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Beschäftigungsverbotsende einer schwangeren Arbeitnehmerin

Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 2 Sa 1230/20 – Urteil vom 29.03.2021

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10.11.2020, Az.: 5 Ca 4411/20 – wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu zahlen.

Die Beklagte ist ein Unternehmen, das sich insbesondere mit Firmen- und Event-Catering befasst. Die Klägerin ist bei ihr seit dem 01.09.2018 als Assistentin für Organisation beschäftigt. Ihre zuletzt bezogene Bruttomonatsvergütung belief sich auf 2.400,00 EUR.

Die Klägerin war schwanger. Der ausgerechnete Geburtstermin war der 25.06.2020. Unter dem 12.12.2019 erging ein ärztliches Beschäftigungsverbot.

Die Beklagte war vom Lock-Down auf Grund der Coronakrise in der Weise betroffen, dass durch das Verbot von Zusammenkünften und Veranstaltungen, bei denen in der Regel Speisen verzehrt werden, sämtliche Aufträge für die Beklagte entfielen. Alle Mitarbeiter mit Ausnahme der Klägerin wurden von der Beklagten um ihre Zustimmung zur Einführung von Kurzarbeit gebeten. Sämtliche Mitarbeiter mit Ausnahme der Klägerin stimmten der Kurzarbeit zu. Mit Bescheid vom 20.03.2020 bewilligte die Bundesagentur für Arbeit Kurzarbeitergeld mit Wirkung vom 01.03.2020 an.

Für die Monate März und April 2020 kürzte die Beklagte die Vergütung der Klägerin auf die Höhe des den anderen Mitarbeitern gewährten Kurzarbeitergeldes. In der Kommunikation mit der Klägerin verwies die Beklagte darauf, dass nach Auskunft der Krankenkasse das Beschäftigungsverbot nicht mehr maßgeblich sei und die Klägerin mit den anderen Mitarbeitern gleichbehandelt werden müsse. Die Klägerin teilte durch Anwaltsschreiben vom 23.04.2020 mit, dass sie kein Einverständnis zur Kurzarbeit gebe. Mit Anwaltsschreiben der Beklagtenprozessbevollmächtigten vom 04.05.2020 wurde sie aufgefordert, sich solidarisch zu zeigen und gemeinsam mit den anderen Beschäftigten der Kurzarbeit zuzustimmen. Die Zustimmung wurde nicht erteilt. Darauf zahlte die Beklagte die fehlenden Gehaltsbestandteile nach und vergütete die Klägerin in vertraglich vereinbarter Höhe.

Beschäftigungsverbotsende einer schwangeren Arbeitnehmerin
(Symbolfoto: PR Image Factory/Shutterstock.com)

Die Klägerin vertritt die Ansicht, ihr stehe unabhängig von der Frage, ob sie im Betrieb beschäftigt werden könne, Mutterschutzlohn nach § 18 MuSchG zu. Sowohl der kurzfristige Verzug mit der Lohnzahlung als auch die Tatsache, dass sie nicht gemeinsam mit den anderen Mitarbeitern, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt um ihre Zustimmung zur Kurzarbeit gebeten worden sei, stelle eine Diskriminierung im Sinne der §§ 2 i. V. m. 15 AGG dar. Hieraus folge ihr Entschädigungsanspruch, der mit wenigstens 4.800,00 EUR zu beziffern sei.

Die Beklagte behauptet, nach der Anfrage bei der Krankenkasse habe sie lediglich übersehen, dass die Zustimmung der Klägerin zur Kurzarbeit noch nicht vorliege. Sie sei davon ausgegangen, dass wegen des Entfalls der Arbeitsmöglichkeit, die Grundsätze für die Kurzarbeit auf alle Arbeitsverhältnisse anwendbar gewesen seien. Nach anwaltlicher Beratung habe sie unverzüglich die Nachzahlung eingeleitet.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat dies damit begründet, der kurzzeitige Zahlungsverzug habe darauf beruht, dass die Beklagte übersehen habe, dass die Zustimmung der Klägerin zur Kurzarbeit nicht vorliege. Die Schwangerschaft sei deshalb nicht kausal für die Ungleichbehandlung.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie vertritt weiterhin die Rechtsansicht, ihr habe während der gesamten Dauer der Schwangerschaft bis zum Beginn der Mutterschutzfristen Mutterschutzlohn nach § 18 MuSchG zugestanden. Der Zahlungsverzug stelle damit eine Diskriminierung wegen ihrer Eigenschaft als Frau bzw. der bestehenden Schwangerschaft dar. Zudem stelle es auch eine Diskriminierung dar, dass die Klägerin anders als die im Betrieb anwesenden Mitarbeiter/innen nicht zur gleichen Zeit um die Zustimmung zur Kurzarbeit gebeten wurde.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10.11.2020 – Az. 5 Ca 4411/20 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Entschädigung, die 4.800,00 EUR nicht unterschreitet, zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Ansicht, das Beschäftigungsverbot habe seine Wirkung verloren, nachdem für keinen Mitarbeiter des Betriebes eine Beschäftigung in der Coronakrise mehr möglich gewesen sei. Die fehlende Zustimmung der Klägerin zur Kurzarbeit sei erst später im Rahmen der streitigen Auseinandersetzung aufgefallen. Insgesamt habe die Unsicherheit in dieser komplexen Rechtsfrage nichts mit dem Geschlecht oder der Schwangerschaft der Klägerin zu tun gehabt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes insbesondere der geäußerten Rechtsansichten wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige und fristgerecht erhobene Klage auf Entschädigung nach § 15 AGG ist nicht begründet. Die Beklagte hat die Klägerin wegen ihres Geschlechts nicht benachteiligt.

Der Klägerin stand nach dem Entfall sämtlicher Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb der Beklagten durch die Coronakrise kein Mutterschutzlohn nach § 18 MuSchG mehr zu. Die Tatsache, dass die Beklagte das Beschäftigungsverbot ab März 2020 für die Berechnung des Vergütungsanspruchs außer Acht gelassen hat, war damit nicht benachteiligend.

Das nach § 16 MuSchG ausgestellte ärztliche Beschäftigungsverbot wird dann wirkungslos, wenn eine Beschäftigung aus anderen Gründen als einer durch die Weiterbeschäftigung drohenden Gefahr für Mutter und/oder Kind ohnehin nicht mehr möglich ist. So hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Gefährdung für die Gesundheit der Mutter oder ihres Kindes bei Fortdauer der Beschäftigung der einzige Grund sein darf, weshalb mit der Arbeit ausgesetzt werden muss (BAG 22.03.1995, 5 AZR 874/93; BAG 05.07.1995, 5 AZR 135/94; BAG 12.03.1997, 5 AZR 766/95; BAG 13.02.2002, 5 AZR 588/00). Das Bundesarbeitsgericht ist dabei stets davon ausgegangen, dass beispielsweise eine akute Erkrankung, die Lohnfortzahlungspflichten auslöst, einem Beschäftigungsverbot entgegensteht. Unzweifelhaft würde das Beschäftigungsverbot auch seine Wirkung verlieren, wenn eine Schwangere inhaftiert wird und aus diesem Grund gehindert ist, ihre Arbeitspflicht zu erfüllen. Gleiches gilt, wenn das Betriebsgebäude abbrennt oder auf Grund einer behördlich verfügten Betriebsschließung wegen Hygieneproblemen für alle Mitarbeiter/innen eine Beschäftigung entfällt. In diesen Fällen ist der besondere Mutterschutz nicht erforderlich, da dann gilt, was für alle gilt, da eine Gefahr für die Schwangerschaft von vorneherein ausgeschlossen ist.

Auch der neugefasste Wortlaut des Mutterschutzgesetzes aus dem Jahr 2017 ändert an dieser Rechtsfolge nichts. Nach wie vor setzt der Anspruch auf Mutterschutzlohn nach § 18 MuSchG (früher § 11 MuSchG) voraus, dass die Gefährdung durch ein Weiterarbeiten der einzige Grund dafür ist, warum die Schwangere mit der Arbeit aussetzen muss. Ist die Arbeit aus anderen Gründen unmöglich, entfällt die Sonderstellung der Schwangeren und es gelten die allgemeinen arbeitsrechtlichen Regeln. Der Schutz der Schwangeren geht also nicht über das hinaus, was erforderlich ist, um Gefahren für die Gesundheit der Schwangeren oder ihres Kindes abzuwenden, die gerade dadurch entstehen, dass die Schwangere ihre Beschäftigung weiterführt.

Die Rechtsansicht der Klägerin, dass sich aus § 21 MuSchG ergebe, dass Kurzarbeit ein Beschäftigungsverbot nicht verdränge, ist unzutreffend. Der Wortlaut des § 21 MuSchG besagt lediglich, das in dem Falle, in dem Kurzarbeit während des Referenzzeitraumes (hier die letzten drei vollen abgerechneten Kalendermonaten vor Eintritt der Schwangerschaft) gegeben ist, diese außer Betracht bleibt. Denn die Schwangere soll sich im Falle, dass die Kurzarbeit zu dem Zeitpunkt beendet ist, zu dem eine Beschäftigung möglich ist und deshalb ein Beschäftigungsverbot erforderlich ist, nicht schlechter stehen als andere Arbeitnehmerinnen, die nicht schwanger sind und deshalb ihre volle Vergütung durch Arbeit erzielen können.

Damit hat die Beklagte ersichtlich keinen gesetzlichen Anspruch aus § 18 MuSchG, der dem besonderen Schutz der schwangeren Frau dient, missachtet, da das Beschäftigungsverbot nach dem Entfall sämtlicher Beschäftigungsmöglichkeiten gegenstandslos geworden war.

Eine benachteiligende Behandlung der Klägerin wegen ihrer Schwangerschaft oder wegen ihres Geschlechts liegt auch nicht in der partiellen verkürzten Vergütungszahlung, welche nach Klärung der Rechtslage nachgezahlt wurde. Zunächst wurde die Klägerin nicht schlechter behandelt als alle anderen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, weil die Beklagte lediglich davon ausgegangen ist, der Klägerin stehe ebenfalls nur Vergütung in Höhe des Kurzarbeitergeldes zu. Ein Nachteil gegenüber den anderen Mitarbeitern ist damit nicht verbunden gewesen, sodass es unabhängig vom Geschlecht bereits an einer benachteiligenden Handlung fehlt. Die Klägerin wurde so behandelt, als habe sie die Zustimmung zur Kurzarbeit erteilt. Ein mit dem Geschlecht zusammenhängendes Differenzierungskriterium ist nicht erkennbar.

Auch die Tatsache, dass die Klägerin erst verspätet um ihre Zustimmung zur Kurzarbeit gebeten wurde, stellt keine benachteiligende Handlung dar. Denn hierdurch blieb der Klägerin ihr folgt voller Vergütungsanspruch aus Annahmeverzug uneingeschränkt erhalten. Die verspätete Anfrage ist damit nicht nachteilig i.S.d. AGG.

Die Klägerin war somit wegen ihres Geschlechts bzw. der nur beim weiblichen Geschlecht gegebenen Schwangerschaft zu keinem Zeitpunkt schlechter gestellt als die anderen Mitarbeiter der Beklagten oder die nicht schwangeren Mitarbeiterinnen. Durch die verzögerte Abfrage ihrer Zustimmung zur Kurzarbeit hat sie ihren Annahmeverzugsanspruch behalten. Die irrtümliche Gleichbehandlung mit allen anderen in Kurzarbeit befindliche Mitarbeitern, gegebenenfalls auch in der Erwartung, die Klägerin sei so solidarisch wie der Rest der Belegschaft, stellt die Klägerin nicht schlechter als alle anderen Mitarbeiter.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Revision wurde mangels allgemeiner Bedeutung des Rechtsstreits nicht zugelassen.

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