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Arbeitsunfähigkeitsmitteilung durch Arbeitnehmer – Einschaltung eines Boten

Krankmeldung per Bote reicht aus: Abmahnung unwirksam

Das Arbeitsgericht Emden hat entschieden, dass die Abmahnung eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber unrechtmäßig war. Der Kläger hatte sich nach einer Arbeitsverletzung ordnungsgemäß abgemeldet, aber der Arbeitgeber sah dies anders und erteilte eine Abmahnung. Das Gericht verurteilte den Arbeitgeber zur Entfernung dieser Abmahnung aus der Personalakte des Klägers.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 Ca 263/21  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Unrechtmäßige Abmahnung: Das Gericht stellte fest, dass die dem Kläger erteilte Abmahnung unrechtmäßig war.
  2. Arbeitsverletzung des Klägers: Der Kläger erlitt eine Verletzung bei der Arbeit.
  3. Korrekte Abmeldung: Trotz der Verletzung hat sich der Kläger ordnungsgemäß bei einem Mitarbeiter des Arbeitgebers abgemeldet.
  4. Streit um die Verletzungsschwere: Zwischen dem Kläger und dem Arbeitgeber bestand Uneinigkeit über das Ausmaß der Verletzung.
  5. Rechtsanspruch auf Entfernung der Abmahnung: Der Kläger hatte Anspruch auf die Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte.
  6. Bedeutung von § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG: Der Fall betont die Wichtigkeit der unverzüglichen Mitteilung von Arbeitsunfähigkeit.
  7. Keine direkte Abmeldung beim Vorgesetzten nötig: Das Gericht fand, dass die Abmeldung über einen Mitarbeiter als Bote ausreichend war.
  8. Kosten des Rechtsstreits: Die Kosten des Rechtsstreits wurden dem Arbeitgeber auferlegt.

Arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen: Der Fokus auf Abmahnungen und Arbeitsunfähigkeit

In der Arbeitswelt stellen Abmahnungen ein wesentliches Instrument zur Klärung von Pflichtverletzungen dar. Sie dienen dem Arbeitgeber als Mittel, um Verstöße gegen das Arbeitsverhältnis formal zu rügen und dokumentieren diese in der Personalakte des Arbeitnehmers. Die Ausstellung einer Abmahnung kann vielfältige Gründe haben, von Verstößen gegen betriebliche Regeln bis hin zu Unstimmigkeiten über die Arbeitsunfähigkeitsmitteilung.

In diesem Kontext gewinnt die korrekte Handhabung und Rechtswirksamkeit solcher Maßnahmen an Bedeutung. Besonders brisant wird es, wenn die Abmahnung im Zusammenhang mit einer Krankmeldung oder Arbeitsunfähigkeit steht. Hierbei sind sowohl die Einhaltung des Arbeitsvertrags als auch die angemessene Berücksichtigung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von entscheidender Relevanz. Die Frage, wann eine Abmahnung gerechtfertigt oder gar notwendig ist und wann sie die Grenzen des zulässigen überschreitet, führt oft zu gerichtlichen Auseinandersetzungen.

Lesen Sie weiter, um zu erfahren, wie ein konkretes Gerichtsurteil diese komplexen Themen beleuchtet und welche Implikationen es für Arbeitgeber und Arbeitnehmer hat. Der folgende Fall bietet tiefe Einblicke in die rechtlichen Feinheiten, die bei der Ausstellung und dem Widerspruch von Abmahnungen im Arbeitsrecht eine Rolle spielen.

Rechtliche Auseinandersetzung um eine Abmahnung bei Arbeitsunfähigkeit

Im Arbeitsrecht gibt es immer wieder Fälle, die sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer von großer Bedeutung sind. Ein solcher Fall wurde kürzlich vom Arbeitsgericht Emden entschieden, bei dem es um die Rechtswirksamkeit einer Abmahnung ging. Der Kläger, ein Schlosser, war bei der Beklagten beschäftigt und hatte sich während der Arbeit verletzt. Daraufhin war er aufgrund einer Fingerquetschung arbeitsunfähig krankgeschrieben. Trotz Vorlage der entsprechenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mahnte die Beklagte den Kläger ab, was zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung führte.

Umstände der Arbeitsunfähigkeitsmitteilung und Abmahnung

Die Kernproblematik des Falles lag in der Art und Weise, wie der Kläger seine Arbeitsunfähigkeit mitgeteilt hatte.Er hatte sich bei einem Mitarbeiter der Beklagten abgemeldet, der jedoch nach Angaben der Beklagten nicht die Funktion eines Vorgesetzten innehatte. Die Beklagte argumentierte, dass der Kläger seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Abmeldung verletzt hätte, da er sich nicht direkt bei seinem Vorgesetzten abgemeldet habe. Der Kläger hingegen sah die Abmeldung als ordnungsgemäß an und bezeichnete die Abmahnung als rechtswidrig.

Gerichtliche Bewertung des Sachverhalts

Das Gericht musste in diesem Fall beurteilen, ob die Abmahnung unter den gegebenen Umständen rechtswirksam war. Hierbei spielte § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG eine entscheidende Rolle, der besagt, dass ein Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen hat. Nach Auffassung des Gerichts hatte der Kläger diese Pflicht erfüllt, indem er sich bei einem Mitarbeiter abmeldete, der diese Information an den Arbeitgeber weiterleitete. Das Gericht stellte fest, dass die Abmahnung dem Kläger zu Unrecht erteilt wurde und verurteilte die Beklagte zur Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte des Klägers.

Folgen des Urteils und seine Bedeutung für das Arbeitsrecht

Das Urteil hat nicht nur für den Kläger, sondern auch im Kontext des Arbeitsrechts eine signifikante Bedeutung. Es unterstreicht die Wichtigkeit einer korrekten Handhabung von Abmahnungen und betont die Rechte der Arbeitnehmer bei der Mitteilung ihrer Arbeitsunfähigkeit. Die Entscheidung zeigt auf, dass Arbeitgeber bei der Ausstellung von Abmahnungen sorgfältig vorgehen müssen, insbesondere wenn es um Fragen der Arbeitsunfähigkeit geht. Die Kosten des Rechtsstreits wurden der Beklagten auferlegt, und das Gericht setzte den Wert des Streitgegenstandes auf 2.804,33 EUR fest.

In der weiteren Betrachtung dieses Falles wird deutlich, wie wichtig es ist, die jeweiligen Pflichten im Arbeitsverhältnis genau zu kennen und einzuhalten. Das Urteil des Arbeitsgerichts Emden dient als ein wichtiges Beispiel für die Handhabung solcher Situationen und bietet eine Orientierung für ähnliche Fälle in der Zukunft.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was ist die rechtliche Bedeutung und der Umfang der Pflicht zur Arbeitsunfähigkeitsmitteilung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG?

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) ist ein Arbeitnehmer dazu verpflichtet, dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Diese Mitteilungspflicht dient der Dispositionsfähigkeit des Arbeitgebers, damit dieser entsprechend planen kann. Die Pflicht besteht unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer bereits Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat oder sich noch in der Wartefrist nach § 3 Abs. 3 EFZG befindet.

Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, muss der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer vorlegen. Diese Bescheinigung ist dem Arbeitgeber spätestens an dem auf den dritten Kalendertag folgenden Arbeitstag vorzulegen.

Der Arbeitgeber hat das Recht, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung auch früher zu verlangen, beispielsweise schon ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit. Dies kann durch eine entsprechende arbeitsvertragliche Vereinbarung oder durch eine Betriebs- oder Dienstvereinbarung geregelt sein.

Bei einer länger andauernden Arbeitsunfähigkeit als zunächst bescheinigt, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Dies gilt auch, wenn die Arbeitsunfähigkeit wiederholt auftritt.

Seit der Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) müssen gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer dem Arbeitgeber keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mehr vorlegen. Stattdessen ist es ausreichend, sich zu den in § 5 Abs. 1 Satz 2 bis 4 EFZG genannten Zeitpunkten einem Arzt vorzustellen, der dann das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer feststellt und die Daten elektronisch an die Krankenkasse übermittelt.

Verletzt ein Arbeitnehmer die Anzeige- oder Nachweispflicht, kann dies arbeitsrechtliche Konsequenzen haben, wie beispielsweise eine Abmahnung oder im Wiederholungsfall sogar eine Kündigung. Solange der Arbeitnehmer keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einreicht, besteht auch keine Lohnfortzahlungspflicht für den Arbeitgeber.

In welchen Fällen kann die Einschaltung eines Boten für die Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit an den Arbeitgeber angemessen sein?

Die Einschaltung eines Boten für die Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit an den Arbeitgeber kann in Fällen angemessen sein, in denen der Arbeitnehmer selbst nicht in der Lage ist, die Mitteilung vorzunehmen. Dies kann beispielsweise bei einer schweren Erkrankung oder Verletzung der Fall sein, die es dem Arbeitnehmer unmöglich macht, selbst zu kommunizieren. In solchen Situationen darf der Arbeitnehmer einen Kollegen oder eine andere Person als Boten einsetzen, um den Arbeitgeber über die Arbeitsunfähigkeit zu informieren.

Das Arbeitsgericht Emden hat in einem Urteil festgestellt, dass eine Krankmeldung durch einen Boten zulässig ist und dass der Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist, den Arbeitgeber persönlich zu informieren. Allerdings trägt der Arbeitnehmer das Risiko, wenn die Mitteilung durch den Boten nicht rechtzeitig oder korrekt beim Arbeitgeber ankommt. Es ist daher ratsam, dass der Bote zuverlässig ist und die Mitteilung umgehend weiterleitet.

In dem vom Arbeitsgericht Emden entschiedenen Fall hatte ein Arbeitnehmer nach einer Verletzung am Arbeitsplatz einen Kollegen gebeten, den Arbeitgeber über seine Abwesenheit zu informieren. Das Gericht urteilte, dass die Abmahnung, die der Arbeitgeber wegen der Krankmeldung über einen Kollegen ausgesprochen hatte, aus der Personalakte zu entfernen sei.

Zusammenfassend kann die Einschaltung eines Boten für die Krankmeldung dann angemessen sein, wenn der Arbeitnehmer selbst dazu nicht in der Lage ist. Der Arbeitnehmer sollte jedoch sicherstellen, dass die Mitteilung durch den Boten ordnungsgemäß und zeitnah erfolgt, um arbeitsrechtliche Konsequenzen zu vermeiden.

Wie wird die Rechtswirksamkeit einer Abmahnung beurteilt, insbesondere im Kontext einer strittigen Arbeitsunfähigkeit?

Die Rechtswirksamkeit einer Abmahnung, insbesondere im Kontext einer strittigen Arbeitsunfähigkeit, wird anhand verschiedener Kriterien beurteilt.

Eine Abmahnung muss das Fehlverhalten eines Mitarbeiters konkret benennen und der Arbeitgeber muss genau darlegen, gegen welche Vorschrift der Betroffene verstoßen hat. Allgemeine Hinweise reichen nicht aus.

Arbeitnehmer dürfen nicht abgemahnt werden, nur weil sie krank sind. Abmahnungen wegen Krankheit sind nur bei einer fehlenden oder zu spät eingereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung möglich. Auch vorgetäuschte Krankheiten sind ein möglicher Grund für eine Abmahnung – mitunter sogar für eine fristlose Kündigung.

Wenn ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist, muss er dies dem Arbeitgeber unverzüglich mitteilen. Tut er das nicht und bleibt ohne Abmeldung der Arbeit fern, kann dies zu einer Abmahnung führen.

Eine Abmahnung wegen Krankheit ist berechtigt, wenn die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu spät eingereicht wird oder der Arbeitnehmer ohne Krankmeldung fehlt.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass eine Abmahnung wegen verspäteten Zugangs einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht unverhältnismäßig ist, selbst wenn die Verspätung auf der Seite des Arbeitnehmers liegt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Rechtswirksamkeit einer Abmahnung im Kontext einer strittigen Arbeitsunfähigkeit von verschiedenen Faktoren abhängt, einschließlich der Einhaltung bestimmter Formalitäten durch den Arbeitgeber und des Verhaltens des Arbeitnehmers im Krankheitsfall.


Das vorliegende Urteil

ArbG Emden – Az.: 2 Ca 263/21 – Urteil vom 16.08.2022

1) Die Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger mit Schreiben vom … erteilte Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen.

2) Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

3) Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.804,33 EUR festgesetzt.

4) Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer Abmahnung.

Der Kläger ist … bei der Beklagten als Schlosser beschäftigt. Im beim Arbeitsgericht Emden zwischen den Parteien geführten Parallelverfahren … streiten die Parteien um die Rechtswirksamkeit zweier ordentlicher Kündigungen zum ….

Der Kläger verletzte sich am … bei der Arbeit. Streitig zwischen den Parteien sind Ausmaß und Schwere der vom Kläger erlittenen Verletzung.

Der Kläger war sodann ab … bis zum … wegen einer Fingerquetschung arbeitsunfähig krankgeschrieben (vergleiche Kopien der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom … sowie vom …).

Hinsichtlich des Inhalts des Berichtes der [Klinik] vom … und hinsichtlich des Inhalts des Durchgangsarztberichtes wird auf die vom Kläger zur Gerichtsakte gereichten Ablichtungen Bezug genommen …

Mit Schreiben vom … mahnte die Beklagte den Kläger ab. Hinsichtlich des Inhalts des genannten Schreibens im Einzelnen wird auf die vom Kläger zur Gerichtsakte gereichte Ablichtung Bezug genommen …

Der Kläger ist der Auffassung, die dem Kläger von der Beklagten erteilte Abmahnung sei rechtswidrig. Die Beklagte habe im Abmahnungsschreiben den maßgeblichen Sachverhalt unrichtig dargestellt. Er – der Kläger – habe sich zu Recht bei einem Mitarbeiter der Beklagten … abgemeldet, der die Teamleiterfunktion von der vorherigen Schicht übernommen habe. Der zweite Schichtleiter … habe den Kläger nach seinem Unfall zum Ersthelfer-Raum begleitet und eine ärztliche Behandlung angeregt. Der Teamleiter … sei an diesem Tag nicht anwesend gewesen, so dass keine Teamleitung vor Ort gewesen sei. In diesen Fällen übernehme der erfahrenste Techniker, an diesem Tag …, diese Aufgabe.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger mit Schreiben vom … erteilte Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Abmahnung sei rechtmäßig ergangen. Am … habe sich der Kläger bei der Mitarbeiterin …, einer Ersthelferin im Betrieb der Beklagten, gemeldet. Der Kläger habe eine kleine Wunde auf seinem Fingernagel gezeigt. Die Mitarbeiterin … habe die kleine Wunde im Rahmen der Erstversorgung mit einem Pflaster versorgt. Danach habe die Mitarbeiterin … den Kläger gefragt, ob er zurück in die Produktionshalle gehen und weiterarbeiten könne. Der Kläger habe die Frage ohne weitere Einschränkungen sofort bejaht. Augenscheinlich sei der Kläger auch nicht erheblich verletzt gewesen, sondern habe nur die besagte kleine Wunde auf dem Fingernagel gehabt. Eine weitere ärztliche Versorgung habe der Kläger ausdrücklich ausgeschlossen. Im weiteren Verlauf des Arbeitstages am … habe sich der Kläger sodann vor dem Ende der Arbeitszeit zu seinem Kollegen … begeben und diesem mitgeteilt, dass er – der Kläger – den Arbeitsplatz vor Schichtende verlassen werde.

Durch dieses Verhalten habe der Kläger gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Bei Verlassen des Arbeitsplatzes vor dem Ende der Arbeitszeit sei der Kläger gehalten gewesen, die Beklagte oder einen Vertreter, namentlich den Vorgesetzten, …, zu informieren. Dies sei seitens des Klägers unstreitig nicht erfolgt. Der Zeuge … als Vorgesetzter des Klägers sei vor Ort gewesen. Der Kläger möge darlegen, warum er sich bei diesem nicht abgemeldet habe. Der Kläger habe nach eigenen Angaben nicht unter starken Schmerzen gelitten. Die Beklagte bestreite mit Nichtwissen, dass der Kläger an einer so erheblichen Verletzung wie der Quetschung seines rechten Zeigefingers gelitten habe. Weiterhin bestreite die Beklagte, dass der Kläger sich aufgrund der angeblichen Verletzung ins Krankenhaus habe begeben müssen bzw. begeben habe.

Unzutreffend sei, dass der Mitarbeiter … am … zum Zeitpunkt der Abmeldung des Klägers bei dem Mitarbeiter … die Teamleiterfunktion übernommen habe. [Dieser] habe auch keine entsprechenden Teamleiteranweisungen erteilt. Es verbleibe daher dabei, dass sich der Kläger beim Verlassen des Arbeitsplatzes am … vor Ende der Arbeitszeit weder bei seinem Vorgesetzten noch der Personalabteilung der Beklagten abgemeldet habe.

Ergänzend wird Bezug genommen auf die von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Verhandlungsprotokolle.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I) Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Entfernung der streitgegenständlichen Abmahnung aus seiner Personalakte.

1) Dem Entfernungsverlangen hinsichtlich der streitgegenständlichen Abmahnung steht nicht entgegen, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien gekündigt hat. Zwar führt die Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Regelfall zu dem Ergebnis, dass dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte nicht mehr zusteht (vgl. BAG, Urteil vom 14.09.1994 – 5 AZR 632/93, Juris, Leitsatz; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.12.2012 – 8 Sa 379/12, Juris Rn. 21). Allerdings hat die erkennende Kammer mit Urteil vom heutigen Tage in dem zwischen den Parteien beim Arbeitsgericht Emden geführten Parallelverfahren … festgestellt, dass die dort streitgegenständlichen Kündigungen das Arbeitsverhältnis der Parteien gerade nicht beendet haben.

2) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die erkennende Kammer insoweit anschließt, kann der Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte verlangen (vgl. BAG, Urteil vom 14.09.1994 – 5 AZR 632/93, Juris Rn. 17 m. w. N.).

3) Die genannten Voraussetzungen liegen hier vor. Die streitgegenständliche Abmahnung ist dem Kläger zu Unrecht erteilt worden. Die Beklagte hat nicht nachgewiesen, dass der Kläger gegen die ihm obliegende (Ab)Meldeverpflichtung verstoßen hätte.

a) Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen.

Die Anzeige hat unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) zu erfolgen, § 5 Abs. 1 Satz 1 i. V. m § 121 BGB, wobei maßgebend für die Erfüllung der gesetzlichen Pflicht der Zugang der Nachricht beim Arbeitgeber, nicht die Absendung ist. „Unverzüglich“ bedeutet allerdings nicht „sofort“. Das Gesetz gibt dem Arbeitnehmer nur auf, den Arbeitgeber so schnell zu informieren, wie es nach den Umständen des Einzelfalls möglich ist. Der Arbeitnehmer muss die Anzeige im Laufe des ersten Krankheitstages erstatten (vgl. Reinhard, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 22. Auflage 2022, § 5 EFZG Rn. 6 mit weiteren Nachweisen).

Der Arbeitnehmer hat den Arbeitgeber zu benachrichtigen. Es genügt aber auch die Information eines vom Arbeitgeber zur Entgegennahme von Erklärungen autorisierten Mitarbeiters, was sich in großen Unternehmen und Behörden aus dem Organisationsplan ergibt. Soweit das nicht ausdrücklich geregelt ist, muss ein Vorgesetzter benachrichtigt werden. Keine Benachrichtigungsempfänger sind etwa Betriebsratsmitglieder, Telefonisten, Pförtner und andere Betriebsangehörige, denen sich der Arbeitnehmer nur als Bote bedienen kann und bei denen er das Risiko der rechtzeitigen und zutreffenden Übermittlung trägt (vgl. Reinhard, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 22. Auflage 2022, § 5 EFZG Rn. 8 mit weiteren Nachweisen).

Das Gesetz schreibt keine besondere Form für die Anzeige vor. Geeignet kann auch die Einschaltung eines Boten sein, der insbesondere dann heranzuziehen ist, wenn die Arbeitsunfähigkeit zu einer Einschränkung der Bewegungs- und/oder Kommunikationsfähigkeit geführt hat (vgl. Reinhard, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 22. Auflage 2022, § 5 EFZG Rn. 7 mit weiteren Nachweisen).

b) Nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar, dass der Kläger seine Verpflichtung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG verletzt hätte.

Der Kläger hatte sich bei dem Mitarbeiter … abgemeldet, der offenbar diese Information an die Beklagte weitergab. Zu Gunsten der Beklagten kann damit unterstellt werden, dass der Mitarbeiter … am … keine Teamleiter-Funktion und damit keine Vorgesetzten-Funktion gegenüber dem Kläger ausübte. Denn jedenfalls bediente der Kläger sich des Mitarbeiters … nach oben genannten Grundsätzen als Bote. Dass dieser die von ihm an die Beklagte übermittelte Mitteilung über die Abmeldung des Klägers nicht umgehend an die Beklagte weitergeleitet hätte, trägt die Beklagte allerdings selbst nicht vor. Demnach ist mangels entsprechenden anderweitigen Vortrages der Beklagten davon auszugehen, dass die Nachricht von der Abmeldung des Klägers den Vorgesetzten … „unverzüglich“ im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG erreichte.

War die Beklagte allerdings rechtzeitig und hinreichend im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG über die Abmeldung des Klägers informiert, kann sie ihm nicht zur Last legen, der Kläger hätte sich aber direkt beim Vorgesetzten … abmelden müssen. Vielmehr ist die rechtliche Würdigung durch die Beklagte im Abmahnungsschreiben … unzutreffend. Folge davon ist, dass der Kläger einen Anspruch auf Entfernung des genannten Abmahnungsschreibens aus seiner Personalakte hat.

II) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 91 ZPO. Der Wert des Streitgegenstandes war gemäß § § 61 Abs. 1 ArbGG, 3 ZPO festzusetzen. Die Berufung war nicht gemäß § 64 Abs. 2 Buchstabe a), Abs. 3 gesondert zuzulassen, da ein Zulassungsgrund nicht vorliegt. Ergänzend wird auf die nachfolgende Rechtsmittelbelehrung verwiesen.

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