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Urlaubsabgeltungsanspruch – Beschäftigungsverbot – Mutterschutz

Mutterschutz: Voller Urlaubsanspruch trotz Beschäftigungsverbots

Das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts befasst sich mit einem Anspruch auf Urlaubsabgeltung im Kontext eines Beschäftigungsverbots während der Schwangerschaft und der Mutterschutzfristen. Es wurde entschieden, dass der Anspruch auf Urlaubsabgeltung der Klägerin in voller Höhe gerechtfertigt ist. Dies begründet sich darauf, dass durch Beschäftigungsverbote bedingte Arbeitsausfälle nicht nachteilig auf den Urlaubsanspruch der Arbeitnehmerin wirken dürfen. Der Fall zeigt auf, dass Urlaubsansprüche auch während eines Beschäftigungsverbots entstehen und nicht durch das Beschäftigungsverbot erlöschen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 9 Sa 157/21 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Eine Zahnärztin klagt auf Urlaubsabgeltung für die Zeit ihres Beschäftigungsverbots wegen Schwangerschaft und Mutterschutz.
  2. Trotz Beschäftigungsverboten bleibt der Urlaubsanspruch bestehen und führt zu einem Abgeltungsanspruch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
  3. Das Gericht bestätigt, dass Beschäftigungsverbote die Entstehung von Urlaubsansprüchen nicht beeinträchtigen.
  4. Die Klägerin hat Anspruch auf Abgeltung für nicht genommenen Urlaub aus den Jahren 2017 bis 2020.
  5. Der Beklagte argumentiert erfolglos gegen die Anspruchsentstehung und die Nichtverjährung des Anspruchs.
  6. § 24 MuSchG und § 7 Abs. 4 BUrlG bilden die rechtliche Grundlage für den zugesprochenen Anspruch.
  7. Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen; die Revision wird nicht zugelassen.
  8. Die Entscheidung betont die Wichtigkeit des Urlaubsanspruchs als Teil des Mutterschutzrechts.

Urlaubsschutz in der Schwangerschaft

Das Thema Urlaubsansprüche beschäftigt viele werdende Mütter. Denn grundsätzlich haben sie einen Anspruch auf Urlaub. Dieser Anspruch kann aber durch ein Beschäftigungsverbot eingeschränkt werden. Doch wie wirkt sich ein Beschäftigungsverbot auf den Urlaubsanspruch aus? Wie kann der Urlaub nach der Geburt genommen werden? Und gibt es finanzielle Ausgleichsansprüche? Diese und weitere Fragen beantwortet die folgende Ausführungen.

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Urlaubsabgeltung: Ihr Recht im Mutterschutz
(Symbolfoto: George Rudy /Shutterstock.com)

Im Herzen des juristischen Streits steht der Anspruch einer Zahnärztin auf Urlaubsabgeltung für die Zeit ihres Beschäftigungsverbots im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschutz. Der Fall, der vor dem Sächsischen Landesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 9 Sa 157/21 verhandelt wurde, beleuchtet die rechtlichen Feinheiten des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) sowie des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) und deren Auswirkungen auf den Urlaubsanspruch von Arbeitnehmerinnen während der Mutterschutzfrist.

Der rechtliche Rahmen des Beschäftigungsverbots

Die Klägerin, eine beim Beklagten angestellte Zahnärztin, wurde im November 2017 schwanger, woraufhin ihr ab dem 01. Dezember 2017 ein berufliches Beschäftigungsverbot erteilt wurde. Dieses setzte sich über die Geburt ihres ersten Kindes im Juli 2018 hinaus fort, verlängerte sich durch die Stillzeit, eine darauf folgende Schwangerschaft und die Geburt eines zweiten Kindes im September 2019 bis zur Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses zum 31. März 2020. In dieser Zeit entstand ein Urlaubsanspruch, den die Klägerin aufgrund des Beschäftigungsverbots nicht nehmen konnte.

Streitpunkt Urlaubsabgeltung

Die Kernfrage des Disputs war, ob und inwiefern das Beschäftigungsverbot den Anspruch auf Urlaub und dessen Abgeltung beeinflusst. Die Klägerin forderte eine Urlaubsabgeltung für nicht genommenen Urlaub aus den Jahren 2017 bis 2020, insgesamt für 68 Tage, was einem Betrag von 13.126,72 EUR brutto entsprach. Der Beklagte hingegen argumentierte, ein Abgeltungsanspruch bestünde nicht, da während des Beschäftigungsverbots kein Erholungsbedürfnis bestanden habe und zudem der Anspruch größtenteils verjährt sei.

Juristische Erörterungen und Entscheidungsgründe

Das Landesarbeitsgericht stellte klar, dass § 24 MuSchG in Verbindung mit § 7 Abs. 4 BUrlG den Anspruch der Klägerin begründet. Die Vorschriften zielen darauf ab, nachteilige Auswirkungen von Beschäftigungsverboten auf den Urlaubsanspruch zu vermeiden. Dem Gericht zufolge dürfen Ausfallzeiten wegen eines Beschäftigungsverbots nicht dazu führen, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch einer Arbeitnehmerin schmälert wird. Entscheidend war, dass die Zeiten des Beschäftigungsverbots als Arbeitszeiten anzusehen sind, wodurch Urlaubsansprüche weiterhin entstehen.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Sächsische Landesarbeitsgericht wies die Berufung des Beklagten zurück und bestätigte somit das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig, welches der Klägerin die Urlaubsabgeltung in voller Höhe zusprach. Die Argumentation des Beklagten, dass mit einem Beschäftigungsverbot die Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses suspendiert seien und somit kein Erholungsbedürfnis bestünde, fand vor Gericht keinen Anklang. Ebenso verfing nicht die Auffassung, dass der Anspruch verjährt sei, da die Klage fristgerecht eingereicht wurde.

Das Gericht betonte, dass die rechtliche Bewertung der Urlaubsansprüche und deren Abgeltung im Kontext von Beschäftigungsverboten während der Schwangerschaft und Mutterschutzfristen eindeutig zugunsten der Arbeitnehmerin ausfällt. Damit stärkt das Urteil die Rechte schwangerer Arbeitnehmerinnen und unterstreicht die Bedeutung des Mutterschutzes im Arbeitsrecht.

Die Entscheidung des Sächsischen Landesarbeitsgerichts bekräftigt den Anspruch auf Urlaubsabgeltung während des Mutterschutzes und trägt zur Klarheit im Umgang mit Beschäftigungsverboten bei.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Wie wird der Urlaubsanspruch während eines Beschäftigungsverbots im Mutterschutz berechnet?

Während des Mutterschutzes bleibt der Urlaubsanspruch einer Arbeitnehmerin vollständig erhalten. Dies bedeutet, dass die Zeit des Mutterschutzes, die gesetzlich durch das Mutterschutzgesetz (MuSchG) geregelt ist, bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs so behandelt wird, als hätte die Arbeitnehmerin gearbeitet. Der Mutterschutz umfasst die Schutzfristen vor und nach der Geburt (in der Regel sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt) sowie eventuelle Zeiten eines Beschäftigungsverbots während der Schwangerschaft.

Für die Berechnung des Urlaubsanspruchs bedeutet dies konkret, dass für jeden Monat des Mutterschutzes der volle Urlaubsanspruch erworben wird. Es erfolgt keine Kürzung des Urlaubsanspruchs für die Monate, in denen der Mutterschutz in Anspruch genommen wird. Sollte der Mutterschutz in einen neuen Kalenderjahr hineinreichen, bleibt der Urlaubsanspruch für das vorherige Jahr bestehen und kann nach dem Mutterschutz genommen werden.

Resturlaub, der vor Beginn des Mutterschutzes nicht genommen wurde, verfällt nicht automatisch mit Beginn des Mutterschutzes. Stattdessen kann dieser Resturlaub nach dem Mutterschutz im laufenden oder im nächsten Kalenderjahr genommen werden. Sollte sich an den Mutterschutz unmittelbar eine Elternzeit anschließen, kann der Resturlaub sogar noch nach der Elternzeit genommen werden.

Zusammengefasst bedeutet dies, dass Arbeitnehmerinnen während des Mutterschutzes ihren vollen Urlaubsanspruch behalten und diesen nach dem Mutterschutz oder der Elternzeit in Anspruch nehmen können. Es ist daher nicht erforderlich, den gesamten Urlaub vor dem Beginn des Mutterschutzes zu nehmen.

Wie beeinflussen Beschäftigungsverbote die Entstehung von Urlaubsansprüchen?

Beschäftigungsverbote während der Schwangerschaft und im Mutterschutz haben keinen Einfluss auf die Entstehung von Urlaubsansprüchen. Das bedeutet, dass die Zeit eines Beschäftigungsverbots als normale Arbeitszeit angesehen wird, wodurch der Urlaubsanspruch einer schwangeren Arbeitnehmerin vollständig erhalten bleibt. Gemäß § 24 Mutterschutzgesetz (MuSchG) werden Zeiten eines Beschäftigungsverbots als Beschäftigungszeit gewertet, was zur Folge hat, dass der Urlaubsanspruch während dieser Zeit nicht verringert wird.

Für die Berechnung des Urlaubsanspruchs bedeutet dies, dass für jeden Monat des Beschäftigungsverbots der volle Urlaubsanspruch erworben wird, als hätte die Arbeitnehmerin ohne Unterbrechung gearbeitet. Dies gilt sowohl für die gesetzlichen Schutzfristen von 6 Wochen vor und 8 Wochen nach der Geburt als auch für darüber hinausgehende Zeiten mit Beschäftigungsverboten in besonderen Situationen.

Sollte eine Arbeitnehmerin vor Beginn des Mutterschutzes oder eines Beschäftigungsverbots Resturlaub haben, verfällt dieser nicht automatisch. Stattdessen kann der Resturlaub nach dem Mutterschutz im laufenden oder im nächsten Kalenderjahr genommen werden. Falls sich an den Mutterschutz unmittelbar eine Elternzeit anschließt, kann der Resturlaub sogar noch nach der Elternzeit genommen werden.

Zusätzlich ist zu beachten, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber den Urlaubsanspruch für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen können, wie in § 17 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) festgelegt. Diese Kürzung muss jedoch ausdrücklich schriftlich erklärt werden und kann nicht rückwirkend nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen.

Insgesamt bleibt der Urlaubsanspruch während des Mutterschutzes und etwaiger Beschäftigungsverbote also vollständig erhalten und wird wie bei einer regulären Beschäftigung ohne Unterbrechung berechnet.

Welche Rolle spielt die Verjährung bei Ansprüchen auf Urlaubsabgeltung?

Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung unterliegt einer Verjährungsfrist von drei Jahren, die in der Regel mit dem Ende des Jahres beginnt, in dem das Arbeitsverhältnis endet. Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen Urlaubsanspruch und die Verjährung der Urlaubsabgeltung informiert hat oder nicht. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, den Mitarbeiter im Hinblick auf Verfallfristen aufzufordern, den Urlaub tatsächlich zu nehmen.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem Urteil vom 31. Januar 2023 (Az. 9 AZR 456/20) klargestellt, dass für finanzielle Abgeltungsansprüche für nicht genommenen Urlaub nach Ende eines Arbeitsverhältnisses eine Verjährungsfrist von drei Jahren gilt. Diese Entscheidung sorgt für Klarheit im deutschen Urlaubsrecht, da es nach einem Jobwechsel oder einer Kündigung oft zum Streit über offene Urlaubsansprüche kommt, die Arbeitnehmer finanziell abgegolten haben wollen.

Das BAG hat zudem entschieden, dass ein Anspruch auf Resturlaub im laufenden Arbeitsverhältnis auch nach mehreren Jahren nicht verjährt, wenn der Arbeitgeber nicht auf den noch bestehenden Urlaub sowie auf die Verfallsfrist hingewiesen hat und damit seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist. Allerdings gilt dies nicht für den Urlaubsabgeltungsanspruch, der erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht. Die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses bildet eine Zäsur, und der Arbeitnehmer wird nach Beschäftigungsende im Hinblick auf den ehemaligen Arbeitgeber nicht mehr als schutzwürdig angesehen. Daher gilt für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung die normale dreijährige Verjährungsfrist.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses einer dreijährigen Verjährungsfrist unterliegt, die in der Regel am Ende des Jahres beginnt, in dem das Arbeitsverhältnis endet. Arbeitnehmer sollten daher darauf achten, ihren Anspruch auf Urlaubsabgeltung rechtzeitig geltend zu machen, um eine Verjährung zu vermeiden.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  1. § 24 MuSchG (Mutterschutzgesetz): Regelung zum Urlaubsanspruch bei Beschäftigungsverboten. Stellt klar, dass Ausfallzeiten wegen Schwangerschaft oder Mutterschutz bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs als Beschäftigungszeiten gelten. Dies dient der Vermeidung einer Benachteiligung aufgrund der Schwangerschaft.
  2. § 7 Abs. 4 BUrlG (Bundesurlaubsgesetz): Grundlage für den Urlaubsabgeltungsanspruch. Besagt, dass nicht genommener Urlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses finanziell abzugelten ist.
  3. §§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG (Arbeitsgerichtsgesetz): Bestimmungen zur Zulässigkeit der Berufung im arbeitsgerichtlichen Verfahren. Erläutert, unter welchen Bedingungen eine Berufung gegen Urteile der Arbeitsgerichte statthaft ist.
  4. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO (Zivilprozessordnung): Formalien und Fristen für die Einlegung und Begründung einer Berufung im arbeitsgerichtlichen Verfahren. Spezifizieren, wie und in welcher Frist Berufungen form- und fristgerecht einzulegen sind.


Das vorliegende Urteil

Sächsisches Landesarbeitsgericht – Az.: 9 Sa 157/21 -Urteil vom 27.04.2023

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 03.03.2021 – 4 Ca 1674/20 – wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Urlaubsabgeltung i. H. v. 13.126,72 EUR brutto.

Die Parteien waren zuletzt durch einen Arbeitsvertrag vom 06.12.2016 verbunden, demzufolge die Klägerin beim Beklagten ab dem 08.02.2017 als Zahnärztin zu einem monatlichen Bruttoverdienst i. H. v. 4.182,62 EUR eingestellt wurde.

Im November 2017 wurde die Klägerin schwanger und daraufhin ab dem 01.12.2017 vom Beklagten ein berufliches Beschäftigungsverbot erteilt. Nach der Geburt des Kindes im Juli 2018 und dem Ablauf der Mutterschutzfrist teilte die Klägerin dem Beklagten mit, ihr Kind zu stillen, woraufhin dieser ein weiteres berufliches Beschäftigungsverbot aussprach. Während der ersten Stillzeit stellte sich eine weitere Schwangerschaft ein. Das zweite Kind wurde am 07.09.2019 geboren und gleichfalls gestillt, woraufhin der Beklagte das bestehende Beschäftigungsverbot verlängerte. Nach Ablauf der 2. Mutterschutzfrist kündigte der Beklagte das Beschäftigungsverhältnis zum 31.03.2020. Im Ergebnis führte dieser Ablauf dazu, dass in der Zeit vom 01.12.2017 bis zum 31.03.2020 durchgehend ein berufliches Beschäftigungsverbot bestand.

Die Klägerin meint, aus dem Jahre 2017 stünden ihr noch fünf Tage Resturlaub zu, für die Jahre 2018 und 2019 jeweils 28 Tage sowie für die ersten drei Monate des Jahres 2020 weitere sieben Tage. Multipliziert mit einem Tagessatz i. H. v. 193,04 EUR (4.182,62 EUR x 3 : 65) errechne sich für 68 abzugeltende Urlaubstage insgesamt ein Betrag i. H. v. 13.126,72 EUR brutto.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 13.126,72 EUR brutto zzgl. Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.04.2020 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Dieser Antrag mache sich erforderlich, da der klägerseits geltend gemachten Abgeltung des Erholungsurlaubs weder zu irgendeinem Zeitpunkt ein Erholungsbedürfnis gegenübergestanden habe noch ohne jedwedes Korrektiv dem im Arbeitsverhältnis geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen könne. Zudem sei der klageweise geltend gemachte Anspruch ganz überwiegend verjährt.

§ 24 MuSchG regele zwei verschiedene Fälle. Der hier zur Anwendung kommende Satz 2 dieser Vorschrift bedeute für den vorliegenden Fall, dass der Urlaub, der in der Zeit des Beschäftigungsverbots für das Kalenderjahr 2017 entstanden sei, mit Ablauf des Monats März 2018 verfallen sei. Urlaub, der für das Kalenderjahr 2018 entstanden sei, sei mit Ablauf des Monats März 2019 verfallen und der Urlaub, welcher für das Kalenderjahr 2019 entstanden sei, sei dann im März 2020 verfallen.

Mit Urteil vom 03.03.2021 hat das Arbeitsgericht nach dem Klageantrag erkannt. Wegen der Einzelheiten dieser Entscheidung wird auf das Urteil (Bl. 95 bis 97 d. A.) Bezug genommen.

Gegen das ihm am 25.03.2021 zugestellte Urteil hat der Beklagte am Montag, dem 26.04.2021 Berufung eingelegt und diese mit am 25.05.2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Das Urteil basiere auf einer rechtswidrigen Auslegung der Vorschrift des § 24 Satz 2 MuSchG. Eine „Zusammenrechnung“ des am 01.12.2018 (gemeint wohl: 01.12.2017) ausgesprochenen Beschäftigungsverbots mit den folgenden Beschäftigungsverboten sei weder vom Wortlaut des Gesetzes gedeckt noch entspreche dies dem Leitgedanken des Umgangs mit Erholungsurlaub. Nach § 24 Satz 2 MuSchG könne der Urlaub, der vor Beginn eines Beschäftigungsverbots nicht genommen werden könne, nach Ende des Beschäftigungsverbots genommen werden. Für die Bildung einer Kette von mehreren Beschäftigungsverboten sei nach dem Wortlaut der Vorschrift dagegen kein Raum.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 03.03.2021 – 4 Ca 1674/20 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Den Überlegungen des Arbeitsgerichts an der angefochtenen Entscheidung pflichtet sie bei, den Ausführungen des Beklagten im Berufungsrechtszug tritt sie entgegen.

Wegen des weiteren tatsächlichen Vorbringens der Parteien wird Bezug genommen auf ihre wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der letzten mündlichen Verhandlung vom 27.04.2023.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG an sich statthafte, gemäß den §§ 66 Abs. 1,64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und begründete, insgesamt daher zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht der Klägerin die Urlaubsabgeltung in voller Höhe zugesprochen. Der Vortrag des Beklagten im Berufungsrechtszug rechtfertigt auch in seiner Gesamtheit keine andere Beurteilung. Zusammenfassend gilt insoweit Folgendes:

1. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Urlaubsabgeltung i. H. v. 13.126,72 EUR brutto ergibt sich aus § 24 MuSchG i. V. m. § 7 Abs. 4 BUrlG.

a) § 24 Satz 1 MuSchG dient der Klarstellung, dass sich durch Beschäftigungsverbote bedingter Arbeitsausfall nicht nachteilig auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch der Arbeitnehmerin auswirken darf. Um eine unionswidrige Benachteiligung wegen der Schwangerschaft auszuschließen, müssen durch Beschäftigungsverbote verursachte Ausfallzeiten zum Zwecke der Berechnung des Urlaubsanspruchs als tatsächliche Beschäftigungszeiten gerechnet werden (völlig h. M.: vgl. statt aller etwa ErfK/Schlachter, 23. Aufl., § 24 MuSchG Rn 1).

Dass ein Urlaubsanspruch der Klägerin für das Jahr 2017 i. H. v. fünf Resttagen, i. H. v. jeweils 28 Urlaubstagen für die Kalenderjahre 2018 und 2019 sowie schließlich anteilig sieben Urlaubstagen für die Zeit vom 01.01. bis zum 31.03.2020 zunächst einmal entstanden ist, steht für die Kammer nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut deshalb außer Frage. Sofern der Beklagtenvertreter in der letzten mündlichen Verhandlung vom 27.04.2023 nochmals Wert auf die Feststellung gelegt hat, dass aus seiner Sicht in den Kalenderjahren 2018 und 2019 und auch in den ersten Monaten des Jahres 2020 „schon gar kein Urlaubsanspruch entstanden“ sei, so nimmt die Kammer diese Rechtsauffassung zur Kenntnis; zu teilen vermag sie sie jedoch noch nicht einmal im Ansatz.

Nicht zu folgen vermag das Landesarbeitsgericht auch dem weiteren Argument des Beklagten, mit einem Beschäftigungsverbot seien die Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses suspendiert und ein Arbeitnehmer, der nicht arbeite, müsse sich auch nicht erholen. Nach dem BUrlG ist die Entstehung des Urlaubsanspruchs nach § 3 BUrlG allein vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 BUrlG, mithin dem Bestehen eines Arbeitsverhältnisses, abhängig. § 24 Satz 1 MuSchG stellt insoweit eindeutig klar, dass die Ausfallzeiten wegen eines Beschäftigungsverbots als Beschäftigungszeiten gelten. Folglich entstehen Urlaubsansprüche auch während eines Beschäftigungsverbots.

b) Sofern der Beklagte die Auffassung vertritt, § 24 Satz 2 MuSchG sei so zu lesen, dass dort lediglich von einem Beschäftigungsverbot die Rede sei, für die Bildung einer Kette von mehreren Beschäftigungsverboten sei nach dem Wortlaut dieser Vorschrift kein Raum, so überzeugt auch diese Argumentation die Kammer nicht.

Die Übertragungsregelung des § 24 Satz 2 MuSchG gilt auch dann, wenn die Schwangere mehrfach einem Beschäftigungsverbot unterliegt, weil ein zwischenzeitliches Beschäftigungsverbot geendet hat. Da das Gesetz nicht darauf abstellt, ob es ihr möglich gewesen wäre, vor dem Eintritt des Beschäftigungsverbotes ihren Urlaub zu nehmen, gilt, dass der Urlaub, der vor dem Beschäftigungsverbot bestanden hat, an das Ende des Beschäftigungsverbots übertragen wird, gleich aus welchem Grund der Urlaub nicht genommen wurde. Daher kann der Urlaub bei mehreren Beschäftigungsverboten mehrfach übertragen werden. Das gilt auch dann, wenn die Beschäftigungsverbote aus unterschiedlichen Schwangerschaften herrühren (vgl. hierzu auch Tillmanns/Mutschler, Praxiskom. zum MuSchG und BEEG, 3. Aufl., § 24 MuSchG Rn 7).

c) Sofern der Beklagte schließlich wiederholt darauf hinweist, für die Jahre 2017 bis 2019 und somit für den ganz überwiegenden Zeitraum sei der geltend gemachte Anspruch verjährt, so vermag auch diese Einrede den Klageanspruch nicht zu Fall zu bringen. Vom Beklagten wird auch an keiner Stelle näher ausgeführt, wieso die Klageforderung hier größtenteils verjährt sein soll. Dies ist auch offensichtlich nicht der Fall. Nach den §§ 195, 199 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Vorliegend macht die Klägerin Urlaubsabgeltungsansprüche für die Jahre 2017 bis 2020 geltend, die Klageerhebung erfolgte bereits im Juni 2020. Wie der Beklagte vor diesem Hintergrund mehrfach und somit offensichtlich ernsthaft die Einrede der Verjährung erheben kann, erschließt sich der Kammer nicht wirklich.

2. Gemäß den §§ 286, 288 Abs. 1 BGB war der geltend gemachte Betrag ab dem 02.04.2020 antragsgemäß mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

3. Die Kammer stellt abschließend klar, dass sie das gesamte Vorbringen des Beklagten zur Kenntnis genommen und bei ihrer Entscheidung in Erwägung gezogen hat. Sie hat dem Vortrag des Beklagten, soweit oben nicht ausdrücklich beschieden, jedoch keine weitere Relevanz beigemessen. Das Nachlassen einer Schriftsatzfrist für den Beklagten war ebenfalls nicht veranlasst.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

5. Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst; auf die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.

 

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