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Mindestarbeitslohn: Anrechnung von Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld und Zuschlägen

ArbG Dresden, Az.: 1 Ca 2744/15, Urteil vom 09.02.2016

Mindestarbeitslohn: Anrechnung von Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld und Zuschlägen
Symbolfoto: Yurolaitsalbert / Bigstock

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Januar 2015 Differenzlohnansprüche in Höhe von 178,10 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.09.2015 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Januar 2015 anteiliges Urlaubsgeld in Höhe von 14,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.09.2015 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Februar 2015 Differenzlohnansprüche in Höhe von 173,69 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.09.2015 zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Februar 2015 anteiliges Urlaubsgeld in Höhe von 14,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.09.2015 zu zahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat März 2015 Differenzlohnansprüche in Höhe von 192,12 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.09.2015 zu zahlen.

6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat März 2015 anteiliges Urlaubsgeld in Höhe von 14,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.09.2015 zu zahlen.

7. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat April 2015 Differenzlohnansprüche in Höhe von 12,80 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.09.2015 zu zahlen.

8. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Mai 2015 Differenzlohnansprüche in Höhe von 222,16 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.09.2015 zu zahlen.

9. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Mai 2015 anteiliges Urlaubsgeld in Höhe von 14,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.09.2015 zu zahlen.

10. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Mai 2015 Differenzlohnansprüche in Höhe von 239,05 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.09.2015 zu zahlen.

11. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Juni 2015 anteiliges Urlaubsgeld in Höhe von 14,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.09.2015 zu zahlen.

12. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Juli 2015 Differenzlohnansprüche in Höhe von 179,81 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.09.2015 zu zahlen.

13. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Juli 2015 anteiliges Urlaubsgeld in Höhe von 14,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.09.2015 zu zahlen.

14. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat August 2015 Differenzlohnansprüche in Höhe von 190,54 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 05.11.2015 zu zahlen.

15. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat August 2015 anteiliges Urlaubsgeld in Höhe von 14,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 05.11.2015 zu zahlen.

16. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat September 2015 Differenzlohnansprüche in Höhe von 188,15 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 05.11.2015 zu zahlen.

17. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat September 2015 anteiliges Urlaubsgeld in Höhe von 14,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 07.01.2016 zu zahlen.

18. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Oktober 2015 Differenzlohnansprüche in Höhe von 264,84 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 07.01.2016 zu zahlen.

19. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Oktober 2015 anteiliges Urlaubsgeld in Höhe von 14,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 07.01.2016 zu zahlen.

20. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat November 2015 Differenzlohnansprüche in Höhe von 253,32 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 07.01.2016 zu zahlen.

21. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat November 2015 anteiliges Urlaubsgeld in Höhe von 14,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 07.01.2016 zu zahlen.

22. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Dezember 2015 Differenzlohnansprüche in Höhe von 221,57 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 26.01.2016 zu zahlen.

23. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Dezember 2015 anteiliges Urlaubsgeld in Höhe von 14,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 26.01.2016 zu zahlen.

24. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

25. Der Streitwert wird auf 2.480,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wesentlichen über Ansprüche im Zusammenhang mit dem Mindestlohn.

Der 45-jährige Kläger ist bei der Beklagten seit 2005 als Produktionsarbeiter in Vollzeit beschäftigt. Der arbeitsvertraglich vom Kläger zu beanspruchende Stundenlohn beträgt seit Januar 2015 6,90 € brutto. Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten auf den Arbeitsvertrag vom 22.08.2005 (Bl. 14 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen. Darüber hinaus besteht ein arbeitsvertraglicher Anspruch auf Zuschläge wie folgt:

Normalstunden 6,90 €

Mehrarbeit bis zwei Stunden täglich = 25 % 8,63 €

Mehrarbeit ab der dritten Stunde täglich = 50 % 10,35 €

Arbeit an Samstagen, die zuschlagspflichtige Mehrarbeit ist, für alle Stunden bis 12:00 Uhr = 25% 8,63 €

Arbeit an Samstagen, die zuschlagspflichtige Mehrarbeit ist, für alle Stunden ab 12:00 Uhr = 25% 10,35 €

Nachtschichtarbeit = 25 % 8,63 €

Arbeit an Sonntagen = 50 % 10,35 €

Arbeit an gesetzlichen Feiertagen, für die ein Lohnausfallanspruch nicht besteht = 100 % 13,80 €

Arbeit an lohnzahlungspflichtigen Feiertagen = 125 % 15,53 €

Arbeit am 24.12. ab 14:00 Uhr sowie am 25./26.12. und 01.05. = 150 % 17,25 €

Weiterhin besteht ein arbeitsvertraglicher Anspruch auf Urlaubsgeld und Weihnachtsgratifikation mit folgendem Inhalt:

„2. zusätzliches Urlaubsgeld

Urlaubsgeld wird in Höhe von 50 % des Urlaubsentgeltes gewährt.

Der Anspruch von zusätzlichem Urlaubsgeld entsteht gleichzeitig mit dem Urlaubsanspruch, erstmals nach einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit von sechs Monaten.

Bei Kündigung seitens des Arbeitnehmers oder begründeter fristloser Kündigung, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, innerhalb des ersten Jahres

der Betriebszugehörigkeit, ist das bereits gewährte Urlaubsgeld zurückzuzahlen.

4. Weihnachtsgratifikation

Eine Weihnachtsgratifikation wird in Höhe von 50 gewährt.

Der Betrag ermittelt sich aus dem Verdienst (ohne Einmalbezüge) Januar bis September eines Jahres.

Die Gratifikation wird mit der Lohnzahlung November fällig.

Arbeitnehmer, die der Firma am 1.12. eines Jahres weniger als 4 Monate angehören, haben keinen Anspruch.

Arbeitnehmer, die der Firma am 1.12. des Jahres weniger als 12 Monate angehören, erhalten eine anteilige Gratifikation.

Beim Ausscheiden innerhalb von 4 Monaten nach Zahlung der Gratifikation aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegt, ist der Betrag zurückzuzahlen. Das gleiche gilt bei Kündigung durch den Arbeitnehmer.“

Mit Wirkung zum 01.01.2015 änderte die Beklagte die Zahlung des dem Kläger zustehenden Urlaubs- und Weihnachtsgeldes dahingehend, dass diese nunmehr anteilig mit der jeweiligen monatlichen Vergütung zur Auszahlung gebracht werden. Unter Einbeziehung von an den Kläger gezahlten Zuschlägen für Überstunden oder Nachtarbeit errechnete die Beklagte sodann einen durchschnittlichen Stundenlohn, den sie bei Unterschreiten eines Betrages von 8,50 € je Arbeitsstunde entsprechend aufstockte. Beispielhaft wird auch die Abrechnung für den Monat Januar 2015 wegen der Einzelheiten Bezug genommen (Bl. 24 ff. der Gerichtsakte).

Mit seiner am 21.09.2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage nebst Klageerweiterungen begehrt der Kläger für Januar bis Dezember 2015 weitere Zahlungen im Zusammenhang mit dem Mindestlohn. Er ist der Auffassung, weder Zuschläge noch Weihnachts- oder Urlaubsgeld seien bei der Berechnung des Mindestlohnes zu berücksichtigen. Zudem seien eventuelle Zuschläge prozentual auf der Basis des Mindestlohnes und nicht dem vereinbarten Stundenlohn zu errechnen.

Der Kläger beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Januar 2015 Differenzlohnansprüche in Höhe von 178,10 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Januar 2015 anteiliges Urlaubsgeld in Höhe von 14,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Februar 2015 Differenzlohnansprüche in Höhe von 173,69 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Februar 2015 anteiliges Urlaubsgeld in Höhe von 14,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat März 2015 Differenzlohnansprüche in Höhe von 192,12 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat März 2015 anteiliges Urlaubsgeld in Höhe von 14,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

7. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat April 2015 Differenzlohnansprüche in Höhe von 12,80 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

8. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Mai 2015 Differenzlohnansprüche in Höhe von 222,16 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

9. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Mai 2015 anteiliges Urlaubsgeld in Höhe von 14,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

10. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Mai 2015 Differenzlohnansprüche in Höhe von 239,05 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

11. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Juni 2015 anteiliges Urlaubsgeld in Höhe von 14,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

12. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Juli 2015 Differenzlohnansprüche in Höhe von 179,81 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

13. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Juli 2015 anteiliges Urlaubsgeld in Höhe von 14,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

14. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat August 2015 Differenzlohnansprüche in Höhe von 190,54 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

15. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat August 2015 anteiliges Urlaubsgeld in Höhe von 14,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

16. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat September 2015 Differenzlohnansprüche in Höhe von 188,15 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

17. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat September 2015 anteiliges Urlaubsgeld in Höhe von 14,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

18. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Oktober 2015 Differenzlohnansprüche in Höhe von 264,84 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

19. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Oktober 2015 anteiliges Urlaubsgeld in Höhe von 14,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

20. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat November 2015 Differenzlohnansprüche in Höhe von 253,32 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

21. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat November 2015 anteiliges Urlaubsgeld in Höhe von 14,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

22. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Dezember 2015 Differenzlohnansprüche in Höhe von 221,57 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

23. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Dezember 2015 anteiliges Urlaubsgeld in Höhe von 14,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte habe hinsichtlich des Urlaubs- und des Weihnachtsgeldes die Entscheidung getroffen, dieses zu Zwölfteln und monatlich zur Auszahlung zu bringen. Auf eventuelle Rückforderungsansprüche – insoweit unstreitig – im Zusammenhang mit der Betriebstreue sei zu Gunsten der Arbeitnehmer verzichtet worden. Zudem seien die Zuschläge zu berücksichtigen, sodass der Kläger lediglich bei „Normalstunden“ den Mindestlohn unterschreite, welches durch entsprechende Aufstockungsbeträge ausgeglichen worden sei. Der Kläger habe sich im Übrigen auch mit der anteiligen Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlung einverstanden erklärt, da er die anteiligen Zahlungen bislang nicht zurückgewiesen oder zurückgezahlt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ausdrücklich auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen, ebenso wie auf die Sitzungsprotokolle vom 05.10.2015 und 27.01.2016.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat gemäß § 1 Abs. 1 Mindestlohngesetz (MiLoG) Anspruch auf Zahlung in Höhe der austenorierten Beträge. Nach dieser Bestimmung hat jeder Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgeltes mindestens in Höhe des Mindestlohnes, welcher gemäß § 1 Abs. 2 MiLoG ab dem 01.01.2015 8,50 € brutto je Zeitstunde beträgt. Die an den Kläger geleisteten Zahlungen in Höhe der Stundenanzahl multipliziert mit 6,90 € unterschreiten den gesetzlichen Mindestlohn, woraus sich ein entsprechender Anspruch des Klägers ergibt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten waren die anteiligen Zahlungen von Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht zu berücksichtigen. Unerheblich ist hierbei, ob es sich bei Sonderzahlungen überhaupt auf den Mindestlohn anrechenbare Leistungen handelt (so etwa Arbeitsgericht Herne, Urteil vom 07.07.2015, 3 Ca 684/15, andere Ansicht etwa Landesarbeitsgericht Berlin, Urteil vom 02.10.2015, 9 Sa 570/15). Erforderlich für eine Anrechnung ist jedenfalls eine funktionale Gleichwertigkeit des jeweiligen Zwecks der durch den Arbeitgeber erfolgten Leistung dahingehend, ob diese eine unmittelbare Gegenleistung für die verrichtete Tätigkeit darstellt (vgl. BAG, Urteil vom 16.04.2014, 4 AZR 802/11 zur vergleichbaren Problematik nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz, zitiert nach juris). Darüber hinaus wäre weitere Voraussetzung für eine Anrechenbarkeit von Sonderzahlungen, dass diese zum maßgeblichen Fälligkeitsdatum tatsächlich und unwiderruflich ausbezahlt werden (vgl. Fran- zen in Erfurter Kommentar, § 1 MiLoG, 16. Auflage 2016, Rn. 15).

Hiernach scheidet eine Anrechenbarkeit aus. Ausweislich der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen erfolgen die Sonderzahlungen gerade nicht nur als Gegenleistung für die vom Kläger verrichtete Tätigkeit. Bei der Regelung zum Urlaubsgeld ergibt sich dies schon aus der ausdrücklichen Bezeichnung als „zusätzliches“ Urlaubsgeld. Darüber hinaus ist die Zahlung von Urlaubsgeld an bestimmte Voraussetzungen – Dauer der Betriebszugehörigkeit – geknüpft. Nichts anderes gilt für die Weihnachtsgratifikation, bei der eine Staffelung abhängig von einer bestimmten Betriebszugehörigkeit ebenfalls ausdrücklich geregelt ist. Aus der Anknüpfung an die Dauer der Betriebszugehörigkeit ergibt sich deshalb, dass die von der Beklagten erbrachte Leistung ihrem Zweck nach jedenfalls nicht nur die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers vergüten soll, sondern diese gleichzeitig eine Honorierung der Betriebstreue darstellt. Darüber hinaus fehlt es vorliegend auch an dem Merkmal der Unwiderruflichkeit der Zahlung. Beide Sonderzahlungen enthalten eine Regelung zur Rückzahlungspflicht in bestimmten, dort näher bezeichneten Fällen. Erfolgte ein Widerruf der geleisteten Zahlungen, käme es zu einer unzulässigen nachträglichen Unterschreitung des gesetzlichen Mindestlohnes.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte auf diese Widerrufsmöglichkeit verzichtet hat. Hier ist schon nicht ersichtlich, dass der Kläger von einem derartigen Verzicht überhaupt Kenntnis hatte. Jedenfalls sieht das Gesetz einen einseitigen Verzicht auf schuldrechtliche Forderungen nicht vor (vgl. Palandt-Grüneberg, Kommentar zum BGB, 74. Auflage 2015 zu § 397 Rn. 4). Vielmehr erlischt ein Schuldverhältnis dann, wenn der Gläubiger dem Schuldner durch Vertrag die Schuld erlässt (§ 397 Abs. 1 BGB). Hier liegt weder eine ausdrückliche Erklärung noch ein konkludentes Handeln des Klägers vor, aus dem ein Einverständnis des Klägers mit dem Verzicht der Beklagten hergeleitet werden könnte. Die nicht erfolgte Zurückweisung der gezahlten Beträge stellt schon keine Handlung dar. Entgegen der Auffassung der Beklagten stellt dieser Verzicht auf mögliche Rückforderungsansprüche zudem auch keine Begünstigung des Klägers dar. Einziges Ziel dieses Verzichts ist letztlich ein zumindest teilweiser Wegfall der Sonderzahlungsansprüche aufgrund der gesetzlichen Regelung zum Mindestlohn.

Eine Anrechnung der Sonderzahlungen scheidet daher vorliegend aus.

Dies gilt ebenso für die geleisteten Zuschläge. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind bei der Berechnung des Mindestlohnes auch diese auf geleistete Arbeitsstunden nicht anzurechnen. Auch hier ist maßgeblich die funktionale Gleichwertigkeit der zu vergleichenden Leistungen. Maßgeblich ist deshalb auch hier, ob der Zweck der jeweiligen Leistung des Arbeitgebers eine Vergütung der erbrachten Tätigkeit darstellen soll.

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Mindestlohnanspruch des Klägers ist nicht durch die von der Beklagten geleisteten Mehr- und Nachtarbeitszuschläge sowie durch Zahlung der Feiertagszuschläge erloschen. Durch die arbeitsvertragliche Vereinbarung der Zuschlagsregelungen sind die Parteien erkennbar davon ausgegangen, dass die Zuschläge einen Ausgleich für besondere, über die Normalarbeit hinausgehende Belastungen darstellt. Hinsichtlich der Nacht- und Sonntagszuschläge entspricht dies im Übrigen auch den gesetzlichen Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes in §§ 6 Abs. 5, 11 Abs. 2 ArbZG. Durch die arbeitsvertragliche Gleichstellung sind die Arbeitsvertragsparteien erkennbar auch davon ausgegangen, dass über die Normalarbeitszeit hinausgehende Arbeitsstunden eine besondere vergütungspflichtige Belastung darstellen. Maßgeblich bei der Feststellung der Anrechenbarkeit einer Zulage muss daher die Überlegung sein, welches Arbeitsentgelt für die Normalleistung des Arbeitnehmers gezahlt wird und welche Leistung für Überobligatorisches gezahlt wird (vgl. Habel, Anrechnung von Zulagen und Zuschlägen auf Mindestlohnansprüche in FAE 2014, 77 ff. m.w.N.). Vorliegend wollten die Parteien eine überobligatorische Leistung durch Zahlung von Zuschlägen ausgleichen, sodass eine Anrechenbarkeit ausscheidet.

Auch die Berechnungsgrundlage der prozentual zu zahlenden Zuschläge richtet sich nach den Bestimmungen des Mindestlohngesetzes (andere Ansicht offenbar Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.01.2016, 19 Sa 1851/15, Presseerklärung zitiert nach juris sowie unter Aufgabe der bisher von der Kammer vertretenen Auffassung, vgl. Arbeitsgericht Dresden, Urteil vom 30.10.2015, Az.: 1 Ca 932/15). Nach der arbeitsvertraglichen Regelung wollten die Arbeitsvertragsparteien erkennbar einen Zuschlag zu dem dem Kläger zustehenden „Normallohn“. Bei Unterschreiten der gesetzlichen Mindestlohnbestimmungen richtet sich der Normallohn aber nicht nach der arbeitsvertraglichen Regelung, sondern nach § 1 MiLoG (siehe oben). Entsprechend hat auch eine prozentuale Berechnung auf dieser Grundlage zu erfolgen. Etwas anderes könnte allenfalls bei betragsmäßiger Festlegung gelten, jedoch nicht bei prozentualer Abhängigkeit.

Da die vom Kläger vorgenommene Berechnung im Übrigen zwischen den Parteien der Höhe nach unstreitig ist (§ 138 Abs. 3 ZPO), war der Klage insgesamt stattzugeben.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte als unterlegene Partei (§ 91 Abs. 1 ZPO).

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO und entspricht der Höhe der Klageforderung.

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