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Abmahnungsentfernung aus Personalakte – Anzeigepflicht bei Arbeitsunfähigkeit im Arbeitsverhältnis

Abmahnung wegen Nichtmeldung von Arbeitsunfähigkeit: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz bestätigt Rechtmäßigkeit

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz wies die Berufung einer Klägerin ab, die die Entfernung einer Abmahnung aus ihrer Personalakte gefordert hatte. Die Abmahnung wurde erteilt, weil die Klägerin ihre Arbeitsunfähigkeit nicht unverzüglich gemeldet hatte. Das Gericht befand, dass die Abmahnung rechtmäßig war, da die Klägerin tatsächlich gegen die Anzeigepflicht verstoßen und die Beklagte berechtigterweise auf die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen bestanden hatte.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 5 Sa 406/14 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz wies die Berufung der Klägerin zurück.
  2. Die Klägerin hatte gefordert, eine Abmahnung aus ihrer Personalakte zu entfernen.
  3. Die Abmahnung bezog sich auf eine Nichtmeldung der Arbeitsunfähigkeit.
  4. Das Gericht bestätigte, dass die Abmahnung rechtmäßig erteilt wurde.
  5. Es wurde kein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit festgestellt.
  6. Die Anzeigepflicht gemäß § 5 EFZG wurde als verletzt angesehen.
  7. Eine vorherige Anhörung der Klägerin vor Aufnahme der Abmahnung in die Personalakte war nicht erforderlich.
  8. Die Kosten des erfolglosen Berufungsverfahrens wurden der Klägerin auferlegt.

Abmahnungsentfernung aus Personalakte: Anzeigepflicht bei Arbeitsunfähigkeit im Arbeitsverhältnis

Eine Abmahnung kann aus der Personalakte entfernt werden, wenn sie zu Unrecht erteilt wurde oder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Im Arbeitsrecht spielt die Anzeigepflicht bei Arbeitsunfähigkeit eine wichtige Rolle. Ein Arbeitnehmer ist verpflichtet, seinen Arbeitgeber unverzüglich über den Eintritt und die voraussichtliche Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit zu informieren. Wird diese Pflicht verletzt, kann eine Abmahnung erteilt werden. Allerdings kann eine Abmahnung auch rechtswidrig sein, wie beispielsweise im Fall einer nicht rechtzeitigen Anzeige der Arbeitsunfähigkeit. In solchen Fällen kann das Arbeitsgericht entscheiden, dass die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen ist. Es ist jedoch zu beachten, dass die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte nicht immer möglich ist und im laufenden Arbeitsverhältnis ein Anspruch auf Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung besteht.

Der Beginn einer rechtlichen Auseinandersetzung: Abmahnung wegen Nichtmeldung der Arbeitsunfähigkeit

Im Fokus des vorliegenden Falles stand eine Arbeitnehmerin, die seit 2010 als Verwaltungsfachangestellte in einer Klinik tätig war. Ihre Probleme begannen, als sie nach einer Phase der Krankheit nicht am Arbeitsplatz erschien und dies auch nicht der Klinik meldete. Dies führte dazu, dass sie eine Abmahnung von ihrem Arbeitgeber erhielt. Die Abmahnung bezog sich darauf, dass sie entgegen der arbeitsrechtlichen Anzeigepflicht ihre weitere Arbeitsunfähigkeit nicht unverzüglich angezeigt hatte.

Die rechtliche Herausforderung: Anzeigepflicht und Abmahnung

Die Klägerin argumentierte, dass die Abmahnung ungerechtfertigt sei. Sie behauptete, nach der betrieblichen Praxis sei es ausreichend gewesen, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ohne weitere Mitteilung zu übersenden. Weiterhin führte sie an, dass sie nicht gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen habe, da § 5 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) in ihrem Fall nicht zur Anwendung komme. Die Beklagte, also die Klinik, hielt dem entgegen, dass die Klägerin die Pflicht zur unverzüglichen Meldung ihrer Arbeitsunfähigkeit verletzt habe.

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz bestätigte in seinem Urteil vom 11. Dezember 2014 die Entscheidung des Arbeitsgerichts Ludwigshafen, wonach die Klage der Arbeitnehmerin als unbegründet abzuweisen sei. Das Gericht erklärte, dass die Klägerin die Anzeigepflicht gemäß § 5 EFZG verletzt habe, indem sie ihre weitere Arbeitsunfähigkeit nicht unverzüglich der Beklagten gemeldet hatte. Es stellte fest, dass die Abmahnung weder inhaltlich unbestimmt war noch unrichtige Tatsachenbehauptungen enthielt. Zudem beruhte die Abmahnung nicht auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens der Arbeitnehmerin und verletzte auch nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Verhältnismäßigkeit und rechtliche Bewertung der Abmahnung

Die Klägerin hatte argumentiert, die Abmahnung sei unverhältnismäßig. Das Gericht wies jedoch darauf hin, dass keine unverhältnismäßigen Nachteile für die Klägerin entstanden seien. Es hob hervor, dass es der Beklagten zustand, der Klägerin ihren Pflichtverstoß durch die Abmahnung deutlich zu machen und sie für die Zukunft auf die Einhaltung der entsprechenden Vorschriften hinzuweisen. Die Entscheidung des Gerichts beruhte also auf einer sorgfältigen Abwägung der Umstände des Einzelfalls.

Fazit: Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz bestätigte die Rechtmäßigkeit der Abmahnung und lehnte die Berufung der Klägerin ab. Dieser Fall unterstreicht die Bedeutung der Anzeigepflicht bei Arbeitsunfähigkeit und die Notwendigkeit für Arbeitnehmer, die arbeitsrechtlichen Bestimmungen genau zu befolgen.

Der vollständige Urteilstext kann unten nachgelesen werden.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

In welchen Fällen kann eine Abmahnung aus der Personalakte entfernt werden?

Eine Abmahnung kann aus der Personalakte entfernt werden, wenn sie zu Unrecht ausgesprochen wurde oder durch Zeitablauf für das Arbeitsverhältnis bedeutungslos geworden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) haben Arbeitnehmer das Recht, die Entfernung einer Abmahnung zu verlangen, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitgeber in der Regel keinen Nutzen mehr aus der Dokumentation der Abmahnung ziehen, weshalb Abmahnungen dann üblicherweise aus der Personalakte zu entfernen sind.

Wenn es sich um ein einmaliges Fehlverhalten handelt, besteht nach zwei bis drei Jahren die Möglichkeit, einen Antrag auf Entfernung der Abmahnung zu stellen.

Ein Arbeitnehmer hat auch dann einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte, wenn die Abmahnung rechtswidrig ist, beispielsweise wenn sie formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält oder eine unrichtige rechtliche Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers vornimmt.

Es ist jedoch zu beachten, dass eine Abmahnung im Arbeitsrecht nicht verjährt und Arbeitgeber nicht gesetzlich verpflichtet sind, die Abmahnung nach einigen Jahren aus der Personalakte zu entfernen. Die Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung kann nur dann verlangt werden, wenn das gerügte Verhalten für das Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht bedeutungslos geworden ist.

Welche Pflichten umfasst die Anzeigepflicht bei Arbeitsunfähigkeit?

Die Anzeigepflicht bei Arbeitsunfähigkeit umfasst mehrere Pflichten für den Arbeitnehmer. Gemäß § 5 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitteilen. „Unverzüglich“ bedeutet in diesem Kontext „ohne schuldhaftes Zögern“. In der Regel bedeutet dies, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber bereits am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit vor Beginn seiner Arbeitszeit benachrichtigen muss.

Die Mitteilungspflicht dient dazu, den Arbeitgeber in die Lage zu versetzen, entsprechende organisatorische Maßnahmen zu treffen, um die Abwesenheit des Arbeitnehmers zu kompensieren. Wenn die Arbeitsunfähigkeit länger dauert als ursprünglich angegeben, besteht eine neue Anzeigepflicht.

Es ist wichtig zu beachten, dass der Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist, den genauen Grund für die Krankheit anzugeben. Die Anzeigepflicht besteht unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer tatsächlich Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat.

Verletzt der Arbeitnehmer seine Anzeigepflicht, kann dies zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen, einschließlich einer Abmahnung oder sogar einer Kündigung.

Zusätzlich zur Anzeigepflicht besteht auch eine Nachweispflicht. Wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage dauert, muss der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer vorlegen.

Seit dem 1. Januar 2023 sind Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, eine elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) bei den Krankenkassen abzurufen.

Wenn der Arbeitnehmer seine Nachweispflicht verletzt, kann der Arbeitgeber die Zahlung des Entgelts verweigern, solange der Arbeitnehmer der Nachweispflicht nicht nachkommt.

Welche Rolle spielt die formgerechte Anhörung des Arbeitnehmers vor einer Abmahnung?

Die formgerechte Anhörung des Arbeitnehmers vor einer Abmahnung spielt eine wichtige Rolle im Arbeitsrecht, da sie dem Grundsatz des fairen Verfahrens und der Transparenz entspricht. Sie gibt dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, sich zu den Vorwürfen zu äußern, bevor eine Abmahnung ausgesprochen wird. Dies ist insbesondere relevant, um sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer die Gründe für die Abmahnung versteht und gegebenenfalls seine Sichtweise darlegen kann. Eine Anhörung kann dazu beitragen, Missverständnisse zu klären und gibt dem Arbeitnehmer die Chance, sein Verhalten zu erklären oder zu korrigieren.

Obwohl das Gesetz keine explizite Anhörungspflicht vor Ausspruch einer Abmahnung vorschreibt, hat die Rechtsprechung die Bedeutung der Anhörung für die Wirksamkeit einer Abmahnung hervorgehoben. Eine unterlassene Anhörung kann dazu führen, dass die Abmahnung als formell unwirksam angesehen wird, was wiederum Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit einer darauf basierenden Kündigung haben kann. In der Praxis wird daher empfohlen, den Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Abmahnung anzuhören, um die Abmahnung auf eine solide rechtliche Grundlage zu stellen.


Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 5 Sa 406/14 – Urteil vom 11.12.2014

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 9. Mai 2014, Az. 4 Ca 2242/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Entfernung einer Abmahnung.

Die 1978 geborene Klägerin ist seit 16.06.2010 bei der Beklagten als Verwaltungsfachangestellte zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt € 2.114,58 beschäftigt. Zuvor war sie seit Oktober 2007 als Aushilfe in der Verwaltung und seit 2008 als Auszubildende zur Kauffrau im Gesundheitswesen angestellt. Die Beklagte beschäftigt in der Klinik in A-Stadt ca. 1.200 Arbeitnehmer; es besteht ein Betriebsrat.

Die Klägerin ist seit 20.08.2012 – mit Ausnahme von Genesungsphasen, in denen sie bezahlten Erholungsurlaub nahm – bis heute arbeitsunfähig krankgeschrieben. In der Zeit vom 23.09.2013 bis 11.10.2013 nahm sie Erholungsurlaub. Ab 14.10.2013 (Mo) war sie wieder arbeitsunfähig krankgeschrieben. Die Erstbescheinigung wurde bis voraussichtlich 20.10.2013, die Folgebescheinigung bis voraussichtlich 25.10.2013 und die zweite Folgebescheinigung bis voraussichtlich 03.11.2013 ausgestellt. Am 03.11.2013 (So) verletzte sich die Klägerin nach ihren Angaben bei einem Sturz. Ein Orthopäde stellte ihr für die Zeit vom 04.11. bis einschließlich 11.11.2013 (Mo) eine Erstbescheinigung aus. Am 12.11.2013 (Di) erschien die Klägerin nicht zum Dienst und meldete sich auch nicht bei der Beklagten. Sie war ab 12.11.2013 weiterhin arbeitsunfähig krankgeschrieben worden.

Am 13.11.2013 ging der Klägerin ein Schreiben der Beklagten vom 12.11.2013 zu, das – auszugsweise – folgenden Wortlaut hat:

„… wir fordern Sie hiermit auf, künftig bei jeder Arbeitsunfähigkeit jeweils am ersten Tag die ärztliche Bescheinigung vorzulegen. …

Gleichzeitig fordern wir Sie auf, im Falle einer Arbeitsunfähigkeit unverzüglich telefonisch Ihre Vorgesetzte zu informieren. Sollte diese nicht erreichbar sein, so informieren Sie bitte die Personalabteilung. Wenn auch diese nicht telefonisch erreichbar sein sollte, so informieren Sie bitte das Sekretariat des Kaufmännischen Direktors.“

Mit Schreiben vom 13.11.2013, der Klägerin am selben Tag zugegangen, erteilte ihr die Beklagte folgende Abmahnung:

„Ihr Verhalten gibt uns Anlass zu Beanstandungen.

Die zuletzt vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beinhaltet eine Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 11.11.2013. Am 12.11.2013 sind Sie wider Erwarten nicht zum Dienst erschienen. Eine Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit haben Sie nicht angezeigt.

Sie haben damit gegen die sich aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz ergebende Anzeigepflicht verstoßen.

Wir fordern Sie hiermit auf, sich in Zukunft den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend unverzüglich zu melden und uns zu informieren, sollten Sie arbeitsunfähig sein.

Sollten Sie erneut gegen Ihre Anzeigepflicht verstoßen, müssen Sie mit weiteren arbeitsrechtlichen Konsequenzen, die bis zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen können, rechnen.“

Gegen diese Abmahnung wendet sich die Klägerin mit ihrer am 27.11.2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage. Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestands und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 09.05.2014 (dort Seite 2 bis 4) Bezug genommen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die unter dem 13.11.2013 erteilte Abmahnung zurückzunehmen und aus ihrer Personalakte zu entfernen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 5 bis 7 des erstinstanzlichen Urteils vom 09.05.2014 Bezug genommen. Gegen das am 06.06.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 07.07.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 29.07.2014 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Klägerin macht zur Begründung der Berufung geltend, die Abmahnung vom 13.11.2013 sei bereits deshalb unwirksam, weil ihr die Beklagte vor ihrem Ausspruch keine Gelegenheit gegeben habe, sich zu dem Sachverhalt zu äußern. Die Abmahnung sei außerdem unwirksam, weil sie nicht gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen habe. § 5 EFZG komme nicht zur Anwendung. Mit ihrer Anweisung vom 12.11.2013 habe die Beklagte die betriebliche Praxis verdeutlicht, dass es genügte, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ohne weitere Mitteilung zu übersenden. Sie sollte sich erst wieder melden, wenn ihre Genesung abzusehen sei. Eine Arbeitsfähigkeit sei jedoch am 12.11.2013 nicht absehbar gewesen. Dies habe sie auch durch eine E-Mail an die Beklagten vom 10.10.2013 verdeutlicht. Die Beklagte habe diese Vorgehensweise nicht moniert. In der Folge habe sie sich dann am 03.11.2013 die Verletzung zugezogen, weshalb sie erneut arbeitsunfähig erkrankt sei. Auch hier habe sie lediglich die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung übersandt. Bei dieser Erkrankung habe es sich nicht um eine Fortdauer der ab 14.10.2013 gemeldeten Krankheit gehandelt. Eine Monierung sei auch hier nicht erfolgt. Mit diesem Vortrag habe sie konkret dargelegt, dass die Beklagte in der Vergangenheit die fehlende Anzeige hingenommen habe. Die Beklagte habe nicht mit einem Dienstantritt am 12.11.2013 rechnen dürfen. Hilfsweise berufe sie sich auf die Unverhältnismäßigkeit der Abmahnung. Dies folge daraus, dass die Beklagte zeitgleich die Anweisung erteilt habe, dass in Zukunft eine sofortige telefonische Information zu erfolgen habe. Höchst hilfsweise sei vorzutragen, dass sie nicht gegen § 5 EFZG verstoßen habe. Sie habe der Beklagten mit E-Mail vom 10.10.2013 ihre Arbeitsunfähigkeit angezeigt und mitgeteilt, dass im Moment nicht abzusehen sei, wann eine Besserung eintrete. Folglich liege eine unverzügliche Mitteilung vor. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 29.07.2014 Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich, das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 9. Mai 2014, Az. 4 Ca 2242/13, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen die unter dem 13.11.2013 erteilte Abmahnung zurückzunehmen und aus ihrer Personalakte zu entfernen

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 29.08.2014, auf die Bezug genommen wird, als zutreffend.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und inhaltlich ausreichend begründet worden.

II.

Die Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die gegen die Abmahnung vom 13.11.2013 gerichtete Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin kann die Entfernung der Abmahnung aus ihrer Personalakte nicht verlangen. Sie ist nicht zu Unrecht abgemahnt worden.

1. Der Antrag ist zulässig. Er bedarf allerdings der Auslegung. Nach dem Wortlaut des Antrags verlangt die Klägerin neben der Entfernung der Abmahnung vom 13.11.2013 aus der Personalakte auch deren „Rücknahme“. Das soll aber ersichtlich lediglich das Entfernungsverlangen unterstreichen und kein eigenständiges Begehren darstellen. Bei einem individualrechtlich erstrebten Abmahnungsentfernungsanspruch wird die mit dem Klageantrag verlangte „Rücknahme und Entfernung“ der Abmahnung regelmäßig als einheitlicher Anspruch auf Beseitigung der durch die Abmahnung erfolgten Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts verstanden (st. Rspr., vgl. zB BAG 19.07.2012 – 2 AZR 782/11 – Rn. 15 mwN, NZA 2013, 91).

2. Der Antrag ist unbegründet. Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung entweder inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, und auch dann, wenn selbst bei einer zu Recht erteilten Abmahnung kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers mehr an deren Verbleib in der Personalakte besteht (st. Rspr., vgl. zB BAG 19.07.2012 – 2 AZR 782/11 – Rn. 13 mwN, aaO).

3. Keine dieser Voraussetzungen ist im Streitfall erfüllt. Dies hat das Arbeitsgericht im Ergebnis und in der Begründung der angefochtenen Entscheidung zutreffend erkannt. Die Berufungskammer schließt sich dem an.

Die Abmahnung vom 13.11.2013 enthält keine unrichtigen Tatsachen. Die Beklagte wirft der Klägerin vor, ihre weitere Arbeitsunfähigkeit ab 12.11.2013 nicht unverzüglich angezeigt zu haben. Dieser Vorwurf ist richtig. Die Klägerin stellt nicht in Abrede, dass sie sich am 12.11.2013 nicht bei der Beklagten gemeldet hat, um die Fortdauer ihrer Arbeitsunfähigkeit anzuzeigen.

Die Beklagte war auch befugt, dieses Verhalten der Klägerin als eine Verletzung ihrer Verpflichtungen aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) abzumahnen. § 5 EFZG regelt Anzeige- und Nachweispflichten der Arbeitnehmer anlässlich der Arbeitsunfähigkeit. Die Anzeige- und Nachweispflichten gelten für alle Fälle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit des vom Gesetz erfassten Personenkreises. Dazu gehört auch die Klägerin. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber unverzüglich sowohl den Eintritt der Erkrankung als auch deren voraussichtliche Dauer mitzuteilen. Die Anzeigepflicht besteht auch bei Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit über den mitgeteilten Zeitpunkt hinaus (vgl. BAG 03.11.2011 – 2 AZR 748/10 – Rn. 30 mwN, NZA 2012, 607).

Das Argument der Berufung, die Klägerin sei nicht verpflichtet gewesen, am 12.11.2013 ihre Anzeigepflicht zu erfüllen, weil § 5 EFZG „gar nicht zur Anwendung“ komme, ist nicht nachvollziehbar. Die gesetzlichen Pflichten gem. § 5 Abs. 1 EFZG obliegen allen Arbeitnehmern.

Entgegen der Ansicht der Berufung ist eine von § 5 Abs. 1 EFZG abweichende Vertragspraxis nicht erkennbar. Aus dem Anschreiben der Beklagten vom 12.11.2013 kann nicht hergeleitet werden, die Beklagte sei damit einverstanden gewesen, dass sich die Klägerin erst wieder melde, wenn sich ihre Arbeitsunfähigkeit dem Ende nähere. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt. Die Klägerin konnte nicht ernsthaft annehmen, es reiche aus, dass sie sich bei der Beklagten erst wieder melden soll, wenn ein Ende der Krankheit absehbar sei. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die fehlende Anzeige des Eintritts oder der Fortdauer einer Erkrankung in der Vergangenheit hingenommen hat. Die Klägerin hat der Beklagten unstreitig für die Zeit ab 03.11.2013 die Erstbescheinigung eines Orthopäden bis voraussichtlich 11.11.2013 vorgelegt, weil sie sich nach ihren Angaben am 03.11.2013 bei einem Sturz verletzt habe. Mit der früheren Erkrankung (grippaler Infekt), die die Klägerin der Beklagten in ihrem Erholungsurlaub am 10.10.2013 per E-Mail bekanntgegeben und die vom 14.10. bis 03.11.2013 angedauert hat, kann sie die fehlende Mitteilung der Fortdauer ihrer Neuerkrankung (Sturzverletzung) ab 12.11.2013 nicht entschuldigen.

Entgegen der Ansicht der Berufung hat die Beklagte mit der Erteilung der Abmahnung wegen Verletzung der Anzeigepflicht auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Anhaltspunkte dafür, die Abmahnung sei unverhältnismäßig im Vergleich zum beanstandeten Verhalten der Klägerin sind nicht gegeben. Die Klägerin hat am 12.11.2013 ihre Anzeigepflicht verletzt. Diesen Verstoß gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten konnte die Beklagte in Form einer schriftlichen Abmahnung rügen und diese zur Personalakte der Klägerin nehmen. Es ist der Beklagten zuzubilligen, der Klägerin ihren Pflichtverstoß in der Vergangenheit durch die Abmahnung deutlich zu machen und sie für die Zukunft auf die Einhaltung der entsprechenden Vorschriften hinzuweisen. Unverhältnismäßige Nachteile entstehen der Klägerin dadurch nicht.

Entgegen der Ansicht der Berufung ist Abmahnung vom 13.11.2013 nicht formell unwirksam, weil die Klägerin vor ihrer Aufnahme in die Personalakte nicht angehört worden ist. Zwar besteht im Bereich des öffentlichen Dienstes (vgl. § 3 Abs. 6 Satz 4 TV-L; früher § 13 Abs. 2 Satz 1 BAT) eine tarifvertraglich geregelte Pflicht, den Arbeitnehmer vor Aufnahme einer Abmahnung in die Personalakte anzuhören. Nimmt der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes eine Abmahnung ohne vorherige Anhörung des Beschäftigten zu den Personalakten, so hat der Angestellte einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus den Personalakten (vgl. BAG 16.11.1989 – 6 AZR 64/88 – NZA 1990, 477). Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ein Tarifvertrag Anwendung findet, der eine entsprechende Anhörungspflicht regelt.

III.

Die Kosten der erfolglos gebliebenen Berufung fallen der Klägerin nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

 

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