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Kündigungszustellung per Einwurfeinschreiben – Zugang einer Kündigung

ArbG Gera – Az.: 7 Ca 233/20 – Urteil vom 03.11.2021

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreites hat der Kläger zu tragen.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.400,– €uro festgesetzt.

4. Die Berufung wird nicht zugelassen, soweit sie nicht aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften statthaft ist.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, deren Zugang streitig ist.

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 20.04.2020 als Personalreferent mit einer monatlichen Bruttovergütung von 2.800,– €uro beschäftigt. Die Parteien vereinbarten eine Probezeit von sechs Wochen und im Anschluss hieran eine Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende.

Die Beklagte beschäftigt mehr als 10 Arbeitnehmer.

Ab dem 13. März 2020 befanden sich die Mitarbeiter der Beklagten, so auch der Kläger, bedingt durch die Corona-Pandemie überwiegend im Home-Office.

Der Kläger war in der Zeit vom 15.06.2020 bis zum 29.07.2020 arbeitsunfähig erkrankt. Im Anschluss daran nahm der Kläger die Arbeit nicht wieder auf.

Mit Schreiben vom 16.09.2020 (Bl. 6, 26 d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2020.

Mit Schreiben vom 12. Oktober 2020 (Bl. 28 d.A.) forderte die Beklagte den Kläger unter Hinweis auf die Kündigung zum 31. Oktober 2020 auf, die überlassenen Arbeitsmaterialien zurückzugeben.

Mit Schreiben vom 18.11.2020

Kündigungszustellung per Einwurfeinschreiben - Zugang einer Kündigung
(Symbolfoto: Vitaliy Kyrychuk/Shutterstock.com)

Mit Schreiben vom 23.11.2020, unter Bezug auf ein Schreiben des Klägers vom 18.11.2020, bestätigte die Beklagte dem Kläger, dass das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2020 beendet worden sei und forderte erneut die Rückgabe der Arbeitsmittel.

Mit Schreiben vom 01.12.2020, dem Kläger am 04.12.2020 zugegangen, forderte die Beklagte von dem Kläger erneut die Rückgabe der diesem überlassenen Arbeitsmittel. Sie fügte diesem Schreiben eine Kopie der Kündigung vom 16.09.2020 bei

Gegen die auf den 16.09.2020 datierte Kündigung wendet sich der Kläger mit der am 23.12.2020 bei dem Arbeitsgericht Gera eingegangenen Klage.

Die Beklagte erhob während des Rechtsstreites eine Widerklage, gerichtet auf die Herausgabe der dem Kläger überlassenen Arbeitsmittel. Die Parteien erklärten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt.

Der Kläger behauptet, das Original der Kündigung niemals erhalten zu haben und meint, die streitgegenständliche Kündigung sei im übrigen sozialwidrig. Zwar sei er während des Arbeitsverhältnisses umgezogen, doch habe er sämtliche sonstige Post erhalten. Soweit die Beklagte den Einlieferungsbeleg der per Einwurfeinschreiben übersandten Kündigung übermittelt habe, sei dieser als Beweis ungeeignet. Es handele sich auch nicht um eine öffentliche Urkunde.

Der Kläger beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 16.09.2020, zugegangen am 04.12.2020, nicht aufgelöst wurde.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Aus dem Einlieferungsbeleg (Bl. 38 d.A.) ergebe sich, dass das Kündigungsschreiben zur Post gelangt ist. Am 18.09.2020 sei das Kündigungsschreiben dem Kläger zugegangen. Dies belege der Auslieferungsbeleg (Bl. 48 d.A.). Die Kündigung sei auch an die einzig bekannte Anschrift des Klägers in Chemnitz übersandt worden. Auf die Kündigungsgründe komme es nicht an, denn zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung habe das KSchG noch keine Anwendung gefunden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 20.01.2021 und 20.10.2021.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete am 31.10.2020.

Die Klage ist zulässig.

Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist eröffnet, denn die Parteien streiten um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, § 2 Abs. 1 Ziff. 3b ArbGG. Das Arbeitsgericht Gera ist zur Entscheidung des Rechtsstreites auch örtlich zuständig, denn der Kläger hat ihre Arbeitsleistung am Sitz der Beklagten, der sich im Gerichtsbezirk des angerufenen Gerichtes befindet, erbracht, § 48 Abs. 1a ArbGG.

Die Klage ist jedoch unbegründet, denn die Kündigung der Beklagten vom 16.09.2020 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.10.2020 beendet.

Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB wird eine unter Abwesenden abgegebene Willenserklärung in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie dem Empfänger zugeht. Eine verkörperte Willenserklärung ist zugegangen, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Umständen die Möglichkeit besteht, von dem Schreiben Kenntnis zu nehmen.

Zum Bereich des Empfängers gehören auch von ihm vorgehaltene Empfangseinrichtungen wie z. B. ein Briefkasten. Ob die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist nach den „gewöhnlichen Verhältnissen“ und den „Gepflogenheiten des Verkehrs“ zu beurteilen. So bewirkt der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Dabei ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen, sondern im Interesse der Rechtssicherheit zu generalisieren. Bei Hausbriefkästen ist mit einer Leerung im Allgemeinen zum Zeitpunkt der üblichen Postzustellzeiten zu rechnen, die allerdings stark variieren können.

Der Arbeitgeber hat den Vollbeweis des Zugangs einer Kündigung unter Abwesenden zu führen.

Im vorliegenden Verfahren ist unstreitig, dass die Beklagte das Kündigungsschreiben betreffend die Probezeitkündigung zum 31. Oktober 2020 erstellt, unterzeichnet und eingetütet sowie den Briefumschlag eingeliefert hat. Anderes lässt sich dem Sachvortrag der Partien nicht entnehmen. Dass der Einlieferungsbeleg einen Schreibfehler enthält, ist unschädlich, denn der Name des Klägers ist in lesbarer Form erkennbar. Und dieser Name wiederholt sich dann auch unter Verwendung der identischen Sendungsnummer auf dem Auslieferungsbeleg.

Streitig ist, ob der Einlieferungsbeleg zusammen mit der Reproduktion des Auslieferungsbelegs den Beweis des ersten Anscheins dafür begründet, dass die Sendung durch Einlegen in den Briefkasten zugegangen ist, wenn das vorbeschriebene Verfahren eingehalten wurde(so das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, 12. März 2019 – 2 Sa 139/18- Rn. 40, unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27. September 2016 – II ZR 299/15- NJW 2017, 68, Rn. 33zu der Frage, ob das gesetzliche Merkmal des eingeschriebenen Briefes aus § 21 Abs. 1 Satz 2 GmbHG auch durch Zustellung per Einwurfeinschreiben gewahrt ist; a. A. LAG Rheinland-Pfalz, 23. September 2013 – 5 Sa 18 /13 – Rn. 50 f.; Arbeitsgericht Düsseldorf, 22. Februar 2019 – 14 Ca 465/19- Rn. 39-41, LAG Hamm, 5 August 2009 – 3 Sa 1677/08- Rn. 107, juris).

Nach den vorliegenden Dokumenten ist davon auszugehen, dass der von der Post übernommene Auftrag der Beklagten, die Sendung dem Kläger per Einwurfeinschreiben zuzustellen, ordnungsgemäß durchgeführt wurde.

Dies wird zum einen durch den Einlieferungsbeleg (Bl. 38 d.A.) belegt, mit dem die Sendungsnummer vergeben wird und auf dem handschriftlich der Name des Sendungsempfängers hinzugefügt ist. Das Einlieferungsdatum 17.09.2020, 10:27 Uhr ist maschinell hinzugefügt. Zum anderen wird die fehlerfreie Durchführung des Auftrags durch den Auslieferungsbeleg (Bl. 48 d.A.) dokumentiert. Dort taucht dieselbe Sendungsnummer wie bei der Einlieferung auf und der Bedienstete der Post hat den Beleg handschriftlich unterzeichnet. Die vom Kläger vorgetragene Auffassung hält das Gericht im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für nicht überzeugend. Ohne Anhaltspunkte dafür, dass es bei der Auslieferung der Briefsendung zu einem Fehler oder einem Fehlverhalten des Zustellers bei der Herstellung des Zustellbelegs gekommen ist, gibt es keinen vernünftigen und nachvollziehbaren Grund, daran zu zweifeln, dass der oder die Bedienstete wie in dem Dokument durch Vordruck bescheinigt, die Sendung mit der dort bezeichneten Nummer zur Auslieferung gebracht zu haben. Solche tatsächlichen Anhaltspunkte für einen Fehler oder ein Fehlverhalten bei der Auslieferung der Sendung sind allerdings nicht vorgetragen. Diese ergeben sich insbesondere nicht aus der Privatisierung der Deutschen Bundespost oder daraus, dass es sich bei dem Auslieferungsbeleg nicht um eine öffentliche Urkunde handelt. Der bloße Hinweis des Klägers darauf, dass er nie eine Kündigung erhalten habe, ist nicht erheblich. Es reicht für den Zugang der Willenserklärung im Sinne des § 130 BGB aus, wenn die Sendung in den Briefkasten eingelegt wurde. Ob der Sendungsempfänger die Sendung von dort an sich genommen und dann auch tatsächlich zur Kenntnis genommen hat, ist dagegen unerheblich. Wenn der Kläger den Anscheinsbeweis des Zugangs der Sendung also hätte erschüttern wollen, hätte er sich näher zu dem Briefkasten an seiner Wohnung einlassen müssen und zwar sinngemäß mit dem Tenor, über den Briefkasten gehe häufig eingeschriebene Post (welche denn???) ein und dabei ist noch nie eine Sendung verloren gegangen, da der Briefkasten regelmäßig und zuverlässig geleert werde. Eine solche oder eine ähnlich geartete Einlassung des Klägers fehlt.

Ist davon auszugehen, dass dem Kläger das Kündigungsschreiben am 18.09.2020 zugegangen ist, endete die Klagefrist des § 4 KSchG am 09.10.2020. Die Klage ging jedoch erst nach Ablauf der Klagefrist am 23.12.2020 bei Gericht ein.

Wird die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht, gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam, § 7 KSchG.

Aus den vorstehenden Gründen kommt es nicht mehr darauf an, ob der Beklagten Kündigungsgründe zur Seite standen.

Als unterlegene Partei hat der Kläger gemäß §§ 91, 91a ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG die Kosten des Rechtsstreites zu tragen. Der Kläger hat den Herausgabeanspruch erst nach Erhebung der Widerklage durch die Beklagte erfüllt. Damit hat er sich freiwillig in die Lage der unterlegenen Partei begeben.

Der Wert des Streitgegenstandes war in der sich aus dem Tenor ergebenden Höhe festzusetzen, was gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil zu erfolgen hatte.

Die Berufung war nicht zuzulassen, denn tatsächliche Umstände, die außerhalb der gesetzlichen Regeltatbestände ausnahmsweise die Zulassung der Berufung rechtfertigen könnten, haben die Parteien nicht vorgetragen und sie ergeben sich auch nicht aus dem sonstigen Prozessstoff.

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