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Nichtumsetzung einer Homeoffice-Vereinbarung – Schadensersatz

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 7 Sa 46/18 – Urteil vom 07.11.2018

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern, Az. 7 Ca 875/17, vom 18. Januar 2018 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 659,79 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2017 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits (erste und zweite Instanz) hat der Kläger 17/20 und die Beklagte 3/20 zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatz vor dem Hintergrund der Nichtumsetzung zweier „Telework Agreements“.

Der 1958 geborene Kläger ist seit dem 15. April 1985 bei den US Stationierungsstreitkräften als Sachbearbeiter im Finanzwesen (Funds Control Analyst) zu einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von zuletzt 5.065,76 € entsprechend der Gehaltsgruppe C 7A/E beschäftigt. Er ist der Beschäftigungsdienststelle Z. X-Stadt zugeordnet.

Das Arbeitsverhältnis unterliegt nach dem Arbeitsvertrag in der zuletzt aktualisierten Fassung vom 8. Dezember 2014, dort Abs. 1 der Allgemeinen Beschäftigungsbedingungen, den Bestimmungen des Tarifvertrages für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland – derzeit TV AL II vom 16. Dezember 1966 – in der jeweils gültigen Fassung (im Folgenden: TV AL II).

Am 16. März 2015 unterzeichneten der Kläger und sein Vorgesetzter, Captain Y., auf einem Formblatt (DD 2946) ein vom 16. März 2015 bis zum 15. März 2016 befristetes „Telework Agreement“), wonach der Kläger berechtigt war, an vier Tagen pro Woche (Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag) seine vertraglich geschuldete Arbeit in der eigenen Wohnung auszuüben.

Die US-Stationierungsstreitkräfte waren in der Folgezeit nicht bereit, dem Kläger diese Heimarbeit zu gestatten. Sie verwiesen darauf, dass Captain Y. ohne Vertretungsmacht gehandelt habe, die Telearbeitsvereinbarung zu keinem Zeitpunkt von der Non-US Personalabteilung oder von anderem, zum Vertragsabschluss autorisierten Personal der US Air Force genehmigt und damit nicht wirksam abgeschlossen worden sei.

Mit seiner am 15. September 2015 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern eingegangenen Klage im Rechtsstreit mit dem Az. 1 Ca 1137/15 begehrte der Kläger die Feststellung, dass er im Rahmen seines mit den US-Stationierungsstreitkräften bestehenden Arbeitsverhältnisses berechtigt sei, an den Wochentagen Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag im Homeoffice zu arbeiten. Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Urteil vom 17. Februar 2016, dem Kläger am 4. März 2016, der Beklagten am 14. März 2016 zugestellt, stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz durch Urteil vom 13. Oktober 2016, Az. 5 Sa 114/16, zurückgewiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen. Dieses Urteil wurde der Beklagten am 24. November 2016 zugestellt. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten vom 21. Dezember 2016 (Az. 10 AZN 1142/16) hatte keinen Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund (§ 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 ArbGG) nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht vorlag. Von einer weiteren Begründung hat das Bundesarbeitsgericht gemäß § 72a Abs. 5 S. 5 ArbGG abgesehen (Beschluss vom 22. Februar 2017, beim Klägervertreter eingegangen am 6. März 2017).

Zwischenzeitlich wurde am 1. März 2016 ein weiteres „Telework Agreement“ befristet für die Zeit vom 16. März 2016 bis zum 31. März 2017 von dem Kläger und seinem neuen Vorgesetzten Captain W. V. unterzeichnet. Eine (weitere) Verlängerung über den 31. März 2017 hinaus erfolgte nicht.

Mit Schreiben vom 12. Juni 2017 hat der Kläger Schadensersatzansprüche gegenüber dem zuständigen Personalbüro geltend gemacht.

Mit seiner am 1. September 2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 11. September 2017 zugestellten Klage verfolgt der Kläger nunmehr einen Schadensersatzanspruch in Höhe der ihm durch Fahrten zur Beschäftigungsdienststelle an Montagen, Dienstagen, Donnerstagen und Freitagen entstandenen Fahrtkosten.

Der Kläger war der Ansicht, ihm stehe ein Schadensersatzanspruch zu, da die US Stationierungsstreitkräfte ihm – trotz entgegenstehender Vereinbarung – die Anweisung erteilt hätten, seine Arbeit von der Beschäftigungsdienststelle aus durchzuführen. Er sei an 297 Tagen „unnötig“ zur Beschäftigungsdienststelle gefahren. Dadurch sei ihm ein Schaden entstanden. Die Wegstrecke von seinem Zuhause zur Arbeit betrage 27 km einfach. Bei der Annahme von 0,30 €/gefahrenem km ergäben sich Kosten in Höhe von 4.811,40 €. Diese Summe sei um die Steuerlast, die er dadurch gespart habe, dass er die gefahrenen Kilometer in der Steuererklärung (einfach) habe ansetzen können, zu reduzieren. Er verbleibe ein Schaden, der sich auf 4.246,69 € belaufe.

Er war der Ansicht, die US Stationierungsstreitkräfte könnten nicht mit dem Argument gehört werden, sie hätten sich vorliegend in einem vertretbaren Irrtum befunden, der angeblich darin liege, rechtlich zu behaupten, die Telearbeitsvereinbarung sei wegen des Handelns eines Vertreters ohne Vertretungsmacht nicht wirksam zustande gekommen, wenn sie dies selbst nahezu „verschuldet“ habe. Obwohl bereits ein Rechtsstreit anhängig gewesen sei, sei die Telearbeitsvereinbarung erneut unterzeichnet/verlängert worden.

Der Kläger war weiter der Ansicht, seine Ansprüche seien nicht verfallen. Erst seit dem 6. März 2017, dem Zugang der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, stehe fest, dass die Entscheidung des Arbeitsgerichts Kaiserslautern, respektive die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz tatsächlich rechtskräftig sei. Es stehe daher erst seit diesem Tag fest, dass er im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses berechtigt gewesen sei, an den Wochentagen Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag in Heimarbeit zu arbeiten, dies vom 16. März 2015 bis zum 31. März 2017. Zuvor sei überhaupt nicht bekannt gewesen, ob es einen derartigen Anspruch gebe. Im Übrigen würden nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bereits mit Klageerhebung die mit dem Anspruch verfolgten  „Nebenansprüche“ mit geltend gemacht.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.246,69 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2017 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie war der Ansicht, die US Stationierungsstreitkräfte hätten ihre Pflicht nicht schuldhaft verletzt. Sie hätten in einem entschuldbaren Rechtsirrtum gehandelt. Jedenfalls wäre ein bestehender Schadensersatzanspruch des Klägers ganz überwiegend verfallen. Die Schadenshöhe sei schließlich fehlerhaft berechnet. Die Anzahl der angesetzten Tage berücksichtige weder urlaubs- noch krankheitsbedingte Fehlzeiten. Zum anderen seien die Berechnungen zur Steuerersparnis nicht zutreffend. Der Kläger hätte bei ausbleibenden Fahrten entsprechend weniger Fahrten als Werbungskosten in der Steuererklärung angeben können, weswegen sich aus steuerlicher Sicht sein Einkommen erhöht hätte. Die vom Kläger errechnete Steuerermäßigung sowie seine Steuerlast für die Jahre 2015 und 2016 müsse bestritten werden.

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat die Klage durch Urteil vom 18. Januar 2018 abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht – zusammengefasst – ausgeführt, ein Anspruch bestehe schon dem Grund nach nicht. Selbst wenn die Beklagte ein Verschulden treffe, könne sich der Kläger hierauf aufgrund widersprüch-lichen Verhaltens nicht berufen. Er habe den Schaden durch seine Fahrten erst herbeigeführt, obwohl er selbst (auch im Zeitpunkt des Schadenseintritts) bereits die Ansicht vertreten habe, dass er hierzu nicht verpflichtet sei. Der Kläger hätte den Schadenseintritt dadurch verhindern können, dass er darauf bestanden hätte, dass das „Telework Agreement“ durchgeführt werde, und die Fahrten ins Büro abgelehnt hätte. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts (Bl. 114 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 8. Februar 2018 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am 15. Februar 2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese mit am 7. Mai 2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 4. Mai 2018 innerhalb der durch Beschluss vom 28. März 2018 bis einschließlich 7. Mai 2018 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.

Zur Begründung der Berufung macht der Kläger nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes sowie der Schriftsätze vom 19. Juli 2018, vom 14. September 2018 und vom 18. Oktober 2018, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 142 ff., 186 ff., 211 ff., 239 ff. d. A.), zusammengefasst geltend,

es sei ihm überhaupt nicht möglich gewesen, von zu Hause aus zu arbeiten, da er die benötigte Infrastruktur im Sinn von tatsächlichen Zugängen und Freigaben seitens seines Vorgesetzten gar nicht erhalten habe. Auch könne es ihm nicht zugemutet werden, sich zur Vermeidung eines eventuell entstehenden Schadens gegen die Weisung zu stellen.

Ein Verschulden der US Stationierungsstreitkräfte liege vor, insbesondere, weil während des Laufs des Vorverfahrens eine weitere, gleichlautende Vereinbarung mit ihm getroffen worden sei. Es sei schon schuldhaft gewesen, den Rechtsspruch des Arbeitsgerichts Kaiserslautern zu ignorieren. Die von der Beklagten vertretene Ansicht würde – etwas abstrakt gedacht – bedeuten, dass ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer gegenüber Weisungen erteilen bzw. Zusätze zum Arbeitsvertrag abschließen könnte, kurze Zeit danach könnte der Arbeitgeber sich überlegen, dass er sich hieran doch nicht mehr festhalten lasse, dies dem Arbeitnehmer gegenüber als Weisung weitergeben und hätte letztlich bei der dann folgenden juristischen Auseinandersetzung „nichts zu verlieren“.

Die Schadenshöhe sei korrekt berechnet. Die angesetzten Heimarbeitsplatztage berücksichtigten urlaubs- und krankheitsbedingte Fehlzeiten. Die Betriebsvereinbarung hinsichtlich der arbeitsfreien Feiertage habe erst ab dem 1. Januar 2016 für den Geltungsbereich U. gegolten, dem die Abteilung des Klägers angehöre. Die Steuerersparnis sei korrekt berechnet, er habe den für sich geltenden Steuersatz (für das Jahr 2015 21,01 %, für das Jahr 2016 25,09 %) angenommen und zugrunde gelegt. Es sei an der Beklagten entsprechende Berechnungen anzustellen.

Der Anspruch sei auch nicht aufgrund der Ausschlussfrist untergegangen, da die Schadensersatzansprüche vorliegend erst in dem Moment hätten tatsächlich geltend gemacht werden können, als höchstrichterlich geklärt gewesen sei, dass die getroffenen Vereinbarungen rechtswirksam seien. Im Übrigen seien durch die Klage im Vorverfahren auch die vorliegenden Schadensersatzansprüche mit  geltend gemacht worden.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 18. Januar 2018, Az. 7 Ca 875/17, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.246,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe des Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 10. Juli 2018 sowie des Schriftsatzes vom 4. Oktober 2018, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 163 ff., 229 ff. d. A.), als rechtlich zutreffend.

Soweit die US Stationierungsstreitkräfte unter Berücksichtigung der von ihnen seinerzeit – und auch heute noch – vertretenen Rechtsauffassung nicht bereit gewesen seien, dem Kläger die vertraglich vorgesehene Telearbeit an den vorgenannten Tagen zu gestatten, sei dies nicht schuldhaft erfolgt. Der Rechtsstandpunkt hinsichtlich der Unwirksamkeit der abgeschlossenen Telearbeitsvereinbarung sei vertretbar gewesen. Die Herren Captain Y., Captain T. und Colonel S. seien nicht zeichnungsberechtigt gewesen. Dies gelte im Hinblick auf die abgeschlossene Verlängerung auch für Captain V.. Sie alle hätten ohne Vertretungsmacht gehandelt.

Die Schadenshöhe sei fehlerhaft berechnet. Zum einen seien die angesetzten Heimarbeitsplatztage nicht zutreffend, zum anderen seien die Berechnungen zur Steuerersparnis nicht zutreffend. Der Kläger weise in der von ihm angefertigten Aufstellung die US-Feiertage am 7. September 2015 (Labor Day), 12. Oktober 2015 (Columbus Day) und 26. November 2015 (Thanksgiving Day) auf, obwohl die Abteilung des Klägers an der Betriebsvereinbarung für die US-Feiertage teilgenommen habe, mit der Wirkung, dass an diesen Tagen auch die ortsansässigen Beschäftigten – einschließlich des Klägers – nicht zu arbeiten gehabt hätten. Das Gleiche gelte für den 3. Juli 2015, an dem aufgrund der Tatsache, dass der Independence Day (4. Juli 2015) auf einem Samstag gefallen sei, keine Arbeitspflicht bestanden habe.

Selbst wenn ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach bestanden hätte, wäre er ganz überwiegend verfallen. Die Fälligkeit des dem Kläger vermeintlich zustehenden Schadensersatzanspruchs setze zumindest, wenn ein solcher dem Grunde nach bestanden hätte, mit dem Zeitpunkt der vermeintlichen Pflichtverletzung der US Stationierungsstreitkräfte, also der am 16. März 2015 fehlenden Zustimmung dem Kläger gegenüber, seine Arbeit im Homeoffice zu erbringen, ein. Spätestens mit dem 16. März 2016 und sodann täglich zunehmend wegen weiterer Fahrtkosten hätte der Kläger die Schadensersatzansprüche geltend machen können. Die Klageeinreichung im Vorverfahren habe nicht bereits auch die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs beinhaltet. Es sei für den Arbeitgeber bei Verweis auf den vertraglich vereinbarten Dienstort völlig unklar, dass überhaupt ein Schaden entstehe und wie hoch dieser ausfallen solle. Schließlich seien die Ansprüche zur Wahrung der Ausschlussfrist gegenüber dem Arbeitgeber, also den US Stationierungsstreitkräften, nicht gegenüber der Beklagten geltend zu machen.

Das Gericht hat die Akte Arbeitsgericht Kaiserslautern, Az. 1 Ca 1137/15 (LAG Rheinland-Pfalz 5 Sa 114/16) beigezogen.

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der Sitzungen vom 22. August 2018 sowie vom 7. November 2018 (Bl. 199 ff., 257 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

B.

In der Sache hatte die Berufung des Klägers teilweise Erfolg. Im Übrigen war sie zurückzuweisen.

I.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit gemäß Art. 56 Abs. 8 S. 1 ZA-NTS gegeben. Der Kläger ist ziviler Bediensteter bei den US Stationierungsstreitkräften. Die Klage richtet sich gemäß Art. 56 Abs. 8 S. 2 ZA-NTS gegen die beklagte Bundesrepublik, die in Prozessstandschaft auftritt.

II.

Soweit der Kläger gegen die Beklagte etwaige Schadensersatzansprüche nach §§ 283, 280 Abs. 1 S. 1, 275 S. 1, 249 S. 1 BGB für den Zeitraum vom 16. März 2015 bis einschließlich 11. Dezember 2016 geltend macht, sind diese gemäß § 49 TV AL II verfallen.

1.

Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und den US Streitkräften unterliegt kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung den Bestimmungen des TV AL II. Dieser bestimmt in seinem „§ 49 Ausschlussfrist“:

„Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von der/dem Beschäftigten  oder seitens des Arbeitgebers schriftlich geltend gemacht wurden.“

Diese durch einzelvertragliche Bezugnahme auf den TV AL II vereinbarte Ausschlussfrist ist grundsätzlich anwendbar.

2.

Nach § 49 TV AL II beginnt die Ausschlussfrist mit der Fälligkeit der Ansprüche. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers war fällig im Zeitpunkt des Eintritts des Schadens nach der Pflichtverletzung durch die US Stationierungsstreitkräfte.

Die Fälligkeit tritt bei Schadensersatzansprüchen ein, wenn der Schaden für den Gläubiger feststellbar ist und geltend gemacht werden kann. Feststellbar ist der Schaden, sobald der Gläubiger von dem Schadensereignis Kenntnis erlangt oder bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt hätte erlangen können (vgl. BAG, Urteil vom 30. Oktober 2008 – 8 AZR 886/07 – BeckRS 2009, 55067 Rz. 23, vom 16. Mai 2007 – 8 AZR 09/06 – NZA 2007, 1154, 1158 Rn. 53; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Dezember 2016 – 9 Sa 51/16 – BeckRS 2016, 118641 Rz. 35, jeweils m. w. N.). Geltend gemacht werden können Schadensersatzforderungen, sobald der Gläubiger in der Lage ist, sich den erforderlichen Überblick ohne schuldhaftes Zögern zu verschaffen und seine Forderungen wenigstens annähernd zu beziffern. Der Schuldner muss erkennen können, aus welchem Sachverhalt und in welcher ungefähren Höhe er in Anspruch genommen werden soll (BAG, Urteil vom 16. Mai 2007 – 8 AZR 09/06 – NZA 2007, 1154, 1159 Rn. 54). Dagegen ist ein Schadensersatzanspruch nicht schon dann fällig im Sinn der Ausschlussklausel, wenn nur die Möglichkeit der Erhebung einer unbezifferten Feststellungsklage besteht, eine annähernde Bezifferung der Forderung aber noch nicht möglich ist (BAG, Urteil vom 30. Oktober 2008 – 8 AZR 886/07 – BeckRS 2009, 55067 Rz. 24, LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Dezember 2016 – 9 Sa 51/16 – BeckRS 2016, 118641 Rz. 35, jeweils m. w. N.)..

Der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch richtet sich auf Ersatz des Schadens, der ihm durch die Nichtdurchführung des „Telework Agreements“ entstanden ist. Dieser – vom Kläger behauptete – Schaden trat jeweils an dem Tag ein, an dem die US Stationierungskräfte die Beschäftigung in seiner Wohnung nicht ermöglichten und der Kläger stattdessen zur Erbringung seiner Arbeitsleistung zur Beschäftigungsdienststelle und zurück fahren und hierfür Fahrtkosten aufwenden musste. Jeweils in diesem Zeitpunkt hatte der Kläger Kenntnis von den Tatsachen, aus denen sein Anspruch folgt. Der Schaden war in diesem Zeitpunkt für den Kläger auch bezifferbar. Der Kläger kannte die zwischen ihm und den US Stationierungsstreitkräften geschlossene Vereinbarung, das Nichteinrichten eines Heimarbeitsplatzes durch die US Stationierungsstreitkräfte sowie den Standpunkt der US Stationierungsstreitkräfte zur Wirksamkeit des jeweiligen „Telework Agreements“. Er wusste, an welchen Tagen er nach dem „Telework Agreement“ seine Arbeitsleistung von Zuhause aus hätte erbringen können. Auch war ihm bereits an dem jeweiligen Arbeitstag bekannt, dass er zur Beschäftigungsdienststelle und zurück gefahren ist und wie viele Kilometer er zurückgelegt hat. Bei den von ihm angesetzten Kosten in Höhe von 0,30 €/gefahrenem Kilometer handelt es sich um einen pauschalierten Wert. Weitere tatsächliche Ermittlungen musste der Kläger vor der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nicht durchführen.

Nichtumsetzung einer Homeoffice-Vereinbarung - Schadensersatz
(Symbolfoto: Von stockwerk-fotodesign/Shutterstock.com)

Die Ausschlussfrist des § 49 TV AL II begann auch nicht deshalb erst zu einem späteren Zeitpunkt zu laufen, weil ein einheitlicher Lebenssachverhalt zugrunde gelegen und der Kläger sich erst einen Überblick über die Gesamtschadenshöhe hätte verschaffen müssen. Zwar ist es auch Sinn und Zweck der Ausschlussfrist, dem Schädiger zu verdeutlichen, in welchem Umfang insgesamt Ersatz von ihm verlangt wird (BAG, Urteil vom 30. Oktober 2008 – 8 AZR 886/07 – BeckRS 2009, 55067). Hierfür musste der Kläger im vorliegenden Fall jedoch nicht den Gesamtschaden bis zum Auslaufen des „Telework Agreement“ ermitteln.

Entgegen der Auffassung des Klägers entstand der Schadensersatzanspruch nicht erst mit Bekanntgabe des Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Februar 2017. Bei den Urteilen des Arbeitsgerichts bzw. des Landesarbeitsgerichts im Vorverfahren handelte sich um Feststellungs- und nicht um Gestaltungsurteile. Im Vorverfahren wurde lediglich die Frage des wirksamen Zustandekommens einer Telearbeitsvereinbarung rechtlich beurteilt. Hiervon zu unterscheiden ist die Konstellation, dass im Vorverfahren ein Arbeitgeber zunächst zur Abgabe eines Angebots auf Abschluss eines „Telework Agreements“ oder auf Annahme eines entsprechenden Angebots des Arbeitnehmers verurteilt wird. In diesem – vom hier streitgegenständlichen zu unterscheidenden Fall – entsteht ein Anspruch auf Heimarbeit erst mit Rechtskraft des Urteils auf Abgabe einer Willenserklärung im Vorverfahren (§ 894 S. 1 ZPO). Auch ohne Durchführung des Vorverfahrens bestand dagegen im vorliegenden Fall die Verpflichtung der US Stationierungsstreitkräfte aus der – wie von Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht (nur) festgestellt – wirksamen Telearbeitsvereinbarung. Der Kläger hätte auch unmittelbar Klage auf Zahlung von Schadensersatz erheben können. In einem solchen Prozess wäre die Frage der Wirksamkeit der beiden „Telework Agreements“ als Vorfrage zu klären gewesen.

3.

Der Kläger hat seinen Schadensersatzanspruch erstmals mit Schreiben vom 12. Juni 2017 gegenüber den US Stationierungsstreitkräften geltend gemacht. Damit ist ein Schadensersatzanspruch des Klägers insoweit verfallen als er auf Fahrten beruht, die er entgegen der Telearbeitsvereinbarung vor dem 12. Dezember 2017 zur Beschäftigungsdienststelle durchgeführt hat.

Der Kläger hat seine Ansprüche auch nicht bereits durch die Klageerhebung im Vorverfahren Arbeitsgericht Kaiserslautern, Az. 1 Ca 1137/15 (LAG Rheinland-Pfalz, Az. 5 Sa 114/16) im Sinn des § 49 TV AL II geltend gemacht. Gegenstand des Vorverfahrens war die Feststellung, dass der Kläger im Rahmen seines mit den US Stationierungsstreitkräften bestehenden Arbeitsverhältnisses berechtigt ist, an den Wochentagen Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag in Heimarbeit (Homeoffice) zu arbeiten. Schadensersatzansprüche des Klägers, die von weiteren Voraussetzungen abhängen, waren nicht Streitgegenstand des Vorverfahrens.

Es können auch nicht die Grundsätze herangezogen werden, die das BVerfG (3. Kammer des 1. Senats vom 1. Dezember 2010 – 1 BvR 1682/07 – NZA 2011, 354, 355 Rz. 21 ff.) und das BAG (st. Rspr., vgl. BAG, Urteil vom 24. September 2014 – 5 AZR 593/12 – NZA 2015, 35, 38 Rz. 27) zur Geltendmachung von solchen Vergütungsansprüchen, die in ihrem Bestand vom Ausgang des Kündigungsschutzverfahrens abhängen, durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage aufgestellt haben. Nach diesen Grundsätzen wahrt der Arbeitnehmer mit einer Bestandsschutzklage, ohne dass es einer bezifferten Geltendmachung bedarf, eine einstufige tarifliche Ausschlussfrist bzw. die erste Stufe einer zweistufigen tariflichen Ausschlussfrist für alle vom Ausgang dieses Rechtsstreits abhängigen Ansprüche. Mit einer solchen Klage erstrebt der Arbeitnehmer nicht nur die Erhaltung seines Arbeitsplatzes, sondern bezweckt darüber hinaus, sich die Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs zu erhalten. Die Ansprüche müssen weder ausdrücklich bezeichnet noch beziffert werden (st. Rspr., vgl. BAG, Urteil vom 24. September 2014 – 5 AZR 593/12 – NZA 2015, 35, 38 Rz. 27). Dieser Rechtsprechung liegt die Erwägung zugrunde, dass im Kündigungsschutzrechtsstreit über den prozessualen Inhalt des Kündigungsschutzbegehrens hinaus das Gesamtziel der Klage zu beachten ist. Dieses beschränkt sich in der Regel nicht auf die bloße Erhaltung des Arbeitsplatzes, sondern ist zugleich auch auf die Sicherung der Ansprüche gerichtet, die von der Weiterführung des Arbeitsverhältnisses abhängen und nicht mehr gegeben sind, wenn das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung aufgelöst worden ist. Dieses weitergehende Ziel ist in der Regel auch dem Arbeitgeber erkennbar, so dass er schon durch die bloße Kündigungsschutzklage hinreichend über den Willen des Arbeitnehmers unterrichtet wird, sich seine künftigen Einzelansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zu erhalten. Es kommt aber bereits für die Reichweite der Kündigungsschutzklage in Bezug auf die von ihr erfassten Zahlungsansprüche entscheidend darauf an, dass für den Arbeitgeber zweifelsfrei erkennbar sein muss, dass der Arbeitnehmer, der den Kündigungsschutzantrag stellt, damit nicht nur die Unwirksamkeit der Kündigung, sondern auch die dann streitigen Vergütungsansprüche geltend machen will. Dies ist beispielsweise bei Vergütungsdifferenzen wegen unzutreffender Eingruppierung nicht der Fall (vgl. BAG, Urteil vom 14. Dezember 2005 – 10 AZR 70/05 – NZA 2006, 998, 1000 Rz. 31).

Im hier vorliegenden Fall streiten die Parteien über Schadensersatzansprüche, die nicht lediglich von der Wirksamkeit der beiden „Telework Agreements“, sondern auch von weiteren Tatbestandsmerkmalen abhängen. So setzen die Schadensersatzansprüche ein Verschulden bzw. Vertretenmüssen des Arbeitgebers nach § 276 BGB sowie einen konkreten Schaden voraus. Für den Arbeitgeber ist neben der Frage der Berechtigung des Klägers zur Arbeit im Homeoffice beispielsweise weiter unklar, welche Fahrtstrecken der Arbeitnehmer tatsächlich zurücklegt. Schadensersatzansprüche müssen daher ausdrücklich geltend gemacht werden (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 31. November 2017 – 2 Sa 152717 – Rz. 21; vom 5. Juni 2008 – 10 Sa 699/07 – BeckRS 2008, 55356, jeweils m. w. N.).

Hinzukommt im vorliegenden Fall, dass die Geltendmachung im Sinn von § 49 TV AL II gegenüber dem Arbeitgeber, das heißt den US Stationierungsstreitkräften, erfolgen muss. Die Klage im Vorverfahren richtete sich aber gegen die Bundesrepublik Deutschland als Prozessstandschafterin gemäß § 56 Abs. 8 ZA-NTS. Die Prozessstandschaft und die entsprechende Vertretung erfolgt aber ausschließlich in gerichtlichen Verfahren, nicht hingegen in außergerichtlichen Angelegenheiten (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. Januar 2017 – 7 Sa 210/16 – BeckRS 2017, 109466 Rz. 78).

II.

Soweit etwaige Ansprüche des Klägers nicht bereits gemäß § 49 TV AL II verfallen sind, kann der Kläger Schadensersatz in Höhe von 659,79 € nebst Zinsen beanspruchen.

1.

Nach §§ 283, 280 Abs. 1 S. 1, 275 S. 1, 249 S. 1 BGB kann der Gläubiger dann, wenn der Schuldner eine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt, Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat, §§ 280 Abs. 1 S. 2, 276, 278 BGB.

2.

Aus dem zwischen dem Kläger und den US Stationierungsstreitkräften bestehenden Arbeitsverhältnis in Verbindung mit den „Telework Agreements“ war der Kläger berechtigt, an den Wochentagen Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag in Heimarbeit zu arbeiten. Nach dem rechtskräftigen Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. Oktober 2016 – Az. 5 Sa 114/16 – ist zwischen dem Kläger und den US Stationierungsstreitkräften eine Telearbeitsvereinbarung rechtswirksam zustande gekommen. Die US Stationierungsstreitkräfte waren danach verpflichtet, die Telearbeit des Klägers an den genannten Wochentagen zu gestatten und zu ermöglichen.

3.

Diese Pflicht haben die US Stationierungsstreitkräfte verletzt.

4.

Die US Stationierungsstreitkräfte haben ihre Pflicht auch schuldhaft verletzt.

Nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB setzt der Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB weiter voraus, dass der Schuldner – hier die US Stationierungsstreitkräfte – die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Nach der Beweislastregel des § 280 Abs. 1 S. 2 wird das Vertretenmüssen vermutet. Der Schuldner muss sich entlasten und beweisen, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Was er zu vertreten hat, ergibt sich aus §§ 276 – 278 BGB. Nach § 276 Abs.1 S. 1 BGB hat er Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Befand sich der Arbeitgeber in einem entschuldbaren Rechtsirrtum, handelte er nicht fahrlässig. Der Rechtsirrtum ist entschuldbar, wenn die Rechtslage objektiv zweifelhaft ist und der Schuldner sie sorgfältig geprüft hat (BAG, Urteil vom 13. Juni 2002 – 2 AZR 391/01 – NZA 2003, 44, 48). Ist die Rechtslage nicht eindeutig und beruht die Vorgehensweise des Arbeitgebers auf einem vertretbaren Rechtsstandpunkt, handelt dieser so lange nicht fahrlässig, wie er auf die Richtigkeit seiner Rechtsansicht vertrauen durfte. Die Darlegungs- und Beweislast für Entschuldigungsgründe trägt der Schuldner.

Dabei kann im vorliegenden Fall letztlich dahinstehen, ob der Rechtsstandpunkt der Arbeitgeberin bereits ab Erlass oder Zustellung des erstinstanzlichen Urteils, ab Neuabschluss der Telearbeitsvereinbarung oder ab Verkündung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht mehr vertretbar war. Jedenfalls haben die US Stationierungsstreitkräfte die Pflichtverletzung spätestens ab dem 24. November 2016 zu vertreten. Sie durften spätestens ab diesem Zeitpunkt der Zustellung des zweitinstanzlichen Urteils im Berufungsverfahren mit dem Az. 5 Sa 114/16 nicht mehr auf die Unwirksamkeit der Telearbeitsvereinbarung(en) vertrauen. Sie können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das Urteil des Landesarbeitsgerichts zu diesem Zeitpunkt noch nicht formell rechtskräftig war. Die US Streitkräfte konnten – nachdem sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht die Telearbeitsvereinbarung für wirksam erachtet hatten – nicht auf einen Erfolg, einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 13. Oktober 2016 vertrauen. Ausreichende Gesichtspunkte für die Aussicht auf einen Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde etwa wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit nicht dargelegt. Auch das Bundesarbeitsgericht hat im Vorgängerverfahren keine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Landesarbeitsgericht festgestellt.

5.

Im Zeitraum vom 12. bis 31. Dezember 2016 hat der Kläger an 8 Tagen Fahrten zur Beschäftigungsdienststelle an den Wochentagen Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag durchgeführt.

Im Zeitraum 1. Januar 2017 bis 31. März 2017 sind Fahrten an insgesamt 34 Tagen (13 Tage im Januar 2017, 4 Tage im Februar 2017 sowie 17 Tage im März 2017) angefallen.

In diese Zeiträume fallen keine US Feiertage, hinsichtlich derer sich die Parteien darüber streiten, ob der Kläger an diesen seine Arbeitsleistung auf der Beschäftigungsdienststelle erbracht hat. Die Durchführung von Fahrten an den anderen vom Kläger angeführten Tagen hat die Beklagte nur pauschal, nicht aber substantiiert bestritten. Hat der Kläger konkret angegeben, an welchen Tagen er zur Arbeitsstelle gefahren ist, oblag es der Beklagten, substantiiert zu bestreiten, an welchen Tagen konkret der Kläger nicht in der Beschäftigungsdienststelle an-wesend war.

Der Kläger hat pro Tag 54 Kilometer (einfache Wegstrecke von seinem Zuhause zur Beschäftigungsdienststelle von 27 Kilometern) zurückgelegt.

Je gefahrenem Kilometer ist die Kammer von Kosten in Höhe von 0,30 € ausgegangen. Aufgrund der Darlegungen des Klägers, die die Beklagte nicht erheblich bestritten hat, hat das Gericht eine Schätzung der Aufwendungen nach § 287 Abs. 1 und 2 ZPO vorgenommen. Nach diesen Vorschriften kann das Gericht eine Schätzung der Höhe einer Forderung vornehmen, wenn unter den Parteien die Höhe der Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

Die Errechnung der exakten Fahrzeugkosten je gefahrenem Kilometer verursacht einen erheblichen Aufwand. Deshalb hat der Gesetzgeber in § 5 Abs. 2 S. 1 BRKG eine Kilometerpauschale für die Nutzung von Pkw in Höhe von derzeit 0,30 € für dienstlich veranlasste Reisekosten vorgesehen. Diese Kilometerpauschale ist nach §§ 3 Nr. 16, 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 2 EStG steuerfrei. Mit ihr sind alle üblichen Kosten abgegolten, die bei der Fahrt angefallen sind, so Kraftstoffkosten, Beiträge für Versicherungen und Steuern, Zahlungen für Wartung und Pflege, für Reparaturen und Ersatzteile sowie Wertminderung. Bei seiner Schätzung ist das Gericht daher für den Faktor auch von – der steuerlich anerkannten Kilometerpauschale entsprechend – 30 ct/gefahrenem Kilometer ausgegangen (so auch LAG Köln, Urteil vom 24. Oktober 2006 – 13 Sa 881/06 – NZA-RR 2007, 345, 346; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. Mai 2017 – 7 Sa 410/15 – BeckRS 2017, 130810).

Hieraus ergeben sich für die Zeit vom 12. bis 31. Dezember 2016 129,60 €, für die Zeit vom 1. Januar 2017 bis zum 31. März 2017 550,80 €.

Für die Zeit vom 12. bis 31. Dezember 2016 sind 20,61 € in Abzug zu bringen, die der Kläger nach seinem Vortrag dadurch gespart hat, dass er die gefahrenen Kilometer in der Steuererklärung (einfach) ansetzen konnte. Der Kläger hat für das Jahr 2016 die von ihm in dem Zeitraum 12. bis 31. Dezember 2016 an den Tagen Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag angefallenen Entfernungskilometer (30 km/Arbeitstag) im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung einkommensmindernd angegeben hat. Um die Höhe der sich hieraus ergebenden Steuerersparnis hat er den von ihm geltend gemachten Schadensersatzanspruch reduziert. Die Steuerersparnis für Zeitraum vom 12. bis 31. Dezember 2016 setzt sich aus ersparten 18,00 € Einkommensteuer, 0,99 € Solidaritätszuschlag und 1,62 € Kirchensteuer zusammen.

Hieraus errechnet sich ein Schadensersatzanspruch des Klägers für die Zeit vom 12. Dezember 2016 bis einschließlich 31. März 2017 in Höhe von 659,79 €.

6.

Der Anspruch des Klägers ist auch – entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts – nicht im Hinblick auf einen Verstoß gegen seine Schadensminderungspflicht entfallen bzw. zu kürzen. Der Kläger handelt nicht widersprüchlich, wenn er – entgegen der von ihm vertretenen Rechtsauffassung – zunächst entsprechend der Rechtsauffassung seiner Arbeitgeberin seine Arbeitsleistung nicht im Homeoffice, sondern in der Beschäftigungsdienststelle erbrachte und anschließend Schadensersatz geltend macht.

Zum einen wurden die „Telework Agreements“ von Seiten der US Stationierungsstreitkräfte nicht umgesetzt, so dass der Kläger bereits praktisch seine Arbeitsleistung nicht im Homeoffice erbringen konnte. Die benötigte Infrastruktur im Sinn von tatsächlichen Zugängen und Freigaben hat der Kläger seitens seines Vorgesetzten nicht erhalten.

Zum anderen ist es nach Auffassung der Kammer als ausreichend zu erachten, dass der Kläger die US Stationierungsstreitkräfte auf seinen Rechtsstandpunkt aufmerksam gemacht und hinsichtlich der Verpflichtung zur Durchführung der Homeoffice-Vereinbarung sogar Klage erhoben hat. Dem Kläger war es nicht zuzumuten, seine Arbeitsleistung mit dem Risiko arbeitsrechtlicher Sanktionen und des Verlustes von Vergütungsansprüchen zu verweigern. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass das Bundesarbeitsgericht erst nach Ablauf der beiden „Telework Agreements“ durch Urteil vom 18. Oktober 2017 (Az. 10 AZR 330/16 – BeckRS 2017, 129813 Rz. 58 ff. d. A.) seine Rechtsprechung dahingehend fortgeführt hat, dass ein Arbeitnehmer nach §§ 106 S. 1 GewO, 315 BGB nicht – auch nicht vorläufig – an eine Weisung des Arbeitgebers gebunden ist, die die Grenzen billigen Ermessens nicht wahrt, sowie dass Sanktionen von Seiten des Arbeitgebers an die Nichtbefolgung einer solchen unbilligen Weisung nicht geknüpft werden können. Vorangegangen war das Urteil des Fünften Senats vom 22. Februar 2012 (Az. 5 AZR 249/11 – NJW 2012, 2605, 2607 – Rz. 24), der entschieden hatte, dass sich ein Arbeitnehmer über eine unbillige Ausübung des Weisungsrechts – sofern sie nicht aus anderen Gründen unwirksam sei – nicht hinwegsetzen dürfe, sondern entsprechend § 315 Abs. 3 S. 2 BGB die Gerichte für Arbeitssachen anrufen müsse. Wegen der das Arbeitsverhältnis prägenden Weisungsgebundenheit sei der Arbeitnehmer – nach Auffassung des 5. Senats des Bundesarbeitsgerichts – an die durch die Ausübung des Weisungsrechts erfolgte Konkretisierung unter anderem des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden, bis durch ein rechtskräftiges Urteil die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststehe. Die Instanzrechtsprechung (vgl. nur LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. März 2014 – 5 SaGa 13/13 – BeckRS 2014, 68610 m. w. N.; LAG Köln, Urteil vom 10. Februar 2017 – 4 SaGa 3/17 – BeckRS 2017, 104749 Rz. 34) ging davon aus, dass es einem Arbeitnehmer in der Regel zuzumuten sei, einer Versetzungsanordnung oder arbeitsvertraglichen Weisung zunächst Folge zu leisten und sodann den Umfang des Direktionsrechts in einem Hauptsacheverfahren klären zu lassen. In Anbetracht dieser Rechtsprechung des 5. Senats und der Instanzgerichte durfte der Kläger von seiner Verpflichtung, der Auffassung seiner Arbeitgeberin zunächst zu folgen, ausgehen, ohne einen Verlust von Schadensersatzansprüchen in Kauf nehmen zu müssen.

7.

Der Zinsanspruch für die Zeit ab dem 1. Juli 2017 ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Kläger hat seinen Anspruch mit Schreiben vom 12. Juni 2017 unter Fristsetzung bis zum 30. Juni 2017 gegenüber den US Stationierungsstreitkräften geltend gemacht.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

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