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Wirksamkeit einer Arbeitsvertragsbefristung

Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 8 Sa 425/20 – Urteil vom 05.12.2022

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 12.08.2020 – 6 Ca 818/19 – abgeändert.

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund einer Befristung am 31.03.2019 geendet hat.

Der Kläger ( *.. 1970, 2 Kinder, geboren 2006 und 2009) war zunächst vom 01.11.1997 – 31.07.1998 und vom 01.08.1998 – 31.08.1998 als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei dem beklagten Land beschäftigt. Als Befristungsgrund wurde in den Arbeitsverträgen § 57 b Absatz 2 Nr. 4 Hochschulrahmengesetz (nachfolgend: HRG) angegeben.

Sodann erfolgte seine Beschäftigung in der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik als wissenschaftlicher Mitarbeiter:

  • 01.01.1998 – 31.12.2002
  • 01.01.2003 – 31.10.2003
  • 01.11.2003 – 31.10.2003
  • 01.11.2003 – 31.10.2004
  • 01.11.2004 – 28.02.2005
  • 01.03.2005 – 31.12.2005
  • 01.01.2006 – 31.12.2006
  • 01.01.2007 – 29.02.2008

In den schriftlichen Arbeitsverträgen wurde auf § 57 b HRG Bezug genommen und vereinbart, das Arbeitsverhältnis solle zugleich die wissenschaftliche Weiterqualifizierung mit dem Ziel der Promotion ermöglichen. Am 16.04.2007 wurde dem Kläger die Promotionsurkunde verliehen. Mit am 19.12.2007 bei dem beklagten Land eingegangenem Schreiben begründete Prof. Dr. … von dem Lehrstuhl für Halbleitertechnologie die Weiterbeschäftigung des Klägers zum Zwecke der Habilitation. Weiter schlossen sich nachfolgende schriftliche Arbeitsverträge an:

  • 01.03.2008 – 15.04.2013
  • 15.04.2013 – 15.06.2013
  • 16.06.2013 – 15.10.2013

In den Arbeitsverträgen wurde auf das Wissenschaftszeitgesetz (nachfolgend:

WissZeitVG) verwiesen. In der Zeit vom 11.07.2010 – 10.09.2010 wurde dem Kläger antragsgemäß Elternzeit gewährt und zudem schriftlich mitgeteilt, dass sich das befristete Arbeitsverhältnis nach Ende der Elternzeit um die Zeiten der Elternzeit verlängere. Unter dem 13.06.2013 befürwortete das beklagte Land – Dezernat für Personalwesen – die beantragte Weiterbeschäftigung des Klägers vom 16.06.2013 – 15.10.2013 im Rahmen der Kinderkomponente. In dieser Zeit war der Kläger in Projektarbeiten eingebunden, führte Lehraufträge, teilweise auch in englischer Sprache, fort und betreute Studenten, auch im Rahmen von Diplomarbeiten.

Nachfolgend war der Kläger beschäftigt:

  • 16.10.2013 – 31.01.2014
  • 01.02.2014 – 30.06.2015
  • 01.07.2015 – 31.07.2015
  • 01.08.2015 – 31.01.2016
  • 01.02.2016 – 30.04.2016
  • 01.05.2016 – 30.06.2016
  • 01.07.2016 – 31.12.2016
  • 01.01.2017 – 31.03.2017
  • 01.02.2017 – 31.07.2017

In dieser Zeit war der Kläger zunächst für 24 Monate in dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (nachfolgend: DFG) bewilligten Drittmittelprojekt „Chemische Gasphasenabscheidung von super-harten Ruthenium-Diborid-Schichten“ und sodann in dem von der Lam Research AG finanzierten Forschungsprojekt tätig.

Bereits im Jahr 2014 bewarb sich der Kläger bei der DFG um die „Eigene Stelle“ als wissenschaftlicher Mitarbeiter zum Thema „Atomlagenabscheidung von Dotierstoffquellen für die Dotierung von Halbleiterstrukturen – Charakterisierung und Modellierung der Drive-In Prozesse“. In diesem Zusammenhang gab das beklagte Land unter dem 05.05.2015 eine an die DFG gerichtete „Arbeitgebererklärung“ ab:

„Die aufnehmende Einrichtung Otto-von-Guericke-Universität M., FEIT/IMOS

stellt Herrn/Frau …

im Falle der Bewilligung seines/ihres Antrags auf die Eigene Stelle durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) befristet für die Dauer seiner/ihrer Förderung mit der Eigenen Stelle als wissenschaftliche/n Mitarbeiter/in ein. Sie stellt ihm/ihr für diesen Zeitraum die notwendige Grundausstattung (z.B. Laborräume, Büroräume etc.) zur Verfügung. Es gelten die an der Einrichtung einschlägigen Tarifvorschriften mit der Maßgabe, dass

a) sich die Arbeitspflicht von Herrn/Frau …

auf sein/ihr von der DFG gefördertes Forschungsvorhaben (Thema)

Atomlagenabscheidung von Dotierstoffquellen für die Dotierung von Halbleiterstrukturen – Charakterisierung und Modellierung der Drive-In Prozesse

und damit unmittelbar zusammenhängende wissenschaftliche Dienstleistungen beschränkt

und

b) der Arbeitgeber nicht durch dienstliche Anordnungen Einfluss auf die selbständige >Bearbeitung des genannten Forschungsvorhabens nimmt.“

Unter dem 06.02.2017 wurde dem Kläger von der DFG mitgeteilt:

„ Sehr geehrter Herr …

die Deutsche Forschungsgemeinschaft bewilligt Ihnen und Ihrer Hochschule entsprechend Ihrem Antrag, den Sie gemeinsam mit Herrn Professor Dr. … zum Thema „Atomlagenabscheidung von Dotierstoffquellen für die Dotierung von Halbleiterstrukturen – Charakterisierung und Modellierung der Drive-In Prozesse“

gestellt haben, Mittel bis zur Höher von 182.841 Euro zuzüglich 40.200 Euro Programmpauschale für 24 Monate.

Die Mittel werden als Drittmittelbewilligung zur Verfügung gestellt. …

Im Einzelnen werden Ihnen für die Module – Basismodul, Eigene Stelle – die folgenden Mittel bewilligt:

……………

Die bewilligten Mittel für die Eigene Stelle sind ausschließlich für Herrn Dr. … bestimmt. …“

Unter dem 31.03.2017/03.04.2017 unterzeichneten die Parteien den streitgegenständlichen befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 04.04.2017 – 31.03.2019. Außerdem wurde vereinbart:

„Die Befristung richtet sich nach dem Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (Wissenschaftszeitvertragsgesetz – WissZeitVG) in der jeweils geltenden Fassung bzw. den gesetzlichen Nachfolgeregelungen. …

Der Beschäftigte wird als wissenschaftlicher Mitarbeiter gemäß § 42 des Hochschulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt in der jeweils geltenden Fassung) zur Wahrnehmung von Aufgaben in der Forschung beschäftigt. …“

Am 27.03.2017 wurde für den Kläger durch den Lehrstuhl, Prof. Dr. …, eine Tätigkeitsdarstellung gefertigt. Die Aufgabenbeschreibung lautete: “Bearbeitung des DFG-Projektes: “Atomlagenabscheidung von Dotierstoffquellen für die Dotierung von Halbleiterstrukturen – Charakterisierung und Modellierung der Drive-In Prozesse“.

Im Weiteren wurde ausgeführt: „Er ist berechtigt, Laboreinrichtungen des IMOS, einschließlich Reinraum, nach entsprechender Unterweisung eigenverantwortlich für Forschungsaufgaben zu nutzen. …

Ich habe die von mir auszuübende Tätigkeit zur Kenntnis genommen. Mir ist bekannt, dass es zur dauerhaften Übertragung anderer bzw. höherwertiger Tätigkeiten der vorherigen Zustimmung durch das Dezernat Personalwesen bedarf.“ Hiernach folgt die Unterschrift des Klägers.

Vom 04.04.2017 – 31.07.2017 war der Kläger mit 55% seiner Arbeitszeit in diesem Projekt und im Übrigen mit Arbeiten an einem anderen Drittmittelprojekt beschäftigt.

Während der Dauer der letzten Beschäftigung erbrachte der Kläger auch Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung des Laborbetriebes und des Reinraumes, wie die Wartung und Reparatur von Anlagen und Bestellung von Ersatzteilen. Außerdem war er im Januar und Februar des Jahres 2019 für die Rufbereitschaft zur Gewährleistung der Betriebssicherheit im Reinraum und MEMS-Labor eingeteilt.

Seit dem 01.10.2018 befindet sich das Institut für Mikro- und Sensorsysteme, in dem der Kläger tätig war, in der Auflösung. Im August 2020 war der Lehrstuhl bereits aufgelöst.

Mit seiner am 02.04.2019 bei dem Arbeitsgericht Magdeburg eingegangenen und dem beklagten Land am 15.04.2019 zugestellten Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung zum 31.03.2019 geltend gemacht.

Der Kläger hat behauptet, er sei nicht überwiegend im Rahmen des drittmittelfinanzierten Vorhabens beschäftigt worden. Das sei auch bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses absehbar gewesen. Er sei wie auch bereits in den Jahren zuvor in der Lehre beschäftigt und in die üblichen Tätigkeiten des Lehrstuhls eingebunden worden und zwar zum überwiegenden Teil der Arbeitszeit. So sei er als Gutachter und Betreuer für 4 Master- und 2 Bachelorstudenten und einer Projektarbeit tätig geworden. Er habe die Entwicklung von Abscheidungsprozessen für den Lehrstuhl erledigt, Umbauten und Erweiterungen von Beschichtungsanlagen für Lehre und Forschung geplant und durchgeführt, sowie bei der Erstellung von Projektanträgen mitgewirkt oder diese federführend übernommen.

Der Kläger hat weiter die Auffassung vertreten, die Befristung sei aufgrund der Vielzahl und der Dauer der befristeten Arbeitsverträge rechtsmissbräuchlich. Sämtliche streitgegenständlichen Befristungsabreden seien entweder von vornherein gar nicht auf ein Qualifikationsziel ausgerichtet oder aber lediglich „auch“ oder „zugleich“ zum Zwecke der wissenschaftlichen Weiterqualifikation abgeschlossen worden.

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristungsvereinbarung im Arbeitsvertrag vom 31.03./03.04.2017 nicht mit dem 31.03.2019 geendet hat, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land hat behauptet, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses habe es davon ausgehen dürfen, dass der Kläger überwiegend projektbezogen tätig werde. Das folge schon aus der Tätigkeitsdarstellung vom 27.03.2017. Außerdem sei der antragstellende Wissenschaftler – hier: der Kläger – nach den Förderrichtlinien der DFG zu der ausschließlichen Bearbeitung seines Projekts verpflichtet. Soweit der Kläger darüber hinaus technische Arbeiten erbracht habe, stünden diese mit seinem Projekt in Verbindung.

Das beklagte Land hat weiter die Ansicht vertreten, die Befristung sei nicht wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam.

Der Kläger sei zunächst zum Zwecke seiner Promotion (01.11.1998 – 29.02.2008) und anschließend mit zulässiger Dauer ( 01.03.2008 – 15.10.2013 ) in der Postdoc-Phase sowie anschließend in zwei drittmittelfinanzierten Projekten überwiegend mit entsprechenden Tätigkeiten beschäftigt worden.

Durch das dem beklagten Land am 26.08.2020 zugestellte Urteil vom 12.08.2020, auf das hiermit zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht Magdeburg dem Begehren des Klägers entsprochen und ausgeführt, das beklagte Land habe eine überwiegende Beschäftigung des Klägers in seinem drittmittelfinanzierten Projekt nicht hinreichend dargelegt. Außerdem sei es ihm – dem beklagten Land – verwehrt, sich nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs auf diesen Sachgrund zu berufen. Hiergegen richtet sich die am 17.09.2020 bei dem Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt eingelegte und nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 26.11.2020 am 25.11.2020 begründete Berufung des beklagten Landes.

Das beklagte Land vertritt die Auffassung, für die Befristung der Stelle des Klägers liege ein Sachgrund im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 WissZeitVG vor. Nach dem Zuwendungsbescheid der DFG sei eine hinreichende Zweckbindung vorgegeben worden und eine Konkretisierung der Zweckbindung durch den Drittmittelgeber erfolgt. Die vereinbarte Befristungsdauer habe auch dem bewilligten Projektzeitraum entsprochen. Die Besonderheit dieser als Drittmittelprojekt ausgestalteten Förderung bestehe in der weisungsfreien Forschung des Nachwuchswissenschaftlers – hier: des Klägers -. Entsprechend habe es sich in der Arbeitgebererklärung verpflichtet. Der Kläger habe deshalb substantiiert vortragen müssen, mit welchen Aufgaben er überwiegend in der Lehre und den üblichen Aufgaben des Lehrstuhls weisungsgemäß tätig geworden sei. Soweit er sich in diesem Zusammenhang auf Tätigkeiten als Gutachter und Zweitprüfer berufe, müsse angenommen werden, dass er diese Tätigkeiten aus eigenen Beweggründen – weisungsfrei – ausgeübt habe. Die technischen Tätigkeiten hätten der Bearbeitung seines Projektes gedient.

Die Grundsätze des institutionellen Rechtsmissbrauchs seinen wegen der typischen Besonderheiten im Hochschulbereich hier nicht einschlägig.

Das beklagte Land als Berufungsführer beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 12.08.2020 – 6 Ca 818/19 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 12.08.2020 – 6 Ca 818/19 – zurückzuweisen.

Der Kläger trägt vor, das beklagte Land habe unter Verkennung der Darlegungs- und Beweislast nicht substantiiert vorgetragen, dass er überwiegend im Rahmen des Projektes beschäftigt worden sei.

Mit einer Beschäftigungsdauer von 19 Jahren und 10 Monaten sowie insgesamt 21 Befristungsvereinbarungen sei der Rechtsmissbrauch indiziert.

Im Übrigen wird gemäß § 313 Abs. 2 S. 2 ZPO wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Schriftsätze mit ihren Anlagen und die Protokolle verwiesen.

Entscheidungsgründe

A. Die an sich (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 ArbGG) und nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthafte (§ 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG) Berufung des beklagten Landes ist von ihm form- und fristgerecht eingelegt (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 519 ZPO) und auch ausreichend begründet worden (§ 520 ZPO).

B. Die Berufung hat Erfolg.

I. Die zulässige Befristungskontrollklage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat auf Grund der im Arbeitsvertrag vom 31.03/03.04.2017 vereinbarten Befristung am 31.03.2019 geendet. Die Befristung ist wirksam.

1. Die Befristung gilt nicht bereits nach § 1 Abs. 1 Satz 5 WissZeitVG i.V.m. § 17 Satz 2 TzBfG i.V.m. § 7 Halbsatz 1 KSchG als wirksam. Der Kläger hat die Befristungskontrollklage rechtzeitig innerhalb der Dreiwochenfrist nach § 17 Satz 1 TzBfG erhoben. Nach § 17 Satz 1 TzBfG muss der Arbeitnehmer, der die Rechtsunwirksamkeit der Befristung seines Arbeitsvertrags geltend machen will, innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrags Befristungskontrollklage bei dem Arbeitsgericht erheben. Die Erhebung der Klage erfolgt nach § 253 Abs. 1 ZPO durch Zustellung der Klageschrift. Bezüglich der Frist des § 17 Satz 1 TzBfG kommt es daher – vorbehaltlich der Regelung des § 167 ZPO – grundsätzlich darauf an, wann die Klage zugestellt und damit rechtshängig geworden ist (BAG, Urteil vom 23.01.2019 – 7 AZR 733/16 – Rn. 13, BAGE 165, 116). Die Zustellung der Klage erfolgte vorliegend am 15.04.2019 und damit rechtzeitig innerhalb der Dreiwochenfrist des § 17 Satz 1 TzBfG.

2. Die Befristung ist nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG gerechtfertigt.

a. Die Befristungsabrede im Arbeitsvertrag vom 31.03/03.04.2017 fällt in den zeitlichen Geltungsbereich des WissZeitVG in der mit dem „Ersten Gesetz zur Änderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes“ vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 442) beschlossenen und am 17. März 2016 in Kraft getretenen Fassung. Für die Wirksamkeit der Befristung ist die im Zeitpunkt ihrer Vereinbarung geltende Rechtslage maßgeblich (BAG, Urteil vom 02.02.2022 – 7 AZR 573/20 – Rn. 19; 20.05.2020 – 7 AZR 72/19 – Rn. 13; 25.04.2018 – 7 AZR 181/16 – Rn. 20; 30. 08.2017 – 7 AZR 524/15 – Rn. 14; 2.09.2009 – 7 AZR 291/08 – Rn. 10; juris).

b. Die Befristung genügt dem Zitiergebot nach § 2 Abs. 4 Satz 1 WissZeitVG. Danach ist im Arbeitsvertrag anzugeben, ob die Befristung auf den Vorschriften dieses Gesetzes beruht. Der Arbeitsvertrag vom 31.03/03.04.2017 nimmt auf das WissZeitVG Bezug.

c. Der betriebliche Geltungsbereich von § 2 Abs. 2 WissZeitVG ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG eröffnet. Es handelt sich um den Abschluss eines Arbeitsvertrags für eine bestimmte Zeit an einer Einrichtung des Bildungswesens, die nach Landesrecht eine staatliche Hochschule ist. Die Otto-von Guericke-Universität Magdeburg ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Hochschulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vom 14. Dezember 2010 (GVBl.LSA S.600, ber. 2011 S.561) eine staatliche Hochschule des Landes Sachsen-Anhalt.

d. Der Kläger unterfällt dem persönlichen Geltungsbereich von § 2 Abs. 2, § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter gehört er unstreitig zum wissenschaftlichen Personal i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG.

3. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 WissZeitVG sind erfüllt.

a. Nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG ist die Befristung von Arbeitsverträgen zulässig, wenn die Beschäftigung überwiegend aus Mitteln Dritter finanziert wird, die Finanzierung für eine bestimmte Aufgabe und Zeitdauer bewilligt ist und die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter überwiegend entsprechend der Zweckbestimmung dieser Mittel beschäftigt wird.

b. Eine „Finanzierung aus Mitteln Dritter“ liegt vor, wenn ein Projekt nicht aus den der Hochschule oder Forschungseinrichtung zur Verfügung stehenden regulären Haushaltsmitteln, sondern anderweitig finanziert wird (BAG, Urteil vom 08.06.2016 – 7 AZR 259/14 – Rn. 18, juris; vgl. zu § 57b Abs. 2 Nr. 4 HRG aF: BAG, Urteil vom 13.08.2008 – 7 AZR 295/07 – Rn. 14; juris; 31.01.1990 – 7 AZR 125/89 – zu II 1 b der Gründe, BAGE 65, 16; vgl. auch BT-Drs. 16/3438 S. 13). „Überwiegend“ erfolgt die Finanzierung der Beschäftigung, wenn die konkrete Stelle zu mehr als 50 % aus den Drittmitteln finanziert wird (BAG, Urteil vom 08.06.2016 – 7 AZR 259/14 – Rn. 18, m.w.N., juris).

So verhält es sich hier.

Der Kläger wurde in der Zeit vom 04.04.2017-31.03.2019 unstreitig nicht aus Haushaltsmitteln der Otto-von-Guericke-Universität vergütet, sondern ausschließlich aus Personalmitteln, die die DFG für das beantragte Projekt “Atomlagenabscheidung von Dotierstoffquellen für die Dotierung von Halbleiterstrukturen – Charakterisierung und Modellierung der Drive-In Prozesse“ zum Zwecke der Finanzierung der Eigenen Stelle des Klägers zu 100% in Höhe von 138.800 Euro mit Bescheid vom 06.02.2017 bewilligt hatte.

c. Mit dem Tatbestandsmerkmal „Finanzierung für eine bestimmte Aufgabe und Zeitdauer bewilligt“ ist das Erfordernis einer konkreten aufgaben- und zeitbezogenen Mittelzuweisung beschrieben. Das Attribut „bestimmte“ bezieht sich sowohl auf die „Aufgabe“ als auch auf die „Zeitdauer“. Damit müssen die (Dritt-)Mittel einerseits hinreichend zweckgebunden und andererseits für eine von vornherein feststehende Zeitspanne zur Verfügung gestellt sein. Die Regelung erfasst damit nur solche Finanzierungsbewilligungen, deren Endlichkeit hinreichend genau feststeht (BAG, Urteil vom 08.06.2016 – 7 AZR 259/14 – Rn. 19; 13.02.2013 – 7 AZR 284/11 – Rn. 24; juris).

Das ist hier der Fall.

Im Bescheid der DFG vom 06.02.2017 ist das Projekt beschrieben, für das die Mittel zur Verfügung gestellt werden. Außerdem wurde der Zeitraum hierfür auf 24 Monate begrenzt.

d. Schließlich muss der befristet beschäftigte Mitarbeiter nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG überwiegend entsprechend der Zweckbestimmung beschäftigt werden.

aa. Dieses Merkmal soll in erster Linie die Interessen des Drittmittelgebers schützen und zugleich verhindern, dass der aus Drittmitteln finanzierte Mitarbeiter zur Erfüllung allgemeiner Hochschulaufgaben eingesetzt und der Befristungsgrund somit nur vorgeschoben wird, um Daueraufgaben zu erfüllen (BAG, Urteil vom 08.06.2016 – 7 AZR 259/14 – Rn.20, m.w.N., juris). Das schließt es nicht aus, dass drittmittelfinanziertes Personal wegen der Besonderheiten des jeweiligen Forschungsvorhabens oder des Zwangs zu einer Vor- bzw. Zwischenfinanzierung in anderen Drittmittelprojekten eingesetzt wird oder auch allgemeine Hochschulaufgaben wahrzunehmen hat, soweit die Verwendung für projektfremde Tätigkeiten dem objektiven Interesse des Drittmittelgebers nicht zuwiderläuft (BAG, Urteil vom 08.06.2016 – 7 AZR 259/14 – a.a.O. m.w.N., juris). Wegen der zusätzlichen Aufnahme des Tatbestandsmerkmals „überwiegend“ in § 2 Abs. 2 WissZeitVG erfordert eine Befristung nach dieser Bestimmung, dass sich der Mitarbeiter zu mehr als 50 % der Arbeitszeit dem drittmittelfinanzierten Vorhaben widmet (BAG, Urteil vom 08.06.2016 – 7 AZR 259/14 – a.a.O., m.w.N., juris). Allerdings muss der Mitarbeiter nicht kontinuierlich zu mehr als 50 % seiner Arbeitszeit für das drittmittelfinanzierte Vorhaben eingesetzt werden. Es genügt vielmehr, dass seine Arbeitskraft bei einer Betrachtung der gesamten Laufzeit des Arbeitsverhältnisses überwiegend dem Drittmittelprojekt zugutekommt (BAG, Urteil vom 08.06.2016 -7 AZR 259/14 – a.a.O.,m.w.N.,juris).

bb. Bei der Überprüfung der überwiegend zweckentsprechenden Beschäftigung ist nach allgemeinen befristungsrechtlichen Grundsätzen nicht auf die tatsächlich erfolgte Beschäftigung während der Vertragslaufzeit abzustellen, sondern auf die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses insoweit bestehenden Planungen und Prognosen. Für die Wirksamkeit einer Befristung sind grundsätzlich die Umstände im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebend. Spätere Abweichungen können lediglich eine indizielle Bedeutung dafür haben, dass der Sachgrund für die Befristung bei Vertragsschluss in Wahrheit nicht vorlag, sondern lediglich vorgeschoben ist (BAG, Urteil vom 16.11.2005 – 7 AZR 81/05 – Rn. 41, juris; 22.11.1995 – 7 AZR 248/95 – zu III 2 der Gründe, BAGE 81, 300). Ist daher bei Vertragsschluss die Prognose gerechtfertigt, dass die Arbeit an dem drittmittelfinanzierten Forschungsprojekt den Arbeitnehmer überwiegend beanspruchen wird, schadet es nicht, wenn bereits feststeht oder absehbar ist, dass der Arbeitnehmer nicht ausschließlich projektbezogene Tätigkeiten ausüben wird, sondern daneben auch andere Arbeiten, ggf. auch Daueraufgaben des Arbeitgebers, erledigen soll. Ist hingegen bereits bei Vertragsschluss absehbar, dass die Beschäftigung des Arbeitnehmers mit projektbezogenen Aufgaben nicht den wesentlichen Teil der Arbeitszeit in Anspruch nehmen wird, sondern der Arbeitnehmer überwiegend zur Erledigung von Daueraufgaben eingesetzt werden soll, besteht kein anerkennenswertes Interesse des Arbeitgebers am Abschluss eines nur befristeten Arbeitsvertrags. In diesem Fall kann nicht angenommen werden, dass die Mitwirkung an dem Projekt ursächlich für den Vertragsschluss ist, da bereits vorhersehbar ist, dass der Arbeitnehmer nach Ablauf der Vertragslaufzeit weiterhin in erheblichem Umfang mit Daueraufgaben beschäftigt werden kann (BAG, Urteil vom 08.06.2016 – 7 AZR 259/14 – Rn. 21; 16.11.2005 – 7 AZR 81/05 – Rn. 43; juris). Die bei Vertragsschluss bestehende Prognose hat der Arbeitgeber anhand konkreter Tatsachen darzulegen. Nachträglich während der Vertragslaufzeit eintretende Abweichungen können lediglich ein Indiz dafür sein, dass die Prognose unzutreffend war und der Sachgrund für die Befristung nur vorgeschoben ist (BAG, Urteil vom 08.06.2016 – 7 AZR 259/14 – Rn. 21; 16.11.2005 – 7 AZR 81/05 – Rn. 44; juris).

Auch die Voraussetzungen einer überwiegenden, der Zweckbestimmung des streitbefangenen Vertrages entsprechenden Beschäftigung ist hier erfüllt

cc. In Anwendung der zuvor dargelegten Grundsätze hat das beklagte Land hinreichend substantiiert vorgetragen, dass nach den bei Vertragsabschluss bestehenden Planungen und Prognosen davon ausgegangen werden durfte, dass der Kläger mit seiner Arbeit an dem von ihm für die Eigene Stelle beantragten und bewilligten Projekt überwiegend beschäftigt werden wird.

Das ergibt sich zum Einen aus der von ihm unter dem 05.05.2015 abgegebenen „Arbeitgebererklärung“ des beklagten Landes. Hierin hat es ausdrücklich bekundet „nicht durch dienstliche Anordnungen Einfluss auf die selbständige Bearbeitung des genannten Forschungsvorhabens„ zu nehmen. Damit hat es bereits im Vorfeld auf sein arbeitgeberseitiges Direktionsrecht verzichtet.

Zum Anderen hat es nach der erfolgten Mittelbewilligung eine Tätigkeitsdarstellung gefertigt, in der als Aufgabe des Klägers ausschließlich die Bearbeitung des DFG-Projektes “Atomlagenabscheidung von Dotierstoffquellen für die Dotierung von Halbleiterstrukturen – Charakterisierung und Modellierung der Drive-In Prozesse“ genannt wird. Der bereits zuvor erklärte Verzicht auf das Direktionsrecht wird hiermit erneut dokumentiert. Zudem hat es von dem Kläger eine schriftliche Erklärung unterschreiben lassen, „Mir ist bekannt, dass es zur dauerhaften Übertragung anderer bzw. höherwertigerer Tätigkeiten der vorherigen Zustimmung durch das Dezernat Personalwesen bedarf.“ Auch hiermit wird deutlich, dass das beklagte Land zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Beschäftigung des Klägers überwiegend mit projektbezogenen Aufgaben geplant und prognostiziert hat. Anhaltspunkte dafür, dass diese Absicht tatsächlich nicht bestand und die Erklärungen lediglich zum Schein abgegeben bzw. eingefordert worden sind, kann die erkennende Kammer weder dem Vortrag der Parteien noch dem Akteninhalt entnehmen.

Zudem wurde in dem letzten Arbeitsvertrag vom 31.03/03.04.2017 die Beschäftigung des Klägers nicht mit der Wahrnehmung von Aufgaben in der Lehre und Forschung beschrieben, sondern allein zur Wahrnehmung von Aufgaben in der Forschung.

Darüber hinaus muss in die vorangegangenen Bewertungen auch die Besonderheit der hier vorliegenden Drittmittelförderung einbezogen werden. Die bewilligten Mittel sind ausschließlich dem antragstellenden Kläger von der DFG im Rahmen der Eigenen Stelle – damit nicht nur projekt- und zeitbezogen, sondern auch personenbezogen – zur Verfügung gestellt worden. Das beklagte Land musste deshalb im maßgeblichen Zeitpunkt für die anzustellende Prognose davon ausgehen, dass auch der Kläger selbst zur Vermeidung möglicher Nachteile seine überwiegende Beschäftigung in diesem Projekt sieht.

dd. Auf diesen Vortrag des beklagten Landes hin war der Kläger gehalten, konkret zu erwidern, wenn er bestreiten will, dass schon bei Vertragsabschluss nicht beabsichtigt war, ihn projektbezogen, sondern mit Daueraufgaben in der Verwaltung zu beschäftigen (vgl. BAG, Urteil vom 08.06.2016 – 7 AZR 568/14 – Rn. 42, Bestreiten zum persönlichen Anwendungsbereich des WissZeitVG, juris).

Diesen Anforderungen entspricht das klägerische Bestreiten nicht. Ihm ist es insoweit nicht gelungen, die substantiiert vorgetragene Prognose des beklagten Landes durch geeigneten Tatsachenvortrag hinreichend in Frage zu stellen.

Soweit er in diesem Zusammenhang auf anlagentechnische Arbeiten und seine Rufbereitschaft zur Gewährleistung der Betriebssicherheit im Reinraum und MEMS-Labor hinweist, ist nicht zu erkennen, dass diese Tätigkeiten nicht in Bezug zu seinem Projekt standen. Schließlich benötigte er – insoweit unstreitig – die Infrastruktur der Universität für seine Projektbearbeitung. Seine gutachterliche Tätigkeiten, die Betreuung von Studenten im Rahmen von Bachelor- und Masterarbeiten, sowie die Tätigkeit in einem Projekt und die Bearbeitung von Projektanträgen lassen nicht erkennen, dass der Kläger seine eigene Projektarbeit dadurch überwiegend nicht ausgeführt hat. Es fehlen nicht nur Angaben zu der aufgewendeten Zeitdauer, sondern auch dazu, wann diese Tätigkeiten erfolgt und durch wen sie angewiesen worden sind

In diesem Zusammenhang weist die erkennende Kammer darauf hin, dass die überwiegende Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 WisszeitVG gerade keine kontinuierliche Beschäftigung mit mehr als 50% der Arbeitszeit erfordert. Es genügt vielmehr, dass die Arbeitskraft bezogen auf die gesamte Laufzeit des Arbeitsverhältnisses dem Drittmittelprojekt zugutegekommen ist.

4. Die Befristung ist schließlich – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs unwirksam.

a. Die Gerichte dürfen sich bei der Befristungskontrolle nicht auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrunds beschränken. Sie sind vielmehr aus unionsrechtlichen Gründen verpflichtet, auch bei Vorliegen eines Sachgrunds für die Befristung durch Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen (EuGH 26.11.2014 – C-22/13 ua. – [Mascolo] Rn. 102 ff.; 26.01.2012 – C-586/10 – [Kücük] Rn. 40). Dies gilt auch bei einer auf § 2 Abs. 2 WissZeitVG gestützten Befristung. Auch dabei handelt es sich – im Gegensatz zur Befristung nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG – um eine Sachgrundbefristung. Diese zusätzliche Prüfung ist im deutschen Recht nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) vorzunehmen (grundlegend BAG, Urteil vom 08.06.2016 – 7 AZR 259/14 – Rn. 32; 07.10.2015 – 7 AZR 944/13 – Rn. 14; 29.04.2015 – 7 AZR 310/13 – Rn. 24; 12.11.2014 – 7 AZR 891/12 – Rn. 27, BAGE 150, 8; grundlegend BAG 18.07.2012 – 7 AZR 443/09 – Rn. 38, BAGE 142, 308 und – 7 AZR 783/10 – Rn. 33).

aa. Die Prüfung, ob der Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgegriffen hat, verlangt eine Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (st. Rspr. seit BAG, Urteil vom 18.07.2012 – 7 AZR 443/09 – Rn. 40, BAGE 142, 308; vgl. auch EuGH 26.11.2014 – C-22/13 ua. – [Mascolo] Rn. 102; 26.01.2012 – C-586/10 – [Kücük] Rn. 40, 43, 51, 55). Von besonderer Bedeutung sind die Gesamtdauer der befristeten Verträge sowie die Anzahl der Vertragsverlängerungen. Ferner ist zu berücksichtigen, ob der Arbeitnehmer stets auf demselben Arbeitsplatz mit denselben Aufgaben beschäftigt wurde

oder ob es sich um wechselnde, ganz unterschiedliche Aufgaben handelt. Bei zunehmender Anzahl befristeter Verträge und Dauer der befristeten Beschäftigung eines Arbeitnehmers kann es eine missbräuchliche Ausnutzung der dem Arbeitgeber an sich rechtlich eröffneten Befristungsmöglichkeit darstellen, wenn er gegenüber einem bereits langjährig beschäftigten Arbeitnehmer trotz der tatsächlich vorhandenen Möglichkeit einer dauerhaften Einstellung immer wieder auf befristete Verträge zurückgreift (BAG 19.02.2014 – 7 AZR 260/12 – Rn. 36 mwN, juris). Zu berücksichtigen ist außerdem, ob die Laufzeit der Verträge zeitlich hinter dem prognostizierten Beschäftigungsbedarf zurückbleibt (BAG 18. 07.2012 – 7 AZR 443/09 – Rn. 46, aaO). Bei der Gesamtwürdigung können daneben weitere Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Zu denken ist dabei etwa an die Zahl und Dauer von Unterbrechungen zwischen den befristeten Verträgen (BAG, Urteil vom 10.07.2013 – 7 AZR 761/11 – Rn. 27). Bei der Gesamtbeurteilung ist die Übereinstimmung des voraussichtlichen Beschäftigungsbedarfs und der vereinbarten Laufzeit des befristeten Vertrags als Indiz gegen einen Gestaltungsmissbrauch zu berücksichtigen. Daneben können grundrechtlich gewährleistete Freiheiten von Bedeutung sein (BAG, Urteil vom 29.04.2015 – 7 AZR 310/13 – Rn. 25; 24.09.2014 – 7 AZR 987/12 – Rn. 38; 19.02.2014 – 7 AZR 260/12 – Rn. 36; 18.07.2012 – 7 AZR 443/09 – Rn. 47; juris). Außerdem sind die besonderen Anforderungen der in Rede stehenden Branchen und/oder Arbeitnehmerkategorien zu berücksichtigen, sofern dies objektiv gerechtfertigt ist (EuGH 26.02.2015 – C-238/14 – [Kommission/Luxemburg] Rn. 40; BAG, Urteil vom 08.06.2016 – 7 AZR 259/14 – Rn. 33; juris).

bb. Zur Bestimmung der Schwelle einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung von Sachgrundbefristungen kann an die gesetzlichen Wertungen in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG angeknüpft werden. Die Vorschrift macht eine Ausnahme von dem Erfordernis der Sachgrundbefristung und erleichtert damit den Abschluss von befristeten Verträgen bis zu der festgelegten Höchstdauer von zwei Jahren bei maximal dreimaliger Verlängerungsmöglichkeit. Sie kennzeichnet den nach Auffassung des Gesetzgebers unter allen Umständen unproblematischen Bereich. Ist ein Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG gegeben, lässt erst das erhebliche Überschreiten dieser Grenzwerte den Schluss auf eine missbräuchliche Gestaltung zu. Zumindest regelmäßig besteht hiernach bei Vorliegen eines die Befristung an sich rechtfertigenden Sachgrunds kein gesteigerter Anlass zur Missbrauchskontrolle, wenn die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG für die sachgrundlose Befristung bezeichneten Grenzen nicht um ein Mehrfaches überschritten sind. Werden diese Grenzen jedoch alternativ oder insbesondere kumulativ mehrfach überschritten, ist eine umfassende Missbrauchskontrolle geboten, in deren Rahmen es Sache des Arbeitnehmers ist, noch weitere für einen Missbrauch sprechende Umstände vorzutragen. Werden die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannten Grenzen alternativ oder insbesondere kumulativ in gravierendem Ausmaß überschritten, kann eine missbräuchliche Ausnutzung der an sich eröffneten Möglichkeit zur Sachgrundbefristung indiziert sein. In einem solchen Fall hat allerdings der Arbeitgeber die Möglichkeit, die Annahme des indizierten Gestaltungsmissbrauchs durch den Vortrag besonderer Umstände zu entkräften (BAG, Urteil vom 08.06.2016 – 7 AZR 259/14 – Rn. 34; 7.10.2015 – 7 AZR 944/13 – Rn. 16; 29.04.2015 – 7 AZR 310/13 – Rn. 26; 18.07.2012 – 7 AZR 443/09 – Rn. 48; juris).

c. In Anwendung dieser Grundsätze kann nicht davon ausgegangen werden, die Befristung sei nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs unwirksam. Zwar kann zu Gunsten des Klägers unterstellt werden, dass die gesamte Dauer seiner Beschäftigung bei dem beklagten Land bei der Prüfung eines institutionellen Rechtsmissbrauchs zu berücksichtigen und ein Gestaltungsmissbrauch wegen der langen Dauer seiner Beschäftigung und der Vielzahl der befristeten Arbeitsverträge indiziert ist. Es liegen aber besondere Umstände vor, die die Indizwirkung widerlegen.

aa. Gegen einen Gestaltungsmissbrauch spricht zunächst der Umstand, dass die Befristungen auf unterschiedlichen Gründen beruhen (BAG, Urteil vom 10.07.2013 – 7 AZR 761/11 – Rn. 30, juris). Erst den Befristungsabreden ab dem 16.10.2013 liegt der Sachgrund der Drittmittelfinanzierung nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG zugrunde. Dabei bleibt die letzte Befristungsvereinbarung zeitlich nicht hinter dem sich aus dem Bescheid der DFG vom 06.02.2017 ergebenden Finanzierungszeitraum von 24 Monaten zurück, obwohl sich der Lehrstuhl Halbleitertechnologie und das Institut für Mikro- und Sensorsysteme seit dem 01.01.2018 in Auflösung befand. Dies alles spricht schon gegen die Annahme, es bestehe tatsächlich ein dauerhafter Beschäftigungsbedarf.

bb. Auch die am Qualifikationsziel ausgerichtete langjährige Beschäftigung des Klägers in der Zeit vom 01.11.1998 bis zum 15.10.2013 vor den Drittmittelbefristungen spricht gegen einen Gestaltungsmissbrauch.

Diese Befristungsabreden erfolgten entsprechend dem gesetzlichen Wortlaut des § 57b Abs. 2 Nr. 1 HRG a. F.; und sodann in Verbindung mit den Übergangsbestimmungen gem. § 57f Abs. 2 Satz 1 HRG a.F., § 6 Abs. 2 Satz 1 WissZeitVG vom 12.04.2007 “auch“, um „die wissenschaftliche Weiterqualifikation mit dem Ziel der Promotion“ zu ermöglichen. Nach erfolgreichem Abschluss der Promotion des Klägers erfolgte seine Beschäftigung auf der Grundlage von § 2 Abs. 1 Satz 2, 3 und 4 WissZeitVG a.F..

Ein Gestaltungsmissbrauch kann auch für diesen Zeitraum nicht angenommen werden. Zwar wird in den insoweit maßgeblichen Verträgen nicht ausdrücklich auf den Habilitationszweck abgestellt. Das war nach der seinerzeit geltenden Rechtslage aber auch nicht erforderlich. Erst § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG in der seit 17.03.2016 geltenden Fassung setzt neben der Einhaltung einer Höchstbefristungsdauer voraus, dass die befristete Beschäftigung zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen oder künstlerischen Qualifikation erfolgt. Ungeachtet dessen ergibt sich aus dem Schreiben von Prof. Dr.- Ing …, eingegangen bei dem beklagten Land am 19.12.2007, dass eine Weiterbeschäftigung gerade „zum Zwecke seiner Habilitation“ erfolgen solle. Zudem ist jeglicher fachlich-inhaltlicher (Mit-)Arbeit an Forschungsprojekten ein Kompetenzzuwachs ungeachtet des bisher erreichten Kenntnisstandes immanent; auch liegt in ihr regelmäßig eine „bewerbungstaugliche“ Steigerung des Wissens- und Qualifizierungsniveaus. (BAG, Urteil vom 02.02.2022 – 7 AZR 573/20 – Rn. 54, juris). Des Weiteren rechtfertigt insbesondere die antike Einschätzung „Wer lehrt, lernt!“ (frei nach Seneca, Epistulae morales ad Lucilium, 1. Buch, 7. Brief, 8. Abschnitt, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Müller-Glöge, 23. Auflage, Verlag C.H.Beck, München 2023, WissZeitVG § 2 Rn. 4a) ein weites Verständnis der Qualifizierung im Sinne des Gesetzes. Eine entsprechende Tätigkeit ist deshalb ohne tragfähige Anhaltspunkte für die gegenteilige Annahme prinzipiell qualifizierungsgeeignet und deshalb zudem nicht geeignet, einen Rechtsmissbrauch zu begründen. Der pauschale Vortrag des Klägers, sämtliche streitgegenständlichen Verträge seien von vornherein gar nicht auf ein Qualifizierungsziel ausgerichtet worden, lässt deshalb in diesem Zusammenhang nicht darauf schließen, dass es sich bei seiner Arbeit im Zeitraum vom 01.03.2008 – 15.10.2013 um eine seiner Qualifizierungsförderung von vornherein nicht zuträgliche Tätigkeit gehandelt hat und das beklagte Land das Rechtsinstrument der Befristung ausgenutzt hat, um einen Dauerbedarf zu decken.

§ 2 Abs. 1 WissZeitVG ermöglicht seit seinem Inkrafttreten am 18. April 2007 langjährige sachgrundlose Befristungen zur wissenschaftlichen Qualifikation. In dieser Regelung ist eine Höchstbefristungsdauer festgelegt, was den Anforderungen von § 5 Nr. 1 Buchst. b der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG genügt (BAG 24.08.2011 – 7 AZR 228/10 – Rn. 35, BAGE 139, 109). Diese Bestimmung lässt daher für wissenschaftliches Personal an Hochschulen in weitaus größerem Umfang sachgrundlose Befristungen zu als § 14 Abs. 2 TzBfG. Dabei wirkt die am Qualifikationsziel orientierte Maximalbefristungsdauer der rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme der Befristungsmöglichkeit entgegen. Die Rahmenvereinbarung erkennt ausweislich des zweiten und des dritten Absatzes ihrer Präambel sowie der Nrn. 8 und 10 ihrer Allgemeinen Erwägungen an, dass befristete Arbeitsverträge für die Beschäftigung in bestimmten Branchen oder bestimmten Berufen und Tätigkeiten charakteristisch sind (vgl. EuGH 26.11.2014 – C-22/13 ua. – [Mascolo] Rn. 75; 3.07.2014 – C-362/13 ua. – [Fiamingo ua.] Rn. 59; 13.03.2014 – C-190/13 – [Márquez Samohano] Rn. 51).

Vertragslaufzeiten, mit denen die am Qualifikationsziel ausgerichtete Höchstbefristungsdauer nach § 2 Abs. 1 Satz 2, 3 und 4 WissZeitVG ausschöpft wird, – wie hier für die Postdoc-Phase unter Beachtung von § 2 Abs. 1 S. 3 WissZeitVG in der Fassung vom 18.04.2007 noch unterschritten – sind deshalb ohne Hinzutreten weiterer Umstände stets angemessen und nicht geeignet einen Rechtsmissbrauch zu begründen.

cc. Andere Umstände, die die Befristung als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen könnten, sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich.

C. Der Kläger hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

D. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.

Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung.

Außerdem weicht die Entscheidung nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung oder der Rechtsprechung anderer Landesarbeitsgerichte ab.

 

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