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Verhaltensbedingte Kündigung – Abmahnung – Kündigungsverzicht

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 2 Sa 275/18 – Urteil vom 05.02.2020

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 25.06.2018 – 2 Ca 147/18 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12.01.2018 nicht zum 15.02.2018, sondern erst zum 28.02.2018 aufgelöst ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) tragen der Kläger zu 5/6 und die Beklagte zu 1/6.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Der 1983 geborene, ledige und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger war bei der Beklagten, die in ihrem Betrieb mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, aufgrund Arbeitsvertrags vom 21. November 2014 (Bl. 46 – 49 d. A.) seit dem 24. November 2014 als Kraftfahrer gegen einen Bruttomonatslohn von 2.100,00 EUR beschäftigt; dabei ist zwischen den Parteien streitig, ob der Kläger gemäß seinem Vortrag bereits zuvor seit dem 1. Oktober 2013 bei der Beklagten tätig war. Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 21. November enthält unter der Überschrift „Arbeitsverhinderung“ u.a. folgende Regelung:

„Arbeitsverhinderung:

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber jede Dienstverhinderung und ihre voraussichtliche Dauer bereits am 1. Tage der Verhinderung anzuzeigen. (…)“

Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger am 29. September 2016 nicht zur Arbeit erschienen ist, ohne der Beklagten dies entsprechend mitzuteilen, und ihm deswegen eine Abmahnung vom 30. September 2016 (Bl. 50 d. A.) übergeben worden ist.

Unter dem 21. August 2017 erhielt der Kläger folgende „zweite Abmahnung“ (Bl. 75 d. A.):

„Zweite Abmahnung

Sehr geehrter Herr A.,

heute sind Sie zum wiederholten Male vorsätzlich und unentschuldigt nicht zur Arbeit erschienen. Sollte es Gründe geben, die ein Nichterscheinen rechtfertigen so sind diese frühzeitig mit dem Vorgesetzten zu erörtern damit der Betriebsablauf nicht gefährdet wird. Dies ist nicht erfolgt, vielmehr teilten Sie am Freitag, den 19.08.2017 mit, dass Sie ab Montag, den 21.08.2017 gerne drei Wochen Urlaub hätten. Ihr Vorgesetzter teilte Ihnen hierauf mit, dass dies zu kurzfristig sei und Urlaub erst ab dem 28.08.2017 möglich sei und Sie am Montag zur Arbeit erscheinen müssen. Dies ist leider nicht geschehen.

Eine solche Arbeitsweise können wir nicht tolerieren. Wir weisen Sie hiermit deswegen letztmals darauf hin, dass den Anweisungen der Vorgesetzten Folge zu leisten ist und der Arbeitsantritt pünktlich zu erfolgen hat.

Sollten Sie die geschilderte Pflichtverletzung erneut wiederholen, werden wir die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aussprechen.

Die Abmahnung wird in Ihrer Personalakte hinterlegt.“

Für die Zeit vom 21. bis 25. August 2017 übersandte der Kläger eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 22. August 2017 (Bl. 74 d. A.), die bei der Beklagten am 23. August 2017 einging. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 23. August 2017 (Bl. 59 d. A.) mit, dass sie seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 22. August 2017 mit Wirkung ab dem 21. August 2017 nicht anerkenne, weil der von ihm am vorangegangenen Freitag beantragte Urlaub für drei Wochen ab dem 21. August 2017 aufgrund der Kurzfristigkeit nicht gewährt worden sei und sie als Reaktion seinerseits nun eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhalten habe.

Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger am 17. November 2017 unentschuldigt ohne Mitteilung nicht zur Arbeit erschienen war und ihm deswegen eine „dritte Abmahnung“ vom 19. November 2017 (Bl. 60 d. A.) übergeben worden ist. Weiterhin ist zwischen den Parteien streitig, ob der Kläger eine weitere Abmahnung vom 13. Dezember 2017 (Bl. 61 d. A.) wegen Arbeitsverweigerung erhalten hat.

Am 4. und 5. Januar 2018 erschien der Kläger nicht zur Arbeit. Am 8. Januar 2018 legte der Kläger eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für diese beiden Tage vor. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Beklagte – vor der am 8. Januar 2018 vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – eine Mitteilung des Klägers über seine Abwesenheit am 4. sowie 5. Januar 2018 erhalten hat.

Mit Schreiben vom 9. Januar 2018, dessen Zugang der Kläger erstinstanzlich bestritten und zweitinstanzlich unstreitig gestellt hat, erteilte die Beklagte dem Kläger folgende Abmahnung (Bl. 62 d. A.):

„Abmahnung

Sehr geehrter Herr A.,

am 08.01.2018 haben Sie sich zum wiederholten Male vorsätzlich den Anweisungen ihres Vorgesetzten widersetzt indem Sie auch nach mehrmaliger Anordnung die Aufträge nicht wie aufgetragen mit Anhänger sondern solo gefahren sind.

Eine solche Arbeitsweise können wir nicht tolerieren. Wir weisen Sie hiermit letztmalig darauf hin, dass den Anweisungen der Vorgesetzten Folge zu leisten ist.

Sollten Sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, sehen wir uns leider zu weiteren arbeitsrechtlichen Maßnahmen gezwungen. Diese können sogar eine Kündigung einschließen.

Die Abmahnung wird in Ihrer Personalakte hinterlegt.“

Mit Schreiben vom 12. Januar „2017“ (Bl. 5 d. A.), dem Kläger am 15. Januar 2018 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis „ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ mit der Angabe, dass dies nach ihren Berechnungen der 15. Februar 2018 sei.

Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner am 24. Januar 2018 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein eingegangenen Kündigungsschutzklage gewandt.

Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 25. Juni 2018 – 2 Ca 147/18 – und die erstinstanzlich eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12. Januar 2018 nicht beendet wird,

2. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Kraftfahrer weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 25. Juni 2018 – 2 Ca 147/18 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Kündigung unwirksam sei, weil die Beklagte den Kläger letztmalig nach ihren Angaben am 9. Januar 2018 abgemahnt habe und danach kein weiteres Fehlverhalten des Klägers mehr vorgetragen worden sei. Insoweit sei der Vortrag der Beklagten bereits unschlüssig zur Rechtfertigung der Kündigung, so dass das Bestreiten des Klägers, unabhängig von der Erheblichkeit, dahinstehen könnte. Durch eine Abmahnung zeige der Arbeitgeber, dass er das bisherige Verhalten des Klägers nicht zum Anlass für eine Kündigung nehme, sondern ihm noch eine Chance zur Änderung des Verhaltens einräume. Deshalb könne der Arbeitgeber eine verhaltensbedingte Kündigung nur auf ein erneutes Fehlverhalten des Arbeitnehmers nach Ausspruch der letzten Abmahnung stützen. Die Beklagte habe der Warnfunktion der Abmahnung vom 9. Januar 2018 aber keine Rechnung getragen und nicht abgewartet, ob der Kläger sein Verhalten ändern werde. Deshalb verstoße die Kündigung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und sei sozial nicht gerechtfertigt. Die Kündigung sei auch nicht als sog. Druckkündigung gerechtfertigt. Damit habe die streitgegenständliche Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet. Der Kläger habe nach den von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aufgestellten Grundsätzen einen Anspruch auf die von ihm mit dem Antrag zu 2. begehrte vorläufige Weiterbeschäftigung. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.

Gegen das ihr am 13. Juli 2018 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 10. August 2018, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 13. August 2018 eingegangen, Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15. Oktober 2018 mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2018, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet. Mit Schriftsatz vom 22. März 2019 hat sie hilfsweise die Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zum 28. Februar 2018 gegen Zahlung einer Abfindung beantragt.

Die Beklagte trägt vor, das Arbeitsgericht habe die Begründung seiner Entscheidung auf einen Aspekt gestützt, den der Kläger erstinstanzlich nicht vorgetragen habe. Der Kläger habe erstinstanzlich den Zugang der Abmahnung vom 09. Januar 2018 bestritten und überhaupt nicht vorgetragen, dass aufgrund der Abmahnung kein Kündigungsgrund vorliegen könne. Mit der Kündigung vom 12. Januar 2018 habe sie von der Abmahnung vom 09. Januar 2018 Abstand genommen und diese somit gemäß § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB widerrufen. Das Arbeitsgericht hätte sie gemäß § 139 ZPO darauf hinweisen müssen, dass es in der Abmahnung vom 09. Januar 2018 einen stillschweigenden Verzicht einer Kündigung sehe. Für das Arbeitsgericht sei ohne weiteres erkennbar gewesen, dass sie sich im Rahmen ihres gesamten Vortrags nicht allein auf das Fehlverhalten vom 08. Januar 2018 gestützt habe. Im Gütetermin habe sie auf Nachfrage des Gerichts ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2018 vorgetragen, dass der Kläger letztmalig am 04. und 05. Januar 2018 unentschuldigt gefehlt habe und dies der Kündigungsgrund gewesen sei. Weiterhin sei auf Nachfrage des Gerichts vorgetragen worden, dass der Kläger am 18. August 2017 und am 17. November 2017 unentschuldigt gefehlt habe. Diesbezüglich sei der Kläger auch abgemahnt worden. In der Güteverhandlung sei zunächst vom 18. August 2017 die Rede gewesen, weil der Kläger an diesem Tag den abgelehnten Urlaubsantrag für drei Wochen ab dem 21. August 2018 gestellt habe. Das Fehlen im Zusammenhang mit dem 18. August 2017 sei mit Schriftsatz vom 19. März 2017 dahingehend präzisiert worden, dass der Kläger ohne vorherige Mitteilung (Anzeigepflicht nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG) über seine Abwesenheit vom 21. bis 25. August 2017 gefehlt habe. In der Abmahnung vom 21. August 2017 werde dem Kläger vorgeworfen, dass er jedenfalls unentschuldigt nicht zur Arbeit erschienen sei und dass Gründe, die ein Nichterscheinen rechtfertigten, frühzeitig zu erörtern seien, damit der Betriebsablauf nicht gefährdet werde. Damit sei die Verpflichtung des Arbeitnehmers nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG gemeint, wonach der Arbeitnehmer verpflichtet sei, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Diese Verpflichtung habe der Kläger verletzt. Zur Rechtfertigung habe der Kläger lediglich mit Schriftsatz vom 10. April 2018 vorgetragen, dass er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung übersandt habe. Hingegen habe der Kläger nicht dargelegt, dass er seiner Anzeigepflicht nachgekommen sei. Offensichtlich sei der Kläger davon ausgegangen, dass er bis auf die Übersendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung keine weiteren Verpflichtungen zu erfüllen habe und dies ausreichen müsse. Am 17. November 2017 sei der Kläger erneut ohne entsprechende Anzeige von der Arbeit ferngeblieben, weshalb er am 19. November 2017 abgemahnt worden sei. Wie im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2018 festgehalten, sei von ihr vorgetragen worden, dass die Kündigung wegen des wiederholten Fehlens am 04. und 05. Januar 2018 erfolgt sei. Mit Schriftsatz vom 19. März 2018 habe sie ihren Vortrag dahingehend präzisiert, dass der Disponent Herr G. den Kläger auf dem Diensthandy nicht habe erreichen können und eine Mitteilung über die Abwesenheit nicht erfolgt sei. Das Arbeitsgericht habe ihren Vortrag zum Verstoß gegen die Anzeigepflicht überhaupt nicht berücksichtigt. Der Kündigungsgrund wegen Verletzung des § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG aufgrund des Fehlens am 04. und 05. Januar 2018 sei jedenfalls nicht verbraucht. Hätte das Arbeitsgericht nicht nur auf das Fehlverhalten vom 08. Januar 2018 und die Abmahnung vom 09. Januar 2018 abgestellt, sondern auch den weiteren im Protokoll vom 26. Februar 2018 genannten Kündigungssachverhalt mit berücksichtigt, hätte es die ordentliche Kündigung als wirksam betrachten müssen. Weiterhin habe sie nach Schluss der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz erfahren, dass der Kläger im November 2017 einen Unfall mit ihrem LKW verursacht habe, den er ihr nicht angezeigt und damit gegen die ihm obliegenden Pflichten gemäß §§ 242, 241 Abs. 2 BGB verstoßen habe. Hilfsweise begehre sie die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG; wegen der Begründung des von der Beklagten hilfsweise gestellten Auflösungsantrags wird auf ihren Schriftsatz vom 22. März 2019 und ihr ergänzendes Vorbringen zum Auflösungsantrag in ihren Schriftsätzen vom 22. August 2019 und 23. Oktober 2019 verwiesen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein vom 25. Juni 2018 – 2 Ca 147/18 – abzuändern und die Klage abzuweisen, und hilfsweise, das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Wirkung zum 28. Februar 2018 gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aufzulösen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er erwidert, die Berufung sei bereits unzulässig, weil die Berufungsbegründung der Beklagten vom 15. Oktober 2018 nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO genüge. Eine Berufungsbegründung müsse die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergebe. Der Vortrag der Beklagten sei nicht erheblich und nicht geeignet, eine Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zu begründen. Soweit die Beklagte ausführe, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass die von ihr als Prozessstoff in das erstinstanzliche Verfahren eingebrachte Abmahnung vom 09. Januar 2018 „widerrufen“ worden sei, sei dieser Vortrag bereits deshalb unerheblich, weil eine Abmahnung als einseitige Willenserklärung nach Zugang beim Empfänger nicht widerrufen werden könne. Er bestreite den Zugang der Abmahnung vom 09. Januar 2018 ausdrücklich nicht mehr und bekenne sich zu deren Zugang. Weiterhin könne der Vortrag der Beklagten keine Änderung des Urteils der ersten Instanz bewirken, weil der Vortrag widersprüchlich sei. Die Beklagte habe ihn unter dem Datum des 09. Januar 2018 abgemahnt und wolle nunmehr im Berufungsverfahren diese Abmahnung nicht mehr als solche verstanden wissen. Dies stelle ein widersprüchliches Verhalten dar. Auch der weitere Vortrag der Beklagten, wonach er sich zu keinem Zeitpunkt die Pflichtverletzung und die Abmahnung sowie deren Zugang zu eigen gemacht haben solle, sei nicht erheblich. Er sei zu keinem Zeitpunkt prozessual dazu verpflichtet, sich den Vortrag in irgendeiner Art zu eigen zu machen. Zudem sei die Berufung der Beklagten auch unbegründet. Die Abmahnung vom 09. Januar 2018, welche eine von der Beklagten behauptete Pflichtverletzung vom 08. Januar 2018 zum Gegenstand habe, enthalte jedenfalls einen konkludenten Verzicht, wegen der behaupteten Pflichtverletzung vom 08. Januar 2018 das Arbeitsverhältnis kündigen zu wollen. Die Beklagte habe keinen substantiierten Vortrag geleistet, wonach im vorliegenden Fall eine Ausnahme von dem Grundsatz angenommen werden könne, dass eine Abmahnung den Kündigungsgrund wegen desselben Sachverhaltes verbrauche. Vielmehr habe sich die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag nachträglich entschieden, aufgrund von Äußerungen der Disponenten das Arbeitsverhältnis plötzlich doch zu kündigen. Der nach dem Zugang der Abmahnung vom 09. Januar 2018 gefasste Beschluss sei irrelevant, weil die von der Beklagten behauptete Pflichtverletzung bereits abgemahnt gewesen sei. Die Abmahnung vom 09. Januar 2018 schließe jedenfalls angesichts ihrer Formulierung eine nachfolgende Kündigung wegen derselben Pflichtverletzung aus. Etwaige von der Beklagten behauptete Pflichtverstöße seien jedenfalls durch die Abmahnungen, zu welchen die Beklagte umfangreich vorgetragen habe, allesamt verbraucht. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts sei keinesfalls überraschend, zumal der Grundsatz, dass eine Abmahnung eine Kündigung ausschließe, ein in der Rechtsprechung allgemein anerkannter Grundsatz sei. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ende auch nicht aufgrund des weiteren Sachvortrags der Beklagten, wonach er diese nicht über den Unfall im November 2017 unverzüglich informiert haben solle. Vielmehr habe er den Unfall im November 2017 unverzüglich der Beklagten angezeigt und deren Disponenten, Herrn E., darüber informiert. Der hilfsweise gestellte Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses sei unbegründet; wegen der diesbezüglichen Ausführungen des Klägers wird auf seine Schriftsätze vom 07. Juni 2019 und 13. September 2019 verwiesen.

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen G., F., I. und E.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 05. Februar 2020 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle und den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

Entgegen der Ansicht des Klägers genügt die Berufungsbegründung vom 15. Oktober 2018 den gesetzlichen Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO.

Die Beklagte hat sich mit der tragenden Argumentation des Arbeitsgerichts, dass die Kündigung mangels erneuten Fehlverhaltens nach Ausspruch der letzten Abmahnung vom 09. Januar 2018 gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoße und damit sozial nicht gerechtfertigt sei, im Einzelnen auseinandergesetzt und u.a. vorgebracht, dass die Kündigungsschutzklage aufgrund des vom Kläger selbst bestrittenen Zugangs der Abmahnung unschlüssig sei und sie die Abmahnung mit der Kündigung vom 12. Januar 2018 widerrufen habe bzw. daran nicht länger festhalte. Ferner hat sie die Erheblichkeit bzw. Kausalität der gerügten Rechtsverletzung gesondert begründet und angeführt, dass aus den dargelegten Gründen das abgemahnte Verhalten mangels wirksamer Abmahnung Gegenstand der Kündigung vom 12. Januar 2018 sein könne und die Klage unter Berücksichtigung sämtlicher vorgetragenen Pflichtverletzungen hätte abgewiesen werden müssen. Eine schlüssige, rechtlich haltbare Berufungsbegründung setzt § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO nicht voraus. Es kommt daher nicht darauf an, ob die rechtliche Beurteilung der Beklagten als Berufungsführerin richtig ist oder nicht (vgl. BAG 24. Januar 2001 – 5 AZR 132/00 – Rn. 11, juris).

Die hiernach zulässige Berufung der Beklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung ist aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG und damit rechtswirksam. Allerdings ist das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der wirksamen Kündigung vom 12. Januar 2018 nicht zu dem in ihr angegebenem Termin (15. Februar 2018), sondern gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB erst zum 28. Februar 2018 beendet worden.

I.

Die ordentliche Kündigung vom 12. Januar 2018 ist aus den von der Beklagten vorgetragenen verhaltensbedingten Gründen gemäß § 1 Abs. 2. Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt.

1. Eine Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile angemessen erscheint (BAG 03. November 2011 – 2 AZR 748/10 – Rn. 20, NZA 2012, 607). Auch die schuldhafte Verletzung einer Nebenpflicht, wie der gesetzlichen (§ 5 Abs. 1 S. 1 EFZG) oder vertraglichen Pflicht zur unverzüglichen Anzeige der Arbeitsunfähigkeit, kann an sich eine ordentliche Kündigung sozial rechtfertigen, und zwar auch dann, wenn es dadurch nicht zu einer Störung der Arbeitsorganisation oder des Betriebsfriedens gekommen ist; wenn derartige nachhaltige Auswirkungen eingetreten sind, ist das im Rahmen der Interessenabwägung zu Lasten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (BAG 16. August 1991 – 2 AZR 604/90 – NZA 1993, 17).

2. Die Beklagte hat die von ihr ausgesprochene Kündigung darauf gestützt, dass der Kläger die ihm obliegende Anzeigepflicht verletzt habe, indem er am 04. und 05. Januar 2018 nicht zur Arbeit erschienen sei, ohne dass sie – vor der erst am 08. Januar 2018 vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – eine Mitteilung des Klägers über seine Abwesenheit an diesen beiden Tagen erhalten habe. Auf ihr Recht zur Kündigung aus diesem Grund hat die Beklagte nicht verzichtet.

Die Abmahnung vom 09. Januar 2018 wegen der dem Kläger vorgeworfenen Weigerung am 08. Januar 2018, mit dem Anhänger zum Kunden zu fahren, hat das Kündigungsrecht der Beklagten aufgrund der von ihr als Kündigungsgrund angeführten Verletzung der Anzeigepflicht anlässlich des krankheitsbedingten Fehlens des Klägers am 04. und 05. Januar 2018 nicht verbraucht.

a) Zwar liegt dem Ausspruch einer Abmahnung regelmäßig der konkludente Verzicht auf das Recht zur Kündigung aus den in ihr gerügten Gründen, weil der Arbeitgeber mit einer Abmahnung zu erkennen gibt, dass er das Arbeitsverhältnis aufgrund des abgemahnten Verhaltens noch nicht als so gestört ansieht, als dass er es nicht mehr fortsetzen könnte (BAG 19. November 2015 – 2 AZR 217/15 – Rn. 28, NZA 2016, 540). Hat der Arbeitgeber auf das Recht zur Kündigung aus den abgemahnten Gründen verzichtet, kann er eine spätere Kündigung nicht allein auf die abgemahnten Gründe stützen, sondern hierauf nur unterstützend zurückgreifen, wenn weitere kündigungsrechtlich erhebliche Umstände eintreten oder ihm nachträglich bekannt werden (BAG 13. Dezember 2007 – 6 AZR 145/07 – Rn. 24, NZA 2008, 403).

b) Im Streitfall hat die Beklagte die Kündigung vom 12. Januar 2018 aber nicht allein auf den zuletzt abgemahnten Vorfall oder eines gleichartigen Fehlverhaltens, sondern in erster Linie auf die dem Kläger vorgeworfene Verletzung der Anzeigepflicht bezüglich seiner Abwesenheit am 04. und 05. Januar 2018 gestützt. Mit der zuletzt ausgesprochenen Abmahnung vom 09. Januar 2018 hat die Beklagte zwar das Kündigungsrecht aus dem in dieser Abmahnung gerügten Grund (Weigerung des Klägers am 08. Januar 2018, mit dem Anhänger zum Kunden zu fahren) konkludent verzichtet, nicht aber in Bezug auf den angeführten Kündigungsgrund einer Verletzung der Anzeigepflicht durch den Kläger anlässlich seiner Abwesenheit am 04. und 05. Januar 2018. Die Beklagte hat bereits im Gütetermin vom 26. Februar 2018 dargelegt, dass der Kläger nach den vorangegangenen einschlägigen Abmahnungen letztmalig am 04. und 05. Januar 2018 unentschuldigt gefehlt habe und dies der Kündigungsgrund gewesen sei. Diesbezüglich hat die Beklagte nicht aus einem Grund gekündigt, auf den sie zuvor durch die zuletzt erteilte Abmahnung vom 09. Januar 2018 verzichtet hat. Aus der Abmahnung vom 09. Januar 2018 lässt sich aus Empfängersicht nicht entnehmen, dass die Beklagte damit nicht nur den abgemahnten Vorfall, sondern auch den völlig anders gelagerten Pflichtverstoß einer Verletzung der Anzeigepflicht anlässlich seines Fehlens am 04. und 05. Januar 2018 als „erledigt“ angesehen hat.

3. Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Berufungsgerichts (§ 286 ZPO) fest, dass die Beklagte – vor der am 08. Januar 2018 vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – keine Mitteilung des Klägers über seine Abwesenheit am 04. sowie 05. Januar 2018 erhalten hat.

Das hat der Zeuge G. bei seiner Vernehmung glaubhaft bestätigt. Der Zeuge hat bekundet, dass er seit 2016 bei der Beklagten als Fuhrpark-Disponent beschäftigt sei. In seiner Funktion sei er für die Einteilung der Touren und Fahrten zuständig. Am 04. und 05. Januar 2018 habe er Frühschicht gehabt. Er schaue nach, ob alle Fahrer da seien und ihre Arbeit beginnen würden. Wenn jemand fehle, versuche er diesen telefonisch zu erreichen, zumal es ja sein könne, dass zum Beispiel ein Fahrer verschlafen habe. Könne der Fahrer nicht erreicht werden, teile er das der Geschäftsleitung mit. Falls ein Fahrer erkrankt sei, melde dieser sich über die zentrale Telefonnummer, was dann direkt bei der Disposition auflaufe. Am 04. und 05. Januar 2018 sei er der zuständige Disponent gewesen. Bei einer Krankmeldung eines Fahrers erhalte er über die zentrale Telefonnummer den Anruf des betreffenden Fahrers. Der Kläger habe sich am 04. und 05. Januar 2018 nicht bei ihm gemeldet. Er habe versucht, ihn telefonisch zu erreichen, ihn aber nicht erreicht. Daraufhin habe er Personalabteilung und Geschäftsleitung informiert, dass der Kläger nicht zur Arbeit erschienen sei. An den beiden Tagen habe er deshalb die Touren umdisponieren müssen. Es sei nicht das erste Mal gewesen, dass ein solcher Fall beim Kläger aufgetreten sei. Seiner Erinnerung nach sei das im November 2017 auch so gewesen, dass der Kläger nicht erschienen sei und dies nicht zuvor mitgeteilt habe und auch nicht erreichbar gewesen sei.

Aufgrund der glaubhaften Aussage des Zeugen G. ist das Berufungsgericht zweifelsfrei davon überzeugt, dass der Kläger sich entgegen seiner Behauptung am 04. und 05. Januar 2018 nicht beim Zeugen G. als dem zuständigen Disponenten gemeldet und seine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit angezeigt hat. Die Einlassung des Klägers, er habe sich angeblich hinsichtlich seiner Arbeitsunfähigkeit am 04. und 05. Januar 2018 vor Arbeitsbeginn telefonisch bei der Disposition unter der zentralen Telefonnummer krankgemeldet, begründet keine Zweifel an der glaubhaften Darstellung des Zeugen. Der Kläger konnte nicht einmal angeben, mit wem er überhaupt gesprochen haben will. Er hat lediglich erklärt, dass er denke, es sei Herr G. gewesen. Der Zeuge G. hat hingegen glaubhaft ausgesagt, dass er als zuständiger Disponent am 04. und 05. Januar 2018 vergeblich versucht habe, den Kläger zu erreichen, und daraufhin die Personalabteilung und Geschäftsleitung informiert habe. An den beiden Tagen habe er deshalb die Touren umdisponieren müssen. Im Hinblick darauf ist ohne weiteres nachvollziehbar, dass der Zeuge trotz des Zeitablaufs hierzu noch Angaben machen konnte. Aufgrund der glaubhaften Aussage des Zeugen ist die Einlassung des Klägers zweifelsfrei zur Überzeugung des Berufungsgerichts widerlegt.

Danach hat der Kläger die ihm nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG und aufgrund seines Arbeitsvertrags vom 21. November 2014 im Falle einer Arbeitsverhinderung obliegende Anzeigepflicht schuldhaft verletzt. Dieser Pflichtverstoß ist an sich geeignet, die ausgesprochene ordentliche Kündigung sozial zu rechtfertigen.

4. Der Kläger ist auch zuvor bereits einschlägig abgemahnt worden.

Im Streitfall kann dahingestellt bleiben, ob dem Kläger die Abmahnung vom 21. August 2017, die er unstreitig erhalten hat, zu Recht erteilt worden war und der Kläger den Vorwurf einer Verletzung der Anzeigepflicht anlässlich seines Fehlens ab dem 21. August 2017 (nach der am 23. August 2017 vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 22. August 2017) ausreichend bestritten hat. Jedenfalls hat die Beklagte mit ihren Schreiben vom 19. November 2017 und 30. September 2016 dem Kläger jeweils eine einschlägige berechtigte Abmahnung erteilt.

a) Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest, dass der Kläger am 17. November 2017 und am 29. September 2016 unentschuldigt ohne entsprechende Mitteilung nicht zur Arbeit erschienen war und ihm deshalb die vorgelegten Abmahnungen vom 19. November 2017 und 30. September 2016 jeweils persönlich übergeben worden sind.

Das haben die hierzu jeweils vernommenen Zeugen glaubhaft bestätigt.

aa) Die Zeugin F. hat bekundet, dass sie am 17. November 2017 vom Disponenten darüber informiert worden sei, dass der Kläger nicht zur Arbeit erschienen sei und sich auch nicht gemeldet habe. Sie habe in den Einsatzplänen nochmals nachgeschaut. Daher könne sie sagen, dass Herr G. der Disponent in der Frühschicht gewesen sei, der ihr mitgeteilt habe, dass der Kläger ohne Mitteilung nicht zur Arbeit erschienen sei. Daraufhin habe sie sich mit Herrn Y. besprochen. Sie hätten entschieden, dass deswegen eine Abmahnung ausgesprochen werden solle, die sie selbst geschrieben und dann am darauffolgenden Montag Herrn I. übergeben habe, damit er diese dem Kläger aushändige. In dem Fall am 29. September 2016 habe es sich um einen ähnlichen Vorfall gehandelt. Sie habe an dem Tag die Mitteilung erhalten, dass der Kläger nicht zur Arbeit erschienen sei und sich auch nicht gemeldet habe. Sie habe sich wie immer in solchen Fällen mit Herrn Y. besprochen und entschieden, dass sie eine Abmahnung erteilen würden. Die Abmahnung vom 30. September 2016 habe sie selbst geschrieben und an Herrn E. übergeben, damit er diese dem Kläger aushändige. Auf Nachfrage hat die Zeugin zugleich eingeräumt, dass sie sich natürlich die betreffende Abmahnung aufgrund des ihr mitgeteilten Beweisthemas nochmals angeschaut habe.

Aufgrund der glaubhaften Aussage der Zeugin F. ist das Berufungsgericht davon überzeugt, dass der Kläger am 17. November 2017 und 29. September 2016 unentschuldigt ohne entsprechende Mitteilung nicht zur Arbeit erschienen war. Die Aussage der Zeugin F., Herr G. sei der Disponent in der Frühschicht gewesen, der ihr mitgeteilt habe, dass der Kläger am 17. November 2017 ohne Mitteilung nicht zur Arbeit erschienen sei, stimmt auch mit der Angabe des Zeugen G. überein, der ebenfalls bekundet hat, dass seiner Erinnerung nach der Kläger bereits zuvor im November 2017 ebenfalls nicht erschienen sei und dies nicht zuvor mitgeteilt habe und auch nicht erreichbar gewesen sei. Für den 29. September 2016 ist in der mit der Lohnabrechnung zur Verfügung gestellten Zeiterfassung des Klägers für September 2016 (Anlage B 12 zum Schriftsatz der Beklagten vom 30. April 2018 = Bl. 114 d. A.) mit dem Kürzel „UA“ die unerlaubte Abwesenheit des Klägers an diesem Tag auch vermerkt und dementsprechend nicht vergütet worden.

Im Streitfall kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger gemäß dem weiteren Vortrag der Beklagten am 20. November 2017 auf Nachfrage des Disponenten H., wo er denn am 17. November 2017 gewesen sei, diesem auch noch mitgeteilt hat, dass er zu Hause geblieben sei, da er ja noch Überstunden habe und man ihm einfach kündigen könne, wenn die Firma damit ein Problem hätte. Der Kläger hat darauf mit Schriftsatz vom 10. April 2018 erwidert, dass das von der Beklagten behauptete Gespräch am 20. November 2017 seiner Erinnerung nach nicht geführt worden sei. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass er diese von der Beklagten behauptete und von ihm bestrittenen Äußerung nicht gemacht hat, ändert dies nichts daran, dass er nach der glaubhaften Aussage der Zeugin F. jedenfalls am 17. November 2017 unentschuldigt ohne Mitteilung nicht zur Arbeit erschienen war und deshalb die ihm in der vorgelegten Abmahnung vom 19. November 2017 vorgeworfene Pflichtverletzung gegeben ist. Einer Vernehmung des von der Beklagten benannten Zeugen H. (zu Ziff. I. 3. des Beweisbeschlusses vom 05. Dezember 2019) bedurfte es danach nicht mehr.

bb) Weiterhin steht aufgrund der glaubhaften Aussagen der Zeugen I. und E. zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest, dass dem Kläger sowohl die Abmahnung vom 19. November 2017 als auch die Abmahnung vom 30. September 2016 jeweils persönlich übergeben worden ist.

Der Zeuge E. hat bekundet, dass er die Abmahnung vom 30. September 2016 dem Kläger persönlich übergeben habe. Er sei der direkte Vorgesetzte des Klägers und sei von Frau F. beauftragt worden, die Abmahnung zu übergeben. Für ihn sei die Sache auch unangenehm gewesen. Er habe die Abmahnung nachmittags an den Kläger persönlich übergeben, als dieser von seiner Tour zurückgekommen sei. Nach der Fahrt würden die Fahrer ins Büro der Disposition kommen. Dort habe er dem Kläger die Abmahnung in einem Umschlag übergeben. Der Kläger habe das Abmahnungsschreiben aus dem Umschlag genommen und ihn gefragt, was er damit machen solle. Er habe dem Kläger mitgeteilt, dass er eine Abmahnung erhalte, weil er sich nicht gemeldet und unentschuldigt gefehlt habe. Nach seiner Wahrnehmung habe der Kläger des Öfteren unentschuldigt gefehlt. Deshalb hätten sie auch die Abmahnung ausgesprochen.

Der Zeuge I. hat bekundet, dass er sich zur Vorbereitung des Termins die Abmahnung vom 19. November 2017 noch einmal habe zeigen lassen. Es sei darum gegangen, dass der Kläger am Freitag nicht zur Arbeit erschienen sei, weshalb er am darauffolgenden Montag eine Abmahnung erhalten habe. In dieser Zeit sei Herr E. erkrankt gewesen, so dass er des Öfteren auch in der Disposition gewesen sei. Von der Personalabteilung sei er gebeten worden, die Abmahnung zu übergeben. Daraufhin habe er am Montag die Abmahnung vom 19. November 2017 an den Kläger übergeben. Er habe ihm die Abmahnung gegeben und gesagt, das sei die Abmahnung für das Nichterscheinen am Freitag. Der Kläger habe zum Ausdruck gebracht, dass er die Abmahnung nicht haben wolle. Er habe aber gewusst, weswegen er abgemahnt worden sei. Die Abmahnung vom 19. November 2017 sei ihm von Frau F. übergeben worden. Er habe sich die Abmahnung durchgelesen und sie dann an den Kläger übergeben.

Aufgrund dieser glaubhaften und in sich widerspruchsfreien Angaben der Zeugen I. und E. ist das Berufungsgericht zu der Überzeugung gelangt, dass dem Kläger beide Abmahnungen persönlich jeweils im Auftrag der hiermit betrauten Zeugin F. übergeben worden sind. Die Einlassung des Klägers, er habe beide Abmahnungen angeblich nicht erhalten, begründet keine Zweifel an den glaubhaften Aussagen der Zeugen. Der Kläger hat auch den Erhalt der weiteren Abmahnung vom 09. Januar 2018 zunächst in Abrede gestellt und sich erst dann zu deren Zugang bekannt, als er aufgrund des Urteils des Arbeitsgerichts davon ausgegangen ist, dass dies für ihn günstig sein könnte. Aufgrund der glaubhaften Aussagen der Zeugen I. und E. ist das Berufungsgericht zweifelsfrei davon überzeugt, dass dem Kläger die beiden Abmahnungen persönlich übergeben und zur Kenntnis gebracht worden sind.

b) Die beiden Abmahnungen vom 19. November 2017 und 30. September 2016 sind auch einschlägig.

Dabei ist nicht erforderlich, dass es sich um identische Pflichtverletzungen handelt. Der mit einer Abmahnung verbundene Hinweis auf eine Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses im Wiederholungsfall erstreckt sich grundsätzlich auch auf vergleichbare Pflichtverletzungen. Es reicht aus, dass die jeweiligen Pflichtwidrigkeiten aus demselben Bereich stammen und somit Abmahnungs- und Kündigungsgründe in einem inneren Zusammenhang stehen (BAG 19. April 2012 – 2 AZR 258/11 – Rn. 19, NZA-RR 2012, 567; BAG 09. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 31, NZA 2011, 1342). Das ist hier der Fall. Das mit den Abmahnungen beanstandete unentschuldigte Fehlen des Klägers und der Kündigungsvorwurf der Verletzung der Anzeigepflicht sind jeweils Ausdruck einer spezifischen Unzuverlässigkeit des Klägers und stehen in einem inneren Zusammenhang.

4. Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falls überwiegt das Beendigungsinteresse der Beklagten das Interesse des Klägers an der Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses.

Zwar ist zugunsten des Klägers neben der Unterhaltsverpflichtung für sein Kind insbesondere seine Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen, wobei zu seinen Gunsten unterstellt werden kann, dass er bereits seit 01. Oktober 2013 bei der Beklagten beschäftigt war. Zu seinen Lasten fällt hingegen ins Gewicht, dass er vor der ihm zuletzt vorgeworfenen Verletzung der Anzeigepflicht bereits zweimal einschlägig abgemahnt worden war. Sowohl die Abmahnung vom 29. September 2016 als auch die Abmahnung vom 17. November 2017 wurden ausgesprochen, weil der Kläger jeweils nicht zur Arbeit erschienen war, ohne der Beklagten dies entsprechend mitzuteilen. Ungeachtet der ihm kurze Zeit zuvor mit Schreiben vom 19. November 2017 erteilten Abmahnung hat der Kläger die Beklagte gleichwohl am 04. und 05. Januar 2018 wiederum nicht zuvor über sein Fehlen unterrichtet, so dass gemäß der glaubhaften Aussage des Zeugen G. die Touren umdisponiert werden mussten. Aufgrund der schuldhaften Verletzung der Anzeigepflicht trotz zweier einschlägiger Abmahnungen ist die Prognose gerechtfertigt, dass es zu weiteren gleichartigen Pflichtverletzungen kommt, zumal das mehrfache Fehlverhalten des Klägers als Ausdruck einer spezifischen Unzuverlässigkeit zu bewerten ist. Bei Abwägung der Interessen beider Parteien erscheint die ordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses als billigenswert und angemessen.

II.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist aufgrund der hiernach wirksamen Kündigung allerdings nicht zu dem in ihr angegebenen Termin am 15. Februar 2018, sondern gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB erst zum 28. Februar 2018 beendet worden.

Aufgrund der wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist der nur für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag gestellte Weiterbeschäftigungsantrag nicht zur Entscheidung angefallen, so dass das Urteil des Arbeitsgerichts auch hinsichtlich des zuerkannten Weiterbeschäftigungsantrags abzuändern war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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