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Vergütungsansprüche aus faktischem Arbeitsverhältnis

Ansprüche bei faktischem Arbeitsverhältnis nach Betriebsübergang

Im Arbeitsrecht stellt sich häufig die Frage nach der Entstehung und den Folgen eines faktischen Arbeitsverhältnisses. Dieses entsteht, wenn ein Arbeitnehmer tatsächlich beschäftigt wird, obwohl kein formaler Arbeitsvertrag vorliegt oder ein bestehender Vertrag aus verschiedenen Gründen nicht wirksam ist. Ein solches Verhältnis kann insbesondere im Kontext eines Betriebsübergangs relevant werden, wenn die Arbeitnehmer eines insolventen Unternehmens weiterbeschäftigt werden, ohne dass die formalen Anforderungen eines Übergangs der Arbeitsverhältnisse erfüllt sind.

Die zentralen Rechtsfragen drehen sich dann um die Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers und die Verantwortlichkeiten des neuen Betriebsinhabers. Dabei spielen auch die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und die Wirkung von Abtretungsvereinbarungen eine wesentliche Rolle. Gerichte müssen in solchen Fällen entscheiden, ob und in welchem Umfang der Arbeitnehmer Ansprüche gegen den neuen Inhaber geltend machen kann.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 14 Ca 3512/20  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Arbeitsgericht Nürnberg hat entschieden, dass ein faktisches Arbeitsverhältnis bestand und die Beklagte zur Zahlung von Vergütungsansprüchen an den Kläger verpflichtet ist.

Zentrale Punkte aus dem Urteil:

  1. Faktisches Arbeitsverhältnis anerkannt: Trotz fehlendem formalem Arbeitsvertrag wurde ein faktisches Arbeitsverhältnis zwischen Herrn K. und der Beklagten festgestellt.
  2. Vergütungsansprüche bestätigt: Herr K. hat Anspruch auf Vergütung für die Zeit nach dem Betriebsübergang bis zu seinem Widerspruch.
  3. Betriebsübergang erfolgt: Das Gericht stellte fest, dass ein Betriebsübergang auf die Beklagte stattgefunden hatte.
  4. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall: Auch im Rahmen eines faktischen Arbeitsverhältnisses bestehen Ansprüche auf Entgeltfortzahlung.
  5. Abtretungsvereinbarung wirksam: Die Ansprüche von Herrn K. gegen die Beklagte gingen durch eine Abtretungsvereinbarung auf den Kläger über.
  6. Rückwirkende Wirkung des Widerspruchs: Der Widerspruch des Arbeitnehmers gegen den Betriebsübergang wirkt auf den Zeitpunkt des Übergangs zurück.
  7. Kein Annahmeverzugslohnanspruch gegen Veräußerer: Nach dem Widerspruch besteht kein Anspruch auf Verzugslohn gegen den ursprünglichen Arbeitgeber.
  8. Zahlungsverpflichtung der Beklagten: Die Beklagte wurde zur Zahlung von 6.922,66 Euro an den Kläger verurteilt.

Der Streit um Vergütungsansprüche im Arbeitsrecht

Im Zentrum des rechtlichen Disputs stand die Frage, ob Vergütungsansprüche aus einem faktischen Arbeitsverhältnis gegenüber der Beklagten bestehen. Der Kläger, ein Insolvenzverwalter, vertrat die Ansicht, dass der Betrieb der insolventen R. GmbH auf die Beklagte übergegangen sei und dass Herr K., ein Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin, seine Arbeitsleistung nach dem Betriebsübergang für die Beklagte erbracht habe, ohne dafür Entlohnung zu erhalten. Der Kläger machte geltend, dass Herr K. nach dem Betriebsübergang keine Geschäfte mehr im Sinne einer Fortführung des Betriebes der Insolvenzschuldnerin geführt habe, sondern lediglich Abwicklungstätigkeiten vorgenommen habe. Die Beklagte hingegen bestritt das Vorliegen eines Betriebsübergangs und argumentierte, dass der Kläger die Geschäfte der Insolvenzschuldnerin eigenständig geführt habe.

Die rechtliche Herausforderung des Betriebsübergangs

Das rechtliche Problem und die Herausforderung in diesem Fall lagen in der Bestimmung, ob ein Betriebsübergang stattgefunden hatte und ob die Beklagte zur Zahlung von Vergütungsansprüchen verpflichtet war. Die Komplexität ergab sich aus der Insolvenz der R. GmbH und der Frage, ob und wie die Arbeitsverhältnisse auf die Beklagte übergegangen waren. Zu beachten war insbesondere § 613a BGB, der die Rechte und Pflichten bei einem Betriebsübergang regelt, sowie die Grundsätze des faktischen Arbeitsverhältnisses, die dann Anwendung finden, wenn ein Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbringt, ohne dass ein formales Arbeitsverhältnis besteht.

Entscheidung des ArbG Nürnberg zu faktischen Arbeitsverhältnissen

Das Arbeitsgericht Nürnberg entschied, dass die Beklagte zur Zahlung von 6.922,66 Euro an den Kläger verurteilt wird. Das Gericht stellte fest, dass ein Betriebsübergang auf die Beklagte stattgefunden hatte und dass Herr K. seine Arbeitsleistung für die Beklagte erbracht hatte. Es wurde anerkannt, dass Herr K. nach den Grundsätzen des faktischen Arbeitsverhältnisses Vergütungsansprüche gegen die Beklagte hatte, da er nach dem Betriebsübergang und vor seinem Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses gearbeitet hatte.

Auswirkungen und Fazit des Urteils im Arbeitsrecht

Die Entscheidung des Gerichts basierte auf der Auslegung des Unternehmensübertragungskaufvertrags, der Zeugenaussagen und der vorgelegten Dokumente, die darauf hindeuteten, dass die Beklagte ab dem Stichtag des Betriebsübergangs die Organisations- und Leitungsmacht im Betrieb ausgeübt hatte. Das Gericht wies auch die Argumentation der Beklagten zurück, dass ein Verwendungsersatzanspruch bestünde, da der Kläger eigenmächtig gehandelt habe. Es wurde festgestellt, dass die Beklagte nicht ausreichend dargelegt hatte, dass der Unternehmensübertragungskaufvertrag rückabzuwickeln sei.

Weitere wichtige Informationen betrafen die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und die Abtretungsvereinbarung. Das Gericht stellte klar, dass auch im Rahmen eines faktischen Arbeitsverhältnisses Ansprüche auf Entgeltfortzahlung bestehen. Die Abtretungsvereinbarung, die zwischen dem Kläger und Herrn K. geschlossen wurde, führte dazu, dass alle Ansprüche von Herrn K. gegen die Beklagte auf den Kläger übergingen.

Die Auswirkungen des Urteils sind vielschichtig. Es bestätigt die Bedeutung des § 613a BGB und die Schutzmechanismen für Arbeitnehmer bei einem Betriebsübergang. Zudem verdeutlicht es die Rechtsfolgen eines faktischen Arbeitsverhältnisses und die damit verbundenen Vergütungsansprüche. Für die Praxis bedeutet dies, dass Unternehmen bei einem Betriebsübergang sorgfältig prüfen müssen, ob und wie die Arbeitsverhältnisse übergehen, und dass sie die Informations- und Mitteilungspflichten ernst nehmen müssen.

Das Fazit des Urteils unterstreicht, dass die Beklagte als neuer Betriebsinhaber die Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers zu erfüllen hat, wenn sie die Arbeitsleistung nach einem Betriebsübergang annimmt. Dieses Urteil könnte als Präzedenzfall für ähnliche Fälle dienen und zeigt die Wichtigkeit auf, dass sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer ihre Rechte und Pflichten im Falle eines Betriebsübergangs genau kennen sollten.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was versteht man unter einem faktischen Arbeitsverhältnis?

Ein faktisches Arbeitsverhältnis bezeichnet eine spezielle Situation im Arbeitsrecht, in der ein Arbeitsvertrag von Anfang an nichtig ist oder durch Anfechtung rechtsunwirksam wird, der Arbeitnehmer jedoch bereits mit der Arbeit begonnen hat und dafür entlohnt wurde. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein befristetes Arbeitsverhältnis ausläuft, der Arbeitnehmer jedoch weiterarbeitet, ohne eine entsprechende Verlängerungsvereinbarung unterzeichnet zu haben.

Für die Vergangenheit wird das faktische Arbeitsverhältnis wie ein wirksames Arbeitsverhältnis behandelt. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitsvergütung hat, einschließlich der Bezahlung von Mehrarbeit, und dass die Vorschriften des Arbeitsschutzes eingehalten werden müssen. Für die Zukunft besteht jedoch keine Bindung mehr, sobald sich der Arbeitsvertrag als nichtig herausstellt. In diesem Fall gelten nicht die Vorschriften des Kündigungsschutzes.

Ein faktisches Arbeitsverhältnis wird nicht angewendet, wenn ein vorsätzlicher Strafrechtsverstoß oder eine krasse Sittenwidrigkeit vorliegt. In solchen Fällen erfolgt die Rückabwicklung ausschließlich über das Bereicherungsrecht.

Die Beendigung eines faktischen Arbeitsverhältnisses kann jederzeit durch eine Anfechtung für nichtig erklärt und beendet werden. Dies geschieht einseitig und durch eine Anfechtungserklärung. Sobald diese beim Vertragspartner eintrifft, ist das Arbeitsverhältnis automatisch beendet. Es gelten keine Kündigungsbedingungen.

Es ist zu betonen, dass ein faktisches Arbeitsverhältnis nicht mit einem Arbeitsverhältnis zu verwechseln ist, das ohne schriftlichen Arbeitsvertrag oder ausdrückliche Abmachung konkludent zustande gekommen ist.


Das vorliegende Urteil

ArbG Nürnberg – Az.: 14 Ca 3512/20 – Urteil vom 16.03.2021

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.922,66 Euro zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Der Streitwert wird auf 6.922,66 Euro festgesetzt.

Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche des Klägers gegen die Beklagte betreffend Herrn K. für den Zeitraum vom 1.2.2019 bis 17.3.2019 aus abgetretenem Recht.

Herr K. war Mitarbeiter der R. GmbH. Über deren Vermögen wurde mit Beschluss des Amtsgerichts A. vom 1.2.2019 (Az.; Bl. 6 d.A.) die Insolvenz eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Beklagte und der Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der R. GmbH schlossen am 6./7.2.2019 einen Unternehmensübertragungskaufvertrag (Bl. 61 d.A.), welcher in Ziffer IV einen Übergang der Arbeitsverhältnisse der R. GmbH gem. § 613a BGB auf die Beklagte und in Ziffer II als Stichtag den 1.2.2019 vorsah. Der Kläger trat mit Erklärung vom 30.3.2019 von diesem Kaufvertrag zurück. Eine Unterrichtung der Beschäftigten i.S.d. § 613a Abs. 5 BGB erfolgte zunächst nicht. Herr K. widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte schriftlich am 1.4.2019. Unter dem 31.7./1.8.2019 schlossen der Kläger und Herr K. eine Abtretungsvereinbarung (Bl. 12 d.A.), welche eine Abtretung der Lohnansprüche des Herrn K. gegen die Beklagte für Februar 2019 i.H.v. 4.701,11 Euro netto und für März 2019 i.H.v. 2.721,55 Euro netto vorsah.

Mit Klageschrift vom 30.6.2020, beim Arbeitsgericht Nürnberg am selben Tag eingegangen und der Beklagte am 3.7.2020 zugestellt, macht der Kläger gegen die Beklagte Vergütungsansprüche betreffend Herrn K. für den Zeitraum vom 1.2.2019 bis 17.3.2019 geltend.

Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, der Betrieb der Insolvenzschuldnerin R. GmbH sei zum 1.2.2019 zunächst auf die Beklagte übergegangen. Herr K. sei Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin gewesen, die Beklagte habe im Rahmen der Übernahmegespräche und Kaufvertragsverhandlungen Kenntnis über die bei der Insolvenzschuldnerin bestehenden Arbeitsverhältnisse, auch das des Herrn K., erlangt. Herr K. habe wie alle Arbeitnehmer ab dem 1.2.2019 seine Arbeitsleistung für die Beklagte erbracht, ohne Arbeitslohn von der Beklagten zu erhalten. Er habe nach dem 1.2.2019 keine Geschäfte im Sinne einer Fortführung des Betriebes der Insolvenzschuldnerin geführt, sondern lediglich Abwicklungstätigkeiten vorgenommen, so betreffend Altforderungen des Kunden S. R. GmbH. Der Gesellschafter und jetzige Geschäftsführer der Beklagten Herr Z. habe für die Beklagte am Standort in Weißenburg Herrn G. als Interimsgeschäftsführer eingesetzt. Dieser habe zusammen mit Herrn Z. die Geschäfte vor Ort in Weißenbug geführt. An nach dem 1.2.2019 erwirtschafteten Einnahmen habe sich Herr Z. persönlich aus der Kasse bedient. Weisungen betreffend Zeit, Ort und Art der Leistungspflicht habe nach dem 1.2.2019 nicht mehr er, sondern Herr Z. bzw. Herr G. erteilt. So seien Urlaubsanträge bei Herrn G. gestellt worden, Krankmeldungen bei diesem eingegangen und Arbeitnehmer von Herrn G. bzw. Herrn Z. mangels angelblich nicht vorhandener Arbeit nach Hause geschickt worden. Auch die Beförderung von Frau S. zum 1.3.2019 sei durch die Beklagte erfolgt. Die Beklagte habe sich eine eigene Betriebsnummer geben lassen und das Steuerbüro W. mit der Finanzbuchhaltung und Lohnabrechnung beauftragt. Auch für Herrn K. sei eine entsprechende Lohnabrechnung der Beklagten mit dem Eintrittsdatum 1.2.2019 erfolgt (Bl. 10 d.A.) und an Herrn K. ausgehändigt worden. Die Beklagte habe sog. Zeitspannen-Berichte, auch betreffend Herrn K. (Bl. 149 f. d.A.) an das Lohnbüro zur Abrechnung übersandt.

Das Rechtsverhältnis des Herrn K. zur Beklagten richte sich nach dessen ordnungsgemäßem und fristgerechtem Widerspruch nach den Grundsätzen des faktischen Arbeitsverhältnisses. Herr K. habe für die Zeit zwischen Betriebsübergang und Erklärung des Widerspruchs einen Vergütungsanspruch gegen die Beklagte. Auch im faktischen Arbeitsverhältnis bestehe ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

Herr K. habe seinen Anspruch gegen die Beklagte wirksam an den Kläger abgetreten.

Der Kläger beantragt, die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 6.922,66 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, zwischen ihr und Herrn K. habe nie ein Arbeitsverhältnis bestanden. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass zwischen der Insolvenzschuldnerin R. GmbH und Herrn K. ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Ein Betriebsübergang auf die Beklagte habe nicht stattgefunden. Der Kläger habe auch im streitgegenständlichen Zeitraum die Geschäfte der Insolvenzschuldnerin eigenständig und unabhängig von den Weisungen der Beklagten geführt und sämtliche Einnahmen zurückgehalten. So habe der Kläger zur Betriebsversammlung am 1.4.2019 ohne Abstimmung mit der Beklagten geladen. Infolge des Rücktritts des Klägers vom Unternehmensübertragungskaufvertrag vom 6./7.2.2019 seien sämtliche erbrachten Leistungen zurückzugewähren. Der Widerspruch des Herrn K. entfalte Rückwirkung, sodass ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten auch nicht vorübergehend zustande gekommen sei. Der Widerspruch wirke auf den Zeitpunkt des Betriebsübergangs zurück, die Arbeitnehmer seien durchgängig beim bisherigen Arbeitgeber beschäftigt, nicht bei dem Betriebsübernehmer. Nehme der bisherige Arbeitnehmer die Arbeitsleistung nicht an, sei er unter dem Aspekt des Annahmeverzugs zur Lohnzahlung verpflichtet. Dies gelte auch im Falle eines erst nachträglichen Widerspruchs des Arbeitnehmers. Diesen Anspruch des Herrn K. habe der Kläger ausweislich der vorgelegten Abtretungsvereinbarung erfüllt mit der Folge des Erlöschens aller Ansprüche des Herrn K. für die Monate Februar und März 2019. Insbesondere sei die Zahlung schon im April 2019 erfolgt, die Abtretungsvereinbarung erst am 31.7./1.8.2019 unterzeichnet und die Lohnabrechnung für März 2019 betreffend Herrn K. durch den Kläger erstellt worden. Ein faktisches Arbeitsverhältnis zwischen Herrn K. und der Beklagten habe nicht bestanden. Eine Arbeitsleistung des Herrn K. für die Beklagten ab dem 1.2.2019 werde mit Nichtwissen bestritten, jedenfalls sei Herr K. ausweislich des Zeitspannen-Berichts ab dem 4.2.2019 arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Der Kläger habe auch über den 1.2.2019 hinaus Arbeitsleistung der Mitarbeiter für sich in Anspruch genommen. Dies folge für die erste Februarwoche schon daraus, dass der Unternehmensübertragungskaufvertrag erst am 7.2.2019 unterschrieben worden sei. Ohne Rücksicht auf die im Kaufvertrag vorgenommene Abgrenzung des Kaufgegenstandes habe der Kläger auch die verkauften Halbfertigen fertigstellen lassen und ebenso wie Fertigerzeugnisse für eigene Rechnung verkauft und eigenmächtig mit Kunden, so dem Großkunden S. R. GmbH, verhandelt. Einem etwaigen Anspruch des Klägers sei die Einrede des doloagit entgegenzuhalten, da der Beklagte insbesondere bezüglich der gezahlten Löhne ein Verwendungsersatzanspruch aufgrund der erforderlichen Rückabwicklung des Unternehmensübertragungskaufvertrags zustehe. Der Kläger habe als rechtlicher Arbeitgeber wegen der während der Krankheit des Herrn K. geleisteten Entgeltfortzahlung einen Erstattungsanspruch gegen den jeweiligen Sozialversicherungsträger, welchen er der Beklagten abtreten müsse, sofern er ihn bislang noch nicht selbst geltend gemacht habe; insoweit werde vorsorglich ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht.

Zum weiteren Vorbringen der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen, §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 313 Abs. 2 ZPO.

Die Kammer hat keinen Beweis erhoben.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist sowohl zulässig als auch begründet.

I. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG eröffnet, da der Kläger Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis des Herrn K. geltend macht. Auch ein faktisches bzw. fehlerhaftes Arbeitsverhältnis reicht zur Bejahung der Zuständigkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG aus (Schwab/Weth, § 2 ArbGG, Rn. 91). Das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses zwischen Herrn K. und der Beklagten ist gleichzeitig Voraussetzung für die Begründetheit der Klage, sodass der entsprechende bloße schlüssige Tatsachenvortrag bzw. sogar die bloße Rechtsbehauptung des Klägers für die Bejahung der Rechtswegzuständigkeit ausreichen (Schwab/Weth, § 2 ArbGG, Rn. 232 ff.). Eine Abtretung des Anspruchs durch den Arbeitnehmer an einen Dritten ändert nichts an der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte (BeckOK/Clemens, § 2 ArbGG, Rn. 17a). Das Arbeitsgericht Nürnberg ist gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 29 Abs. 1 ZPO örtlich zuständig, es wird auf den Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 11.3.2021 (Bl. 165 ff. d.A.) verwiesen.

Die Klage ist zulässig.

II. Die Klage ist auch begründet, der Kläger hat einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 6.922,66 Euro.

1. Es besteht ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte aus einem faktischen Arbeitsverhältnis zwischen dieser und Herrn K. für den streitgegenständlichen Zeitraum.

a) Es bestand ein Arbeitsverhältnis zwischen Herrn K. und der Insolvenzschuldnerin. Dies hat der Kläger unter Vorlage des entsprechenden Arbeitsvertrages (Bl. 68 d.A.) substantiiert dargetan, die Beklagte nicht substantiiert bestritten. Insbesondere hat der Kläger auch eine Lohnabrechnung der Beklagten betreffend Herrn K. (Bl. 10 d.A.) vorgelegt, eine substantiierte Einlassung der Beklagten hierzu ist nicht erfolgt. Schließlich trägt die Beklagte mit Schriftsatz vom 18.1.2021 auch selbst vor, bei Herrn K. handle es sich um einen (ehemaligen) Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin.

b) Das Arbeitsverhältnis zwischen Herrn K. und der Insolvenzschuldnerin ist zunächst mit Wirkung zum 1.2.2019 auf die Beklagte übergegangen, § 613a Abs. 1 BGB. Gemäß § 613a Abs. 1 BGB tritt der neue Inhaber in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Dass der Unternehmensübertragungskaufvertrag (Bl. 61 d.A.) erst am 6./7.2.2019 unterzeichnet wurde ist unbeachtlich. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Eintritt ist nicht der Abschluss des zugrundeliegenden Rechtsgeschäfts, sondern die Fortführung des Betriebes, d.h. der Moment, in dem der neue Inhaber die arbeitstechnische Organisations- und Leitungsmacht im eigenen Namen tatsächlich übernimmt (EK/Preis, § 613a BGB, Rn. 66). Ein Eintritt der Beklagten ist unter Berücksichtigung dieser Grundsätze zum 1.2.2019 erfolgt. Der Unternehmensübertragungskaufvertrag der Parteien sah unter Ziffer II den 1.2.2019 als Stichtag vor. Ab diesem Zeitpunkt übte die Beklagte die Organisations- und Leitungsmacht im Betrieb der Insolvenzschuldnerin tatsächlich aus. Nach dem Vortrag der Beklagten präsentierte der Kläger auf einer Betriebsversammlung den Mitarbeiten die Beklagte als neuen Arbeitgeber ab Februar 2019. Die Beklagte ließ für den Zeitraum ab dem 1.2.2019 unter Vorlage sog. Zeitspannen-Berichte (Bl. 144 ff. d.A.) durch das von ihr beauftragte Lohnbüro eine Abrechnung (Bl. 10. d.A.) erstellen. Ein bloßes Bestreiten der Erbringung von Arbeitsleistung durch Herrn K. für den Zeitraum ab 1.2.2019 durch die Beklagte mit Nichtwissen ist vor diesem Hintergrund nicht ausreichend (§ 138 Abs. 4 ZPO). Nach dem Vortrag des Klägers, welcher von der Beklagten nicht substantiiert bestritten wurde, sind zudem ab dem

1.2.2019 Urlaubsanträge bei Herrn G. gestellt worden, Krankmeldungen bei diesem eingegangen und Arbeitnehmer von Herrn G. bzw. Herrn Z. mangels angeblich nicht vorhandener Arbeit nach Hause geschickt worden und Beförderungen durch die Beklagte erfolgt. Im Hinblick auf den Kunden S. R. GmbH hat der Kläger bezugnehmend auf die beklagtenseits vorgelegte E-Mail des Klägers vom März 2019 (Bl. 114 f. d.A.) dargelegt, hier lediglich Abwicklungstätigkeiten betreffend Altforderungen vorgenommen zu haben. Eine Arbeitsleistungserbringung der Mitarbeiter bzw. des Herrn K. für den Kläger für den Zeitraum ab dem 1.2.2019 hat die Beklagte nicht substantiiert dargetan. Dass der Kläger ggf. eigenständig zur Betriebsversammlung am 1.4.2019 einlud, ist unschädlich, da dieser Zeitpunkt jedenfalls nicht vor dem Rücktritt des Klägers vom Unternehmensübertragungskaufvertrag lag und den streitgegenständlichen Zeitraum zwischen dem 1.2.2019 und dem Widerspruch des Herrn K. am 1.4.2019 nicht betrifft. Die Wertungen der betroffenen Krankenkassen, zumal unterschiedlich, sind vorliegend nicht maßgeblich, entsprechend war ein diesbezüglicher Schriftsatznachlass für die Beklagte nicht veranlasst. Gleiches gilt im Hinblick auf den vom Kläger mit Schriftsatz vom 5.3.2021 vorgelegten E-Mail-Verkehr, da die Ausführungen betreffend die Umstände, welche zum Rücktritt des Klägers vom Unternehmensübertragungskaufvertrag geführt haben, vorliegend nicht streiterheblich sind.

c) Herr K. hat unstreitig am 1.4.2019 dem Betriebsübergang wirksam unter Einhaltung der Form des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB widersprochen. Ein Widerspruch war zu diesem Zeitpunkt noch möglich, die Frist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB beginnt erst ab Zugang einer den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB genügenden Unterrichtung.

Aufgrund eines ordnungsgemäßen und fristgerechten Widerspruchs des Arbeitnehmers bleibt das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers zum bisherigen Arbeitgeber bestehen. Der Widerspruch, der beispielsweise in Folge fehlender Information erst längere Zeit nach Betriebsübergang erklärt wurde, wirkt auf den Zeitpunkt des Übergangs zurück. Das Rechtsverhältnis des Arbeitnehmers zum Erwerber richtet sich nach den Grundsätzen des faktischen Arbeitsverhältnisses. Widerspricht der Arbeitnehmer beispielsweise aufgrund einer unzureichenden Information erst längere Zeit nach dem Betriebsübergang, steht ihm bis zum Zeitpunkt des Widerspruchs kein Verzugslohnanspruch gegen den Veräußerer zu. Nach den Grundsätzen des faktischen Arbeitsverhältnisses wird der Arbeitnehmer bis zum Zeitpunkt des Widerspruchs so behandelt, als sei das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und dem Erwerber wirksam gewesen. Trotz der Fehlerhaftigkeit des Arbeitsverhältnisses behält er seinen Vergütungsanspruch für die geleistete Arbeit beim Erwerber (LAG Köln vom 11.6.2004 – 12 Sa 374/04; vom 5.10.2007 – 11 Sa 257/07; EK/Preis, § 613a BGB, Rn. 105; Anscheid/Preis/Schmidt/Steffan, § 613a BGB, Rn. 224a).

Herr K. hat für den streitgegenständlichen Zeitraum Vergütungsansprüche gegen die Beklagte nach den Grundsätzen des faktischen Arbeitsverhältnisses. Das (faktische) Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten und Herrn K. wurde in Vollzug gesetzt. Herr K. hat am

1.2.2019 unstreitig gearbeitet. Auch im faktischen Arbeitsverhältnis bestehen nach dessen Invollzugsetzung Ansprüche auf Entgeltfortzahlung, hier für den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit des Herrn K. ab dem 4.2.2019 bis zum Ablauf von sechs Wochen am 17.3.2019, § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG (EK/Preis, § 611a BGB, Rn. 147 m.w.N.). Eine etwaige telefonische Erreichbarkeit des Herrn K. auch während des Zeitraumes der Arbeitsunfähigkeit war nicht entscheidungserheblich, sodass ein entsprechender Schriftsatznachlass für die Beklagte nicht veranlasst war.

Inwieweit und in welcher Höhe notwendige Verwendungen (§ 994 BGB) im Rahmen der Rückabwicklung des Unternehmensübertragungskaufvertrages vom 6./7.2.2019 nach § 347 Abs. 2 Satz BGB zu ersetzen wären, hat die Beklagte nicht substantiiert dargetan. Insbesondere fehlt es bereits am Vorbringen der Beklagten dazu, dass der Unternehmensübertragungskaufvertrag rückabzuwickeln ist, nachdem die Beklagte selbst die Berechtigung des Klägers zum Rücktritt bestreitet. Im Übrigen tritt die Fälligkeit des Anspruchs grundsätzlich entsprechend § 1001 BGB erst mit der Rückgabe des Leistungsgegenstandes oder Begleichung der Wertersatzpflicht ein, auch diesbezüglich ist von Seiten der Beklagten kein substantiierter Sachvortrag erfolgt. Inwieweit und aus welchem Rechtsgrund wegen der während der Krankheit des Herrn K. geleisteten Entgeltfortzahlung ein abzutretender Erstattungsanspruch des Klägers gegen Sozialversicherungsträger bestehen sollte, ist dem Vorbringen der Beklagten nicht zu entnehmen, sodass ein diesbezügliches Zurückbehaltungsrecht nicht in Betracht kommt.

2. Es besteht ein Anspruch gegen die Beklagte in Höhe der geltend gemachten 6.922,66 Euro. Für den Zeitraum von 1.2.2019 bis 28.2.2019 besteht ausweislich der Abrechnung der Beklagten vom 14.3.2019 (Bl. 10 d.A.) ein Auszahlungsanspruch des Herrn K. in Höhe von 4.701,11 Euro netto. Für den Zeitraum von 1.3.2019 bis 17.3.2019 besteht ausweislich der Abrechnung vom 15.5.2019 (Bl. 11 d.A.) ein Auszahlungsanspruch des Herrn K. in Höhe von 2.721,55 Euro netto. Die Anspruchshöhe wurde seitens der Beklagten nicht substantiiert bestritten.

3. Die Vergütungsansprüche des Herrn K. für den streitgegenständlichen Zeitraum sind auch nicht aufgrund der Zahlungen des Klägers an Herrn K. vor Abschluss der Abtretungsvereinbarung durch Erfüllung erloschen, jedenfalls da für diesen Zeitraum, unabhängig vom Zeitpunkt der Zahlung und des Abschlusses der Abtretungsvereinbarung sowie des Erstellers der Lohnabrechnung des Herrn K. für März 2019, Annahmeverzugslohnansprüche des Herrn K. gegen den Kläger bereits nicht in Betracht kommen (vgl. oben, LAG Köln vom 11.6.2004 – 12 Sa 374/04; vom 5.10.2007 – 11 Sa 257/07; EK/Preis, § 613a BGB, Rn. 105; Anscheid/Preis/Schmidt, § 613a BGB, Rn. 224a). Im Übrigen enthält auch die Abtretungsvereinbarung vom 31.7./1.8.2019 (Bl. 12 d.A.) keine Anhaltspunkte dafür, dass eine eigene Schuld des Klägers erfüllt werden sollte, sondern regelt ausdrücklich die Zahlung gegen Abtretung der Arbeitsentgeltforderungen des Herrn K. für Februar und März 2019 gegen die Beklagte.

4. Der Kläger ist aktivlegitimiert. Herr K. hat seine Ansprüche gegen die Beklagte für den streitgegenständlichen Zeitraum mit Abtretungsvereinbarung vom 31.7./1.8.2019 (Bl. 12 d.A.) wirksam an den Kläger abgetreten. Das Abtretungsverbot des § 400 BGB greift vorliegend nicht, da der Kläger an Herrn K. einen Betrag, der der Höhe nach dem Nettolohn des Herrn K. für den streitgegenständlichen Zeitraum entsprach, vor der Vereinbarung der Abtretung auszahlte. Das Abtretungsverbot ist nicht anzuwenden, wenn der geschützte Zedent den pfändungsfreien Betrag vom Zessionar bereits vorher erhalten hat (EK/Preis, § 611a BGB, Rn. 462).

III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, 3 ff. ZPO.

Soweit die Berufung nicht bereits kraft Gesetzes statthaft ist (§ 64 Abs. 2 lit. b und c ArbGG), war sie nicht zuzulassen, da die Zulassungsvoraussetzungen des § 64 Abs. 3 ArbGG nicht gegeben sind. Insbesondere kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu, § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG.

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