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Rechtswidrige und heimliche Überwachung eines Arbeitnehmers – Entschädigungsanspruch

Heimliche Überwachung im Arbeitsverhältnis: Rechtliche Konsequenzen

Der vorliegende Fall dreht sich um die heimliche Überwachung eines Arbeitnehmers und die daraus resultierenden rechtlichen Konsequenzen. Der Kläger erhob Klage vor dem Arbeitsgericht Mannheim und machte geltend, dass er in eine vertragswidrige Position versetzt wurde und mit Aufgaben betraut wurde, die nicht den vereinbarten Bedingungen entsprachen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 12 Sa 18/23   >>>

Das Wichtigste in Kürze


  • Rechtswidrige und heimliche Überwachung eines Arbeitnehmers führt zu Entschädigungsanspruch.
  • Kläger erhebt Klage wegen vertragswidriger Versetzung und minderwertiger Aufgabenstellung.
  • Kläger informiert Arbeitgeber über Verletzung außerhalb der Arbeitszeit.
  • Arbeitgeber setzt Detektei ein, um Klägers Aktivitäten zu überwachen.
  • Kläger sieht seine Persönlichkeitsrechte verletzt durch intensive Überwachung.
  • Kläger bestreitet die ordnungsgemäße Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens und hält fristlose Kündigung für rechtsunwirksam.
  • Gericht erachtet Entschädigung von 1.500,00 Euro aufgrund der Datenverletzung für angemessen.

Die Klage und die Vorwürfe

Überwachung Arbeitnehmer
Heimliche Überwachung im Job: Ein Arbeitnehmer konfrontiert Arbeitgeber mit unerwarteten rechtlichen Hürden und Schmerzensgeldforderungen. (Symbolfoto: Andrey_Popov /Shutterstock.com)

Der Kläger behauptete, dass er auf eine nicht existierende Position versetzt wurde und mit minderwertigen Aufgaben betraut wurde, die nicht den Bedingungen seiner Änderungskündigung entsprachen. Er informierte den Geschäftsführer der Beklagten über eine Verletzung außerhalb der Arbeitszeit. Es wurde jedoch argumentiert, dass aufgrund bestimmter Sozialdaten keine besondere Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers besteht, die schwerer wiegt als das Bedürfnis des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis zu kündigen.

Die rechtlichen Aspekte und Argumente

Ein zentrales Thema war die Bewertung des Schmerzensgeldes. Es wurde argumentiert, dass das Schmerzensgeld nur etwa 10% der von der Beklagten angestrebten Personalkosteneinsparung ausmacht. Zudem wurde die Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens zum Einsatz technischer Mittel durch eine Detektei bestritten. Der Kläger war weiterhin der Ansicht, dass die fristlose Kündigung rechtswidrig sei, insbesondere aufgrund einer fehlerhaften Betriebsratsanhörung.

Die Position des Arbeitgebers

Die Arbeitgeberin argumentierte, dass sie den Kläger angewiesen hatte, sich auf die Akquise von Neukunden zu konzentrieren. Diese Anweisung hatte laut Arbeitgeberin vor allem eine Marktanalyse des Vertriebsgebiets und die Erstansprache potenzieller Kunden zum Ziel. Es wurde auch behauptet, dass die Anhörung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung rechtswirksam war und dass der Grundsatz der subjektiven Determination gelte.

Die rechtlichen Folgen und das Urteil

Die heimliche Überwachung von Arbeitnehmern und die Verwendung technischer Mittel zur Überwachung sind rechtlich heikel. Es wurde festgestellt, dass es für die Zulässigkeit einer solchen Überwachung strenge Voraussetzungen gibt, insbesondere wenn es um die Richtigkeit einer ärztlichen Bescheinigung geht. Die Kammer hat auch gewürdigt, dass die Beklagte den Detektivbericht nicht an externe Dritte weitergegeben hat, sondern diesen nur im Rahmen der Betriebsratsanhörung und des gerichtlichen Verfahrens verwendet hat.

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Heimliche Überwachung am Arbeitsplatz – kurz erklärt


Die heimliche Überwachung von Mitarbeitern am Arbeitsplatz ist in Deutschland im Allgemeinen untersagt, da sie einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstellt. Arbeitgeber müssen in den meisten Fällen eine Einwilligung von den Arbeitnehmern einholen, um sie überwachen zu dürfen. Eine Ausnahme besteht, wenn ein konkreter Verdacht auf eine Straftat oder eine schwere Pflichtverletzung vorliegt. In solchen Fällen kann eine verdeckte Überwachung zulässig sein. Bei der Videoüberwachung müssen die Kameras sichtbar sein und die Arbeitnehmer müssen eindeutig über den Zweck der Überwachung informiert werden und dieser zustimmen.


Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Düsseldorf – Az.: 12 Sa 18/23 – Urteil vom 26.04.2023

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 17.11.2022 – 4 Ca 566/22 – wird zurückgewiesen.

II. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 17.11.2022 – 4 Ca 566/22 – teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 1.500,00 Euro Entschädigung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.09.2022 zu zahlen.

III. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 35 % und der Beklagten zu 65 % auferlegt.

V. Die Revision wird für beide Parteien betreffend ihr Unterliegen bezogen auf den Entschädigungsanspruch zugelassen. Im Übrigen, d.h. betreffend den Kündigungsschutzantrag wird die Revision nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung sowie über einen Entschädigungsanspruch des Klägers wegen einer erfolgten Überwachung durch eine Detektei.

Die Beklagte bot Beratungs- und Dienstleistungen im Bereich des Digitaldrucks und des digitalen Dokument-Managements an. Sie beschäftigte insgesamt ca. 280 Mitarbeiter an 40 Standorten.

Der am 01.10.1957 geborene ledige Kläger, wohnhaft K. 2, 14109 Q., war seit dem 01.09.2009 bei der Beklagten bzw. bei deren Rechtsvorgängerinnen in verschiedenen Positionen im Vertrieb beschäftigt. Der Kläger bewohnte an der genannten Adresse in Q. ein Haus an einem Hanggrundstück, das über eine Treppe mit 20 Stufen zu erreichen war. Der Kläger war privat krankenversichert. Grundlage der Tätigkeit des Klägers war zunächst der mit einer Rechtsvorgängerin abgeschlossene Arbeitsvertrag vom 10.08.2009 / 13.08.2009. In diesem hieß es u.a.:

„Mit Wirkung vom 01. September 2009 werden Sie in der Funktionsstufe eines J. GmbH für das gesamte Bundesgebiet eingesetzt. Ihr Dienstsitz ist das Competence Center West in S.. Ihre regelmäßige Arbeitsstätte ist das Homeoffice.

Home-Office Regelung

Im Zusammenhang mit ihren überwiegend im Außendienst verbundenen Vertriebsaktivitäten können Sie Ihr Home-Office ab Vertragsbeginn als erste regelmäßige Arbeitsstätte nutzen. …

Mit einer Frist von sechs Wochen kann diese Regelung bei Vorliegen eines sachlichen Grundes von beiden Seiten geändert werden. Im Fall einer Änderung findet kein Vor- und Nachteilsausgleich statt. Die regelmäßige Arbeitsstätte und Dienstsitz wäre dann das Competence Center Ost. Jede Änderung oder Ergänzung dieser Home-Office Regelung bedarf der Schriftform.

…“

Mit Änderungsvertrag vom 25.06.2010 wurde der Kläger zum Vertriebsleiter Deutschland befördert. Mit weiterem Änderungsvertrag vom 14.11.2013 folgte ab dem 01.01.2014 die Beförderung zum Director Strategic Accounts für P. Z. und die Z.. In der Vertragsänderung vom 14.11.2013/10.01.2014 hieß es u.a.:

„….

Ihr Dienstsitz ist die Hauptverwaltung in F. Ihre regelmäßige Arbeitsstätte ist das Homeoffice.

Alle weiteren Bestandteile Ihres Arbeitsvertrages bleiben unverändert bestehen und behalten weiterhin ihre Gültigkeit.

…“

Mit Schreiben vom 27.06.2017 kündigte eine Rechtsvorgängerin der Beklagten das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.09.2017. Der Kläger wurde mit Ausspruch der Kündigung vom 29.06.2017 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt. Die gegen die Kündigung von dem Kläger erhobene Kündigungsschutzklage hatte vor dem Arbeitsgericht Berlin als auch vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 12.02.2019 – 19 Sa 1610/19) abschließend Erfolg. Der Kläger blieb nachfolgend unter Fortzahlung der Vergütung weiter freigestellt. Mit Wirkung zum 27.02.2019 schied die Rechtsvorgängerin der Beklagten aus dem Verbund der Q.-Gruppe aus, änderte die Firma der Gesellschaft und firmierte seit dem 01.05.2019 unter Y. GmbH als die Beklagte.

Die Beklagte bot dem Kläger mit Schreiben vom 13.03.2020 die Stelle als Account Manager für die Region Süd an und lud ihn zu einem Gespräch am 20.03.2020 in den Räumlichkeiten der Beklagten am Produktionsstandort in Q. ein. Dieses Gespräch sagte der Kläger unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am 18.03.2020 ab. Mit Schreiben vom 27.10.2020 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers aus betriebsbedingten Gründen mit Wirkung zum 28.02.2021. Bei der vergüteten Freistellung des Klägers blieb es weiterhin. Das Arbeitsgericht Berlin stellte mit rechtskräftigem Teilurteil vom 30.06.2021 fest, dass die von der Beklagten ausgesprochenen Beendigungskündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst hatte. Es hielt die Beendigungskündigung wegen des Vorrangs einer Änderungskündigung für unwirksam. Die Beklagte sprach gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 29.07.2021 eine Änderungskündigung zum 30.11.2021 aus. In dieser hieß es u.a.:

„…

Wir bieten Ihnen an, das Arbeitsverhältnis ab dem 01.12.2021 auf der Position des Account Managers für die Region Süd fortzusetzen. Die Ihnen auf dieser Position übertragenen Aufgaben und Tätigkeiten ergeben sich aus der als Anlage beigefügten Stellenbeschreibung. Als Account Manager sind Sie dem Bereich Vertrieb zugeordnet. Arbeitsort ist das Competence Center Süd in Q.

Die übrigen Bedingungen Ihres Arbeitsverhältnisses, insbesondere die Arbeitszeit und lhr Urlaubsanspruch bleiben unverändert. Es ändern sich einzig die oben aufgeführten Bedingungen.

Ferner werden wir Sie im Falle der Annahme unseres Angebotes bei dem erforderlichen Umzug finanziell unterstützen. Wir gewähren Unterstützungsleistungen für den Wohnortwechsel und den Umzug entsprechend den Regelungen des als Anlage beigefügten Sozialplans (hier Ziffern 4.2. ff .). Wir gewähren diese Leistungen ungeachtet der Tatsache, dass der Sozialplan zwischenzeitlich ausgelaufen ist.

In der der Änderungskündigung als Anlage beigefügten Stellenbeschreibung für einen Key Account Manager in der Region J. hieß es zu dessen Aufgaben:

„- Akquise von Neukunden in die Bereiche

# Transaktionsdruck

# Digitalisierung

# Dokumentenmanagement

# Standortbezogene Druckdienstleistungen

– Durchführung von Präsenzterminen beim Kunden

– Kunden-Bedarfsanalyse

– Betreuung von Ausschreibungen noch VOL

– Betreuung von freien Ausschreibungen

– Erstellung von Dienstleistungskonzepten gemeinsam mit dem jeweiligen Kunden vor Ort und der jeweiligen operativen Einheit zur Erfüllung der Kundenbedarfe

– strategischer Aufbau/Ausbau einer Sales-Pipeline in der Region Süd

– Kalkulation der Dienstleistungspreise und Beachtung von Margenkriterien/-vorgaben in Abstimmung mit der Vertriebsleitung/Geschäftsführung“

Mit Schreiben vom 05.08.2021 nahm der Kläger das mit der Änderungskündigung verbundene Änderungsangebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an und erhob Änderungskündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Berlin. Bis zum 30.11.2021 verblieb es bei der Freistellung des Klägers bei Fortzahlung der Vergütung. Mit Schreiben vom 23.11.2021 forderte die Beklagte den Kläger auf die Tätigkeit als Account Manager ab dem 01.12.2021 im Competence Center Süd in Q. aufzunehmen. Zu der Arbeitsaufnahme kam es zunächst nicht. Mit E-Mail vom 30.11.2021 um 12.28 Uhr sagte der Kläger den Termin aus gesundheitlichen Gründen ab. Zuvor hatte er am 30.11.2021 um 12.28 Uhr ein Hotelzimmer in R. für die Zeit vom 30.11.2021 bis zum 01.12.2021 gebucht. Die Stornierung des gebuchten Hotels erfolgte um 15.58 Uhr. Das Arbeitsgericht Q. wies die Änderungsschutzklage des Klägers mit Urteil vom 07.12.2021 rechtskräftig ab. Die tatsächliche Arbeitsaufnahme durch den Kläger erfolgte dann am 10.01.2022. Die dem Kläger von der Beklagten für den Homeoffice Arbeitsplatz bereitgestellte Ausstattung forderte die Beklagte nachfolgend vom Kläger nicht zurück. Die Homeoffice Pauschale wurde weiter gezahlt. Das Bruttomonatsgehalt des Klägers (Grundgehalt zuzüglich variabler Vergütung) betrug durchschnittlich 12.839,83 Euro.

In der Folgezeit kam es zu Differenzen zwischen den Parteien darüber, ob die dem Kläger tatsächlich übertragenen Aufgaben vertragsgemäß waren, wobei u.a. die Frage, ob der Kläger Offsetdruck-Produkte vertreiben soll, Gegenstand des Streits war. Auf die diesbezüglichen E-Mails des Geschäftsführers der Beklagten vom 19.01.2022 und 03.02.2022 wird wegen der weiteren Einzelheiten und der aus Sicht der Beklagten geschuldeten Arbeitsaufgaben Bezug genommen.

Im Rahmen eines virtuell durchgeführten Meetings der Vertriebsabteilung kam es am 03.02.2022 zu einer Auseinandersetzung des Klägers mit der Geschäftsführung der Beklagten hinsichtlich der Frage, welche Tätigkeiten der Kläger in den vorherigen Wochen verrichtet habe. Diese Frage wurde sodann auf ein bilateral zu führendes Gespräch vertagt.

Mit Schriftsatz vom 04.02.2022 erhob der Kläger vor dem Arbeitsgericht Mannheim Klage (Az. 4 Ca 31/22) und nahm die Beklagte auf vertragsgemäße Beschäftigung in Anspruch. In der Klageschrift behauptete der Kläger eine vertragswidrige Versetzung auf eine frei erfundene Position und die Beschäftigung mit minderwertigen, nicht dem Änderungsangebot aus der Änderungskündigung entsprechenden Aufgaben und Zuständigkeiten.

Mit E-Mail von Freitag, dem 04.02.2022 um 14.30 Uhr teilte der Kläger dem Geschäftsführer der Beklagten, Herrn E., folgendes mit:

„Sehr geehrter Herr E.,

leider habe ich mich heute außerhalb der Arbeitszeit verletzt. Ich habe daher einen Arzt konsultiert, der mir vorerst bis einschließlich 18.02.2022 eine Behandlung verordnet hat, die mit einer Arbeitsunfähigkeit (beginnend heute) verbunden ist.

Ich habe die entsprechende Bescheinigung auf den Postweg gebracht.

Mit freundlichen Grüßen

G.“

Die entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 04.02.2022, ausgestellt von einer Fachärztin für physikalische und rehabilitative Medizin eines medizinischen Versorgungszentrums aus Q. für die Zeit vom 04.02.2022 bis zum 18.02.2022, ging bei der Beklagten am 07.02.2022 ein. Mit E-Mail vom 18.02.2022 übersandte der Kläger eine Folgebescheinigung vom 17.02.2022, die weiterhin Arbeitsunfähigkeit bis zum 04.03.2022 attestierte. Diese war von dem genannten medizinischen Versorgungszentrum aus Q. auf dessen Briefpapier ausgestellt.

Die Beklagte ließ den Kläger daraufhin in der Zeit vom 25.02.2022 bis zum 04.03.2022 durch die Detektei Q. jedenfalls stichprobenartig überwachen. Im Zuge dieser Überwachung wurde auch die Praxisgemeinschaft L. in Q. aufgesucht und das Wohnhaus der ehemaligen Lebensgefährtin des Klägers berücksichtigt. Die ehemalige Lebensgefährtin des Klägers fand im Bericht der Detektei, Stand der Ermittlungen: 18.03.2022, keine Erwähnung. Der Kläger wurde ausweislich der Angaben in dem Bericht u.a. wie folgt beobachtet:

25.02.2022:

Beobachtung des Hauses des Klägers und des geparkten Wagens mit Ablichtung. Beobachtung an der Anschrift der Praxisgemeinschaft L. mit Ablichtung.

28.02.2022:

Beobachtung an der Wohnanschrift des Klägers in Q. mit Ablichtung des Wohnhauses. Bei einem der häufigen „Kontrollgänge“ wurde der Kläger gesehen, wie er einen sperrigen Gegenstand (Maße ca. 1 m lang und 30 cm im Durchmesser) und einen anderen Gegenstand in Form einer Rolle (Maße 1 m lang und 10 cm im Durchmesser) in den Kofferraum des Mercedes-Benz 300 SE verbrachte ohne Ablichtung.

01.03.2022:

Besuch eines Badstudios mit der Angabe, dass der Kläger beim Gehen auf dem Parkplatz das linke Bein nachzog, mit Ablichtung. Besuch eines Edeka-Marktes, bei dem der Kläger einen mit Lebensmitteln gefüllten Karton zu seinem Wagen trug mit Ablichtung.

04.03.2022:

Ankunft auf dem Parkplatz eines Getränkemarkts mit Ablichtung. Rückkehr ohne Paket und sichtbare Einkäufe ohne Ablichtung. Ausbau der Autobatterie aus seinem Wagen mit Ablichtung, die der Kläger nachfolgend die Treppe hochtrug. Betätigung mit einer Handkreissäge auf seiner Terrasse mit Ablichtung.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Überwachung wird auf den Bericht der Detektei, Stand der Ermittlungen: 18.03.2022 (Anlage B 18 zum Schriftsatz der Beklagten vom 29.07.2022), Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 21.03.2022 lud die Beklagte den Kläger zu einem persönlichen Gespräch am 23.03.2022 ein, um ihn zu dem Vorwurf der Vortäuschung seiner Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 04.02.2022 bis zum 04.03.2022 anzuhören. Der Kläger gab an, am 03.02.2022 bis zum Feierabend in Q. gewesen zu sein und am 04.02.2022 in Q.. Die Verletzung habe er sich vor 08.00 Uhr in Q. zugezogen. Am 25.02.2022 habe er Pappgegenstände zur Abgabe bei der Stadtreinigung auf dem Weg zur Physiotherapie mitgenommen. Bei den Beobachtungen am 04.03.2022 habe es sich um leichte Sachen gehandelt, die den Genesungsprozess nicht behindert hätten. Er habe sich bewegen sollen. Tätigkeiten im Stehen seien nicht eingeschränkt gewesen. Wegen des Inhalts des Gesprächs vom 23.03.2022 wird auf das Protokoll dieses Gesprächs (Anlage B 20 zum Schriftsatz der Beklagten vom 29.07.2022) Bezug genommen.

Unter dem 28.03.2022 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten außerordentlichen Verdachtskündigung des Klägers an. In dem Schreiben vom 28.03.2022 hieß es u.a.:

 

„…

b.) Pflichtverletzung

Mit dem Vortäuschen seiner Arbeitsunfähigkeit hat Herr R. seine arbeitsvertraglichen Pflichten in besonders schwerwiegender Weise verletzt.

Wir gehen trotz Berücksichtigung der Einlassungen von Herrn R. im Personalgespräch vom 23.03.2022 davon aus, dass Herr R. arbeitsfähig war. Ausweislich des Berichts der Detektei war er durch die vermeintliche Verletzung bei der Verrichtung von Alltagstätigkeiten nicht beeinträchtigt. Er war in der Lage ein Fahrzeug zu steuern, Einkäufe zu erledigen, sperrige und schwere Gegenstände zu heben und zu tragen sowie handwerkliche Arbeiten zu verrichten. Seine Tätigkeit als Account Manager für die Region Süd ist zum ganz überwiegenden Teil eine Bürotätigkeit (Führen von Telefonaten sowie Arbeiten am Computer) und ist mit keinerlei körperlicher Anstrengung verbunden. Da Herr R. sogar in der Lage war, ein Fahrzeug zu führen, hätte die vermeintliche Verletzung auch der Durchführung von Kundenterminen nicht entgegengestanden.

All dies begründet den Verdacht des Vortäuschens einer Arbeitsunfähigkeit.

c.) Interessenabwägung

Wir haben eine Interessenabwägung durchgeführt.

Herr R. ist ledig und hat keine Kinder, denen er zum Unterhalt verpflichtet ist. Aufgrund dieser Sozialdaten besteht keine besondere Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers, die stärker zu bewerten sei als des Bedürfnisses des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnisses außerordentlich, hilfsweise ordentlich zu kündigen.

Für Herrn R. streitet dessen Betriebszugehörigkeit von 12 Jahren. Der Dauer der Betriebszugehörigkeit steht aber einerseits die besondere Schwere der Pflichtverletzung und andererseits die Tatsache entgegen, dass Herr R. sich bislang völlig unwillig gezeigt hat, der ihm im Wege der Änderungskündigung zugewiesenen Tätigkeit auch tatsächlich nachzugehen. Er weigert sich trotz ausdrücklicher anderslautender Anordnung das CRM zu führen und dort seine vertrieblichen Aktivitäten zu dokumentieren. Er weigert sich ferner, Aufträge in dem ihm übertragenen Zuständigkeitsbereich zu akquirieren. Von den 17 Wochen, die er aktiv wieder für die S. tätig ist, fiel er 4 Wochen auf Grund der hier streitgegenständlichen vermeintlichen Arbeitsunfähigkeit sowie weitere insgesamt sechs Wochen wegen Urlaubs und einer vorausgegangenen krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit aus. ln den danach verbleibenden 7 Wochen aktiver Arbeit, kann Herr R. bislang auf keinerlei relevanten vertrieblichen Aktivitäten in dem ihm zugewiesenen Zuständigkeitsbereich verweisen.

Das Verhalten von Herrn R. in seiner Gesamtschau dokumentiert die mangelnde Bereitschaft von Herrn R. seine Arbeitsleistung ordnungs- und weisungsgemäß zu erbringen.

Die Schwere der Pflichtverletzung begründet das arbeitgeberseitige Interesse an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

…“

Der Umstand, dass der Kläger mit den ihm zugewiesenen Aufgaben nicht einverstanden war, diese für nicht vertragsgemäß erachtete und Klage auf vertragsgemäße Beschäftigung erhoben hatte, fand in der Anhörung keine Erwähnung. Der Betriebsrat stimmte der beabsichtigten Kündigung am 31.03.2022 zu.

Mit Schreiben vom 01.04.2022, dem Kläger zugegangen am 05.04.2022, kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos. Die Wirksamkeit dieser Kündigung ist Gegenstand des hiesigen Verfahrens.

Zeitgleich sprach die Beklagte mit Schreiben vom 01.04.2022, dem Kläger zugegangen am 05.04.2022 eine ordentliche Kündigung mit Wirkung zum 30.11.2022 aus. Den gegen diese ordentliche Kündigung gerichteten Kündigungsschutzantrag erhob der Kläger als Klageerweiterung vor dem Arbeitsgericht Mannheim in dem Verfahren zum Az. 4 Ca 31/22.

Mit dem Kündigungsschutzantrag vom 22.04.2022, eingegangen beim Arbeitsgericht Krefeld am selben Tag und der Beklagten zugestellt am 27.04.2022, hat der Kläger sich gegen die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 01.04.2022 gewandt. Mit Klageerweiterung vom 31.08.2022, eingegangen beim Arbeitsgericht Krefeld am selben Datum und der Beklagten zugestellt am 01.09.2022, hat der Kläger die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von jedenfalls 25.000,00 Euro geltend gemacht.

Der Kläger ist der Auffassung gewesen, ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung bestehe nicht.

Der Kläger hat behauptet, die Arbeitsunfähigkeit ab dem 04.02.2022 habe auf einer Verletzung beruht, die er sich zugezogen habe, als er am Morgen des 04.02.2022 nach Ankunft in Q. sein Gepäck aus dem Auto in seine Wohnung getragen habe und auf der Treppe gestolpert sei. Diese Verletzung habe sowohl hinsichtlich der Büroarbeit als auch bezüglich ihm übertragener Reisetätigkeiten eine Arbeitsunfähigkeit ausgelöst. Bis zum Ende der Arbeitsunfähigkeit sei es ihm nicht möglich gewesen, längere Zeit zu sitzen oder längere Strecken mit dem Auto zurückzulegen. Tätigkeiten im Stehen seien nicht eingeschränkt gewesen. Laut ärztlicher Anweisung habe er sich bewegen sollen. Dazu hat der Kläger sich auf das Zeugnis der ihn behandelnden Ärzte berufen und mitgeteilt, dass er im Kammertermin höchst vorsorglich Schweigepflichtentbindungserklärungen mit sich führen werde.

Die Beobachtungen der Detektei begründeten keinen Zweifel am Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 04.02.2022 bis zum 04.03.2022. Am 25.02.2022 – der Detektivbericht nenne hier fälschlich den 28.02.2022 – habe er Pappen in sein Auto getragen, die zur Entsorgung bestimmt gewesen seien. Diese habe er auf dem Weg zur Physiotherapie mitgenommen. Auch die Beobachtung am 01.03.2022 begründe keinen Zweifel an seiner Arbeitsunfähigkeit. Schließlich habe auch der Detektiv gesehen, dass er beim Gehen ein Bein nachzog. Nichts Anderes gelte für den Einkauf von Lebensmitteln, zumal der getragene Karton kein nennenswertes Gewicht gehabt habe. Seine Körperhaltung auf dem zweiten Foto von 12:52 Uhr lasse erkennen, welche Schwierigkeiten es ihm bereitet habe, in sein Fahrzeug einzusteigen. Am 04.03.2022 habe er die Batterie aus seinem Oldtimer ausgebaut und getragen. Die befüllte Batterie wiege 11,6 kg und sei mit Tragebügeln versehen. Sie lasse sich unproblematisch mit einer Hand tragen. Die Aufnahmen auf seiner Terrasse zeigten ihn bei der Anfertigung eines Bilderrahmens mit einem Gesamtgewicht unter 1 kg. Die Säge wiege ca. 3,5 kg.

Der Beweiswert der von ihm eingereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei nicht erschüttert. Der Umstand, dass die zweite Bescheinigung vom 17.02.2022 auf dem Briefbogen der Arztpraxis ausgestellt sei, begründe keine solchen Zweifel. Für Privatpatienten gebe es keine vorgeschriebenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.

Der Umstand, dass die Bescheinigungen in Q. ausgestellt wurden, erschüttere deren Beweiswert nicht. Hierzu hat der Kläger behauptet, dass die Außendienstmitarbeiter der Beklagten – wie auch er – die von Ihnen vertraglich geschuldete Wochenarbeitszeit innerhalb der Arbeitswoche frei verteilen dürften. Eine Arbeitspflicht an einem bestimmten Ort an fünf Tagen pro Woche von Montag bis Freitag bestehe nicht. Es habe ihm freigestanden, seine wöchentliche Arbeitszeit an den anfallenden Bedarfen orientiert, frei einzuteilen. Die wöchentliche Arbeitszeit könne so beispielsweise auf die Zeit von Montag bis Donnerstag verteilt werden. Eine Verpflichtung am Freitag, den 04.02.2022 in Q. tätig zu werden, habe nicht bestanden. All dies sei von Beginn des Arbeitsverhältnisses an so gewesen und sei auch durch die Änderungskündigung nicht geändert worden, denn diese enthalte keine ausdrückliche Erklärung zur Homeoffice Regelung. Alleine der Umstand, dass statt zuvor der „Arbeitsort“ und nicht mehr der „Dienstsitz“ definiert werde, lasse nicht erkennen, dass die Beklagte die Homeoffice Regelung habe beenden wollen. Außerdem sei die Homeoffice Regelung auch kollektiv über die Betriebsvereinbarung über die Voraussetzungen und die Einrichtung eines Homeoffice abgesichert gewesen. Aufgrund der Gesamtumstände sei er zudem am 04.02.2022 zu Recht davon ausgegangen, dass sein Homeoffice Arbeitsplatz in Q. fortbestehe. Der Kläger hat weiter behauptet, auch im Zuge der zuletzt von ihm ausgeübten Tätigkeit sei es ihm gestattet gewesen, seine Tätigkeiten teilweise aus dem Homeoffice heraus auszuüben. Eine physische Anwesenheit im Q. in der Zeit von Montag bis Freitag sei nicht erforderlich gewesen.

Das von ihm eingereichte Arbeitszeitjournal vom 08.03.2022 benenne lediglich die Wochenarbeitszeiten. Es enthalte keinerlei Angaben zur Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Das Arbeitszeitjournal vom 08.03.2022 begründe nicht den angeblichen Verdacht der Beklagten und insbesondere nicht den Auftrag an die Detektei vom 25.02.2022.

Schließlich habe die Beklagte die zweiwöchige Frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Der Geschäftsführer E. oder ein anderer Entscheidungsträger der Beklagten habe unmittelbar nach Ende der Ermittlungen am 04.03.2022 um 20 Uhr eine andere Fassung des Abschlussberichtes erhalten. Es sei zu vermuten, dass der Bericht bereits am 04.03.2022 fertiggestellt gewesen und Herrn E. sofort übermittelt worden sei, aber habe nachbearbeitet werden müssen, um die Verwertbarkeit des Berichtes im zu erwartenden Kündigungsschutzklageverfahren zu ermöglichen. Die behaupteten Kosten von 15.000,00 Euro entsprächen nicht 50,5 Arbeitsstunden, sondern 102 oder 122,5 Detektivstunden, je nachdem ob der Brutto- oder Nettostundensatz zu Grunde gelegt werde. Unabhängig davon müsse die Beklagte sich die Bearbeitungsdauer der Detektei zurechnen lassen.

Zudem sei die Anhörung des Betriebsrats nicht ordnungsgemäß erfolgt. Der Kläger hat behauptet, dass die Anhörung nicht wahrheitsgemäß und bewusst unvollständig erfolgt sei. Die Beklagte habe fälschlich behauptet, er hätte am 04.02.2022 in Q. sein müssen. Dem Betriebsrat sei keine Abschrift des Anhörungsbogens übergeben worden. Die Beklagte habe dem Betriebsrat nicht mitgeteilt, welche Fragen sie im Rahmen der Verdachtsanhörung am 23.03.2022 gestellt und welche Antworten er gegeben habe. Seine Erklärung zu seinem Aufenthaltsort am Morgen des 04.02.2022 habe die Beklagte verschwiegen.

Der Kläger hat gemeint, dass die Beklagte vorsätzlich und rechtswidrig sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt habe, als sie im Zeitraum vom 25.02.2022 bis zum 04.03.2022 die Überwachung in seinem Privatbereich, die Überwachung ihm nahestehender Personen und die Überwachung seiner Hausärzte veranlasste. Der Überwachungsauftrag sei unvereinbar mit den Vorgaben des § 26 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BDSG.

Zunächst sei der Auftrag an die Detektei vom Auftragsgegenstand zu weit gefasst. So treffe es schon nicht zu, dass er häufig arbeitsunfähig gewesen sei. Die Verknüpfung damit, dass er sich angeblich Terminen entziehen wolle, sei falsch. Die Überwachung der Praxisgemeinschaft M. sei ungeeignet gewesen, weil deren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nur vergangene Zeiträume, nicht aber den vom 04.02.2022 bis zum 04.03.2022 betrafen. Er selbst habe die Praxis weder am 25.02.2022 noch sonst im Februar 2022 oder März 2022 aufgesucht. Seine Einlassung aus März 2020 zu seinem Aufenthalt bei seiner Lebensgefährtin rechtfertige nicht die Observation von deren Wohnung im Februar 2022 und März 2022.

Die Beauftragung der Detektei sei Schikane, weil die Beklagte ihn loswerden wolle. So sei es völlig irrational, dass die Beklagte ihm per Änderungskündigung die Stelle des Accountmanager Süd zugewiesen habe, diese Stelle dann aber vor Arbeitsantritt Herrn Q. vergeben und ihm unterwertige und inhaltlich fremde Ausschnittsaufgaben aus dem Aufgabengebiet des Account Manager Süd zugewiesen habe. Diese offene Schikane sei Anlass für die von ihm bei dem Arbeitsgericht Mannheim eingereichte Klage auf vertragsgerechte Beschäftigung. Offene Schikane sei auch der vom Geschäftsführer E. der Beklagten erfundene Verdacht der vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit. Es sei dabei nicht nachvollziehbar, wie die Beklagte aus einem im Jahr 2008 aufgenommenen Bild ableite wolle, dass er sich im Oldtimer-Handel betätige. Die Beklagte sei ohne jeden Anlass in seine Privatsphäre eingedrungen. Der angebliche Verdacht einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit sei zu keiner Zeit begründet gewesen.

Schließlich ergebe sich aus dem Ermittlungsbericht der dringende Verdacht, dass die Detektei zu illegalen Ermittlungsmethoden gegriffen habe. Dies folge daraus, dass die Detektei im Ermittlungsbericht von einem Mercedes 560 SL spreche, einer von ihm auf EU-Modell umgerüsteten US-Version. Das ursprüngliche Modell US-Modell 560 SL sei nach dem Umbau von außen nicht mehr erkennbar und habe durch die Detektei nur durch eine Halterabfrage erfahren werden können.

Die Beklagte habe durch die Beauftragung der Detektei verhindern wollen, dass er bei der für Mai 2022 angedachten Betriebsratswahl kandidiere.

Der Kläger hat behauptet, dass der Detektivbericht nicht die gesamte Überwachung wiedergebe. Bei Kosten von 15.000,00 Euro und 50,5 Arbeitsstunden könne der zur Akte gereichte Bericht nicht der vollständige sein. Er gehe davon aus, das er bzw. sein Umfeld auch an weiteren Tagen überwacht worden sei. Die Beklagte möge den gesamten Bericht bzw. die Tagesberichte und die vollständigen Kostennoten zur Akte reichen. Unverzichtbarer Standard sei eine tägliche Berichterstattung.

Durch die auf den rechtswidrigen Überwachungsauftrag gestützte unwirksame außerordentliche Kündigung wolle die Beklagte offensichtlich die Personalkosten für den Zeitraum vom 05.04.2022 bis zum 31.08.2023 in Höhe von 255.000,00 Euro einsparen.

Aus diesem Grund sei ein Schmerzensgeld zu zahlen. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass er als Student von einem Gewalttäter bis in seine Wohnung verfolgt worden sei. Dieses Trauma sei bei der Offenbarung der Detektivüberwachung wieder reaktiviert worden.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 01.04.2022 nicht aufgelöst worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 25.000,00 Euro zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.02.2022.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, es liege ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung vor. Sie hat die Kündigung auf den Verdacht gestützt, der Kläger habe seine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht. Sie hat dazu behauptet, die vom Kläger vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 04.02.2022 und vom 17.02.2022 seien erschlichen. Jedenfalls habe er sie über die Dauer der Arbeitsunfähigkeit getäuscht. Der Kläger habe – auf Grundlage der Feststellungen der Detektei – seine arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeiten in der Zeit vom 04.02.2022 bis zum 04.03.2022 erbringen können. Da er verschiedene Alltagstätigkeiten offensichtlich ohne Einschränkung habe erledigen können, sei er auch in der Lage gewesen, die ihm übertragenen Aufgaben als Account Manager auszuführen.

Bei diesen Aufgaben handele es sich um Bürotätigkeiten. Diese Tätigkeiten könnten sitzend, stehend, im Zweifel sogar im Liegen erledigt werden. Eine Verletzung des Bewegungsapparates (z.B. eine Zerrung oder ein Bänderriss) schränke vielleicht die körperliche Beweglichkeit ein, die oben genannten Tätigkeiten seien aber dennoch ausführbar. Ggfs. seien Pausen einzulegen oder die Körperhaltung oder Sitzposition zu ändern. Die generelle Arbeitsfähigkeit sei nicht ausgeschlossen. Angesichts der Beobachtungen der Detektei sei es dem Kläger möglich gewesen, sein Laptop zu bedienen und Telefonate zu führen. Der Kläger sei weiter in der Lage gewesen, die zum Aufgabenprofil gehörigen Präsenztermine bei Kunden sowie die Erstellung von Dienstleistungskonzepten gemeinsam mit Kunden vor Ort, d.h.in der näheren Umgebung von Q., durchzuführen, da er auch im Berliner Stadtgebiet ein Auto steuern konnte. All dies zeige, dass der Kläger sie vorsätzlich getäuscht habe.

Die Einlassung des Klägers zu seiner angeblichen Verletzung am Morgen des 04.02.2022 in Q. sei widersprüchlich. Die Einlassung werde bestritten. Warum habe er nicht genau diesen Unfallhergang geschildert, anstatt sie darüber zu informieren, dass er sich außerhalb der Arbeitszeit verletzt habe. Hätte der Kläger sich tatsächlich auf der Rückfahrt von Q. nach Q. beim Ausladen seines Fahrzeugs verletzt, wäre die Verletzung ein sogenannter Wegeunfall. Um der Untersuchung durch einen Durchgangsarzt zu entgehen, habe der Kläger die Umstände seiner „Verletzung“ verschwiegen und bei der Meldung seiner Arbeitsunfähigkeit ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er sich „außerhalb der Arbeitszeit“ verletzt habe. Damit habe der Kläger eine von der Beklagten bei ordnungsgemäßer Meldung angeordnete ärztliche Untersuchung durch einen Durchgangsarzt umgangen.

Die Beklagte hat behauptet, bereits im März 2020 als auch am 30.11.2021 sei die Arbeitsunfähigkeit des Klägers nur vorgeschoben gewesen.

Die Beklagte hat gemeint, sie habe die Beweise rechtmäßig erhoben. Die Detektivermittlungen seien gemäß § 26 BDSG zulässig gewesen. Sie habe ein berechtigtes Interesse an der Datenerhebung, Datenverarbeitung und Datennutzung gehabt, weil objektive Tatsachen den Verdacht begründet hätten, dass der Kläger die Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 04.02.2022 bis zum 04.03.2022 vorgetäuscht habe.

Anlass für den Verdacht sei die am 04.02.2022 in Q. ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Der Kläger habe sich sowohl am Donnerstag, den 03.02.2022 als auch am Freitag, den 04.02.2022 in Q. und nicht in Q. aufhalten müssen. Es sei dem Kläger nach Ausspruch der Änderungskündigung in der Position des Account Manager für die Region Süd nicht mehr möglich gewesen Tätigkeiten aus seinem Homeoffice heraus zu erledigen. Vielmehr sei mit dem Arbeitsort „Competence Center Süd in Q.“ eine physische Anwesenheit dort (mit Ausnahme von Präsenzterminen bei / mit Kunden) verbunden gewesen. Die Erforderlichkeit des Umzugs ergebe sich auch mit hinreichender Klarheit aus der Änderungskündigung und der beigefügten Stellenbeschreibung. Mangels nach der Änderungskündigung fortbestehender Vereinbarung zum Homeoffice komme die Betriebsvereinbarung zum Homeoffice nicht zur Anwendung. Auch sei es dem Kläger nicht gestattet gewesen, über seine Arbeitszeit frei zu disponieren, um beispielsweise freitags keine Arbeitsleistung zu erbringen. Am Standort in Q., wie auch an allen anderen ihrer Standorte in P. verteile sich die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit auch für Außendienstmitarbeiter auf 5 Tage in der Woche und zwar von Montag bis Freitag. Unabhängig davon fehle jeder Vortrag des Klägers dazu, was er in den ersten vier Tagen der Woche gemacht habe, so dass er am 04.02.2022 seine Arbeitszeit angeblich habe „komprimieren“ dürfen.

Nach alledem müsse der Kläger deshalb entweder am Donnerstagabend oder am Freitagmorgen nach Q. gefahren sein, um sich dort am Freitag ärztlich untersuchen zu lassen. Dies stünde aber im Widerspruch zu der vom Kläger behaupteten „Verletzung“. Im Falle einer Verletzung hätte er unmöglich über 600 Kilometer mit dem Auto fahren können. Und wenn er dazu in der Lage gewesen wäre, stünde die Verletzung seiner Arbeitsfähigkeit nicht entgegen. Die Verdachtsmomente würden dadurch verstärkt, dass der Kläger sich bereits früher in Arbeitsunfähigkeit geflüchtet habe.

Die erhobenen Daten dürften auch verwertet werden. Sofern nach § 26 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 BDSG zulässig erhobene Daten den Verdacht einer Pflichtverletzung begründen, dürften sie für die Zwecke und unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG auch verarbeitet und genutzt werden. Ein milderes Mittel zur Feststellung der Arbeitsfähigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit des Klägers habe nicht bestanden. So habe insbesondere der MDK aufgrund der privaten Krankenversicherung des Klägers nicht eingeschaltet werden können. Hinzu komme, dass der Kläger nur stichprobenartig überprüft worden sei.

Da der Abschlussbericht der Detektei erst am 18.03.2022 vorgelegen habe, sei die zweiwöchige Frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Sie habe den Kläger nach Eingang des Berichts umgehend angehört und alle erforderlichen (Ermittlungs-)Maßnahmen schnellstmöglich eingeleitet und umgesetzt. Unabhängig von der Frage von Zwischenberichten habe erst der Abschlussbericht den Verdacht gegen den Kläger erhärtet.

Die Anhörung des Betriebsrats sei ordnungsgemäß erfolgt. Sie habe den Betriebsrat nicht wider besseren Wissens darüber informiert, dass der Kläger sich am Donnerstag den 03.02.2022 und am Freitag den 04.02.2022 in Q. hätte aufhalten müssen, um dort seine Tätigkeit nachzugehen. Vielmehr habe ihr der Kläger selbst mit E-Mail vom 08.03.2022 mitgeteilt, dass er sich in der vierten und fünften Kalenderwoche, d.h. vom 24.01.2022 bis zum 04.02.2022 in Q. aufgehalten habe. Aufgrund dieses Nachweises habe sie davon ausgehen dürfen und müssen, dass der Kläger sich vertragsgemäß in Q. aufhalten würde, um dort seiner Tätigkeit nachzugehen.

Dem Kläger stehe kein Anspruch wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu. Die Datenerhebung sei nicht gemäß § 26 Abs. 1 BDSG rechtswidrig gewesen. Diese sowie die Datenverwendung seien zulässig gewesen, weil sie geeignet, erforderlich und angemessen gewesen seien. Der entsprechende objektive Verdacht sei gegeben gewesen. Sinn und Zweck auch der Observation bei der V. sei gewesen, die vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit des Klägers aufzudecken, weil der Kläger sich dorthin begeben habe. Es sei auch nicht um einen Oldtimer-Handel des Klägers gegangen. Auslöser seien vielmehr das Verhalten des Klägers im Sales Meeting am 03.02.2022 sowie die nachfolgenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen gewesen. Es dürfe im Übrigen nicht unberücksichtigt bleiben, dass durch die durchgeführte Observation habe dargelegt und bewiesen werden können, dass tatsächlich eine Pflichtverletzung und eine Straftat vorlägen. Die Angemessenheit sei durch die Observationsdistanz und die nur stichprobenartige Kontrolle gewahrt. Soweit das Wohnhaus der Lebensgefährtin des Klägers in Augenschein genommen worden sei, liege dies daran, dass der Kläger ihrem Geschäftsführer per E-Mail an 18.03.2020 bekundet hatte, dass er sich derzeit nicht in seiner Wohnung aufhalte und die Briefpost an die Adresse seiner Lebensgefährtin nachgesendet werde.

Jedenfalls sei die Höhe des geltend gemachten Schmerzensgeldes von 25.000,00 Euro unangemessen hoch. Die Bildaufzeichnungen hätten nicht die Intim- oder Privatsphäre des Klägers betroffen, sondern sich insbesondere auf Geschehnisse in der Öffentlichkeit (Straße, Arztbesuche, Einkäufe) bezogen. Zu berücksichtigen sei die Dauer der Observation an nur vier Tagen in der Woche. Die vom Kläger behauptete psychische Belastung durch den Vorfall werde bestritten. Für den damaligen angeblichen Vorfall lege der Kläger keinen Nachweis vor.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 17.11.2022 dem Kündigungsschutzantrag stattgegeben. Es bestehe kein hinreichend starker Verdacht, dass der Kläger im Zeitraum vom 04.02.2022 bis zum 04.03.2022 eine tatsächlich nicht bestehende Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht habe. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf ein Schmerzensgeld. Es sei kein anspruchsbegründender Schaden des Klägers erkennbar. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist der Beklagten am 06.12.2022 und dem Kläger am 07.12.2022 zugestellt worden. Die Beklagte hat am 05.01.2023 Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 06.03.2023 – am 03.03.2023 begründet. Der Kläger hat am Montag, den 09.01.2023 Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20.02.2023 – am 07.02.2023 begründet.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger den Zahlungsantrag weiter. Es liege bei ihm ein Schaden vor. Dabei ziehe das Arbeitsgericht unzutreffende Schlussfolgerungen aus dem Schlussantrag des Generalanwalts im Verfahren C-300/21. Dieser habe ausgeführt, dass die Grenze zwischen bloßem (nicht ersatzfähigem) Ärger und echten (ersatzfähigen) immateriellen Schäden unscharf sei und es kompliziert sei, die beiden Kategorien abstrakt voneinander abzugrenzen. Diese schwierige Aufgabe obliege den Gerichten der Mitgliedstaaten. Diese Grenzziehung sei unterblieben. Dabei sei das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch im Arbeitsverhältnis zu beachten. Die heimliche Überwachung durch einen Detektiv sei dabei immer ein schwerer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und die heimliche Überwachung im Privatbereich mit Anfertigung von Fotos oder Videoaufnahmen ein besonders schwerer Eingriff. Die Beklagte verkenne auch die Rechtslage. Ihm stehe gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO ein Anspruch auf einen immateriellen Schadensersatz zu. Dabei müsse dessen abschreckende Wirkung berücksichtigt werden. Im Rahmen von Art. 82 Abs. 1 DSGVO komme es auf eine schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung nicht an. Einen Ausschluss von Bagatellschäden sehe das Europarecht nicht vor. Dabei könne ein immaterieller Schaden auch in unzulässigen Observierung durch eine Detektei bestehen.

Seine Observation sei rechtswidrig gewesen. Es habe dafür schon kein berechtigter Anlass bestanden. So sei die Form der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 17.02.2022 nicht ungewöhnlich gewesen. Es wäre der Beklagten ohne weiteres möglich gewesen, ihn dazu zu befragen, warum er am 04.02.2022 in Q. gewesen sei. Stattdessen habe sie ohne jeden Anhaltspunkt vermutet, dass er am Vormittag des 04.02.2022 mit dem eigenen Auto von Q. nach Q. gefahren sei. Daraus und aus der These, er sei nach der Verletzung mit dem Auto gereist, habe sie abgeleitet, die Arbeitsunfähigkeit sei vorgetäuscht. Die von ihm eingereichte Übersicht vom 08.03.2022 habe am Tag der Beauftragung der Detektei am 25.02.2022 ohnehin noch nicht vorgelegen. Für eine unerlaubte Nebentätigkeit habe es keinerlei Anhalt gegeben.

Und selbst bei unterstelltem Anfangsverdacht sei die Überwachung unzulässig gewesen. Durch eine Beobachtung ab dem 25.02.2022 habe schon nicht festgestellt werden können, ob er zwischen dem 04.02.2022 und dem 25.02.2022 arbeitsunfähig war. Die Überwachung der „V.“ sei rechtswidrig gewesen. Da diese zu seinem persönlichen Umfeld gehöre, sei er insoweit auch selbst betroffen gewesen.

Die umfangreiche Observation habe ihn in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Angesichts der Gesamthöhe der Detektivkosten und der damit nicht korrelierenden Anzahl der im Ermittlungsbericht vom 18.03.2022 angegebenen Beobachtungsstunden, bestehe der begründete Verdacht, dass die Beobachtung sehr viel intensiver war und sehr viel tiefer gegangen sei, als sich dem Ermittlungsbericht entnehmen lasse. Es handele sich angesichts der Dauer der Überwachung im Privatbereich durch zwei Detektive um einen schwerwiegenden Eingriff. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei die Eingriffstiefe keinesfalls gering, weil auch der Eingangs- und Außenbereich des Hauses observiert wurde. Vorsorglich werde bestritten, dass die Observationstätigkeiten der Detektei auf die im Ermittlungsbericht dargestellten Vorgänge beschränkt waren. Wegen der von der Beklagten behaupteten Detektivkosten sei dies nicht vorstellbar. Wie soll er sich zu Hause sicher fühlen, wenn die Beklagte ihn bis dorthin verfolgt? Darauf, dass die Überwachung bis zu seiner Anhörung von ihm nicht bemerkt wurde, könne es offensichtlich nicht ankommen. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sei zu berücksichtigen, dass dies lediglich ca. 10% der von der Beklagten angestrebten Personalkosteneinsparung sei.

Die Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens zum Einsatz technischer Mittel durch die Detektei werde bestritten.

Im Hinblick auf die Berufung der Beklagten ist der Kläger weiterhin der Ansicht, dass die fristlose Kündigung rechtsunwirksam sei.

Diese scheitere bereits an der fehlerhaften Betriebsratsanhörung, worauf das Arbeitsgericht in der mündlichen Verhandlung zutreffend abgestellt, dies dann aber unzutreffend zur Urteilsbegründung nicht herangezogen habe.

Die Arbeitgeberin habe dem Betriebsrat in der Anhörung mit keinem Wort erläutert, dass die Angaben zum Ort der Verletzung bloße Behauptungen seien. Die Thesen der Arbeitgeberin in der Betriebsratsanhörung beruhten auf der durch nichts belegten und unzutreffenden Unterstellung, er habe während der Verdachtsanhörung über den Ort des Verletzungsereignisses gelogen und sich in Wahrheit in Q. aufgehalten. Die Beklagte habe dem Betriebsrat außerdem eine dem deutschen Arbeitsrecht unbekannte Teilarbeitsfähigkeit suggeriert. Darüber hinaus habe sie ins Blaue hinein behauptet, sein Gesundheitszustand habe während der gesamten Dauer der Arbeitsunfähigkeit der Durchführung von Kundenbesuchen nicht entgegengestanden. Schließlich habe die Beklagte bei der ihr wichtigen Gesamtwürdigung in der Betriebsratsanhörung wesentliche Sachverhaltsteile verschwiegen. Dies betreffe das von ihm vor dem Arbeitsgericht Mannheim angestrengte Verfahren, in dem es im Wesentlichen darum gehe, dass die Beklagte aus seiner Sicht die ihm durch Änderungskündigung zugewiesenen Aufgaben anderweitig vergeben und ihm stattdessen unterwertige Aufgaben zugewiesen habe. Er habe sich keinesfalls unwillig gezeigt, die ihm im Wege der Änderungskündigung zugewiesenen Aufgaben zu erledigen, sondern hierfür sogar gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen.

Im Hinblick auf den Kündigungsvorwurf scheitere die Annahme eines – nicht zutreffenden – für eine Verdachtskündigung nicht ausreichenden Verdacht durch das Arbeitsgericht daran, dass die Beklagte es unterlassen habe, ihn vor Beauftragung der Detektei zu seinem Aufenthalt am Abend des 03.02.2022 und des Morgens am 04.02.2022 zu befragen. Das mildere Mittel der Anhörung vor Beauftragung der Detektei stehe auch der Verwertung des Detektivberichts entgegen. Und auch seine Verdachtsanhörung am 23.03.2022 sei einem vorbereiteten, präzisen Fragenkatalog gefolgt und habe keinen Raum für ergänzende Stellungnahmen gelassen. Der Vorfall habe sich tatsächlich wie folgt zugetragen:

Er sei am 03.02.2022 gegen 18.00 Uhr in Q. aufgebrochen. An der Raststätte

X. habe er gegen 22.00 Uhr kurz pausiert und getankt. Gegen 0.00 Uhr sei er in Q. angekommen. Bei der Ankunft in Q. sei er sehr müde gewesen. Da er, wie die Beklagte wisse, an einer fortschreitenden Hüftarthrose leide, habe er sich, wie häufig nach längeren Fahrten, nicht gut bewegen können. Schwere Lasten trage er in einem solchem Zustand nicht, insbesondere nicht über die doch recht steile Treppe zu seinem Haus. Daher habe er den Koffer im Kofferraum gelassen und nur die Laptoptasche mitgenommen. Am Morgen des 04.02.2022 um kurz vor 08.00 Uhr habe er den Koffer aus dem Fahrzeug geholt. Als er mit dem schweren Koffer die Treppe zum Haus hochgegangen sei, sei der Griff des Koffers abgerissen. Dabei sei er gestolpert und habe sich beim Versuch, den Koffer und das Gleichgewicht zu halten, verhoben und vertreten. Die Auffangbewegungen hätten einen sehr heftigen Schmerz ausgelöst, vermutlich sei es zu einem Bandscheibenvorfall gekommen. Gesichert sei die Feststellung massiver und äußerst schmerzhafter Muskelverhärtungen. Er habe nach dem 04.02.2022 mehr als zwei Wochen nicht vernünftig laufen und nicht Autofahren können. Die behandelnde Ärztin habe ihm Physiotherapietermine verordnet, welche an folgenden Tagen stattgefunden hätten: 09.02.2022, 11.02.2022, 18.02.2022, 21.02.2022, 22.02.2022, 23.02.2022, 25.02.2022, 28.02.2022, 02.03.2022, 04.03.2022. Wegen der Einzelheiten wird auf die vom Kläger in Ablichtung zur Akte gereichte Physiotherapierechnung vom 04.03.2022 Bezug genommen. Selbst die ärztlich verschriebenen Termine beim Physiotherapeuten habe er zunächst nur mit Hilfe einer namentlich benannten Freundin und eines namentlich benannten Freundes wahrnehmen können, die ihn gefahren hätten. Erst ab dem 21.02.2022 habe er nach Besserung des Zustands selbst fahren können. All dies könne auch der Physiotherapist bestätigen. Dass die Ursache der Arbeitsunfähigkeit ein Rückenproblem sei, aufgrund dessen er außerstande gewesen sei, längere Zeit zu sitzen und Auto zu fahren, habe er zudem bereits im Gütetermin ausgeführt und detaillierter dann im Kammertermin.

Unabhängig davon beschränke sich die Darlegung der Beklagten dazu, dass er seinen Alltagsgeschäften nachgehen könne, auf die Zeit ab dem 28.02.2022. Und selbst für den Zeitraum ab diesem Tag überzeuge die Ansicht der Beklagten nicht. Er sei nicht einmal teilarbeitsfähig gewesen. Mangels relevanter Wirtschaftsstruktur im Umkreis von 20 bis 25 km um Q. herum sei eine Reisetätigkeit unvermeidlich gewesen.

Der Kläger beantragt,

1. die Berufung der Beklagten vom 05.01.2023 zurückzuweisen und

2. unter Abänderung des Ausspruchs zu Ziffer 2. des Urteils des Arbeitsgerichts Krefeld vom 17.11.2022 – 4 Ca 566/22 – die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 25.000,00 Euro zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.02.2022.

Die Beklagte beantragt,

1. das am 17.11.2022 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld – 4 Ca 566/22 – abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen und

2. die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 17.11.2022 zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die von ihr ausgesprochene außerordentliche Kündigung sei rechtswirksam. Das Arbeitsgericht habe die Anforderungen an den Grad des die Verdachtskündigung rechtfertigenden Verdachts überspannt.

War der Kläger in der Lage, die von der Detektei beobachteten Tätigkeiten zu verrichten, bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass er auch in der Lage gewesen sei, die geschuldeten leichten Bürotätigkeiten zu verrichten.

Der Kläger kläre nicht auf, warum er sitzende Tätigkeiten oder längere Autofahrten nicht hätte verrichten können. Er behaupte zwar eine Verletzung, ohne aber die näheren Umstände, geschweige denn die Art seiner Verletzung und deren Auswirkungen auf seine Arbeitsfähigkeit darzustellen. Ohne diese Informationen sei eine Beurteilung, ob der Kläger in der Lage war, sitzende Tätigkeiten zu verrichten oder Auto zu fahren, nicht möglich. Unzutreffend sei auch, dass die Tätigkeiten des Klägers nur im Sitzen hätten verrichtet werden können, weil der Kläger nicht an einen stationären Arbeitsplatzrechner oder ein Festnetztelefon gebunden sei. Der Kläger hätte sich ohne weiteres beim Telefonieren bewegen können. Die Annahme des Arbeitsgerichts, es sei möglich, dass der Kläger nicht in der Lage sei, sitzend zu arbeiten und Auto zu fahren, seien unbegründete Vermutungen des Gerichts. Fest stehe z.B., dass der Kläger fahrtüchtig gewesen sei. Woraus ergebe sich die Schlussfolgerung, dass er längere Autofahrten nicht zurücklegen könne? Ohnehin komme es auf „längere“ Autofahrten gar nicht an, weil der Kläger in der Lage gewesen wäre, Kunden im Umkreis zu seinem Arbeitsort zu besuchen. Die Vertriebstätigkeit des Klägers habe diesen nicht laufend und ständig an die Randgebiete des ihm übertragenen Vertriebsgebietes führen müssen. Ohnehin bleibe unklar, was mit „längeren“ Autofahrten gemeint sei. Außerdem hab der Kläger das Vertriebsgebiet gerade übernommen, so dass zu besuchende Kunden ohnehin erst hätten identifiziert werden müssen.

Zu berücksichtigen sei weiter, dass der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erschüttert sei. Dies habe das Arbeitsgericht übersehen. Dem erschütterten Beweiswert sei der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Es fehle substantiierter Vortrag des Klägers dazu, welche Krankheiten vorgelegen haben, welche gesundheitlichen Einschränkungen bestanden haben und welche Verhaltensmaßregeln oder Medikamente ärztlich verordnet wurden. Erst die Kenntnis der Umstände und der Natur der Verletzung hätten eine medizinische Beurteilung der Auswirkungen der Verletzung auf die Arbeitsfähigkeit des Klägers erlaubt. Es sei nicht klar, ob sich der Kläger tatsächlich, wie von ihm zuletzt nach mehrfacher Anpassung seines Vorbringens behauptete, beim morgendlichen Ausladen seines Gepäcks in Q. verletzt habe, obwohl er sich zu diesem Zeitpunkt in Q. hätte aufhalten müssen. Es stehe auch nicht fest, welche Verletzung sich der Kläger zugezogen haben will, geschweige denn, ob und gegebenenfalls wie sich diese Verletzung auf die Arbeitsfähigkeit des Klägers auswirke. Mangels substantiiertem Vortrag des Klägers sei von dessen Arbeitsfähigkeit auszugehen. Außerdem sei die Durchführung von Dienstreisen auf Grund der epidemiologischen Lage in Deutschland zum Zeitpunkt des hier in Rede stehenden Zeitraums ausgeschlossen gewesen.

Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 06.04.2023 zum Hergang am 03.02.2022 und 04.02.2022 und den angeblichen Verletzungen vortrage, sei dies verspätet. Unabhängig davon genüge der Vortrag nach wie vor nicht den Anforderungen der Rechtsprechung an den Vortrag bei erschüttertem Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Der Vortrag des Klägers lasse nach wie vor offen, welcher Natur seine Verletzung gewesen sei (Bandscheibenvorfall oder Muskelverhärtung), welche gesundheitlichen Einschränkungen mit der Verletzung verbunden gewesen seien und schließlich welche Verhaltensmaßregeln oder Medikamente ihm ärztlich verordnet worden seien.

Entgegen der Ansicht des Klägers sei sie auch nicht von einer bloßen Teilarbeitsfähigkeit des Klägers ausgegangen. Das Arbeitsgericht habe übersehen, dass sie den Kläger angewiesen hatte, sich auf die Akquise von Neukunden zu konzentrieren und diese Anweisung keine Kundenbesuche, sondern in aller erster Linie eine Marktanalyse des Vertriebsgebietes, die Identifikation und Erstansprache der potentiellen Kunden zum Gegenstand gehabt habe. Irgendwelche Dienstreisen hätten nicht angestanden. Zudem seien Dienstreisen auf Grund der epidemiologischen Lage und dem dadurch bedingten Verbot von Präsenzterminen ausgeschlossen gewesen.

Sie sei außerdem berechtigt gewesen, den Kläger durch die Detektei zu überwachen. Diese Maßnahme sei grundsätzlich nach § 26 BDSG zulässig und im konkreten Einzelfall geeignet, erforderlich und angemessen. Der Kläger verkenne, dass die Beklagte mit der Observation einem auf objektiven Tatsachen begründeten Anfangsverdacht nachgegangen sei. Zu einer vorherigen Anhörung habe sie keinerlei Anlass gehabt. Aufgrund der geänderten Arbeitsbedingungen habe sie berechtigterweise davon ausgehen dürfen, dass der Kläger sich am 03.02.2022 und 04.02.2022 in Q. aufgehalten habe. Darin sei sie mit der E-Mail des Klägers vom 08.03.2022 bestärkt worden. Soweit der Kläger rüge, dass sie ihn erst ab dem 28.02.2022 überwacht habe, widerspreche er sich selbst.

Entgegen der Ansicht des Klägers sei die Anhörung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung rechtswirksam erfolgt. Es gelte der Grundsatz der subjektiven Determination. Mitgeteilt werden müssten im Übrigen nur Tatsachen, die ihr bekannt seien und für die Stellungnahme des Betriebsrats möglicherweise bedeutsam seien, weil diese den Arbeitnehmer entlasten. Diesen Anforderungen sei genügt. So habe sie den Betriebsrat vollständig unterrichtet und als Unterlagen u.a. den Inhalt der E-Mail des Klägers vom 04.02.2022, die vom Kläger eingereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, den Bericht der Detektei, die Einladung des Klägers zum Personalgespräch und das Protokoll der Anhörung des Klägers beigefügt. Sie habe auch die Tatsachen mitgeteilt, aufgrund derer sie ihre Schlussfolgerungen gründete und welche zunächst Anlass für die Detektivüberwachung gewesen seien. Die Bewertung zum Aufenthaltsort des Klägers sei dabei zunächst nur Anlass für die Detektivüberwachung gewesen. Auch unter Berücksichtigung der E-Mail vom 08.03.2022 habe sie keinen Anlass für die Annahme gehabt, dass er sich vertragswidrig in Q. aufhalte. Sie habe den Kläger auch ausreichend angehört.

Die Anhörung sei auch nicht deshalb unvollständig, weil sie nicht auf das beim Arbeitsgericht Mannheim anhängige Verfahren zur Beschäftigung hingewiesen habe. Zutreffend habe sie den Betriebsrat über das Verfahren der Änderungskündigung unterrichtet, damit dieser deren Wirksamkeit und die geänderten Arbeitsbedingungen nachvollziehen könne. Betreffend das beim Arbeitsgericht Mannheim anhängige Verfahren betreffend die Beschäftigung sei sie damals und bis heute nicht davon ausgegangen, dass dieses Verfahren, jedenfalls soweit es die vom Kläger in diesem Verfahren behaupteten Arbeitsbedingungen zum Gegenstand hat, irgendeine Relevanz für die Frage der Wirksamkeit der von ihr ausgesprochenen Kündigungen wegen des Verdachts des Vortäuschens einer Verletzung habe.

Ein Anspruch des Klägers auf Schmerzensgeld sei weder dem Grunde noch der Höhe nach begründet. Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts.

Zunächst rügt die Beklagte, dass der Kläger für seinen Zahlungsanspruch keine Rechtsgrundlage nenne.

Art. 82 DSGVO betreffe nur die Art der Informationserlangung und die intransparente Datenverarbeitung. Knüpfe die Beeinträchtigung dagegen an das Ergebnis des Kommunikationsprozesses, nämlich die Veröffentlichung und Verbreitung der personenrelevanten Daten, an, so sei allein der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen, und eine Anwendung des Art. 82 DSGVO kommt nicht in Betracht. Der Kläger stütze seinen Anspruch aber auf die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, begründe dies aber mit einer rechtswidrigen Informationserlangung. Das Arbeitsgericht habe den Vortrag des Klägers ausgelegt und sei unter Wertung des Vortrags des Klägers zutreffend zu der Auffassung gelangt, dass das Klagebegehren nach den Grundsätzen des Art. 82 DSGVO zu werten sei.

Das Arbeitsgericht habe dabei das rechtliche Gehör nicht verletzt. Vielmehr sei die Frage eines immateriellen Schadens i.S.v. Art. 82 DSGVO Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Ohnehin komme es auf die Frage des Schadens nicht an, weil es an einer rechtswidrigen Verletzung der Rechte des Klägers fehle.

Da die Datenerhebung gemäß Art. 88 DSGVO i.V.m. § 26 BDSG zulässig gewesen sei, fehle es schon an dem für Art. 82 DSGVO erforderlichen Verstoß gegen die DSGVO. Ein Schadensersatzanspruch bestehe bereits dem Grunde nach nicht.

Es seien auch zu keinem Zeitpunkt Daten Dritter erhoben worden. Zur Aufklärung des gegen den Kläger ihrer Ansicht nach bestehenden Verdachts sei es u.a. erforderlich gewesen, aufzuklären, ob sich der Kläger tatsächlich zu einem Arzt begeben würde, um sich einer ärztlichen Untersuchung oder Behandlung zu unterziehen. Die Detektive hätten sich deshalb am Freitag, den 25.02.2022 um 20.30 Uhr zur Praxisgemeinschaft der den Kläger behandelnden Ärzte begeben, um sich einen Überblick und einen ersten Eindruck von den Örtlichkeiten zu verschaffen. Aus diesem Grund sei bewusst der Freitagabend gewählt, weil zu dieser Zeit keinerlei Praxisbesuch zu erwarten war. Am Montag sei lediglich überprüft worden, ob der Kläger sich zu der Praxis begeben habe. Auch die Observation der Wohnanschrift der Lebensgefährtin der Klägerin habe sich auf den Kläger bezogen.

Unabhängig davon fehle es an einem Schaden. Dies habe das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Die bloße Verletzung einer Norm der DSGVO genüge nicht, um einen Anspruch gemäß Art. 82 DSGVO auszulösen. Der Ersatz immaterieller Schäden dürfe sich nicht auf ein bloßes Ärgernis erstrecken. Der Kläger habe nichts vorgebracht, was einen messbaren Schaden nahelege. Der gesamte Vortrag des Klägers fuße auf der Rechtsauffassung, wonach allein der Datenschutzverstoß einen Schadensersatzanspruch begründe. Dies treffe nicht zu.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle in beiden Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A. Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Die zulässige Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg.

I.Die Berufung der Beklagten ist unbegründet, weil der rechtzeitig erhobene Kündigungsschutzantrag des Klägers betreffend die fristlose Kündigung der Beklagten vom 01.04.2022 begründet ist. Die fristlose Kündigung der Beklagten vom 01.04.2022 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst, weil sie gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG rechtsunwirksam ist.

1. Eine Kündigung ist gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht nur unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat überhaupt zu beteiligen, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat, er insbesondere seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht ausreichend nachgekommen ist (BAG 03.11.2011 – 2 AZR 748/10, juris Rn. 38; BAG 19.07.2012 – 2 AZR 352/11, juris Rn. 41 jeweils m.w.N.).

a)Richtig ist allerdings, dass an die Mitteilungspflicht nicht dieselben Anforderungen zu stellen sind, wie an die Darlegung des Arbeitgebers im Prozess. Es gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die die Kündigung aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat (BAG 03.11.2011 a.a.O. Rn. 38; BAG 19.07.20102 a.a.O. Rn. 41; BAG 16.07.2015 – 2 AZR 15/15, juris Rn. 15; BAG 19.11.2015 – 2 AZR 217/15, NZA 2016, 540 Rn. 44 jeweils m.w.N.).

b)Um keine Frage der subjektiven Determinierung handelt es sich aber, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat den Sachverhalt bewusst irreführend schildert, damit sich die Kündigungsgründe als möglichst überzeugend darstellen. Nach Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens ist eine bewusst und gewollt unrichtige oder unvollständige Mitteilung der für den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers maßgebenden Kündigungsgründe wie eine Nichtinformation des Betriebsrats zu behandeln. Sie kann nicht nur in der Aufbereitung der mitgeteilten Tatsachen, sondern auch in der Weglassung gegen die Kündigung sprechender, den Arbeitnehmer entlastender Informationen bestehen und führt zur Unwirksamkeit der Kündigung entsprechend § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG, wenn die bewusst irreführend dargestellten bzw. weggelassenen Tatsachen nicht nur eine unzutreffende Ergänzung oder Konkretisierung des mitgeteilten Sachverhalts bewirken. Der Arbeitgeber verletzt durch eine derartige Darstellung nicht nur die im Anhörungsverfahren geltende Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit nach §§ 2 Abs. 1, 74 BetrVG, sondern er setzt den Betriebsrat auch außerstande, sich ein zutreffendes Bild von den Gründen für die Kündigung zu machen (grundlegend BAG 22.09.1994 – 2 AZR 31/94, juris Rn. 26 f.; nachfolgend BAG 03.09.1995 – 2 AZR 461/94, NZA 1995, 678 Rn. 32; BAG 27.02.1997 – 2 AZR 37/96, juris Rn. 21; BAG 03.11.2011 a.a.O. Rn. 38; BAG 19.07.2012 a.a.O. Rn. 41).

Eine zwar vermeidbare, aber unbewusst erfolgte, „bloß“ objektive Fehlinformation führt dagegen für sich genommen nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber bei größerer Sorgfalt die richtige Sachlage hätte kennen können. Maßgeblich ist, ob er subjektiv gutgläubig und ob trotz objektiv falscher Unterrichtung dem Sinn und Zweck der Betriebsratsanhörung Genüge getan ist. Dies ist bei einer unbewussten Falschinformation dann der Fall, wenn sich der Inhalt der Unterrichtung mit dem tatsächlichen Kenntnisstand des Arbeitgebers deckt und der Betriebsrat damit auf derselben Tatsachenbasis wie dieser auf dessen Kündigungsabsicht einwirken kann (BAG 16.07.2015 a.a.O. Rn. 17). Die subjektive Überzeugung des Arbeitgebers von der Relevanz oder Irrelevanz bestimmter Umstände ist für den Umfang der Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht maßgeblich, wenn dadurch der Zweck der Betriebsratsanhörung verfehlt würde. Der Arbeitgeber darf ihm bekannte Umstände, die sich bei objektiver Betrachtung zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können, dem Betriebsrat nicht deshalb vorenthalten, weil sie für seinen eigenen Kündigungsentschluss nicht von Bedeutung waren. In diesem Sinne ist die Betriebsratsanhörung – ausgehend vom subjektiven Kenntnisstand des Arbeitgebers – auch objektiv, d.h. durch Sinn und Zweck der Anhörung determiniert (BAG 16.07.2015 a.a.O. Rn. 19; BAG 19.11.2015 a.a.O. Rn. 45).

c)Die Darlegungs- und Beweislast für die nicht bewusste Irreführung trägt der Arbeitgeber, wenn die objektiven Daten mit der Information des Betriebsrats nicht übereinstimmen. Bestreitet der Arbeitnehmer die „ordnungsgemäße“ Betriebsratsanhörung, ist es Sache des Arbeitgebers, deren Richtigkeit und Vollständigkeit darzulegen. Ergeben sich entweder bereits Unterschiede zwischen der objektiven Informationslage und der Information an den Betriebsrat oder bestreitet der Arbeitnehmer die Richtigkeit der Informationen an den Betriebsrat, ist es schon aus Gründen der Sachnähe Aufgabe des Arbeitgebers, darzulegen und notfalls zu beweisen, dass er den Betriebsrat nicht bewusst in die Irre geführt hat (BAG 22.09.1994 a.a.O. Rn. 31; BAG 03.09.1995 a.a.O. Rn. 36 a.E.). Die Beweislast für seine Gutgläubigkeit, d.h. eine Information, die dem eigenen Kenntnisstand entspricht und damit gutgläubig und nur objektiv fehlerhaft ist, trägt der Arbeitgeber (BAG 16.07.2015 a.a.O. Rn. 20).

2.In Anwendung dieser Grundsätze, von denen abzuweichen kein Anlass besteht, ergibt sich zur Überzeugung der Kammer, dass die Beklagte den Betriebsrat vor Ausspruch der fristlosen Kündigung vom 01.04.2022 ausgehend von deren eigenem Kenntnisstand bewusst unvollständig und irreführend unterrichtet hat.

a)Die Beklagte hat den Betriebsrat bewusst und gewollt unrichtig und unvollständige über die für ihren Kündigungsentschluss maßgebenden Kündigungsgründe informiert. Richtig ist, dass die Beklagte in dem Anhörungsschreiben vom 28.03.2022 zunächst zu „2. Sachverhalt“ den aus ihrer Sicht maßgeblichen Kündigungssachverhalt geschildert hat. In dem folgenden Abschnitt „2. Bewertung“ (Anm.: Die Ziffer 2. ist zweimal vergeben), führt die Beklagte dann zu b.) aus, was aus ihrer Sicht die Pflichtverletzung darstellt. Mit dem Vortäuschen seiner Arbeitsunfähigkeit habe der Kläger seine arbeitsvertraglichen Pflichten in besonders schwerwiegender Weise verletzt. Die dann geschilderten Umstände begründeten den Verdacht des Vortäuschens der Arbeitsunfähigkeit. In einem nächsten Punkt c.) zu „2. Bewertung“ führt die Beklagte die Interessenabwägung durch. Im Rahmen dieser Interessenabwägung stellt sie auf zweierlei Umstände ab. Zum einen sei dies die besondere Schwere der Pflichtverletzung. Zum andere stehe der Dauer der Betriebszugehörigkeit die Tatsache entgegen, dass der Kläger sich bislang völlig unwillig gezeigt habe, der ihm im Wege der Änderungskündigung zugewiesenen Tätigkeit auch tatsächlich nachzugehen. Er weigere sich trotz ausdrücklicher anderslautender Anordnung das CRM zu führen und dort seine vertrieblichen Aktivitäten zu dokumentieren. Er weigert sich ferner, Aufträge in dem ihm übertragenen Zuständigkeitsbereich zu akquirieren. Soweit der Kläger überhaupt aktiver Arbeit nachgegangen sei (7 Wochen), könne er auf keinerlei vertriebliche Aktivitäten in dem ihm zugewiesenen Zuständigkeitsbereich verweisen. Die Beklagte schließt dann damit, dass sie anführt, dass das Verhalten des Klägers in seiner Gesamtschau dessen mangelnde Bereitschaft dokumentiere, seine Arbeitsleistung ordnungs- und weisungsgemäß zu erbringen. Die Schwere der Pflichtverletzung begründe ihr Interesse an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte bringt damit deutlich zum Ausdruck, dass maßgebliche Tatsache für ihren Kündigungsentschluss auch die von ihr angenommene Weigerung des Klägers sei, die nach der Änderungskündigung arbeitsvertraglich geschuldeten Leistungen zu erbringen. Sie stellt gerade unter Berücksichtigung dieser Tatsache in der Gesamtschau darauf ab, dass der Kläger nicht bereit sei, seine Arbeitsleistung ordnungs- und weisungsgemäß zu erfüllen.

b)Die Beklagte lässt bei der von ihr in diesem Zusammenhang dem Betriebsrat mitgeteilten Sachverhaltslage aber einen wesentlichen und den Kläger potenziell entlastenden Umstand weg. Der Kläger steht nämlich auf dem Standpunkt, dass er sehr wohl bereit sei, die von ihm nach der Änderungskündigung geschuldeten Aufgaben zu erbringen. Der Kläger hat deshalb unstreitig bei dem Arbeitsgericht Mannheim Klage auf die aus seiner Sicht vertragsgemäße Beschäftigung erhoben. Er ist dabei im Wesentlichen der Ansicht, dass die Beklagte die ihm per Änderungskündigung zugewiesenen Aufgaben anderweitig vergeben und ihm stattdessen unterwertige Aufgaben übertragen habe. Es kommt an dieser Stelle nicht darauf an, ob dies zutrifft. Es handelt sich indes um einen wesentlichen, den Kläger möglicherweise entlastenden Umstand. Die Arbeitgeberin schildert an dieser Stelle der für sie maßgeblichen Gesamtwürdigung in diesem Punkt einseitig ihre Sicht. Den den Kläger potenziell entlastenden Umstand der erhobenen Beschäftigungsklage aufgrund der vom Kläger angenommenen vertragswidrigen Beschäftigung lässt sie weg. Die Beklagte hat den Betriebsrat so nicht in die Lage versetzt, sich ein zutreffendes und vollständiges Bild von den Gründen für die Kündigung zu machen. Soweit die Beklagte im Prozess mitgeteilt hat, dass sie davon ausgegangen sei und bis heute davon ausgehe, dass das Verfahren vor dem Arbeitsgericht Mannheim – soweit es die von dem Kläger in diesem Verfahren behaupteten Arbeitsbedingungen zum Gegenstand habe – keine Relevanz für die ausgesprochene Kündigung wegen des Verdachts des Vortäuschens einer Verletzung habe, trifft dies ausweislich der eigenen Betriebsratsanhörung der Beklagten nicht zu. Sie stellt dort ausdrücklich auf die angebliche Weigerung des Klägers in der von ihr angenommenen Form der völligen Unwilligkeit ab, die diesem im Wege der Änderungskündigung zugewiesenen Aufgaben auch tatsächlich auszuführen. Sie begründet auch damit in der von ihr vorgenommenen Gesamtschau, die mangelnde Arbeitsbereitschaft des Klägers.

c)Es handelt sich bei der unvollständigen Unterrichtung des Betriebsrats in dem oben beschriebenen Sinne auch nicht um eine zwar vermeidbare aber bloß unbewusst erfolgte objektive Fehlinformation. Vielmehr hat die Beklagte die ihr bekannte vom Kläger erhobene Beschäftigungsklage in der Betriebsratsanhörung bewusst weggelassen. Die Beschäftigungsklage und die darin enthaltende Argumentation des Klägers, dass er aus seiner Sicht vertragswidrig beschäftigt werden solle, war der Beklagten unstreitig bekannt. So hat sie selbst auf Seite 12 in der Klageerwiderung vom 29.07.2022 ausgeführt, dass der Kläger sie am 04.02.2022 – und damit 20 Arbeitstage nach Aufnahme der Tätigkeit – vor dem Arbeitsgericht Mannheim auf vertragsgemäße Beschäftigung in Anspruch genommen habe. Die Beklagte führt dann selber aus, dass der Kläger in der Klageschrift eine vertragswidrige Versetzung auf eine frei erfundene Position und die Beschäftigung mit minderwertigen, nicht dem Änderungsangebot aus der Änderungskündigung entsprechenden Aufgaben und Zuständigkeiten behaupte. Die Beklagte hat den Betriebsrat ausgehend von ihrem eigenen Kenntnisstand nicht gutgläubig und nur objektiv fehlerhaft unterrichtet. Soweit die Beklagte an dieser Stelle schriftsätzlich eingewandt hat, sie sei davon ausgegangen, dass die Klage auf Vertragsgemäße Beschäftigung keine Relevanz für die ausgesprochene Kündigung wegen des Verdachts des Vortäuschens einer Verletzung habe, ist dies aus zwei eigenständigen Gründen unerheblich. Zum einen kommt es – wie ausgeführt – für den Umfang der Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG auf die subjektive Überzeugung des Arbeitgebers von der Relevanz oder Irrelevanz bestimmter Umstände nicht an, wenn dadurch der Zweck der Betriebsratsanhörung verfehlt würde. Die Betriebsratsanhörung ist insoweit auch objektiv durch Sinn und Zweck der Anhörung determiniert. Genau so liegt es hier. Die Beklagte stellt in der Anhörung maßgeblich auch auf die angebliche Arbeitsverweigerung des Klägers ab, lässt dabei aber dessen ihr bekannte Einlassung dazu in Form der Beschäftigungsklage weg. Unabhängig davon und selbständig tragend ist die Kammer bei Würdigung aller Umstände der Überzeugung, dass die Beklagte die Beschäftigungsklage letztlich bewusst weggelassen hat. Sie hat den Sachverhalt ansonsten umfassend geschildert. Sie hat auch ein anderes Verfahren in der Betriebsratsanhörung benannt, wie den Ausgang der Änderungsschutzklage, um nach der eigenen Einlassung zu zeigen, wie sich die Arbeitsbedingungen dadurch geändert hatten. Wenn sie dann in der Betriebsratsanhörung auch auf die angebliche Arbeitsverweigerung des Klägers abstellt und dessen Beschäftigungsklage weglässt, lässt dies zur Überzeugung der Kammer auch bei Würdigung aller Umstände nur den Schluss zu, dass die Beklagte die Anhörung insoweit aus ihrer Sicht günstiger darstellen wollte. Die Frage der Betriebsratsanhörung und die Frage des Einbringens des Verfahrens auf vertragsmäßige Beschäftigung in die Betriebsratsanhörung ist im Termin mit den Parteien nochmals erörtert worden. Aspekte, welche eine andere als hier vorgenommene Bewertung rechtfertigen, sind dabei nicht vorgetragen worden.

II.Die Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO eine Entschädigung in Höhe von 1.500,00 Euro zu zahlen. Eine weitergehende Entschädigung steht dem Kläger nicht zu.

1. Der Zahlungsantrag des Klägers, welchen er mit der Berufung weiterverfolgt, ist zulässig.

a)Gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Einen solchen Anspruch macht der Kläger hier geltend, auch wenn er im Antrag von einem Schmerzensgeld spricht. Damit bringt er nur zum Ausdruck, dass es ihm insoweit nicht um einen materiellen Schadensersatz geht, sondern den davon zu unterscheidenden immateriellen Schadensersatz gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO (vgl. zur Abgrenzung von immateriellen und materiellem Schadensersatz als unterschiedliche Streitgegenstände zu § 15 Abs. 1 und 2 AGG: BAG 16.02.2012 – 8 AZR 697/10, juris Rn. 21), welchen die Kammer als Entschädigung bezeichnet hat. Davon geht der Kläger zuletzt ausdrücklich aus, wenn er sich zur Begründung seines Begehrens auf Art. 82 Abs. 1 DSGVO stützt und ausführt, dass es insoweit auf eine schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung nicht ankomme und die Observation durch einen Detektiv einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 DSGVO darstelle. Die Beklagte hat das Klagebegehren genauso verstanden, geht indes davon aus, dass die Datenverarbeitung durch sie rechtmäßig erfolgt sei und insbesondere alleine ein Verstoß gegen die DSGVO keinen Schaden darstelle.

b)Der Zahlungsantrag ist hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dazu genügt es für den hier geltend gemachten Entschädigungsanspruch, dass der Kläger die Tatsachen benennt, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrags heranziehen soll und eine Größenordnung der geltend gemachten Forderung benennt. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen des hier geführten Zivilprozesses nicht etwa Datenschutzverstöße von Amts wegen zu prüfen sind, sondern der Kläger durch seinen Sachvortrag im Rahmen der Dispositionsmaxime den Streitgegenstand bestimmt, der auf einen etwaigen Verstoß im oben genannten Sinne zu prüfen ist (vgl. LAG Düsseldorf 11.03.2020 – 12 Sa 186/19, juris Rn. 125). Diese Anforderungen sind erfüllt. Zwar hat der Kläger die Höhe des Anspruchs in das Ermessen des Gerichts gestellt, zugleich aber eine Größenordnung in Form einer gewünschten Mindesthöhe angegeben. Der Kläger hat auch angegeben, um welche aus seiner Sicht unzulässige Datenverwertung es geht, nämlich die vollständige Überwachung seiner Person und seines Lebensumfeldes einschließlich der von ihm angenommenen Halterabfrage durch die von der Arbeitgeberin beauftragte Detektei.

2. Der Anspruch auf eine Entschädigung für den immateriellen Schaden ist gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO in Höhe von 1.500,00 Euro begründet.

a)Die Voraussetzungen des Art. 82 Abs. 1 DSGVO liegen dem Grunde nach vor.

aa)Der Kläger ist als natürliche Person anspruchsberechtigt. Die Beklagte ist als juristische Person i.S.v. Art. 4 Nr. 7 DSGVO Verantwortliche. Unstreitig hat diese durch ihren Geschäftsführer die Detektivüberwachung des Klägers in Auftrag gegeben und damit über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Klägers entschieden. Es handelt sich dabei um Datenverarbeitung i.S.v. Art. 4 Nr. 2 DSGVO, weil dadurch Daten über den Kläger erhoben und verwandt wurden (vgl. bereits BAG 19.02.2015 – 8 AZR 1007/13, juris Rn. 23).

bb)Es liegt der für Art. 82 DSGVO erforderliche Verstoß gegen deren Bestimmungen vor, weil die Detektivüberwachung des Klägers als Datenverarbeitung im vorliegenden Fall unverhältnismäßig und damit rechtswidrig war.

(1)Die Kammer geht dabei zunächst unter Bezugnahme auf den Erwägungsgrund aus 146 Satz 5 davon aus, dass für einen Verstoß „gegen die Verordnung“ auch ein Verstoß gegen die erlassenen delegierten Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte sowie präzisierenden Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten ausreicht (so z.B. Quaas in BeckOK Datenschutzrecht, Wolff/Brink/v. Ungern-Sternberg, Stand: 01.05.2023, Art. 82 DSGVO Rn. 15). Hier liegt ein Verstoß gegen § 26 Abs. 1 BDSG vor, weil die Überwachung des Klägers unverhältnismäßig war. § 26 Abs. 1 BDSG regelt die Datenverarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses. Es soll sich um eine Vorschrift auf der Grundlage von Art. 88 DSGVO handeln. Ein Verstoß gegen Art. 26 Abs. 1 BDSG bedeutet daher zugleich einen Verstoß gegen die DSGVO, weil das nationale Recht die DSGVO insoweit nur ausgestaltet.

(2)Es kann offenbleiben, ob Art. 26 Abs. 1 BDSG unangewendet bleiben muss, weil er den Vorgaben von Art. 88 Abs. 2 DSGVO nicht entspricht und auch nicht den Anforderungen von Art. 6 Abs. 3 DSGVO genügt (vgl. dazu EuGH 30.03.2023 – C-34/21, juris). Wäre dem so, dann würde die Verarbeitung personenbezogener Daten im Beschäftigungskontext im privaten Bereich unmittelbar durch die Bestimmungen der DSGVO geregelt (EuGH 30.03.2023 – C-34/21, juris Rn. 84). Ggfs. kämen hier Art. 6 Abs. 1 b) DSGVO in Betracht, wenn die Verarbeitung für die Erfüllung eines Vertrags erforderlich ist oder aber Art. 6 Abs. 1 f ) DSGVO, wenn die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen. Bereits hier kommt jeweils der Aspekt der Erforderlichkeit der Datenverarbeitung als Tatbestandsvoraussetzung in Betracht. Zugleich ist der Grundsatz der Datenminimierung aus Art. 5 Abs. 1 c DSGVO zu beachten. Danach muss die Verarbeitung der personenbezogenen Daten dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein. Nichts Anderes gilt für Art. 9 DSGVO, der Gesundheitsdaten betrifft. Der Aspekt der Erforderlichkeit und Datenminimierung ist auch hier in jedem Fall zu beachten (vgl. zum Verhältnis von Art. 6 und 9 DSGVO auch Schlussantrag GA Sánchez-Bordona vom 25.05.2023 C-667/21). Auch diesen sämtlichen Anforderungen ist nicht genügt.

(3)Die Datenverarbeitung in Form der Detektivüberwachung des Klägers war nicht erforderlich und zugleich unverhältnismäßig. Die Datenverarbeitung wurde nicht auf das notwendige Maß beschränkt.

(3.1.)Zu § 32 Abs. 1 BDSG a.F. ist das Bundesarbeitsgericht für die Zulässigkeit der verdeckten Observation durch einen Detektiv von Folgendem ausgegangen: Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses u.a. dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist (BAG 29.06.2017 – 2 AZR 597/16, juris Rn. 26). Nach den demgemäß in § 32 BDSG a.F. zusammengefassten Rechtsprechungsgrundsätzen sind – sofern weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Überwachung damit das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist – Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer durch bspw. eine verdeckte (Video-)Überwachung nicht nur dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung besteht, sondern ebenso bei einem entsprechenden Verdacht einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers (BAG 29.06.2017 – 2 AZR 597/16, juris Rn. 29). Es müssen dabei zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit im Falle einer attestierten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung begründete Zweifel an der Richtigkeit der ärztlichen Bescheinigung bestehen, um einen aufklärungsbedürftigen Verdacht des Vortäuschens einer Arbeitsunfähigkeit annehmen zu können (BAG 19.02.2015 – 8 AZR 1007/13, juris Rn. 25; BAG 29.06.2017 – 2 AZR 597/16, juris Rn. 40). Zu fragen ist auch, ob andere gleich wirksame, aber weniger stark in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Arbeitnehmers eingreifende Aufklärungsmaßnahmen zur Verfügung gestanden hätten (BAG 29.06.2017 – 2 AZR 597/16, juris Rn. 41). Im Anwendungsbereich des Art. 26 BDSG gelten keine geringeren Anforderungen (vgl. z.B. die Sachprüfung bei LAG Hessen 18.10.2021 – 16 Sa 380/20, juris Rn. 126 ff.). Und auch Art. 6 Abs. 1 b) und f) DSGVO sowie Art. 5 Abs. 1 c DSGVO sowie Art. 9 DSGVO stellen keine geringeren Anforderungen.

(3.2.)Zunächst geht die erkennende Kammer davon aus, dass der Beweiswert der vom Kläger vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 04.02.2022 für die Zeit vom 04.02.2022 bis zum 18.02.2022 und derjenigen vom 17.02.2022, die Arbeitsunfähigkeit weiterhin bis zum 04.03.2022 attestierte, nicht erschüttert ist. Zunächst ist der Umstand, dass die zweite Bescheinigung vom 17.02.2022 nicht auf dem Formular für Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erstellt ist, nicht geeignet, deren Beweiswert zu erschüttern. Das auch bislang den Kläger behandelnde medizinische Versorgungszentrum stellte die Bescheinigung unterzeichnet auf ihrem Briefpapier aus. Daraus lässt sich kein Zweifel anderen inhaltlicher Richtigkeit ableiten. Maßgeblicher Umstand, auf den die Beklagte abstellt ist, dass der Kläger eine Bescheinigung vom 04.02.2022 von einer Praxis in Q. einreichte, weil sie der Ansicht war, dass er sich an diesem Tag nach der Änderung der Arbeitsbedingungen zur Arbeit in Q. und nicht in Q. habe aufhalten müssen. Richtig ist, dass nach der erfolgten Änderungskündigung von ihrem Wortlaut her mehr dafürspricht, dass der Kläger vertraglich verpflichtet war, in Q. zu arbeiten. Es wurde ein genauer Arbeitsort definiert und zudem angeboten, den Kläger bei dem Umzug zu unterstützen. Zum Homeoffice enthielt die Änderungskündigung keine Vereinbarung mehr. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die übrigen Arbeitsbedingungen unverändert weiter gelten sollten. Dabei gab es zuvor einen Dienstsitz und das Homeoffice als regelmäßige Arbeitsstätte. Zwar fehlte jetzt eine solche Differenzierung, was für einen festen Arbeitsort in Q. spricht. Anderseits forderte die Beklagte die dem Kläger überlassene Ausstattung für das Homeoffice auch nach der Änderungskündigung und Arbeitsaufnahme nicht zurück und zahlte die Homeoffice-Pauschale weiter. Vor diesem Hintergrund konnte sie nicht davon ausgehen, dass der Kläger tatsächlich der Ansicht war, überhaupt kein Homeoffice mehr in Anspruch nehmen zu können, nicht einmal tageweise. Sie musste deshalb zumindest damit rechnen, dass der Kläger sich an einem Freitag in das Homeoffice in Q. begab. Bei dieser Sachlage konnte die Beklagte aus der Tatsache, dass der Kläger einen Arzt in Q. aufgesucht und am 04.02.2022 per E-Mail mitgeteilt hatte, dass er sich außerhalb der Arbeitszeit verletzt habe, nicht schließen, dass die Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht sei. Dass der Kläger am Abend des 03.02.2022 aus Q. nach Q. gefahren war, um sich in das Homeoffice in Q. zu begeben und sich dann außerhalb der Arbeitszeit in Q. verletzt hatte, ohne dass dies zugleich einen Wegeunfall darstellt, war ohne weiteres eine denkbare Alternative. Dagegen spricht nicht die Aufstellung des Klägers zu seinen Einsatzzeiten vom 08.03.2022, denn diese lag bei der Beauftragung der Detektei der Beklagten noch gar nicht vor. Diese konnte deshalb nicht als Anhaltspunkt dafür herangezogen werden, um den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern und die Detektivüberwachung vom 25.02.2022 bis zum 04.03.2022 rechtfertigen. Aber auch im Übrigen genügte die Angabe „Q., Büro“ zur Kalenderwoche 5, in welcher der 04.02.2022 lag, nicht. Die Angabe „Büro“ befand sich unter der Spalte „Aktivität“. Der Kläger hatte in den übrigen Wochen als Aktivität „krank“ angegeben, wenn er krank war. Unstreitig hat der Kläger aber am 04.02.2022 gar nicht gearbeitet. Die Angabe Aktivität „Büro“ in Q. konnte mithin für den 04.02.2022 erkennbar gar nicht zutreffen. Der Kläger hat dies auf Nachfrage im Termin damit erläutert, dass er eben nur eine wochenweise Angabe gemacht habe und bis zum Donnerstag ja in Q. gewesen sei. Die Angabe bleibt damit zwar unzutreffend, ist aber auch in der Gesamtwürdigung – selbst wenn man sie berücksichtigte – nicht geeignet, den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern. Nichts Anderes folgt daraus, dass der Kläger bereits am 18.03.2020 ein Gespräch aus Gründen der Arbeitsunfähigkeit abgesagt hatte und der Kläger einen anderen Termin aus gesundheitlichen Gründen am 30.11.2021 abgesagt hatte. Es handelt sich – auch unter Berücksichtigung der Hotelbuchungen – um zwei Einzelfälle, von denen einer bereits länger zurückliegt – die nicht geeignet sind, den Eindruck zu rechtfertigen, dass der Kläger sich bei Bedarf in vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit flüchte. Daran ändert auch die Kontroverse am 03.02.2022 nichts. Es gab eben einen tatsächlichen Konflikt darüber, welche tatsächlichen Arbeitsleistungen der Kläger schuldet. Insgesamt genügen der erkennenden Kammer die gegebenen Umstände nicht, um den Beweiswert der beiden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Zeit vom 04.02.2022 bis zum 04.03.2022 zu erschüttern.

(3.3.)Selbst wenn man von einer Erschütterung des Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgehen wollte, wäre die von der Beklagte veranlasste verdeckte Überwachung des Klägers durch ein Detektivbüro unabhängig von den Vorstehenden Ausführungen nicht erforderlich gewesen. Diese war unverhältnismäßig, weil der Beklagten gleich wirksame, aber weniger stark in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Arbeitnehmers eingreifende Aufklärungsmaßnahmen zur Verfügung gestanden hätten. Der Kläger hat bereits mit der E-Mail vom 04.02.2022 offen kommuniziert, dass er sich heute, d.h. am 04.02.2022 außerhalb der Arbeitszeit verletzt habe. Er hat dann, bei der Beklagten am 07.02.2022 eingegangen, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des medizinischen Versorgungszentrums aus Q. vorgelegt. Der Kläger hat so nicht verheimlicht, dass er am 04.02.2022 bei einem Arzt in Q. war und sich angesichts der Entfernung zwischen Q. und Q. tagsüber dort aufgehalten haben muss. Es wäre der Beklagten ohne weiteres möglich gewesen, den Kläger zunächst zu der Frage, warum er sich am Freitag in Q. aufgehalten habe und wie er sich verletzt habe, anzuhören, wenn sich aus ihrer Sicht Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit ergeben hätten. Es wäre dann ohne weiteres möglich gewesen, dass der Kläger seinen Aufenthalt in Q. wie zuletzt im Prozess, ebenso erläutert hätte wie die der Verletzung, den zeitlichen Ablauf am 03.02.2022 und 04.02.2022 sowie die konkret ihm verordnete Physiotherapie benannt hätte. Richtig ist, dass der Kläger sich ggfs. darauf berufen hätte, zu derart weitgehenden Aussagen auch aus Gründen des Datenschutzes nicht verpflichtet zu sein. Dies mag zutreffen. Allerdings kann er mit seinem Einverständnis diese Daten durchaus preisgeben, so dass die entsprechende und vom Kläger im Prozess geforderte Anhörung nicht von vornherein aussichtslos war. Andernfalls führte der Datenschutz dazu, dass eine solche Sachaufklärung unterbleiben müsste, um daraus ggfs. den Schluss abzuleiten, dass eine verdeckte Detektivüberwachung zulässig wäre. Nähme man an, dass der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erschüttert wäre, hätte es der Beklagten oblegen, den Kläger vor der Überwachung zunächst anzuhören. Hätte er sich so wie zuletzt im Prozess eingelassen, wäre schon kein dringender Verdacht des Vortäuschens der Arbeitsunfähigkeit mehr anzunehmen gewesen, welcher eine Detektivüberwachung rechtfertigt. Der Kläger hätte dann den Ablauf, die Erkrankung und seine Anwesenheit in Q. plausibel erläutert.

Die Kammer folgt insoweit nicht der Einlassung der Beklagten, der Kläger habe seiner sekundären Darlegungslast nicht genügt. Der Kläger hat zuletzt genau geschildert, wie und wann er von Q. nach Q. gefahren ist. Er hat weiter genau geschildert, wie er sich die Verletzung bei dem Koffertragen über die Treppe zugezogen hat und hat angegeben, was als Folge eingetreten sei, wobei der Bandscheibenvorfall nur eine Vermutung blieb, allerdings die massiven und schmerzhaften Muskelverhärtungen gesichert seien. Er hat die Therapie, nämlich Physiotherapie, angegeben und die konkreten Termine benannt. Er hat auch die weiteren Verhaltensmaßregeln benannt. So seien ihm längeres Sitzen und die längere Fahrt mit dem Auto ärztlich nicht empfohlen worden wohl aber Tätigkeiten im Stehen. Berücksichtigt man diese Einlassung, besteht kein dringender Verdacht des Vortäuschens der Arbeitsunfähigkeit für die vom Kläger geschuldete Bürotätigkeit. Bürotätigkeit ist eben typischerweise mit längerem Sitzen verbunden. Wenn die Beklagte meint, die Tätigkeit sei auch im Stehen oder Liegen auszuführen, ändert dies nichts. Damit bestünde allenfalls eine nicht relevante Teilarbeitsfähigkeit. Auf die Frage der Autofahrten kam es damit schon gar nicht an. Allerdings ist anzumerken, dass die Beklagte ausweislich der Betriebsratsanhörung davon ausgeht, dass die Verletzung des Klägers aus ihrer Sicht der Durchführung von Kundenterminen nicht entgegengestanden hätte. Warum sie dies dort so ausführt, wenn sie später darauf abstellt, dass vom Kläger anweisungs- und coronabedingt gar keine Kundentermine geschuldet gewesen seien, konnte die Beklagte im Termin auf Nachfrage nicht erläutern.

Indiziell wird der Umstand, dass der Kläger auf Nachfrage mit der letzten Einlassung den Ablauf, die Erkrankung und seine Anwesenheit in Q. plausibel erläutert hätte durch das Ergebnis der Detektivüberwachung bestätigt. Dies bezieht sich ohnehin nur auf den Zeitraum ab dem 25.02.2022 bis zum 04.03.2022, d.h. nur auf die letzte Woche der streitigen Arbeitsunfähigkeit. Umstände, welche den Verdacht des Vortäuschens der Arbeitsunfähigkeit durch den Kläger belegen, haben sich unter Würdigung seiner Einlassung gerade nicht ergeben. Er ist lediglich bei kurzen Autofahrten gesehen worden. Die am 25.02.2022 (im Detektivbericht 28.02.2022) getragenen Gegenstände hat der Kläger unwidersprochen mit Pappe erklärt. Dies steht seiner Einlassung zur Arbeitsunfähigkeit nicht entgegen. Nichts Anderes gilt für den am 01.03.2022 getragenen leichten Karton mit Lebensmitteln. Und immerhin bestätigt der Detektiv am 01.03.2022, dass der Kläger beim Gehen das linke Bein nachzog. Dies spricht eher für eine ausheilende Verletzung, so wie der Kläger sie geschildert hat. Die Beobachtungen am 04.03.2022 betreffen ohnehin den letzten Tag der streitigen Arbeitsunfähigkeit. Ggfs. mag der Kläger hier schon wieder weitgehend genesen gewesen sein, zumal er selbst von einer Besserung nach den ersten Therapien gesprochen hat. Insgesamt genügen die von der Beklagten ermittelten Umstände zur Überzeugung der Kammer nicht, um einen dringenden Verdacht des Vortäuschens der Arbeitsunfähigkeit zu begründen.

Erst dann, wenn der Kläger auf Nachfrage weitere Auskünfte verweigert hätte, wäre in diesem Fall bei unterstellter Erschütterung des Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eine verdeckte Detektivüberwachung in Betracht gekommen.

b) Die erkennende Kammer hält im konkreten Fall eine Entschädigung von 1.500,00 Euro für angemessen. Ein höherer Anspruch steht dem Kläger nicht zu.

aa)Entgegen der Ansicht der Beklagten scheidet ein Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens des Klägers nicht deshalb aus, weil es hier um einen bloßen Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO geht, der alleine nicht zur Begründung des Schadensersatzes ausreiche. Richtig ist allerdings, dass der EuGH in seinem Urteil vom 04.05.2023 (C-300/21, Rn. 28 ff., 42) inzwischen ausgeführt hat, dass Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahin auszulegen ist, dass der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Verordnung nicht ausreicht, um einen immateriellen Schadensersatzanspruch zu begründen. Anderseits hat der EuGH in der genannten Entscheidung erkannt, dass der Begriff des immateriellen Schadens autonom und unionsrechtlich einheitlich zu definieren ist. Dabei sie die betroffene Person nicht von dem Nachweis befreit, dass der Verstoß gegen die DSGVO für sie negative Folgen gehabt habe, welche einen immateriellen Schaden darstellen. Anderseits sei keine Voraussetzung, dass der der betroffenen Person entstandene immaterielle Schaden einen bestimmten Grad an Erheblichkeit erreicht hat (EuGH 04.05.2023 – C-300/21, Rn. 43 ff., 50, 51).

bb)Der Kläger hat auch unter Anwendung dieser Grundsätze einen eigenen immateriellen Schaden im Sinne negativer Folgen dargelegt. Zunächst bedarf es, wie der Kläger zutreffend dargelegt hat, nicht mehr der Feststellung einer schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung. Eine solche Erheblichkeitsschwelle stellt Art. 82 Abs. 1 DSGVO nicht auf (so auch bereits LAG Hessen 18.10.2021 – 16 Sa 380/20, juris Rn. 123). Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt in der verdeckten Überwachung des Klägers durch die Detektei mit den von ihm angefertigten Bildern nicht nur ein bloßer, nicht für einen Anspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO genügender Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO vor. Die verdeckte Observierung durch einen Detektiv wird zutreffend selbst als immaterieller Schaden eingeordnet (vgl. bereits BAG 19.02.2015 – 8 AZR 1007/13, juris Rn. 29 f. und für die DSGVO LAG Hessen 18.10.2021 – 16 Sa 380/20, juris Rn. 123; Bergt in Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 82 Rn. 18c; Spittka GRUR-Prax 2019, 475, 476). Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ist es zur Überzeugung der erkennenden Kammer unerheblich, dass die Überwachung des Klägers für diesen zunächst unbemerkt erfolgte. Dies ändert nichts daran, dass bereits in der Überwachung selbst eine negative Einbuße im Sinne der vom EuGH geforderten negativen Folge der unzulässigen Datenverarbeitung gegeben ist. Durch die Observierung wird der Kläger selbst zum bloßen Objekt der Datenverarbeitung. Er verliert die Kontrolle über die eigenen Daten in Form der Beobachtung und der Ablichtung. Bereits dies stellt zur Überzeugung der Kammer einen immateriellen Schaden dar. Zutreffend wird darauf hingewiesen, dass als Aspekt des Schadens in Erwägungsgrund 75 der DSGVO der Kontrollverlust ausdrücklich genannt ist, nämlich dann, wenn die betroffenen Personen um ihre Rechte und Freiheiten gebracht oder daran gehindert werden, die sie betreffenden personenbezogenen Daten zu kontrollieren (Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 82 Rn. 18b; a.A. Oberlandesgericht Innsbruck/Z. – 13.2.2020 – 1 R 182/19b, Ziff. II.9; im Internet abrufbar unter https://360.lexisnexis.at/d/entscheidungen-ris/olg_innsbruck_1r18219b/u_zivil_OLG_Innsbruck_2020_JJT_20200213_1afc830ac9). Dies gilt nach dem 75. Erwägungsgrund insbesondere dann, wenn wie hier Gesundheitsdaten erhoben werden sollen um Aspekte der Arbeitsleistung zu bewerten. Unabhängig davon hat der Kläger hier Kenntnis von der verdeckten Videoüberwachung durch die Einführung des Detektivberichts in das Verfahren erlangt. Zutreffend führt er aus, dass er aufgrund dessen in seinem privaten Umfeld nicht mehr sicher sein kann, von der Beklagten verdeckt beobachtet zu werden. Auch wenn dies – wie ausgeführt – nicht erforderlich ist, hat der Kläger damit sogar eine ihn selbst betreffende negative Folge konkret aufgezeigt. Auf den weiteren vom Kläger in erster Instanz angeführten immateriellen Schaden kam es damit nicht mehr an. Dazu hat das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt, dass ein immaterieller Schaden nicht auf die Verfolgung des Klägers in seine Wohnung durch einen Gewaltverbrecher während der Studienzeit gestützt werden könne. Dieser nicht näher beschriebene, von der Beklagten zulässigerweise mit Nichtwissen bestrittene Umstand sei vom Kläger weder weitergehend substantiiert, noch unter Beweis gestellt worden. Dabei ist es auch in zweiter Instanz geblieben.

Soweit der Kläger geltend macht, dass ein immaterieller Schaden auch in der Überwachung der Praxisgemeinschaft L. in Q. sowie des Wohnhauses der ehemaligen Lebensgefährtin des Klägers gelegen habe, gilt Folgendes: Zunächst steht diesen ggfs. ein eigener Anspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu. Dass der Kläger selbst dort beobachtet worden ist, ist jedenfalls nicht ersichtlich. Dies ändert aber nichts daran, dass die Überwachung dieser beiden Bereiche dazu führte, dass der Lebensbereich des Klägers potenziell umfassend in den Blick genommen wurde. Dies ist indes bei der Höhe des hier zu bewertenden Entschädigungsanspruchs ergänzend zu berücksichtigen.

cc)Bei Würdigung aller Umstände erachtet die erkennende Kammer im konkreten Fall eine Entschädigung von insgesamt 1.500,00 Euro für angemessen.

(1) Art. 82 DSGVO ist dahingehend auszulegen, dass die nationalen Gerichte bei der Festsetzung der Höhe des Schadensersatzes, der aufgrund des in diesem Artikel verankerten Schadensersatzanspruchs geschuldet wird, die innerstaatlichen Vorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten über den Umfang der finanziellen Entschädigung anzuwenden haben, sofern die unionsrechtlichen Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität beachtet werden (EuGH 04.05.2023 – C-300/21, Rn. 59). Der Grad des Verschuldens des Verantwortlichen ist dabei für die Bemessung der Höhe des nach Art. 82 Abs. 1 der Verordnung 2016/679 zu ersetzenden immateriellen Schadens nicht von Bedeutung (Schlussantrag GA Sánchez-Bordona vom 25.05.2023 C-667/21).

Mangels einschlägiger unionsrechtlicher Vorschriften ist die Höhe des Schadens gemäß § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu bestimmen, wonach alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen sind. Art. 82 DSGVO regelt selbst keine Verfahrensmodalitäten zur Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs. Art. 79 Abs. 1 DSGVO sieht lediglich vor, dass jede betroffene Person das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf hat, wenn sie der Ansicht ist, dass die ihr aufgrund der DSGVO zustehenden Rechte infolge einer nicht mit ihr im Einklang stehenden Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten verletzt wurden. Dem Äquivalenz- oder Effektivitätsgrundsatz ist durch die Anwendung von § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO Rechnung getragen. Die Bestimmung findet im nationalen Recht ebenso bei der Durchsetzung anderer Ansprüche auf immateriellen Schadensersatz Anwendung (BAG 05.05.2022 – 2 AZR 363/21, juris Rn. 14).

Für die Bemessung der Höhe des immateriellen Schadens sind dabei als einem wichtigen Faktor auf die Intensität der Persönlichkeitsrechtsverletzung abzustellen. In welchen konkreten Situationen erfolgte die Beobachtung. Handelte es sich um Bildaufzeichnungen aus der Intim- oder Privatsphäre oder solche aus der Öffentlichkeitssphäre (z.B. Straße und Waschsalon). Wurde lediglich beobachtet oder aber wurden die Beobachtungen durch Bild- und/oder Videoaufnahme festgehalten? Wem gegenüber wurden die Daten weitergegeben. Handelte es sich um Dritte oder wurden Auszüge lediglich in einem gerichtlichen Verfahren präsentiert? (vgl. bereits BAG 19.02.2015 – 8 AZR 1007/13, juris Rn. 33). Zu berücksichtigen ist weiter, dass der Anspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO auch einen präventiven Charakter hat und damit auch eine Abschreckungsfunktion erfüllen muss, was sich letztlich aus dem Aspekt der Effektivität ableiten lässt. Bereits ein Betrag von 1.000,00 Euro kann dabei nicht nur symbolischen, sondern auch abschreckenden Charakter haben (vgl. BAG 05.05.2022 – 2 AZR 363/21, juris Rn. 24 und 25). Der immaterielle Schaden nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat zudem keinen erkennbaren Bezug zur Höhe eines dem Gläubiger zustehenden Arbeitsentgelts, so dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es sich dabei um ein relevantes Bemessungskriterium für die Höhe des Schadensersatzes handeln könnte (BAG 05.05.2022 – 2 AZR 363/21, juris Rn. 26).

(2)In Anwendung dieser Grundsätze erachtet die erkennende Kammer insgesamt eine Entschädigung von 1.500,00 Euro für angemessen. Dies ergibt sich insbesondere aus Folgendem: Die Kammer hat dabei berücksichtigt, dass die Detektei sich nicht darauf beschränkt hat, den Kläger lediglich in der Öffentlichkeitssphäre zu beobachten und zu fotografieren. Richtig ist, dass auch dies erfolgt ist. So ist er beim Einkaufen, d.h. beim Besuch eines Edeka-Marktes, eines Badstudios auf dem dortigen Parkplatz als auch auf dem Parkplatz eines Getränkemarktes beobachtet und abgelichtet worden. Auch das Heben der Autobatterie aus seinem Wagen erfolgte im öffentlichen Straßenraum. Dabei ist die Detektei indes nicht stehen geblieben. Sie hat den Kläger auch in seiner Privatsphäre beobachtet. So hat sie dessen Wohnhaus in Augenschein genommen und fotografiert. Sie hat den Kläger zudem bei Verrichtungen auf dem eigenen Grundstück auf der Terrasse beobachtet und fotografiert. Richtig ist, dass dieser Bereich durchaus von außerhalb des Grundstücks einsehbar war. Dies ändert aber nichts daran, dass auch die Terrasse zum privaten Lebensumfeld des Klägers gehört. Die Kammer geht im Übrigen davon aus, dass die Detektei in dem vom Kläger angenommenen weiteren zeitlichen Umfang Beobachtungen angestellt hat. Zu den konkreten Ausführungen des Klägers zum Umfang der Tätigkeit der Detektei aus den Honorarsätzen abgeleitet hat die Beklagte nicht näher Stellung genommen. Der Vortrag des Klägers ist deshalb zu Grunde zu legen. Dies betrifft indes die zeitliche Dimension. Eine andere und tiefere Eingriffsintensität als durch die im Bericht verwandten Dokumentationen bleibt hingegen reine Spekulation und kann nicht zu Grunde gelegt werden. Anderseits ist zu berücksichtigen, dass die Datenverarbeitung auf besonders geschützte Daten i.S.v. Art. 9 Abs. 1 DSGVO abzielte, nämlich Gesundheitsdaten. Dies war zum einen die Intention, denn es ging um angeblich vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit. Dies zeigt sich auch daran, dass solche Daten auch erhoben und dokumentiert wurden, wie z.B. das Nachziehen des linken Beines. Die Kammer hat auch gewürdigt, dass der Kläger in seinem Bezugsumfeld beobachtet werden sollte, auch wenn er dort nicht angetroffen wurde (Arztpraxis und Lebensgefährtin). Dies ist bei der Bemessung der Höhe des Anspruchs zu Gunsten des Klägers zu würdigen. Soweit der Kläger auf die von ihm angenommene Halterabfrage abstellt, die ergeben habe, dass sein Mercedes ein US.-Modell ist, geht die Kammer davon aus, dass dies durch die Detektei tatsächlich erfolgt ist. Konkreten und substantiierten Sachvortrag hat die Beklagte dagegen nicht gehalten. Auch insoweit ist ein Kontrollverlust der persönlichen Daten gegeben, der allerdings zur Überzeugung der Kammer den immateriellen Schaden nur geringfügig erhöht. Die Kammer hat weiter gewürdigt, dass die Beklagte den Detektivbericht nicht externen Dritten weitergegeben hat, sondern diesen nur im Rahmen der Betriebsratsanhörung und des gerichtlichen Verfahrens verwandt hat. Konkrete psychische Belastungen hat der Kläger außer dem tatsächlichen Kontrollverlust und der durch die Überwachung und zusätzliche Fotodokumentation bewirkte Unsicherheit über die Datenkontrolle nicht dargelegt. Insgesamt und unter Würdigung aller Umstände erachtet die Kammer einen Betrag von 1.500,00 Euro als Entschädigung für angemessen.

c)Der Zinsanspruch beruht auf §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

C. Das Gericht hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG für beide Parteien zugelassen, soweit sie betreffend den Entschädigungsanspruch unterlegen sind. Im Übrigen bestand kein Grund gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG für die Zulassung der Revision.

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