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Entfernung Abmahnung aus Personalakte – Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Abmahnung nach Kündigung: Datenschutzrecht nicht anwendbar

Das Arbeitsrecht umfasst eine Vielzahl von Themen, die sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber betreffen. Ein besonders sensibles und häufig auftretendes Thema ist die Abmahnung im Arbeitsverhältnis. Abmahnungen sind ein Mittel zur Rüge von Verstößen gegen arbeitsvertragliche Pflichten und dienen gleichzeitig als Warnung vor möglichen Konsequenzen bei weiteren Pflichtverletzungen. Die Frage, die sich jedoch stellt, ist, wie mit Abmahnungen umgegangen wird, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist. Insbesondere wird diskutiert, ob und unter welchen Umständen eine Abmahnung aus der Personalakte entfernt werden kann oder muss.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 Sa 117/21   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Landesarbeitsgericht Sachsen hat entschieden, dass nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kein Anspruch auf Entfernung von Abmahnungen aus der Personalakte besteht, es sei denn, es liegen objektive Anhaltspunkte vor, dass die Abmahnung dem Arbeitnehmer auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden kann. Zudem wurden Schadensersatzansprüche der Klägerin abgewiesen, da weder ausreichende Nachweise noch eine Verursachung durch den Arbeitgeber erkennbar waren.

Zentrale Punkte des Urteils:

  1. Berufung erfolglos: Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz wurde zurückgewiesen.
  2. Kein Anspruch auf Entfernung von Abmahnungen: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht grundsätzlich kein Anspruch auf die Entfernung von Abmahnungen aus der Personalakte.
  3. Ausnahme bei Schadenspotential: Eine Ausnahme gilt nur, wenn objektive Anhaltspunkte vorliegen, dass die Abmahnung dem Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden könnte.
  4. Dokumentationsfunktion von Abmahnungen: Abmahnungen erfüllen eine Rüge- und Dokumentationsfunktion und können für den Arbeitgeber auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses relevant sein.
  5. Kein datenschutzrechtlicher Löschungsanspruch: Art. 17 DSGVO ist auf in Papierform geführte Personalakten nicht anwendbar.
  6. Schadensersatzansprüche unzureichend begründet: Die Klägerin konnte keine ausreichenden Belege für Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten vorlegen.
  7. Verhalten der Klägerin teilweise ursächlich: Die Klägerin hat durch eigenes Verhalten teilweise Anlass zu den Abmahnungen und betrieblichen Maßnahmen gegeben.
  8. Revision zugelassen: Das Gericht hat die Revision an das Bundesarbeitsgericht zugelassen, da die Frage des Entfernungsanspruchs nach Art. 17 DSGVO noch ungeklärt ist.

Ein zentraler Aspekt dabei ist die Abwägung der Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Es geht um die Frage, ob eine zu Unrecht erteilte Abmahnung weiterhin Bestandteil der Personalakte bleiben darf oder ob sie entfernt werden sollte, um mögliche negative Auswirkungen für den ehemaligen Arbeitnehmer zu vermeiden. Diese Problemstellung ist nicht nur für die Beteiligten selbst von Bedeutung, sondern wirft auch grundsätzliche Fragen bezüglich des Datenschutzes und der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers auf.

In diesem Kontext spielen auch die aktuellen datenschutzrechtlichen Regelungen eine Rolle, insbesondere die Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Die Rechtslage erfordert eine differenzierte Betrachtung, insbesondere im Hinblick darauf, inwieweit Datenschutzrechte des Arbeitnehmers nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiterhin Bestand haben und wie diese im Einklang mit den Interessen des Arbeitgebers gehandhabt werden sollten.

Die Klärung dieser Fragen hat sowohl für die Praxis des Arbeitsrechts als auch für die Beziehung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern weitreichende Bedeutung. Sie berührt die Grundlagen des Vertrauensverhältnisses im Arbeitsrecht und stellt die Weichen für den Umgang mit ähnlichen Fällen in der Zukunft.

Der Beginn des Rechtsstreits: Abmahnungen im Arbeitsverhältnis

Im Mittelpunkt des vorliegenden Rechtsstreits steht die Forderung einer ehemaligen Angestellten, zwei Abmahnungen aus ihrer Personalakte entfernen zu lassen, nachdem ihr Arbeitsverhältnis bereits beendet war. Zusätzlich verlangte sie Schadensersatz für eine behauptete Persönlichkeitsverletzung durch die Beklagte, ihren ehemaligen Arbeitgeber.

Auslöser des Konflikts: Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Lebensgefährten

Die Auseinandersetzung nahm ihren Ursprung in der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Lebensgefährten der Klägerin, der ebenfalls bei der Beklagten beschäftigt war. Dieses Ereignis löste eine Kette von Ereignissen aus, die letztendlich zur Erteilung der strittigen Abmahnungen führten. Die erste Abmahnung wurde aufgrund der vollständigen Löschung desE-Mail-Ausgangs der Klägerin ausgesprochen, die zweite wegen des offenliegenden Passworts für ihren Computer.

Datenschutzrechtliche Argumentation und Gerichtsentscheidung

Die Klägerin sah in diesen Abmahnungen eine ungerechtfertigte Persönlichkeitsverletzung und focht sie nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses an. Sie berief sich dabei auf Art. 17 DSGVO, der das Recht auf Löschung personenbezogener Daten gewährt, und argumentierte, dass die Abmahnungen auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiterhin eine Beeinträchtigung darstellten.

Rechtsprechung und Schlussfolgerungen des Landesarbeitsgerichts

Das Arbeitsgericht Chemnitz wies die Klage jedoch ab. Es begründete seine Entscheidung damit, dass nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses in der Regel kein Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte besteht, es sei denn, es gibt objektive Anhaltspunkte dafür, dass die Abmahnung dem Arbeitnehmer noch nachträglich schaden könnte. Eine solche Beweislast lag hier bei der Klägerin, die entsprechende Gründe nicht darlegen konnte.

Das Landesarbeitsgericht Sachsen bestätigte diese Entscheidung in der Berufung. Es führte aus, dass der Entfernungsanspruch von Abmahnungen im beendeten Arbeitsverhältnis grundsätzlich unzulässig sei, es sei denn, es bestehen objektive Anhaltspunkte für einen möglichen Schaden. Dieser Grundsatz basiert auf der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und wird durch die Mehrheit der Landesarbeitsgerichte anerkannt. Zudem führte das Gericht aus, dass der Löschungsanspruch aus Art. 17 DSGVO auf in Papierform geführte Personalakten nicht anwendbar ist.

Im Hinblick auf den geforderten Schadensersatz betonte das Gericht, dass die Klägerin keinen ausreichenden Nachweis für einen durch die Beklagte verursachten Schaden erbringen konnte. Es wurde festgestellt, dass die betrieblichen Maßnahmen der Beklagten, einschließlich der Erteilung der Abmahnungen, rechtmäßig und durch das Verhalten der Klägerin begründet waren. Diese Handlungen der Beklagten stellten keine rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung dar, sondern waren vielmehr als nachvollziehbare betriebliche Sicherungsmaßnahmen zu betrachten.

Das Urteil verdeutlicht die Komplexität arbeitsrechtlicher Fälle, insbesondere im Kontext von Abmahnungen und deren Bestand nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Es zeigt auch die Grenzen des Datenschutzrechts in Bezug auf Personalakten auf und unterstreicht die Bedeutung der Beweisführung bei Schadensersatzansprüchen. Das Landesarbeitsgericht ließ die Revision zu, da die Frage des Entfernungsanspruchs einer Abmahnung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Lichte des Art. 17 DSGVO bisher vom Bundesarbeitsgericht nicht abschließend geklärt wurde.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was bedeutet das Rechtsschutzbedürfnis in Bezug auf die Entfernung von Abmahnungen aus der Personalakte?

Das Rechtsschutzbedürfnis bezieht sich auf das berechtigte Interesse natürlicher oder juristischer Personen, mittels eines gerichtlichen Verfahrens Rechtsschutz zu erlangen. Es ist eine Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Klage; bei fehlendem Rechtsschutzbedürfnis wird die Klage als unzulässig abgewiesen.

In Bezug auf die Entfernung von Abmahnungen aus der Personalakte bedeutet das Rechtsschutzbedürfnis, dass ein Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse daran haben muss, eine Abmahnung aus seiner Personalakte entfernen zu lassen. Dies könnte der Fall sein, wenn die Abmahnung zu Unrecht ausgesprochen wurde und/oder durch Zeitablauf (vollkommen) unerheblich geworden ist. Eine solche unrichtige oder unnötige Fehler-Dokumentation durch den Arbeitgeber verletzt das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers und ist daher rechtswidrig.

Auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann ein Rechtsschutzbedürfnis bestehen, wenn eine unzutreffende Abmahnung in den Personalakten verbleibt. Dies gilt etwa im Hinblick auf die eventuelle Erteilung von Auskünften gegenüber Dritten, aber auch im Hinblick auf die Bewertung von Verhalten und Leistung des Arbeitnehmers in einem Zeugnis.

Der Arbeitgeber muss in der Lage sein, nachzuweisen, welchen Nutzen die weitere Dokumentation der Abmahnung nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers noch haben könnte. Da es einen solchen Nutzen meist nicht geben wird, sind Abmahnungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in aller Regel aus der Personalakte zu entfernen.

Es ist auch zu beachten, dass der Arbeitgeber in der Regel kein Interesse an der Beibehaltung mehrerer Abmahnungsschreiben in der Personalakte hat, in denen der identische Vorfall gerügt wird. Wenn er ein abgeändertes Abmahnungsschreiben der Personalakte hinzufügt, ohne ein Rechtsinteresse an der Beibehaltung beider Schreiben in der Personalakte begründen zu können, ist das vorherige Abmahnungsschreiben schon aus diesem Grund aus der Personalakte zu entfernen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Rechtsschutzbedürfnis in Bezug auf die Entfernung von Abmahnungen aus der Personalakte bedeutet, dass der Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse an der Entfernung der Abmahnung haben muss und dass der Arbeitgeber nachweisen muss, dass er ein berechtigtes Interesse an der Beibehaltung der Abmahnung in der Personalakte hat.

Inwiefern beeinflusst die Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Relevanz von Abmahnungen in der Personalakte?

Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses hat einen signifikanten Einfluss auf die Relevanz von Abmahnungen in der Personalakte. Grundsätzlich bleibt eine Abmahnung, sofern sie rechtmäßig erteilt wurde, in der Personalakte des Arbeitnehmers. Sie verliert nicht ihre Gültigkeit und es gibt kein festgelegtes „Ablauf- oder Verfallsdatum“, nach dem sie entfernt werden müsste.

Allerdings kann eine Abmahnung nach zwei bis drei Jahren ihre Warnfunktion verlieren. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber sich bei einer verhaltensbedingten Kündigung nicht mehr auf eine solche Abmahnung stützen darf. Dennoch muss er die Abmahnung nicht aus der Personalakte entfernen, es sei denn, es besteht kein berechtigtes Interesse mehr an ihrer Aufbewahrung. Eine Abmahnung kann weiterhin relevant sein, beispielsweise bei Entscheidungen über eine Versetzung oder Beförderung, eine spätere Zeugnisbeurteilung oder Kündigung des Mitarbeitenden.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses haben Beschäftigte in der Regel keinen Anspruch mehr auf die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte, selbst wenn diese zu Unrecht erteilt wurde. Eine Ausnahme kann jedoch bestehen, wenn es objektive Anhaltspunkte gibt, dass eine Abmahnung dem Arbeitnehmer auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden könnte.

Es ist daher ratsam, dass Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses aktiv werden, wenn sie der Meinung sind, dass eine Abmahnung zu Unrecht erteilt wurde. Sie können beispielsweise eine Gegendarstellung verfassen und den Arbeitgeber auffordern, diese zur Personalakte zu nehmen. Darüber hinaus können sie die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte einfordern, wenn sie der Meinung sind, dass die Abmahnung ihre Rechte verletzt.

Es ist jedoch zu betonen, dass die Entfernung einer rechtmäßig erteilten Abmahnung nur dann verlangt werden kann, wenn das gerügte Verhalten für das Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht bedeutungslos geworden ist.


Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Sachsen – Az.: 4 Sa 117/21 – Urteil vom 31.03.2023

In dem Rechtsstreit hat das Sächsische Landesarbeitsgericht – Kammer 4 – auf die mündliche Verhandlung vom 31. März 2023 für Recht erkannt:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts vom 20.01.2021 – 9 Ca 1192/20 – wird auf deren Kosten zurückgewiesen .

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten zweitinstanzlich weiterhin über die Entfernung von zwei Abmahnungen aus der Personalakte der Klägerin nach zwischenzeitlich beendetem Arbeitsverhältnis. Die Klägerin begehrt ferner Schadensersatz vom der Beklagten wegen behaupteter Persönlichkeitsverletzung.

Mit Arbeitsvertrag vom 01.04.2008 wurde die Klägerin bei der Beklagten als Sachbearbeiterin im Sekretariatsbereich eingestellt. Es ergibt eine Stellenbeschreibung vom 03.06.2016. Die Stellenbeschreibung der Klägerin hat unter anderem folgende Inhalte:

1. Gewährleistung eines reibungslosen Informationsflusses baustellenbezogener (relevanter) geschäftlicher und projektbezogener Daten und Fakten

2. …

3. Öffnen und Verteilen der Eingangspost

4. Erledigen der Korrespondenz der Projektleitung nach Diktat und eigenständig

5. Verwaltung der Registratur des Schriftgutes

6. …

Die Klägerin hat ein Zwischenzeugnis vom 04.06.2019 zur Akte gereicht.

Der Lebensgefährte der Klägerin arbeitete ursprünglich als Prokurist mit Einzelprokura in der Firma der Beklagten. Am …2019 wurde sein Arbeitsverhältnis durch die Beklagte beendet. Im Zusammenhang mit dieser Beendigung wurde ein weiterer Gesprächstermin mit dem Lebensgefährten der Klägerin und dem Geschäftsführer der Beklagten für den 10.09.2019 festgesetzt. Am 04.09.2009 führte der Geschäftsführer der Beklagten ein Personalgespräch mit der Klägerin. Er versicherte ihr, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ihres Lebensgefährten keine Auswirkungen auf ihrer Beschäftigung haben soll.

Am 05.09.2019 gab es ein Gespräch zwischen der Ehefrau des Geschäftsführers der Beklagten und der Klägerin. Dabei brachte die Klägerin zum Ausdruck, dass sie die Hoffnung hege, die Kündigung ihres Lebensgefährten könne bei dem für den 10.09.2019 angesetzten Gesprächstermin rückgängig gemacht werden. Bei dem Gesprächstermin am 10.09.2019 wurde die Kündigung des Lebensgefährten der Klägerin nicht rückgängig gemacht. Seitens der Beklagten wurde hierzu keinerlei Veranlassung gesehen.

Der Postausgang des E-Mail Accounts der Klägerin war auf ihrem Computer bis einschließlich 10.09.2019 vollständig gelöscht. Aus Sicherheitsgründen wurde vom Systemadministrator für alle Mitarbeiter neue Passwörter vergeben. Wegen dieses Sachverhalts wurde gegenüber der Klägerin die Abmahnung vom 07.10.2019 ausgesprochen. Ebenfalls am 10.09.2019 hatte die Klägerin ihre persönlichen Sachen aus dem Rollcontainer ihres Schreibtisches geräumt und mitgenommen. Ab dem 11.09.2019 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Der Geschäftsführer der Beklagten hatte sich daraufhin entschieden, der Klägerin den Zugang zu ihrem Arbeitsplatz nur während der üblichen Arbeitszeiten zu gewähren. Dies wurde der Klägerin in einem Personalgespräch am 30.09.2019 mitgeteilt.

Aufgrund des neuen Passwortes hatte die Klägerin zunächst keinen Zugang zu ihrem Computer. Der Klägerin wurde ein neues Passwort zugeteilt. Dieses Passwort hat sie offen über der Tastatur Ihres Computers liegen lassen. Hierfür erhielt die Klägerin die Abmahnung vom 17.12.2019.

Vom 11.09.2019 bis zum 29.09.2019 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Vom 13.10. 2019 bis zum 20.10.2019 befand sich die Klägerin im Urlaub. Vom 22.10.2019 bis zum 13.12.2019 war die Klägerin erneut arbeitsunfähig erkrankt.

Vom 18.12.2019 bis zum 10.01.2020 hatte die Klägerin Urlaub. Vom 13.01.2020 bis zum 31.01.2020 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 20.01.2021 Bezug genommen § 69 Abs. 2,3 Arbeitsgerichtsgesetz. Der Tatbestand des Urteils ist vollständig und umfassend. Tatbestandsrügen sind nicht erhoben worden.

Das Arbeitsgericht Chemnitz hat die Klage abgewiesen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, komme die Entfernung einer Abmahnung nicht mehr in Betracht. Eine Beeinträchtigung der Klägerin läge nicht mehr vor. Schadensersatzansprüche seien weder als konkreter Schadensersatz noch als immaterieller Schadensersatz hinreichend konkret vorgetragen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz wurde der Klägerin mit Empfangsbekenntnis am 11.03.2021 zugestellt. Am 29.03.2021 hat die Klägerin Berufung gegen das Urteil eingelegt. Nach entsprechender Fristverlängerung hat die Klägerin die Berufung am 10.06.2021 begründet.

Die Klägerin greift das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 20.01.2021 vollumfänglich an. Ein Rechtsschutzbedürfnis zur Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte liege vor. Nach einer Entscheidung des LAG Sachsen-Anhalt sei ein Entfernungsanspruch auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegeben. Der Klägerin stehe ein entsprechender Anspruch auf Löschung der Abmahnung aus datenschutzrechtlichen Vorschriften, insbesondere Art. 17 DSGVO zu. Die Klägerin wiederholt ihren erstinstanzlichen Vortrag zu dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch. Das Arbeitsgericht sei auf das vorgelegte ärztliche Attest als Beweisangebot nicht eingegangen. Das Arbeitsgericht habe sich nicht mit dem Gesamtverhalten der Beklagten auseinandergesetzt.

Die Klägerin beantragt,

1.Das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 20.01.2021, zugestellt am 11.03.2021, Az. 9 Ca 1192/20, wird aufgehoben und die Beklagte/Berufungsbeklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 07.10.2019 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.2.Das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 20.01.2021, zugestellt am 11.03.2021, Az. 9 Ca 1192/20, wird aufgehoben und die Beklagte/Berufungsbeklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 17.12.2019 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.3.Das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 20.01.2021, zugestellt am 11.03.2021, Az. 9 Ca 1192/20, wird aufgehoben und die Beklagte/Berufungsbeklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Schadenersatzbetrag in Höhe von € 21.600,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 14.07.2020 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt: Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und vertieft ihren Vortrag.

Die beiden Abmahnungen seien vor dem Hintergrund der laufenden Schadensersatzklage der Klägerin auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Personalakte aufzubewahren.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 31.03.2023 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig.

Die Berufung ist statthaft gemäß § 64 Abs. 2 b) Arbeitsgerichtsgesetz. Der Beschwerdewert von 600 € wird überschritten. Die Berufung wurde form – und fristgerecht gemäß § 66 Abs. 1, Abs.6 ArbGG, § 519,520 Zivilprozessordnung eingelegt und begründet.

II.

1.

Die Anträge auf Entfernung der Abmahnungen vom 07.10.2019 und 07.12.2019 sind unzulässig. Es fehlt das erforderliche Leistungsinteresse (Rechtsschutzbedürfnis), da das Arbeitsverhältnis der Parteien zwischenzeitlich beendet ist.

a)

Es ist zwar anerkannt, dass die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Rechte und Pflichten begründen kann (BAG Urteil vom 17. Januar 1956 – 3 AZR 304/54 – AP Nr. 1 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; BAG Urteil vom 2. Dezember 1986 – 3 AZR 123/86 – AP Nr. 9 zu § 611 BGB Deputat). Die Abwägung der beiderseitigen Interessen führt aber nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Regelfall zu dem Ergebnis, dass dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte nicht mehr zusteht. Etwas Anderes kann dann gelten, wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Abmahnung dem Arbeitnehmer auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden kann. Dafür ist der Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig (BAG 14.09.1994 5 AZR 632/93 Rn. 23).

Entgegen der Auffassung der Revision ist die Interessenlage nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine andere. Das berufliche Fortkommen bei dem bisherigen Arbeitgeber kann nicht mehr behindert werden. Eben so wenig kann es dort im Regelfall noch arbeitsrechtliche Nachteile geben. Eine Wiedereinstellung wird nur selten in Betracht kommen. Die Abmahnung hat also nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in aller Regel erheblich an Bedeutung verloren (BAG a.a.O. Rn. 23).

Bei der Einsichtnahme in Personalakten geht es lediglich um einen dem Beseitigungs- oder Korrekturanspruch vorgelagerten Transparenzschutz hinsichtlich des fremd geschaffenen und zeitlich aufbewahrten Meinungsbilds. Das ist aufgrund der geringeren Anspruchstiefe etwas anderes als die Beseitigung der etwaigen Grundlagen für dieses Bild. Zudem kann der Arbeitnehmer seine Rechte auf Beseitigung oder Korrektur unrichtiger Daten in seiner Personalakte nur geltend machen, wenn er von deren Inhalt bereits Kenntnis hat. Daran ändert auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nichts. Indem der Arbeitgeber die Personalakte des Arbeitnehmers über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus aufbewahrt, besteht für den Arbeitnehmer die Gefährdungslage der Verwendung unrichtiger Daten fort. Dies gilt insbesondere für Auskünfte gegenüber Dritten (BAG 16.11.2010 AZR 573/09 Rn. 42).

Der Antrag des Klägers, die vier näher bezeichneten Abmahnungen zurückzunehmen und aus seiner Personalakte zu entfernen, ist unbegründet. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat ein Arbeitnehmer regelmäßig keinen Anspruch mehr auf Entfernung selbst einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte. Ein solcher Anspruch kann nur ausnahmsweise gegeben sein, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, eine Abmahnung könne dem Arbeitnehmer auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden. Entsprechende Gründe hat der Kläger nicht dargelegt (BAG 19.04.2012 2 AZR 233/11 Rn. 51).

b)

Nach der oben zitierten Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, besteht kein Entfernungsanspruch bezüglich der beiden Abmahnungen vom 07.10.2019 und vom 07.12.2019 wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin am 31.01.2020.

Schon in seiner Ausgangsrechtsprechung hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG 14.09.1994 5 AZR 632/93) bei der Entfernung von Abmahnungen zwischen der Situation im bestehenden Arbeitsverhältnis und dem beendeten Arbeitsverhältnis unterschieden. Während im bestehenden Arbeitsverhältnis eine Relevanz von Abmahnungen vorhanden ist, fehlt diese grundsätzlich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16.11.2010 (9 AZR 573/09) hat an dieser Rechtsprechung keine grundsätzliche Änderung herbeigeführt. Vielmehr hat das Bundesarbeitsgericht darauf abgestellt, dass die Einsichtnahme in die Personalakte einen dem Beseitigungs- oder Korrekturanspruch vorgelagerten Transparenzschutz entspreche. Dies sei aufgrund der geringeren Anspruchstiefe etwas anderes als der Anspruch auf Beseitigung (BAG a.a.O. Rn. 42). Damit ist keine Änderung der Ausgangsrechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erfolgt. Vielmehr hat das Bundesarbeitsgericht in einer Entscheidung vom 19.04.2012 (2 AZR 233/11) an seiner bisherigen Rechtsprechung unverändert festgehalten. Dies wird von der überwiegenden Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte auch so gewürdigt.

Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.09.1994 (5 AZR 632/93) steht dem Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Regelfall ein Anspruch auf Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte nicht mehr zu. Etwas Anderes kann dann gelten, wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Abmahnung dem Arbeitnehmer auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden kann (Rn 23). Ein entsprechendes Interesse wird nicht dadurch begründet, dass der Arbeitgeber sich bei der Erteilung des Endzeugnisses von den Abmahnungen leiten lässt. Denn der Arbeitnehmer kann sein Interesse daran, insgesamt nicht falsch beurteilt zu werden, in einem Zeugnisrechtsstreit durchsetzen (LAG Schleswig-Holstein 19.07.2016 1 Sa 37/16 Rn. 51, BAG, a. a. O., Rn 25).

Der Kläger hat sich auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16.11.2010 (9 AZR 573/09) berufen, in der ein nachvertraglicher Anspruch des Arbeitnehmers auf Einsicht in seine Personalakte unter Hinweis auf die Pflicht des Arbeitgebers, keine unrichtigen Daten über den Arbeitnehmer aufzubewahren, begründet wird. Der Arbeitnehmer könne seine Rechte auf Beseitigung oder Korrektur unrichtiger Daten in seiner Personalakte nur geltend machen, wenn er von deren Inhalt bereits Kenntnis habe (Landesarbeitsgerichtes Schleswig-Holstein 19.07.2016 1 Sa 37/16 Rn. 52, BAG, a. a. O., Rn 42).

Hieraus ist der Schluss gezogen worden, damit habe sich die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.11.1994 erledigt (so etwa LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 18.07.2011 – 10 Ta 1325/11 -; KR-Fischermeier, 10. Aufl., § 626 BGB, Rn 283).

Demgegenüber hat der zuständige zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts in einer Entscheidung vom 19.04.2012 (2 AZR 233/11) an seiner Rechtsprechung aus dem Jahre 1994 uneingeschränkt festgehalten und ausdrücklich ausgeführt, nach beendetem Arbeitsverhältnis könne ein Anspruch auf Entfernung von Abmahnungen nur ausnahmsweise gegeben sein, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, eine Abmahnung könne dem Arbeitnehmer auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden (LAG Schleswig-Holstein 19.07 2016 1 SA 37/16 Randnummer., Rn 54 mit weiteren Nachweisen).

Das Berufungsgericht folgt dem fachlich zuständigen zweiten Senat und hält ebenfalls eine Klage auf Entfernung von Abmahnungen im beendeten Arbeitsverhältnis für regelmäßig unzulässig, da hierfür ein Rechtsschutzbedürfnis nicht besteht. Anders als der Kläger und die von ihm zitierte Rechtsprechung und Literatur meint, hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 16.11.2010 allein zum Anspruch des Arbeitnehmers auf Einsichtnahme in eine Personalakte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Stellung genommen. Mit der Entscheidung ist dem Kläger kein Recht auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte zugesprochen worden. Das Bundesarbeitsgericht hat nur festgestellt, dass Voraussetzung für einen solchen Anspruch der Einblick in die Personalakte ist. Zum hier in Rede stehenden Entfernungsanspruch verhält sich diese Entscheidung nicht. Insoweit verbleibt es dabei, dass der Kläger ein Leistungsinteresse darlegen muss. Es ist also vorzutragen, dass objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Abmahnung ihm auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden kann (LAG Schleswig Holstein 19.07.2016 a.a.O. Rn. 55).

Die Kammer schließt sich der oben zitierten Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein an. Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt in dem Urteil vom 23.11.2018 105 Sa 7/17 vermag sich die Kammer demgegenüber nicht anzuschließen. Diese, durch die Klägerin zitierte Entscheidung, stellt zu einseitig auf den reinen Löschungsanspruch aus Art. 17 Abs. 1 EUV 2016/679 ab. Aber auch nach dieser Entscheidung sind Konstellationen vorstellbar, die einen Verbleib der Abmahnung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Personalakte bedingen

Die personenbezogenen Daten sind für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Beklagte noch ein Interesse an einem Beibehalt des Abmahnungsschreibens in der Personalakte des Klägers hat. Mit einer Abmahnung übt ein Arbeitgeber sein arbeitsvertraglichen Gläubigerrecht in doppelter Hinsicht aus. Zum einen weist er den Arbeitnehmer als seinen Schuldner auf dessen vertragliche Pflichten hin und macht ihn auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam (Rüge und Dokumentationsfunktion). Zum anderen fordert er ihn für die Zukunft zu einem vertragsgetreuen Verhalten auf und kündigt, sofern ihm dies angebracht erscheint, individual-rechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an (Warnfunktion) (BAG, 19.07.2012 – 2 AZR 782/11, juris, Rdnr. 20). Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist die Warnfunktion entfallen. Hinsichtlich der Rüge- und Dokumentationsfunktion könnte sich noch ein Interesse am Erhalt der Abmahnung für den Arbeitgeber ergeben, soweit dies zur Abwehr von etwaigen Ansprüchen des Arbeitnehmers oder zur Begründung eigener Ansprüche gegen den Arbeitnehmer erforderlich erscheint. Im vorliegenden Fall sind solche Gründe offensichtlich nicht gegeben. Zwischen den Parteien bestehen keine weiteren arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen, bei denen es für die Beklagte dienlich sein könnte, die Abmahnung vom 02.10.2015 noch heranziehen zu können. Ersichtlich sind die Erteilung des qualifizierten Zeugnisses und auch dessen Inhalt zwischen den Parteien nicht mehr im Streit. Ebenso wenig kommen etwaige Schadensersatzansprüche aufgrund des von der Beklagten gerügten Fehlverhaltens des Klägers in Betracht (Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt 23.11.2018 5 Sa 7/17 Rn. 67).

Damit erscheint der Verbleib der Abmahnungen vom 07.10.2019 und vom 07.12.2019 in der Personalakte erforderlich. Die Klägerin begehrt im selben Verfahren Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten. Sie wirft der Beklagten Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Arbeitsrechtsverhältnis vor. Dabei spielen die beiden streitgegenständlichen Abmahnungen eine zentrale Rolle. Die Beklagte tritt dieser Behauptung entgegen und beruft sich ihrerseits auf Pflichtverletzungen durch die Klägerin. Damit erfüllen beide Abmahnungen ein notwendiges gegebenes Dokumentationserfordernis der Beklagten. Bereits wegen dieser Dokumentationsfunktion hat der Verbleib der Abmahnungen in der Personalakte zu erfolgen. Die streitgegenständlichen Abmahnungen sind erforderlich zur Abwehr gegenüber den Schadensersatzansprüchen der Klägerin. Dies erfordert die Aufbewahrung der Abmahnungen in der Personalakte der Klägerin, zumindest bis zur endgültigen Klärung der Schadensersatzklage.

c)

Darüber hinaus ist der Löschungsanspruch aus Art. 17 DSGVO auf in Papierform geführte Personalakten nicht anwendbar.

Art. 17 Abs. 3 DSGVO macht einen generellen Vorbehalt zu Gunsten gesetzlicher Aufbewahrungsfristen. Diese können im Arbeitsverhältnis insbesondere sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Art sein. In der Literatur wird dazu vertreten, dass personenbezogene Daten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses generell zu löschen seien, soweit keine Aufbewahrungspflichten gelten (etwa Simitis/Hornung/Spieker, Datenschutzrecht 1. Aufl. 2019, Art. 88 DSGVO Rn. 205 ff.). In der Konsequenz würde dies allerdings bedeuten, dass der Arbeitgeber nach Beendigung eines jedem Arbeitsverhältnisses den vorhandenen Datenbestand des ausscheidenden Arbeitnehmers danach sortieren müsste, ob Aufbewahrungsfristen bestehen oder nicht (LAG Hannover 04.05.2021 11 Sa 1180/20 Rn. 59).

Allerdings bestehen für den Anwendungsbereich der noch traditionell in Papierform geführten Personalakten erhebliche Zweifel, ob oder wieweit diese vom Regelungsbereich der DSGVO und des BDSG erfasst werden. In Art. 2 Abs.1 und Art. 4 Nr. 6 DSGVO wird der Begriff der Dateisysteme zugrunde gelegt. Unabhängig von der Frage, ob dieser Begriff zwischen automatisierten und nicht automatisierten Vorgängen unterscheidet (dazu etwa Gierschmann/Schlender Datenschutzgrundverordnung Kommentar 2018, Art. 4 Nr. 6 Rn. 8), ist in Erwägungsgrund 15 der Richtlinie ausdrücklich formuliert, dass Akten, die nicht nach bestimmten Kriterien geordnet sind, nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen sollen. Zutreffend weisen Gierschmann/Schlender aaO. Rn. 9 darauf hin, dass für Akten, – insbesondere Personalakten – rechtlich der Grundsatz der Vollständigkeit bestimmend ist und nicht der Grundsatz der Datensparsamkeit. Der Berufungsbegründung lassen sich weiterführende Überlegungen hinsichtlich dieser sehr grundsätzlichen Fragen nicht entnehmen (LAG Hannover a.a.O. Rn. 60).

Soweit ersichtlich, ist bisher in der Instanzrechtsprechung lediglich vereinzelt ein datenschutzrechtlicher Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung nach Ende des Arbeitsverhältnisses angenommen worden (LAG Sachsen-Anhalt 23.11.18, 5 Sa 7/17, NZA-RR 109, 335). Eine klärende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts dazu steht noch aus. Die Kammer ist der Auffassung, dass auch die datenschutzrechtlichen Neuregelungen auf Basis der DSGVO eine derartig grundlegende Veränderung des Rechtsschutzes zumindest im Bereich der in Papierform geführten Personalakten nicht erfordern (LAG Hannover a.a.O. Rn. 61).

Nach den oben genannten Rechtsgrundsätzen, denen sich die Kammer anschließt, ist Art. 17 DSGVO auf reine in Papierform geführte Personalakten nicht anwendbar.

Die Klageanträge zu 1 und zu 2 aus der Berufungsschrift vom 10.06.2021 waren daher als unzulässig zurückzuweisen.

2.

Der Klägerin stehen keine Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten i.H.v. 21.600,00 € zu. Die Klägerin hat nicht ausreichend dargelegt, dass die Beklagte ihr einen Schaden in Höhe des geltend gemachten Betrages zugefügt hat.

a)

Die Klägerin wirft der Beklagten vor, dass sie durch deren Gesamtverhalten aus dem Betrieb gedrängt worden sei. Dabei verkennt die Klägerin, dass auch ihr eigenes Verhalten durchaus selbst Anlass für gewisse betriebliche Vorsorgemaßnahmen gegeben hat.

Der vorliegende Fall bietet die Besonderheit, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Lebensgefährten der Klägerin der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin vorangegangen war. Die Klägerin war mit dieser Beendigung des Arbeitsverhältnisses ihres Lebensgefährten nicht einverstanden. Am 05.09.2019 brachte sie gegenüber der Ehefrau des Geschäftsführers der Beklagten zum Ausdruck, dass über die Rücknahme der Beendigung am 10.09.2019 doch noch einmal gesprochen werden könne. Nachdem dies nicht erfolgte, tauchten im Arbeitsumfeld der Klägerin Hinweise auf deren Abkehrwillen auf. Im E-Mail Account der Klägerin war der Postausgang bis zum 10.09.2019 vollständig gelöscht. Aus Sicht der Beklagten erfolgte dies durch eine aktive Handlung der Klägerin, woraus die Abmahnung vom 07.10.2019 resultiert.

Ferner hatte die Klägerin aus dem Rollcontainer ihres Schreibtischs ihre persönlichen Gegenstände geräumt und mitgenommen. Auch diese Handlung lässt ebenfalls auf einen Abkehrwillen Rückschlüsse zu. Darüber hinaus war die Klägerin ab dem 11.09.2019 arbeitsunfähig erkrankt. Die Zusammenschau aller dieser Geschehnisse wirft die Frage der fortbestehenden Loyalität der Klägerin gegenüber der Beklagten auf. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte den Zugang zum Betrieb künftig nur noch während der betriebsüblichen Arbeitszeiten zulässt. Dies erfolgte über die Deaktivierung des Transponders für die Alarmanlage. Die Veränderung des Passworts für den Computer der Klägerin stellt ebenfalls eine sinnvolle und keinesfalls überzogene betriebliche Schutzmaßnahmen dar. Eine Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin im Vorfeld über diese Maßnahmen zu informieren, bestand nicht.

Soweit die Klägerin mit der Berufung auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 15.09.2016 8 AZR 351/15 verweist und auf den Gesichtspunkt des „Mobbing“ für einen Schadensersatzanspruch abstellt, verfängt diese Argumentation nicht.

Das Landesarbeitsgericht ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass nicht jede Auseinandersetzung, Meinungsverschiedenheit oder nicht gerechtfertigte Maßnahme des Arbeitgebers (z.B. Abmahnung, Versetzung, Kündigung) eine rechtswidrige und vorwerfbare Verletzung der Rechtsgüter des Arbeitnehmers und damit eine unerlaubte Handlung oder einen Verstoß gegen die Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB darstellen und dass im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen, auch wenn sie sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, nicht geeignet sind, derartige Tatbestände zu erfüllen, weshalb es gilt, sog. folgenloses bzw. sozial- und rechtsadäquates Verhalten aufgrund einer objektiven Betrachtungsweise, d.h. ohne Rücksicht auf das subjektive Empfinden des betroffenen Arbeitnehmers, von der rechtlichen Bewertung auszunehmen (BAG 15.09.2016, 8 AZR 351/15 Rn. 36,BAG 22. Oktober 2015 – 2 AZR 569/14 – Rn. 30, BAGE 153, 111; 16. Mai 2007 – 8 AZR 709/06 – Rn. 85, BAGE 122, 304).

Bei der Zusammenarbeit im Rahmen von Arbeitsverhältnissen kommt es typischerweise zu Konflikten und Meinungsverschiedenheiten, ohne dass die dabei zutage tretenden Verhaltensweisen des Arbeitgebers oder der Vorgesetzten bzw. Kollegen des Arbeitnehmers zwangsläufig zu einer widerrechtlichen Beeinträchtigung der Rechtsgüter des Arbeitnehmers führen oder einen Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht bedeuten (vgl. BAG 22. Oktober 2015 – 2 AZR 569/14 – Rn. 30, BAGE 153, 111; 16. Mai 2007 – 8 AZR 709/06 – Rn. 85, BAGE 122, 304). Die Grenze zum nicht rechts- bzw. sozialadäquaten Verhalten ist allerdings dann überschritten, wenn Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird (BAG 15.09.2016,8 AZR 351/15 Rn. 37).

b)

Die Abmahnung vom 07.10.2019 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat letztlich nicht bestritten, dass sie den Postausgang in ihren E-Mail Account bis zum 10.09.2019 gelöscht hat. Sie hat lediglich darauf verwiesen, dass auch andere Personen Zugang zu ihrem Computer hätten. Dies stellt unerheblichen Verteidigungsvortrag dar. Der Verweis auf „Dritte“ enthebt die Klägerin nicht der Verantwortlichkeit für ihren eigenen Computer. Zudem zeigt sich – aus der nachfolgenden Passwortproblematik – dass ihr Computer passwortgeschützt war.

Die Abmahnung vom 17.12.2019 ist ebenfalls rechtmäßig. Passwörter für Computer sind verschlossen zu halten. Gegen diese Verpflichtung hat die Klägerin verstoßen. Die Abmahnung ist daher berechtigt.

Nach dem gezeigten Abkehrwillen am 10.09.2019 ab war die Beklagte berechtigt betriebliche Sicherungsmaßnahmen anzuordnen. Hierzu zählte zunächst der Austausch der Passwörter für die Computer für alle Beschäftigten. Durch die Deaktivierung des Transponders der Klägerin konnte diese die betriebliche Alarmanlage nicht mehr ausschalten. Damit war ihr der Zugang zum Arbeitsplatz nur während der üblichen Arbeitszeiten möglich. Diese Handlungen stellen keine rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung gegenüber der Klägerin dar. Sie erklären sich aus einem nachvollziehbaren betrieblichen Sicherheitsaspekt. Die Beklagte war sich der Loyalität der Klägerin nicht mehr sicher. Die Maßnahmen waren daher zur Sicherung ihrer betrieblichen Integrität erforderlich.

Soweit der Geschäftsführer der Beklagten nicht für ein weiteres Personalgespräch über eine Lohnerhöhung der Klägerin sofort zur Verfügung stand, ist hierin ebenfalls keine rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung zu erblicken. Die Beklagte hatte plausibel ausgeführt, dass durch die Trennung von dem Lebensgefährten der Klägerin ein erhöhter Arbeitsanfall vorlag. Diesen Arbeitsanfall hatte maßgeblich der Geschäftsführer der Beklagten zu bearbeiten. Personalgespräche über Lohnerhöhungen erscheinen in diesem Zusammenhang tatsächlich nachrangig. Es handelt sich um rein interne Vorgänge. Die Verschiebung um lediglich eine Woche erscheint zudem unerheblich.

Auch wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, die Beklagte habe ihr keine ausreichenden Aufgaben zugewiesen, fehlt es an der Kausalität eines Schadensersatzanspruchs. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass es der Klägerin freigestanden hätte, um die Zuweisung weiterer Arbeiten nachzusuchen. Die Klägerin hat das Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung beendet. Einen Nachweis dafür, dass die Beklagte diese Eigenkündigung verursacht habe, führt die Klägerin nicht.

Das vorgelegte ärztliche Attest vom 08.12.2020 (Anl. K7) stellt keinen geeigneten Nachweis hierfür dar. Die dort genannten Umstände im Arbeitsumfeld der Klägerin beruhen allein auf den Angaben der Klägerin. Der behandelnde Arzt ist nicht in der Lage die Richtigkeit dieser Angaben zu überprüfen. Damit sind ausschließlich die Angaben der Klägerin maßgeblich für deren Wiedergabe im Attest. Vor diesem Hintergrund kommt dem ärztlichen Attest vom 08.12.2020 keinerlei Beweiswert für das vorliegende Verfahren zu.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass ein materieller Schadensersatz nicht ersichtlich ist. Die Voraussetzungen des § 280 BGB sind nicht erfüllt. Darüber hinaus sind aber auch immaterielle Schadensersatzansprüche nicht erkennbar. Aus der klägerseits zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.09.2016,8 AZR 351/15 lassen sich hierfür keine Ansätze zugunsten der Klägerin ableiten. Es fehlt an einem Gesamtverhalten, welches darauf gerichtet ist die Klägerin aus dem Betrieb zu drängen. Vielmehr war die betriebliche Situation auch für die Beklagte nach dem Ausscheiden des Prokuristen und nach dem gezeigten Abkehrwillen der Klägerin schwierig. Sie hat hierauf mit bestimmten betrieblichen Sicherungsmaßnahmen reagiert. Dies ist nachvollziehbar und stellt keine Persönlichkeitsrechtsverletzung gegenüber der Klägerin dar.

Der Klageantrag zu 3 wurde daher zu Recht vom Arbeitsgericht Chemnitz abgewiesen.

Die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg.

Die Klägerin trägt gemäß § 97 ZPO die Kosten ihres erfolglos gebliebenen Rechtsmittels.

Die Kammer hat die Revision an das Bundesarbeitsgericht gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zugelassen. Die Frage, ob ein Entfernungsanspruch hinsichtlich einer Abmahnung nach beendetem Arbeitsverhältnis durch Art. 17 DSGVO besteht, ist durch das Bundesarbeitsgericht soweit ersichtlich noch nicht entschieden.

 

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