung. Die von der Mitarbeitervertretung erfragten ergänzenden Informationen seien für die Beurteilung der Kündigung nicht erforderlich gewesen. Die Beklagte sei daher nicht gehalten gewesen, die Informationen in ihrem Anhörungsschreiben gegenüber der Mitarbeitervertretung zu ergänzen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 23.06.2014 zum 23.06.2014 beendet worden, da diese Kündigung rechtsunwirksam ist.

1.

Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.06.2014 ist unwirksam, da der Beklagten ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zur Seite stand.

a)

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann. Hiernach ist bei allen Kündigungsgründen eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und eine Abwägung der jeweiligen Interessen beider Vertragsteile erforderlich. Dieses Erfordernis schließt es aus, bestimmte Tatsachen ohne Rücksicht auf die Besonderheit des Einzelfalles stets als wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung anzuerkennen; es gibt im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB keine absoluten Kündigungsgründe (vgl. BAG, Urteil vom 15.11.1984, 2 AZR 613/83, zitiert nach juris). Bei der Überprüfung eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen wichtigen Kündigungsgrund abzugeben. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und unter der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (vgl. Erfurter Kommentar, 12. Auflage, § 626 BGB, Rdnr. 15, 40ff., m. w. N.).

In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass grobe Vertrauensverstöße eines Arbeitnehmers, insbesondere im Zusammenhang mit strafbaren Handlungen, grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB rechtfertigen können (vgl. BAG, Beschluss vom 10.02.1999, 2 ABR 31/98; LAG Berlin, Urteil vom 05.03.2007, 10 Sa 2109/06; LAG München, Urteil vom 21.11.2012, 8 Sa 627/12, zitiert nach juris). Insbesondere kann die vorsätzliche Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung einen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen. Mithin ist die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, die eine unwahre Sachverhaltsdarstellung enthält, im Prozess gegen die Arbeitgeber grundsätzlich geeignet, einen (verhaltensbedingten) Kündigungsgrund darzustellen (vgl. BAG, Urteil vom 20.11.1987, 2 AZR 266/87; LAG Berlin, Urteil vom 05.03.2007 a. a. O., LAG München, Urteil vom 21.11.2012, a. a. O.).

Ob und wieweit sich der Arbeitnehmer mit seinem Fehlverhalten strafbar gemacht hat, ist dabei für die Beurteilung eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 BGB oder für die soziale Rechtfertigung einer Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG nicht entscheidend (vgl. BAG, Urteil vom 24.11.2005, 2 AZR 39/05). Maßgeblich ist der mit der Pflichtverletzung ggf. verbundene schwere Vertrauensbruch.

b)

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechungsgrundsätze erweist sich die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.06.2014 mangels eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB als unwirksam. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB steht der Beklagten nicht zur Seite, da die eidesstattliche Versicherung des Klägers vom 03.06.2014 schon keine objektiv unzutreffenden Tatsachenangaben enthält, die dazu führen, dass eine falsche eidesstattliche Versicherung vorliegt.

aa)

Bei der Beurteilung / Bewertung der beiden letzten Absätze der eidesstattlichen Versicherung vom 03.06.2014 gelangt die Kammer zu der Auffassung, dass der Kläger keine bewusst objektiv falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Die letzten beiden Absätze lauten:

„In der Personalbedarfsberechnung der Verfügungsbeklagten sind Arbeitnehmer der Firma E1 aufgeführt. Es handelt sich um Servicekräfte als Hilfen im Transportdienst und der Ausgabe des Essens, die nicht in den organisatorischen Arbeitsablauf der Pflege eingegliedert sind, da sie keine pflegerische Leistung gegenüber Patienten erbringen. Es handelt sich um Erfüllungsgehilfen im Rahmen eines Dienstleistungsvertrages mit einer Fremdfirma. Sie entlasten die Pflegekräfte von außerhalb der Pflege zu erledigenden Routineaufgaben. Da die Mitarbeiter der Fremdfirmen ihre Vergütung von ihrem Arbeitgeber erhalten, handelt es sich nicht um Personalkosten, sondern um Sachkosten.

Für den Abschluss der Vereinbarungen und den Inhalt der Rechtsbeziehungen mit Fremdfirmen ist die Verwaltungsleitung zuständig. Ich habe weder tatsächlich noch rechtlich einen Einfluss auf die Zahl der eingesetzten Arbeitnehmer einer Fremdfirma. Die Pflegedienstleitung ist zuständig für die Arbeitnehmer in der Pflege (medizinische Fachangestellte im Stationsdienst, Assistenten in der Pflege, Krankenpflegehelfer, Gesundheits- und Krankenpfleger, Fachkrankenpfleger). Es muss sich um Arbeitnehmer handeln, die eine pflegerische Leistung gegenüber den Patienten erbringen.“

Der von der Beklagten für die Behauptung der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung herangezogene Satz „Ich habe weder tatsächlich noch rechtlich einen Einfluss auf die Zahl der eingesetzten Arbeitnehmer einer Fremdfirma“ muss nach Auffassung der Kammer im Zusammenhang mit dem vorhergehenden Satz und insbesondere im Gesamtzusammenhang der letzten beiden Absätze gesehen werden. In diesen letzten beiden Absätzen hat der Kläger, nachdem er zuvor über mehrere Seiten seine Tätigkeiten für die Beklagte geschildert hat, die von ihm zu erbringende Personalplanung hinsichtlich der beschäftigten Pflegefachkräfte dargestellt. Auch hat er bekundet, dass bei der Beklagten Arbeitnehmer von Fremdfirmen als Servicekräfte eingesetzt werden, die keine pflegerische Leistung gegenüber den Patienten erbringen, sondern lediglich Serviceaufgaben wie Ausgabe des Essens oder Hilfen im Transportdienst.

bb)

Die streitgegenständliche Erklärung des Klägers versteht die Kammer so, dass der Kläger zum Ausdruck bringen wollte, dass für den Abschluss der Vereinbarungen und den Inhalt der Rechtsbeziehungen mit der Fremdfirma nicht er zuständig sei, sondern die Verwaltungsleitung. Er habe weder tatsächlich noch rechtlich einen Einfluss auf die Zahl der eingesetzten Arbeitnehmer einer Fremdfirma bezogen auf den Abschluss der Vereinbarungen. Der Kläger trägt schriftsätzlich ebenfalls vor, dass seine Äußerung nur in diesem Sinne gemeint und objektiv zu verstehen sei. Dem schließt sich die Kammer insoweit an, als zumindest nicht in der erforderlichen Klarheit festgestellt werden kann, dass der Kläger bewusst eine objektiv wahrheitswidrige eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Die Erklärung des Klägers kann durchaus so verstanden werden, dass der Kläger „nur“ zum Ausdruck bringen wollte, dass die Entscheidung über die Festlegung der Zahl der eingesetzten Arbeitnehmer der Fremdfirma im Rahmen der Gestaltung der Rechtsbeziehungen bei der Verwaltungsleitung und nicht bei ihm gelegen hat. Der untrennbare sachliche Zusammenhang der beiden unmittelbar aufeinander folgenden Sätze ergibt sich aus der Formulierung „tatsächlich noch rechtlich“, die den Hinweis auf den Abschluss und den Inhalt der Rechtsbeziehungen mit der Fremdfirma verdeutlicht. Dass der Kläger als Pflegedienstleiter nicht für den Abschluss und den Inhalt der Gestaltung der Rechtsbeziehungen mit der Fremdfirma oder den Fremdfirmen sachlich und instanziell zuständig gewesen ist, entspricht der Typizität der Organisation in einem Krankenhaus und ist von der Beklagten auch nicht behauptet worden.

cc)

Insoweit hat selbst die Beklagte vorgetragen, dass die Arbeitnehmerüberlassung hinsichtlich der Servicekräfte der Firma E1 auf Grundlage einer Rahmenvereinbarung erfolgt, die die Verwaltung mit der Firma E1 abgeschlossen hat. Die Rahmenvereinbarung werde ausgefüllt durch Kontingentvereinbarungen, die quartalsweise abgeschlossen würden, wobei die Ausschöpfung des Kontingents davon abhinge, welcher Bedarf von der Pflegedienstleitung mithin dem Kläger gemeldet würde. Dabei soll der Kläger als Pflegedienstleitung dem Mitarbeiter L den Bedarf an Servicekräften übermittelt haben und dieser den Bedarf an die Leiharbeitsfirma gemeldet haben, die sodann einen geänderten Kontingentvertrag vorgelegt habe. Indem der Kläger in seiner Funktion als Pflegedienstleiter mit der Planung des Personalbedarfs befasst gewesen sei und dabei auch entschieden habe, welche eigenen Arbeitnehmer zum Einsatz kommen und – als notwendige Folge – welche Tätigkeiten mit Leiharbeitnehmern zu erledigen seien, habe der Kläger sehr wohl einen Einfluss auf die Zahl der eingesetzten Arbeitnehmer gehabt.

Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass es bei einer solchen Betrachtung durchaus möglich erscheint, dass der Kläger zumindest mittelbar Einfluss auf die Zahl der eingesetzten Servicekräfte der Firma E1 gehabt hat. Dass die vom Kläger abgegebene eidesstattliche Versicherung vom 03.06.2014 in der erforderlichen Klarheit aber tatsächlich wahrheitswidrig ist, ergibt sich daraus nach Auffassung der Kammer nicht. Insoweit ist es – wie bereits ausgeführt – durchaus auch möglich, die Erklärung des Klägers „Ich habe weder tatsächlich noch rechtlich einen Einfluss auf die Zahl der eingesetzten Arbeitnehmer“ so zu verstehen, dass sie lediglich eine subjektive Einschätzung des Klägers zum Ausdruck bringt, wobei er den Begriff „Einfluss“ so benutzt, dass nicht er, sondern die Verwaltungsleitung die Entscheidung über die Festlegung der Zahl der eingesetzten Arbeitnehmer der Fremdfirma im Rahmen der Gestaltung der Rechtsbeziehungen getroffen hat. Die Kammer ist der Auffassung, dass der Begriff „Einfluss“ eine solche subjektive Interpretation durchaus zulässt. Es handelt sich bei der abgegebenen Erklärung des Klägers nicht um eine eindeutig falsche Kundgabe. Die Erklärung des Klägers lässt vielmehr einen Interpretationsspielraum zu. Dieser Interpretationsspielraum führt dazu, dass die Kammer nicht von einer objektiv wahrheitswidrigen falschen eidesstattlichen Versicherung ausgeht, die einen fristlosen Kündigungsgrund rechtfertigen kann.

Nach Auffassung der Kammer handelt es sich bei der streitgegenständlichen Äußerung des Klägers insgesamt um eine meinungsbezogene Tatsachenbehauptung hinsichtlich der Einflussnahme auf den Einsatz der Arbeitnehmer der Fa. E1, die aus Sicht des Klägers dahin geht, dass er einen solchen Einfluss auf Zahl der Arbeitnehmer nicht ausgeübt hat. Eine solche meinungsbezogene Tatsachenbehauptung ist typischerweise auslegungsfähig und kann als Kundgabe subjektiver Empfindungen entsprechend der vom Kläger vorgenommenen Auslegung verstanden werden.

Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Kläger bei Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht bewusst einen Sachverhalt objektiv falsch schildern wollte, sondern vielmehr den Sachverhalt auch hinsichtlich dieses Punktes so geschildert hat, wie er ihn subjektiv wahrgenommen hat.

b)

Selbst wenn eine solche falsche eidesstattliche Versicherung objektiv vorgelegen haben sollte, ist die Kammer der Auffassung, dass der Kläger eine solche nicht vorsätzlich abgegeben hat. Im Übrigen aber lassen die besonderen Umstände des Einzelfalles aber auch sonst einen gegebenenfalls vorliegenden wichtigen Grund entfallen.

aa)

Nach Auffassung der Kammer ist die Kündigung auch deshalb unwirksam, weil der Kläger nicht zuvor einschlägig abgemahnt wurde.

bb)

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gilt für eine verhaltensbedingte Kündigung, sowohl außerordentlich als auch ordentlich, das sogenannte Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht die Sanktion für eine Vertragspflichtverletzung, sondern eine Vermeidung von weiteren Vertragspflichtverletzungen. Die eingetretene Pflichtverletzung muss sich auch zukünftig noch belastend auswirken. Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der Prognose. Die Abmahnung ist zugleich auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Eine verhaltensbedingte Kündigung ist nicht gerechtfertigt, wenn es andere geeignete Mittel gibt, um eine zukünftige Vertragsstörung zu beseitigen und zu vermeiden. Diese Ansicht hat auch durch die gesetzliche Regelung des § 314 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung gefunden. Eine Abmahnung ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft – trotz Abmahnung – nicht erwartet werden kann oder es sich um eine solch schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei der eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen werden kann (vgl. BAG, Urteil vom 12.01.2006, 2 AZR 21/05) oder wenn die Vertrauensgrundlage der Rechtsbeziehung derart erschüttert ist, dass sie auch durch die Abmahnung nicht wieder hergestellt werden kann.

cc)

Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist die Kammer davon überzeugt, dass eine vorherige Abmahnung hier nicht entbehrlich gewesen ist. Für die Kammer ist schon nicht feststellbar, dass das Vertrauensverhältnis unwiderbringlich erheblich gestört ist. Der Kläger ist seit 30 Jahren bei der Beklagten als leitende Pflegekraft beschäftigt und die Probleme im Arbeitsverhältnis haben sich erst im Rahmen der Erprobung des Klägers auf der höherwertigen Stelle als Pflegedienstleitung ergeben. Unter Berücksichtigung der seitens der Beklagten ausgesprochenen Änderungskündigung und der nicht unerheblichen Herabstufung des Klägers im Rahmen dieser Änderungskündigung kam es zwischen den Parteien zu dem einstweiligen Verfügungsverfahren, in dem der Kläger die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Angesichts der nicht klar wahrheitswidrigen eidesstattlichen Versicherung und der Grenzwertigkeit zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit der abgegebenen Erklärung sowie dem Umstand, dass das Arbeitsverhältnis jahrzehntelang beanstandungsfrei geführt wurde, hält die Kammer eine Ausnahmesituation, die eine vorherige Abmahnung entbehrlich macht, nicht für gegeben.

Auch mangels vorheriger Abmahnung ist nach Auffassung der Kammer die ausgesprochene Kündigung mithin unwirksam.

2.

Ob die Betriebsratsanhörung ordnungsgemäß durchgeführt wurde oder nicht, kann mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes dahingestellt bleiben.

II.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung entsprechend den Änderungen aus der Änderungskündigung vom 31.03.2014.

Ein solcher Weiterbeschäftigungsanspruch ergibt sich nach der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts. Da zum Zeitpunkt der Antragstellung die Kündigungsfrist hinsichtlich der ausgesprochenen Änderungskündigung vom 31.03.2014 zum 30.09.2014 bereits abgelaufen war, hat der Kläger seinen Weiterbeschäftigungsanspruch auf die im Rahmen der Änderungskündigung ausgesprochene geänderte Tätigkeit begrenzt. Zumindest insoweit ist der Kläger durch die Beklagte daher weiter zu beschäftigen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO. Als unterliegende Partei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Den Streitwert hat das Gericht gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festgesetzt. Er wurde für den Kündigungsschutzantrag mit drei Bruttomonatsgehältern gemäß § 42 Abs. 2 GKG berücksichtigt. Für den Weiterbeschäftigungsantrag hat das Gericht ein weiteres Bruttomonatsentgelt berücksichtigt.

 

 

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