Skip to content

Fehlender schriftlicher Arbeitsvertrag gemäß § 2 NachwG –Schadensersatzansprüche

Arbeitsvertragspflicht nach § 2 NachwG: Schadensersatzforderungen im Blick

Das Landesarbeitsgericht Köln entschied, dass der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von Vergütung und Annahmeverzugslohn gegen die Beklagte hat, da er nicht beweisen konnte, dass er die behauptete Arbeitsleistung erbracht hat. Zudem wurden die Ansprüche als verfallen angesehen, da sie nicht fristgerecht geltend gemacht wurden. Der Kläger erhielt allerdings einen Schadensersatzanspruch, da die Beklagte ihre Nachweispflicht gemäß § 2 NachwG nicht erfüllt hatte.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 Sa 297/22   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Arbeitsleistung und Vergütungsanspruch: Der Kläger konnte nicht beweisen, dass er die behauptete Arbeitsleistung für die Beklagte nach dem 10.12.2018 erbracht hat.
  2. Verfall von Ansprüchen: Zahlungsansprüche verfielen, da sie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Fristen geltend gemacht wurden.
  3. Schadensersatzanspruch: Aufgrund der Verletzung des Nachweisgesetzes durch die Beklagte entstand ein Schadensersatzanspruch zugunsten des Klägers.
  4. Fehlender schriftlicher Arbeitsvertrag: Die Beklagte erfüllte ihre gesetzliche Nachweispflicht nicht, indem sie keinen schriftlichen Arbeitsvertrag ausstellte.
  5. Beweislast: Der Kläger konnte den erforderlichen Beweis für die behauptete Arbeitsleistung nicht erbringen.
  6. GPS-Daten: Die vom Kläger vorgelegten GPS-Daten waren mit den behaupteten Arbeitszeiten nicht konsistent.
  7. Urlaubsansprüche: Ansprüche auf Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld wurden durch Zahlungen der Beklagten erfüllt.
  8. Keine Revision zugelassen: Das Gericht sah keine Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen würden.

Rechtliche Herausforderungen bei fehlenden Arbeitsverträgen und daraus resultierende Schadensersatzansprüche

Arbeitsvertrag
(Symbolfoto: fizkes /Shutterstock.com)

Die Bedeutung eines schriftlichen Arbeitsvertrags und die juristischen Folgen seines Fehlens sind zentrale Themen im deutschen Arbeitsrecht. In Ermangelung eines solchen Dokuments entstehen oft komplexe rechtliche Auseinandersetzungen, wie sie in Fällen vor dem Landesarbeitsgericht Köln zu beobachten sind. Diese Situationen betreffen nicht nur den direkten Arbeitskontext, sondern erstrecken sich auch auf Fragen rund um Schadensersatzansprüche und die Auslegung von Kündigungsfristen und -modalitäten.

Die Rolle des Klägers in solchen Verfahren ist besonders anspruchsvoll, da es gilt, Ansprüche zu begründen und zu belegen, die normalerweise durch einen schriftlichen Vertrag abgesichert wären. Dies führt häufig zu gerichtlichen Auseinandersetzungen, bei denen das Arbeitsgericht Köln und ähnliche Institutionen eine Schlüsselrolle spielen. Die Einreichung einer Berufung ist ein häufiger Schritt im Rahmen dieser juristischen Prozesse, wenn eine Partei mit dem Urteil der ersten Instanz nicht zufrieden ist.

Diese rechtliche Konstellation zeigt deutlich, wie essenziell ein schriftlicher Arbeitsvertrag im Arbeitsrecht ist, um Rechte und Pflichten beider Parteien klar zu definieren und so potenzielle Konflikte zu vermeiden. Die kommenden Ausführungen werden einen konkreten Fall beleuchten, in dem die Abwesenheit eines solchen Vertrages zu rechtlichen Schwierigkeiten geführt hat, und aufzeigen, wie solche Situationen vor Gericht behandelt werden.

Lesen Sie weiter, um zu erfahren, wie das Gericht in einem spezifischen Fall geurteilt hat und welche Lehren daraus für die Gestaltung von Arbeitsverhältnissen gezogen werden können.

Der Weg zum Urteil: Fehlender Schriftlicher Arbeitsvertrag und dessen Folgen

Das Landesarbeitsgericht Köln sah sich mit einer rechtlichen Auseinandersetzung konfrontiert, die ihre Wurzeln in einem fehlenden schriftlichen Arbeitsvertrag hatte. Kern des Konflikts war der Streit zwischen einem Kläger und seinem Arbeitgeber über ausstehende Vergütungsansprüche. Der Kläger, ein Montagehelfer im Trockenbau, war seit dem 24. Juli 2018 bei der beklagten Firma beschäftigt. Vereinbart war ein Stundenlohn von 12 Euro brutto, doch ein schriftlicher Arbeitsvertrag existierte nicht. Dies führte zu einer komplexen rechtlichen Bewertung, da der allgemeinverbindliche Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe Anwendung fand, jedoch ohne schriftlichen Nachweis dessen Anwendbarkeit und der darin enthaltenen Ausschlussfristen.

Streitpunkt Arbeitsleistung: Die Diskrepanz zwischen Behauptung und Beweis

Im Zentrum des Streits stand die Frage, ob und in welchem Umfang der Kläger für die Beklagte gearbeitet hatte. Die letzte Abrechnung der Beklagten für Dezember 2018 wies erhebliche Differenzen zu den vom Kläger behaupteten Arbeitsstunden auf. Der Kläger behauptete, über den 31. Dezember 2018 hinaus gearbeitet zu haben, und forderte entsprechende Vergütung. Die Beklagte hingegen vertrat die Position, alle Ansprüche ordnungsgemäß erfüllt zu haben und berief sich darauf, dass das Arbeitsverhältnis mit einer Kündigung zum 31. Dezember 2018 sein Ende gefunden habe.

Bewertung des Arbeitsgerichts Köln und Berufungsverfahren

Das Arbeitsgericht Köln folgte in seinem Urteil vom 16. März 2022 der Argumentation der Beklagten und wies die Klage ab. Der Kläger habe nicht den erforderlichen Beweis erbringen können, dass er in dem von ihm behaupteten Umfang für die Beklagte tätig gewesen sei. Hiergegen legte der Kläger Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln ein, indem er sein Vorbringen wiederholte und vertiefte. Er führte unter anderem an, dass das Zeitintervall zwischen den Ereignissen und dem Gerichtstermin die Erinnerung der Zeugen beeinträchtigt habe.

Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln: Schadensersatzansprüche wegen Verstoßes gegen das Nachweisgesetz

Das Landesarbeitsgericht Köln gab der Berufung teilweise statt. Es stellte fest, dass der Kläger einen Vergütungsanspruch weder aus § 611 BGB noch aus § 615 BGB oder § 7 Absatz 4 BUrlG hatte, da sämtliche Zahlungsansprüche verfallen waren. Jedoch kam dem Kläger ein Schadensersatzanspruch aufgrund des Verstoßes der Beklagten gegen das Nachweisgesetz (§ 2 NachwG) zu. Die Beklagte hatte versäumt, die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich festzuhalten und dem Kläger auszuhändigen, was zur Unkenntnis des Klägers über die Ausschlussfristen des Tarifvertrages führte. Das Gericht ging von einer Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem entstandenen Schaden aus und sprach dem Kläger Schadensersatz in Höhe des erloschenen Arbeitsentgeltanspruchs zu.

Fazit: Die Bedeutung eines Schriftlichen Arbeitsvertrags

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln verdeutlicht die essenzielle Bedeutung eines schriftlichen Arbeitsvertrags. Durch die Vernachlässigung der schriftlichen Festlegung wesentlicher Vertragsbedingungen entstand eine rechtliche Komplexität, die letztlich zu Schadensersatzansprüchen führte. Dieser Fall unterstreicht die Notwendigkeit für Arbeitgeber, die Anforderungen des Nachweisgesetzes ernst zu nehmen und sowohl die Transparenz als auch die Rechtssicherheit in Arbeitsverhältnissen zu gewährleisten.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was bedeutet ein schriftlicher Arbeitsvertrag gemäß § 2 NachwG?

Gemäß § 2 des Nachweisgesetzes (NachwG) ist der Arbeitgeber verpflichtet, die wesentlichen Vertragsbedingungen eines Arbeitsverhältnisses schriftlich niederzulegen, zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Dies gilt auch, wenn nur ein mündlicher Vertrag oder eine mündliche Vereinbarung geschlossen wurden.

Die wesentlichen Vertragsbedingungen, die in der schriftlichen Niederschrift aufgenommen werden müssen, umfassen unter anderem den Namen und die Anschrift der Vertragsparteien, den Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses, den Arbeitsort, eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit, die Dauer der Probezeit (sofern vereinbart), die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind, und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung, und die vereinbarte Arbeitszeit.

Wenn dem Arbeitnehmer bereits ein schriftlicher Arbeitsvertrag ausgehändigt wurde, der alle erforderlichen Angaben enthält, muss kein weiterer Nachweis erstellt werden. Dies bedeutet, dass die Verpflichtung zur schriftlichen Niederlegung der wesentlichen Vertragsbedingungen entfällt, wenn der Arbeitnehmer bereits einen schriftlichen Arbeitsvertrag erhalten hat, der diese Informationen enthält.

Es ist zu erwähnen, dass mündliche Arbeitsverträge weiterhin zulässig sind. Allerdings sind alle Arbeitgeber in Deutschland ausnahmslos dazu verpflichtet, sämtliche wesentlichen Arbeitsvertragsinhalte detailliert und verständlich schriftlich niederzulegen.

Die Einhaltung des Nachweisgesetzes ist besonders wichtig, da bei Verstößen Bußgelder bis zu 2.000 Euro drohen können.


Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 4 Sa 297/22 – Urteil vom 04.04.2023

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 16.03.2022 – 9 Ca 1272/21 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Das Versäumnisurteil vom 16.04.2021 wird teilweise aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 3.390 Euro brutto abzüglich gezahlter 820 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.08.2021 zu zahlen.

3. Im Übrigen bleibt das Versäumnisurteil vom 16.04.2021 aufrechterhalten.

4. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 64 % und die Beklagte zu 36 % mit Ausnahme der Kosten der Säumnis vom 16.04.2021, die der Kläger zu tragen hat.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im beendeten Arbeitsverhältnis um Vergütungsansprüche.

Der Kläger ist r Staatsangehöriger. Er war seit dem 24.07.2018 bei der Beklagten im Trockenbau als Montagehelfer tätig. Vereinbart war ein Stundenlohn von 12 Euro brutto.

Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert nicht. Auf das Arbeitsverhältnis findet der allgemeinverbindliche Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe Anwendung.

Der Kläger wurde eingesetzt auf einer Baustelle in der E straße in K .

Die letzte, von der Beklagten erstelle Abrechnung betraf den Monat Dezember 2018. Darin rechnete die Beklagte wie folgt ab:

Bezeichnung Menge Faktor Betrag Stundenlohn

38,00 12,00 456,00

Feiertagslohn

16,00 12,00 192,00

Urlaubslohn

13,00 1.683,08

Zusätzl. Urlaubsgeld

420,77

Mehraufwands-Wintergeld

18,00 18,00

Bau, Beitr. ZVK

104,57

Gesamtbrutto

2,769,85

Auszahlungsbetrag

1.840,80

Den aufgeführten Nettoauszahlungsbetrag überwies die Beklagte an den Kläger.

Mit Datum vom 10.12.2018 kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis „fristgerecht zum 31.12.2018“. Per gesonderter, vom Kläger unterzeichneter Kündigungsbestätigung – ebenfalls vom 10.12.2018 – bestätigte dieser, dass er „ab dem 31.12.2018 aufgrund der Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Firma A C GmbH, Z Str. , S , nicht mehr beschäftigt“ ist.

Der Kläger hat behauptet, dass ihm diese Kündigung im Februar 2019 übergeben worden sei, nachdem er zum Wohnhaus des Geschäftsführers der Beklagten gereist sei, um die nunmehr streitgegenständlichen Lohnrückstände einzufordern. Um Geld zu erhalten, habe er besagte Kündigungsbestätigung unterzeichnen müssen. Niemand habe am 10.12.2018 eine Kündigung erhalten. Tatsächlich habe er über den 31.12.2018 hinaus auf der Baustelle in der E straße in K für die Beklagte gearbeitet. Am 09.02.2019 sei ihm durch den Geschäftsführer mitgeteilt worden, dass er nicht mehr erscheinen müsse, es gebe keine Arbeit mehr.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die Beklagte noch nicht sämtliche Zahlungsverpflichtungen erfüllt habe. Er hat behauptet, von der Beklagten eine Barzahlung in Höhe von 820 Euro erhalten zu haben. Den Rest fordere er nunmehr mit folgender Berechnung ein:

Dezember 2018   182 h x 12 Euro   2.184 Euro

Januar 2019    214 h x 12 Euro   2.568 Euro

10 h Feiertagslohn x 12 Euro 120 Euro

Februar 2019   58 h x 12 Euro   696 Euro

152 h Annahmeverzug

x 12 Euro    1.824 Euro

Gesamt         7.392 Euro

Hinsichtlich der genauen Verteilung der Stunden hat er auf die beigefügte Stundenaufstellung verwiesen.

Darüber hinaus hat er die Auffassung vertreten, dass die Beklagte für 2018 Urlaubsgeld in Höhe von 2.103,85 Euro gemäß Schreiben der S -Bau schulde. Das Urlaubsgeld für 4 Tage in 2019 belaufe sich auf (4 Tage x 12 Euro x 8 h) 384 Euro.

Auf etwaige Ausschlussfristen könne sich die Beklagte nicht berufen. Insofern stünde ihm jedenfalls ein Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung des Nachweisgesetzes zu. Der Kläger hat behauptet, dass er bei rechtzeitiger Kenntnis der Ausschlussfristen fristwahrend Klage eingereicht hätte.

Das Arbeitsgericht hat am 16.04.2021 – hinsichtlich der seinerzeit anhängigen Klageforderung in Höhe von 6.624 Euro brutto abzüglich gezahlter 820 Euro netto – ein klageabweisendes Versäumnisurteil verkündet, welches dem Kläger am 23.04.2021 zugestellt worden ist. Hiergegen hat sich der Kläger am Tag des Zugangs mit dem Einspruch zur Wehr gesetzt und die Klage sodann noch in dargelegter Höhe erweitert.

Der Kläger hat beantragt,

1) das Versäumnisurteil vom 16.04.2021 aufzuheben;

2) die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.879,85 Euro brutto abzüglich der Zahlung in Höhe von 2.660,80 Euro nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit dieses Antrags in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

1) das Versäumnisurteil vom 16.04.2021 aufrechtzuerhalten;

2) die darüber hinausgehende Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.12.2018 sein Ende gefunden habe und alle Ansprüche ordnungsgemäß erfüllt worden seien. Urlaubs(abgeltungs-)ansprüche bestünden daher ebenfalls nicht mehr.

Darüber hinaus hat die Beklagte die Ansicht vertreten, dass sämtliche Ansprüche verfallen seien.

Sie hat behauptet, dass das Kündigungsschreiben am 10.12.2018 zugegangen sei. Nach diesem Datum sei vom Kläger keine Arbeitsleistung mehr erbracht worden.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen A und S B .

Mit Urteil vom 16.03.2022 hat das Arbeitsgericht das klageabweisende Versäumnisurteil vom 16.04.2021 aufrechterhalten und die weitergehende Klage abgewiesen, im Wesentlichen mit folgender Begründung:

Die zulässige Klage sei unbegründet. Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von (Differenz-) Vergütung und Annahmeverzugslohn. Denn er habe nicht den Beweis geführt, dass er in dem von ihm angegebenen Umfang Arbeitsleistung für die Beklagte erbracht habe. Es habe an ihm gelegen, entweder den Beweis zu führen, dass die Kündigungsbestätigung fingiert sei und das Arbeitsverhältnis fortbestanden habe oder nachzuweisen, dass die von ihm dargelegten Stunden tatsächlich auf Weisung der Beklagten geleistet worden seien. Beides sei ihm nicht gelungen. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung vom 10.12.2018 beendet worden. Der Kläger habe mit seiner Unterschrift unter der Kündigungsbestätigung die Erklärung abgegeben, die Kündigung vom 10.12.2018 erhalten zu haben. Gemäß § 416 ZPO würden echte Privaturkunden, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben sei, vollen Beweis dafür begründen, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind. Darüber hinaus bestehe für den Inhalt der Urkunde die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit. Es sei Aufgabe des Klägers gewesen, diese Vermutung zu widerlegen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei ihm dies nicht gelungen. Die Aussagen der Zeugen B seien hinsichtlich des behaupteten Zugangs der Kündigung erst im Februar 2019 unergiebig gewesen. Zudem habe der Kläger nicht den Beweis führen können, in dem von ihm behaupteten Umfang Arbeitsleistungen erbracht zu haben. Nach Durchführung der Beweisaufnahme seien begründete Zweifel an der Richtigkeit der von ihm aufgestellten Behauptungen verblieben. Ausgehend von der sogenannten Nullhypothese habe die Kammer nach Realkennzeichen gesucht, die die Glaubhaftigkeit der Aussagen begründen könnten. Die Bekundungen des Zeugen A B seien von geringer Aussagequalität. Er habe den Geschehensablauf nicht detailliert, zusammenhängend und widerspruchsfrei geschildert. Er habe überwiegend auf Befragen des Gerichts reagiert, sei hierbei jedoch unkonkret geblieben und habe sich noch dazu teilweise widersprochen. So habe er beispielsweise nicht von sich aus schildern können, wie die Zusammenarbeit mit dem Kläger von statten gegangen sei. Er sei zudem nicht in der Lage gewesen, einen gewöhnlichen Arbeitstag mit dem Kläger von sich aus wiederzugeben. In den wesentlichen Punkten sei er unkonkret geblieben. Zuletzt sei nicht zu erklären, weshalb der Zeuge eine Barzahlung in Höhe von 800 Euro im Februar 2019 beobachtet haben könnte, gleichzeitig aber nicht habe sehen können, wie viele Geldscheine dem Kläger übergeben worden seien. Die Bekundungen des Zeugen S B seien zwar von größerer aussagepsychologischer Qualität gewesen. Auch sie hätten jedoch nicht die notwendigen Merkmale aufgewiesen, derer es bedurft hätte, die Kammer vom wahren Erleben zu überzeugen. Welche Tätigkeiten der Zeuge S B zusammen mit dem Kläger konkret ausgeübt habe, habe der Zeuge nicht bekundet. Die Aussage sei teilweise auch unplausibel, da zum einen erklärt worden sei, er und sein Bruder hätten keine Arbeitsanweisungen erhalten, weil sie gewusst hätten, was es zu tun gewesen sei, während er auf der anderen Seite erklärt habe, der Geschäftsführer bzw. Herr O hätten regelmäßig Arbeitsanweisungen erteilt.

Ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung scheide aus. Für den Zeitraum Januar und Februar 2019 folge dies bereits aus der Tatsache, dass kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden habe. Auch im Übrigen bestehe kein Anspruch mehr, da der Kläger jedenfalls keine Tatsachen vorgetragen habe, aus denen sich die Urlaubsabgeltung der Höhe nach errechnen lasse.

Gegen das dem Kläger am 19.04.2022 zugestellte Urteil richtet sich dessen am 03.05.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung, die er am 23.06.2022 innerhalb der bis zum 19.07.2022 verlängerten Berufungsbegründungsfrist unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags im Wesentlichen wie folgt begründet:

Das Gericht habe völlig verkannt, dass zwischen dem Geschehenen und dem Gerichtstermin mehr als 3 Jahr vergangen seien. Die Zeugen seien einfache Bauarbeiter, die auf zahlreichen Baustellen arbeiten würden und fast täglich die gleiche monotone Arbeit verrichteten. Völlig missachtet worden sei die fehlende Motivation der Zeugen zur Falschaussage. Ein eigenes Interesse sei nicht erkennbar. Die Wahrhaftigkeit des klägerischen Sachvortrages ergebe sich noch aus einer anderen Tatsache. Der Kläger nutze seit Jahren ein Mobilfunkgerät, welches die GPS-Position des Nutzers auf einer Google-Karte zeige und aufzeichnen könne. Im Mai 2022 habe der Kläger zu seiner Überraschung festgestellt, dass Google-Map seine Bewegung seit 2018 aufgezeichnet und auf dem Account des Klägers gespeichert habe. Diese Aufzeichnungen würden belegen, dass der Kläger seine Arbeit regelmäßig um 7:30 Uhr aufgenommen und die Baustelle in K aufgesucht habe. Andere Personen hätten das Mobilfunkgerät nicht genutzt. Eine Manipulation sei ausgeschlossen.

Hinsichtlich der Höhe der Urlaubsabgeltung verweist der Kläger darauf, dass die Beklagte identische Berechnungen vorgenommen habe. Auf die Lohnabrechnung für den Monat Dezember 2018 verweise er insofern. Unklar sei, weshalb der Kläger zu unstreitigen Punkten vortragen müsse.

Der Kläger beantragt unter Abänderung des am 16.03.2022 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Köln,

1) das Versäumnisurteil vom 16.04.2021 aufzuheben;

2) die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.879,85 Euro brutto abzüglich der Zahlung von 2.660,80 Euro nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil, wiederholt und vertieft ihre erstinstanzlichen Ausführungen und führt ergänzend aus:

Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass die Aufzeichnungen von dem Mobilfunkgerät des Klägers stammten. Aus den Aufzeichnungen sei zudem zu entnehmen, dass der Kläger am 22.12.2018 im Hotel C in K gewesen sei. Anschließend sei eine Reise nach R angetreten worden. In der Klageschrift sei jedoch ausgeführt worden, dass der Kläger an diesem Tag von 07:30 Uhr 15:30 Uhr gearbeitet habe, was von daher nicht der Wahrheit entsprechen könne.

Das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten sei zum 31.12.2018 beendet worden. Möglicherweise habe der Kläger sodann bei einem Nachunternehmer oder einem anderen Unternehmen weitere Tätigkeiten durchgeführt.

Die Beklagte verweist auf die Kündigung des Bauvertrages. Ab Januar 2019 sei daher keine Arbeit mehr vorhanden gewesen.

Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Derartige Ansprüche seien im Rahmen des Sozialkassenverfahrens geltend zu machen. Zudem habe im Jahr 2019 kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden. Die Ansprüche aus 2018 seien erfüllt worden.

Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die ausweislich der Sitzungsprotokolle abgegebenen Erklärungen ergänzend Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen A B , S B und J M .

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist an sich statthaft (§ 64 Absatz 1, Absatz 2 Buchstabe b) ArbGG) und nach den §§ 519 ZPO, 64 Absatz 6 Satz 1 ArbGG, 66 Absatz 1 Satz 1 ArbGG am 03.05.2022 gegen das am 19.04.2022 zugestellte Urteil form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der nach § 66 Absatz 1 Satz 1, Satz 5 ArbGG bis zum 19.07.2022 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 23.06.2022 ordnungsgemäß begründet worden. Sie ist damit insgesamt zulässig.

Die Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang teilweise begründet. Dies ergab sich aus folgenden Erwägungen:

Insoweit die Entscheidung, die auf Grund der neuen Verhandlung zu erlassen ist, mit der in dem Versäumnisurteil enthaltenen Entscheidung übereinstimmt, ist auszusprechen, dass diese Entscheidung aufrechtzuerhalten sei, § 343 Satz 1 ZPO. Insoweit diese Voraussetzung nicht zutrifft, wird das Versäumnisurteil in dem neuen Urteil aufgehoben, § 343 Satz 2 ZPO.

Das Versäumnisurteil war hiernach teilweise aufzuheben. Die weitergehende Klage war abzuweisen:

Der Kläger hat einen Vergütungsanspruch gegenüber der Beklagten weder aus § 611 BGB noch aus § 615 BGB oder § 7 Absatz 4 BUrlG. Sämtliche dieser Zahlungsansprüche waren verfallen.

Nach § 14 Nr. 1 des allgemeinverbindlichen BRTV-Bau verfallen auf erster Stufe alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.

Diese Frist hielt der Kläger für keinen der streitgegenständlichen Ansprüche ein. Eine außergerichtliche Geltendmachung wurde von ihm nicht vorgetragen. Die Klage wurde der Beklagten erst am 17.03.2021 zugestellt, mithin weit nach Ablauf der ersten Stufe der Ausschlussfrist des § 14 Nr. 1 BRTV Bau. Inwieweit jedenfalls der Mindestlohn – auf den sich der Kläger hilfsweise gestützt hatte – noch nicht verfallen war, bedurfte keiner abschließenden Entscheidung, da sich der Anspruch unter Berechnung eines Stundenlohns von 12 Euro brutto in tenorierter Höhe aus dem Gesichtspunkt des Verzuges ergab.

Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug, § 286 Absatz 1 Satz 1 BGB. Der Mahnung bedarf es nicht, wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, § 286 Absatz 2 Nr. 1 BGB.

Diese Voraussetzungen lagen vor:

Die Beklagte war nach § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG verpflichtet, spätestens 1 Monat nach dem 24.07.2018 die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Kläger auszuhändigen. In die Niederschrift war jedenfalls ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge aufzunehmen, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden waren (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG). Hierzu gehörte der BRTV-Bau. Eines Einzelnachweises der Ausschlussfristen des § 14 BRTV-Bau bedurfte es nicht (BAG vom 17.04.2002, 5 AZR 89/01).

Die Nachweispflicht bestand unabhängig von der gemäß § 5 Abs. 4 TVG unmittelbaren und zwingenden Tarifgeltung. Das ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG. Die Verpflichtung der Beklagten setzte ein entsprechendes Verlangen des Klägers nicht voraus. Das Gesetz will gerade auch den rechtsunkundigen Arbeitnehmer schützen (BAG vom 05.11.2003, 5 AZR 676/02).

Diese Pflicht erfüllte die Beklagte nicht. Sie hat weder die gesetzliche Nachweispflicht erfüllt noch dem Kläger einen schriftlichen Arbeitsvertrag mit den geforderten Angaben ausgehändigt (§ 2 Abs. 4 NachwG).

Die Beklagte hat den – auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch möglichen, vgl. BAG vom 05.11.2003, 5 AZR 676/02 – Nachweis nicht nachgeholt. Sie befand sich mithin in Verzug.

Kommt der Schuldner in Verzug, kann der Gläubiger gem. § 280 Absatz 1,2 BGB in Verbindung mit § 286 BGB Ersatz des Verzögerungsschadens verlangen.

Es gelten hierbei die §§ 249 ff BGB. Der Gläubiger ist so zu stellen, wie er bei rechtzeitiger Leistung des Schuldners stehen würde (BeckOK BGB/Lorenz BGB § 286 Rn. 69-71).

Schaden im Sinne von § 249 Absatz 1 BGB ist vorliegend das Erlöschen des Vergütungsanspruchs. Der Schadensersatzanspruch ist auf Naturalrestitution gerichtet. Er ist deshalb wie der Zahlungsanspruch auf einen Bruttobetrag gerichtet. Der Gläubiger kann verlangen, so gestellt zu werden, als sei der Vergütungsanspruch nicht untergegangen. Der Schadensersatzanspruch ist in Höhe des erloschenen Arbeitsentgeltanspruchs begründet, wenn dieser nur wegen Versäumung der Ausschlussfrist erloschen ist und bei gesetzmäßigem Nachweis seitens des Arbeitgebers nicht untergegangen wäre. Bei der Prüfung der adäquaten Verursachung kommt dem Arbeitnehmer die Vermutung eines aufklärungsgemäßen Verhaltens zugute. Danach ist grundsätzlich davon auszugehen, dass jedermann bei ausreichender Information seine Eigeninteressen in vernünftiger Weise wahrt. Für eine abweichende Beurteilung ist der Schädiger darlegungs- und beweispflichtig. Bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen § 2 Absatz 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG ist zu vermuten, dass der Arbeitnehmer die tarifliche Ausschlussfrist beachtet hätte, wenn er auf die Geltung des Tarifvertrags hingewiesen worden wäre. Diese Auslegung des Nachweisgesetzes ist geboten, um den Zweck der Nachweisrichtlinie 91/533 EG (vom 14. Oktober 1991), den Arbeitnehmer vor Unkenntnis seiner Rechte zu schützen, wirksam zur Geltung zu bringen. Der Arbeitnehmer könnte im Regelfall kaum nachweisen, dass er bei ordnungsgemäßem Verhalten des Arbeitgebers die Ausschlussfrist beachtet hätte. Dem Arbeitgeber bleibt die Möglichkeit, diese tatsächliche Vermutung zu widerlegen (BAG vom 21.02.2012, 9 AZR 486/10; BAG vom 17.04.2002, 5 AZR 89/01).

Dem Kläger ist durch das Erlöschen des Vergütungsanspruchs ein Schaden entstanden. Die notwendige Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden war anzunehmen. Der Kläger behauptete ausdrücklich, er habe nicht gewusst, dass die Ausschlussfrist des § 14 BRTV-Bau auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finde und, dass er bei rechtzeitigem Nachweis die Ausschlussfrist beachtet hätte. Eine Widerlegung dieser Behauptung durch die Beklagte erfolgte nicht.

Zur Höhe des Schadens war wie folgt auszuführen:

a) Gehalt 01.12.2018 bis 10.12.2018

Der Kläger hatte gegen die Beklagte für oben genannten Zeitraum einen Vergütungsanspruch in Höhe von (76 Stunden x 12 Euro) 912 Euro brutto aus dem Gesichtspunkt der geleisteten Arbeit, § 611 Absatz 1 BGB in Verbindung mit den arbeitsvertraglichen Regelungen.

Zwischen den Parteien war nicht im Streit, dass der Kläger in diesem Zeitraum gearbeitet hatte.

Hinsichtlich der Höhe waren die vom Kläger in dieser Zeit geforderten 76 Stunden als unstreitig zu behandeln.

Klagt ein Arbeitnehmer Arbeitsvergütung ein, hat er darzulegen und – im Bestreitensfall – zu beweisen, dass er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt (BAG vom 18.04.2012, 5 AZR 248/11). Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern. Deshalb hat der Arbeitgeber im Einzelnen vorzutragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und ob der Arbeitnehmer den Weisungen nachgekommen ist. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gelten die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Arbeitsstunden als zugestanden.

Der Kläger trug sehr konkret die einzelnen Stunden an den jeweiligen Tagen vor. Er nannte die Tage, die konkreten Zeiten und brachte die jeweiligen Pausen in Abzug. Die Beklagte hatte für diesen Zeitraum jedoch nicht die sich hieraus ergebenden 76 Stunden, sondern ausweislich der beigefügten Lohnabrechnung für den Monat Dezember 2018 lediglich 38 Stunden aus geleisteter Arbeit abgerechnet. Nach den soeben dargestellten Grundsätzen wäre es Aufgabe der Beklagten im Rahmen der sekundären Darlegungslast gewesen, nunmehr konkret zu erwidern, weshalb sie von nur 38 zu vergütenden Arbeitsstunden ausging und wie sich diese Stunden auf die jeweiligen Tage ihrer Ansicht nach verteilten. Ein solcher Sachvortrag unterblieb. Demnach war nach oben dargestellten Grundsätzen der konkrete Sachvortrag des Klägers diesbezüglich als unstreitig anzusehen.

Der ursprünglich entstandene Gesamtanspruch für den Zeitraum 01.12.2018 bis 10.12.2018 belief sich mithin auf (76 Stunden x 12 Euro) 912 Euro brutto.

b) Gehalt 11.12.2018 bis 22.12.2018

Der Kläger hatte gegen die Beklagte für oben genannten Zeitraum einen Vergütungsanspruch in Höhe von (72,5 Stunden x 12 Euro) 870 Euro brutto aus dem Gesichtspunkt der geleisteten Arbeit, § 611 Absatz 1 BGB in Verbindung mit den arbeitsvertraglichen Regelungen.

Zwischen den Parteien war im Streit, ob der Kläger mit Ablauf des 10.12.2018 noch Tätigkeiten für die Beklagte erbracht hatte. Das Gericht war nach Durchführung der Beweisaufnahme dem Grunde nach überzeugt davon, dass dies jedenfalls im Zeitraum vom 11.12.2018 bis zum 22.12.2018 der Fall war.

Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist, § 64 Absatz 6 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit § 286 Absatz 1 Satz 1 ZPO. Eine Behauptung ist dann als bewiesen anzusehen, wenn das Gericht von ihrer Wahrheit überzeugt ist. Voraussetzung für diesen sog. Vollbeweis ist ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit (BeckOK ZPO/Bacher ZPO § 286 Rn. 1).Beim Zeugenbeweis sind hierfür die Wahrnehmungsmöglichkeit, die Wahrnehmungsfähigkeit, die Wiedergabemöglichkeit sowie die Wiedergabebereitschaft entscheidende Kriterien. Zu unterscheiden sind die Glaubwürdigkeit des Zeugen und die Glaubhaftigkeit seiner Aussage. Ein Zeuge kann glaubwürdig sein, seine Aussage – etwa aufgrund einer Sinnestäuschung – dennoch nicht glaubhaft. Merkmale für die Glaubwürdigkeitsprüfung sind beispielsweise die Beziehung zu den Parteien, das Interesse am Verfahren, Anzeichen für eine Lüge aufgrund der Persönlichkeit des Zeugen, Vorstrafen wegen Aussagedelikten oder auch Auffälligkeiten in der Vernehmung selber. Ein Merkmal für die Prüfung der Glaubhaftigkeit der Aussage kann zum Beispiel die Bestätigung der Zeugenaussage durch anderweitig gesicherte Umstände sein (Musielak/Voit, ZPO, 19. Auflage 2022 § 373 Rn. 16 ff.). In welcher Weise das Gericht die maßgeblichen Umstände würdigt, ist ihm grundsätzlich freigestellt. Seine Würdigung muss aber vollständig und rechtlich möglich sein und darf nicht gegen Naturgesetze, Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen (BGH NJW 2010 3230).

Ob hierbei von der sogenannten Nullhypothese auszugehen ist, konnte offenbleiben. Es wird vertreten, dass im Ansatz davon auszugehen ist, dass die Glaubhaftigkeit einer Aussage positiv begründet werden muss. Erforderlich ist hiernach eine Inhaltsanalyse, bei der die Aussagequalität zu prüfen ist. Es geht um die Ermittlung von Kriterien der Wahrhaftigkeit. Zur Durchführung der Analyse der Aussagequalität existieren Merkmale, die die Überprüfung ermöglichen, ob die Angaben auf tatsächliches Erleben beruhen – sogenannte Realkennzeichen – oder ob sie ergebnisbasiert sind. Das Vorhandensein dieser Real- oder Glaubwürdigkeitskennzeichen gilt als Hinweis für die Glaubhaftigkeit der Angaben (LAG Nürnberg vom 12.04.2016, 7 Sa 649/14; LAG Düsseldorf vom 27.11.2015, 9 Sa 333/15). Das methodische Grundprinzip besteht darin, einen zu überprüfenden Sachverhalt (hier: Glaubhaftigkeit der spezifischen Aussage) so lange zu negieren, bis diese Negation mit den gesammelten Fakten nicht mehr vereinbar ist. Es wird nach diesem Ansatz daher zunächst angenommen, die Aussage sei unwahr. Zur Prüfung dieser Annahme sind weitere Hypothesen zu bilden. Ergibt die Prüfstrategie, dass die Unwahrhypothese mit den erhobenen Fakten nicht mehr in Übereinstimmung stehen kann, so wird sie verworfen, und es gilt dann die Alternativhypothese, dass es sich um eine wahre Aussage handelt. Die Bildung relevanter Hypothesen ist hiernach von ausschlaggebender Bedeutung für Inhalt und (methodischen) Ablauf einer Glaubhaftigkeitsbewertung. Beispielsweise hängt die Auswahl der für die Bewertung der Glaubwürdigkeit in Frage kommenden Test- und Untersuchungsverfahren davon ab, welche Möglichkeiten als Erklärung für eine – unterstellt – unwahre Aussage in Betracht zu ziehen sind (vgl. BGH vom 30.07.1999, 1 StR 618/98).

Selbst bei unterstellter Nullhypothese konnten sämtliche Zeugen überzeugen. Sie waren positiv ergiebig, soweit es um den Zeitraum 11.12.2018 bis zum 22.12.2018 ging. Zudem waren die Zeugen auch glaubwürdig. Hierzu im Einzelnen:

Der Zeuge S B schilderte, dass er – zusammen mit dem Kläger – für die Beklagte gearbeitet habe. Die Arbeitsanweisungen seien täglich durch den Geschäftsführer der Beklagten erteilt worden. Er schilderte, dass er selber bis zum 13.02.2019 gearbeitet und sodann eine rückwirkende Kündigung zum 31.12.2018 und eine Barzahlung im Haus des Geschäftsführers der Beklagten erhalten habe. Hinsichtlich des Klägers konnte er jedenfalls eine Tätigkeit bis Ende Januar positiv bestätigen.

Die Kammer hielt diesen Zeugen für glaubwürdig und seine Aussagen für glaubhaft. Zum einen war auffällig, dass er ein besonderes Redebedürfnis aufwies, weil er glaubhaft schildern konnte, sich über den gesamten Vorgang geärgert zu haben. Seine Verärgerung über eine rückwirkende Kündigung und die damit verbundene Unkenntnis, Schwarzarbeit geleistet zu haben und sich selbst krankenversichern zu müssen, wirkte nicht aufgesetzt. Seine Aussage empfand die Kammer insofern auch insbesondere deswegen als glaubhaft, weil sie keineswegs nur Belastungstendenzen aufwies. So schilderte der Zeuge auch, dass er nicht exakt sagen könne, wie lange der Kläger auf der Baustelle gearbeitet habe. Er sah sich ebenfalls nicht dazu in der Lage, zur Höhe der Bargeldzahlung an den Kläger Aussagen zu tätigen. Angesichts des Umstandes, dass es sich um einen Sachverhalt handelt, der über 4 Jahre zurückliegt, erschien dies sehr glaubhaft. Zu Recht hatte der Kläger im Rahmen seiner Berufungsbegründung zudem auf den Umstand verwiesen, dass kein Grund erkennbar war, weshalb der Zeuge S B – das gleiche gilt für seinen Bruder – zu Gunsten des Klägers eine Straftat begehen sollte, indem er in einem Prozess lügt, an dessen Ausgang er offenbar kein Interesse hatte. Abgerundet wurde dieser Eindruck durch die Vorlage von 3 Fotos von der Baustelle bzw. von einer Verletzung, die der Zeuge auf seinem Handy gespeichert hatte und die Daten 13.01.2019, 22.01.2019 sowie 13.02.2019 trugen; alles Daten, an denen die Beklagte angeblich keinerlei Arbeit mehr dort zu verrichten hatte. Dass der Zeuge, der am Ausgang des Prozesses erkennbar kein Interesse hatte, nicht nur lügt, sondern noch dazu Bilder einbringt und die dazugehörigen Daten, wann sie gefertigt worden sein sollen, fälscht, erschien der Kammer fernliegend.

Bestätigt wurde diese Bewertung durch die Aussage des Bruders, des Zeugen A B . Dieser führte ebenfalls aus, dass er zusammen mit dem Kläger bis „Ende Januar/Anfang Februar“ gearbeitet habe und hiernach durch den anwesenden Geschäftsführer der Beklagte gebeten worden sei, mangels Arbeit zunächst zu Hause zu bleiben. Er konnte ebenfalls bestätigen, dass im Haus des Geschäftsführers der Beklagten Barzahlungen erfolgt seien. Sein Aussageverhalten war zwar nicht geprägt von einem besonderen Redebedarf. Seine Verärgerung über den Vorgang erkannte das Gericht jedoch ebenso. Insbesondere hatte das Gericht den Eindruck, dass der Zeuge zuletzt erbost war über den Versuch der Beklagten, ihn der Lüge zu überführen, indem ihn die Beklagte offenbar vorwerfen wollte, dass die von ihm angegebene Etage, auf der er gearbeitet haben will, nicht der Wahrheit entsprechen könne. In diesem Moment reagierte der Zeuge erkennbar emotionaler und verwies zuletzt noch ausdrücklich – ohne, dass das Gericht oder ein anderer Prozessbeteiligter noch eine Frage gestellt hatte – darauf, dass er „einfacher Arbeiter“ sei, sich nichts habe merken müssen und daher auch keinen Plan gesehen habe. Diese Emotion erschien dem Gericht glaubhaft. Sie war erkennbar nicht gespielt, sondern geprägt von einer Verärgerung, dass die Beklagte, die ihre Verpflichtungen nicht eingehalten hatte, nunmehr den Versuch unternahm, die Zeugen zu diskreditieren. Auch der Zeuge A B hatte – ebenso wie sein Bruder – erkennbar kein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits und wies ebenfalls keine Belastungstendenzen auf. Auch der Zeuge A B hat insoweit eine Anwesenheit des Klägers nur bis „Ende Januar/Anfang Februar“ bestätigt. Wenn es sein Interesse gewesen wäre, dem klägerischen Begehren entsprechend vorzutragen, wäre zu erwarten gewesen, dass ihm der Sachvortrag des Klägers, bis wann er für die Beklagte gearbeitet habe, bekannt gewesen wäre und, dass er diesen Sachvortrag sodann übernommen hätte. Dies unterblieb jedoch. Er schilderte stattdessen ausdrücklich, dass ihm das genaue Datum – nachvollziehbarerweise – nicht mehr bekannt sei. Abgerundet wurde auch diese Aussage durch ergänzende Elemente: Der Zeuge A B legte ein Video vor, welches er nach eigener Bekundung auf der Baustelle im Januar 2019 gefertigt habe; ein Zeitpunkt, zu dem die Beklagte angeblich keinerlei Aufgaben auf der Baustelle mehr zu erledigen gehabt habe. Dass der Zeuge A B das Datum dieses Videos gefälscht haben könnte, wurde weder vorgetragen noch gab es hierfür Anhaltspunkte.

Auch der letzte Zeuge, den die Beklagte gegenbeweislich benannt hatte, war für den Sachvortrag des Klägers positiv ergiebig. Der Zeuge M schilderte, dass die Beklagte bis mindestens Januar 2019 auf der Baustelle tätig gewesen sei. Er verwies auf ein Foto, welches er selber am 30.01.2019 – dem nach seiner Erinnerung letzten Tag auf der Baustelle – gefertigt habe und auf dem Arbeiter der Beklagten zu sehen seien. Er erwähnte die Teilkündigungen und führte aus, dass in der Weihnachtszeit aufgrund des Zeitverzuges gearbeitet worden sei. Damit bestätigte er – zumindest hinsichtlich des hier relevanten Zeitraums – den Sachvortrag des Klägers.

Auch er schilderte Umstände, die das Gericht theoretisch zu Gunsten der Beklagten hätte auslegen können. Dies trug zu seiner Glaubwürdigkeit bei. So konnte er beispielsweise nicht konkret benennen, wann die Kündigung des gesamten Auftrages ihre Wirkung entfaltete. Er offenbarte – nachvollziehbare – Wissenslücken, die ein Zeuge, dem es – aus welchen Gründen auch immer – allein darum gegangen wäre, den Prozess zu Gunsten der Beklagten zu beeinflussen, nicht offenbart hätte. Auch konnte er den zuvor erwähnten vermeintlichen Arbeitsunfall am 13.02.2019 nicht bestätigen, was theoretisch zu Gunsten der Beklagten hätte ausgelegt werden können. Er zählte den Kläger nicht zu der von ihm titulierten „Stammgruppe“. All dies verdeutlicht, dass er glaubwürdig war und tatsächlich nur das schilderte, an das er sich erinnerte. Dieser Eindruck wurde dadurch bestärkt, dass der Zeuge M keinerlei persönlichen Bezug zum Kläger hatte und damit erkennbar am Ausgang des Rechtsstreits nicht interessiert war. Seine Aussage, dass die Beklagte bis einschließlich 30.01.2019 auf der Baustelle gearbeitet habe, war damit glaubhaft. Untermauert wurde diese Einlassung auch hier durch ein Foto, welches der Zeuge eben von diesem Tage angefertigt hatte und auf dem Mitarbeiter der Beklagten zu sehen war. Dass der erkennbar neutrale Zeuge M das Datum des Fotos gefälscht haben könnte, wurde weder behauptet noch gab es hierfür Anhaltspunkte.

Dass der Zeuge nicht ausdrücklich bestätigen konnte, dass der Kläger noch am 30.10.2019 zugegen war, bedurfte an dieser Stelle noch keiner Bewertung, da jedenfalls eine Tätigkeit des Klägers bis zum 22.12.2018 unterstellt werden konnte.

Die glaubhaften Aussagen aller 3 Zeugen, die zudem ein schlüssiges und widerspruchfreies Gesamtbild ergaben, wurden bestätigt durch folgende weitere Elemente:

Die Beklagte legte zuletzt eine Vielzahl von Dokumenten vor. Es handelte sich hierbei um Korrespondenz zwischen der Beklagten und ihrem Auftraggeber. Aus diesen Dokumenten ergaben sich Teilkündigungen vom 22.11.2018, 17.12.2018, 19.12.2018, 14.01.2019, 28.01.2019 und vom 08.02.2019 sowie eine Kündigung des gesamten Auftrages vom 12.02.2019. Hieraus ergab sich gerade nicht, dass zum Ende des Jahres 2018 angeblich keinerlei Aufgaben mehr zu erledigen waren. Das Gegenteil war der Fall. Die Kündigung des gesamten Vertrages erfolgte erst im Februar 2019. Zuvor hatte der Auftraggeber der Beklagten in den zahlreichen Teilkündigungen noch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Leistungspflicht hinsichtlich der sonstigen Leistungen aufrechterhalten bleibt. Gegenteiliger Sachvortrag der Beklagten stellt einen Verstoß gegen die prozessuale Wahrheitspflicht dar.

Die Glaubwürdigkeit der Zeugen sowie des sich insoweit damit in Einklang zu bringenden Sachvortrages des Klägers wird zudem dadurch gestützt, dass sowohl die Zeugen B als auch der Kläger Barzahlungen der Beklagten behaupteten, die die Beklagte bestritten hatte. Zeugen und Parteien, die bereit sind, Straftaten zu begehen, um den Ausgang eines Prozesses durch wahrheitswidrigen Sachvortrag zu beeinflussen, behaupten in der Regel zu ihren Lasten keine Barzahlungen, die von der Gegenseite bestritten werden.

Zuletzt bewertete das Gericht auch, dass der Auftraggeber der Beklagten ebenfalls Unwahrheiten vorgeworfen hatte. Mit Schreiben vom 12.02.2019 warf dieser der Beklagten einen „frei erfundenen“ Sachvortrag vor, um „nicht fällige Abschlagszahlungen“ durchzusetzen. Ob es sich hierbei tatsächlich um einen frei erfundenen Sachvortrag handelte und damit eine Lüge war, konnte das Gericht selbstverständlich nicht bewerten und war für den Ausgang des Rechtsstreits selbstredend nicht relevant. Es bedurfte aber dennoch insofern einer Erwähnung, als dass sich hiermit der Gesamteindruck bestärkte, welche Partei bereit war, gegen den Grundsatz der prozessualen Wahrheitspflicht zu verstoßen. Der Vorwurf der Lüge wurde gegenüber der Beklagten jedenfalls auch schon von ihrem Auftraggeber erhoben.

Für den Zeitraum vom 11.12.2018 bis zum 22.12.2018 war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme mithin von einer erbrachten Arbeitsleistung des Klägers auszugehen.

Der Höhe nach galt folgendes:

Grundsätzlich können die behaupteten Arbeitszeiten der klagenden Partei – wie dargelegt – zwar grundsätzlich als wahr unterstellt werden, weil es im bestehenden Arbeitsverhältnis nach einer abgestuften Darlegungslast Aufgabe des Arbeitgebers ist, im Einzelnen vorzutragen, von welcher Arbeitszeit er ausgeht, sofern der Arbeitnehmer seinerseits hierzu bereits konkret vorgetragen hat (BAG vom 18.04.2012, 5 AZR 248/11).

Vorliegend verhielt es sich aus folgenden Gründen jedoch anders:

Der Kläger hatte im Rahmen seiner Klageschrift für insgesamt 41 Tage Vergütung aus angeblich geleisteter Arbeit gefordert. Dabei wurden für alle 7 Samstage eine Arbeitszeit von 07:30 Uhr bis 15:30 Uhr = 8 Stunden und für alle 34 Wochentage eine Arbeitszeit von 07:30 bis 12:30 Uhr sowie von 13 Uhr bis 18 Uhr = 10 Stunden eingeklagt. Es gab also nach dem Sachvortrag des Klägers nie Veränderungen. Er fing immer zur gleichen Zeit an. Er legte die Pause stets zur gleichen Zeit mit gleicher Dauer ein und beendete den Arbeitstag minutengenau stets zur gleichen Zeit. Dies allein mag auffällig, jedoch noch nicht geeignet sein, diesen Sachvortrag anzweifeln zu können.

Allerdings war es der Kläger selber, der im Rahmen der Berufungsbegründung die GPS Daten seines eigenen Mobiltelefons vorlegte, um den Sachvortrag zu untermauern, dass er auch nach dem 10.12.2018 auf der Baustelle tätig war.

Nach Vorlage dieser Daten bewertete das Gericht den Sachvortrag hinsichtlich der geleisteten Stunden jedoch anders:

Die Daten waren zunächst prozessual verwertbar. Soweit der Kläger selber dies offenbar als problematisch ansah und insoweit die Zulassung der Revision angeregt hatte, teilte das Gericht dies nicht. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG kann insoweit nur verletzt sein, als dass der Kläger Daten über eine andere Person in den Prozess hätte einbringen wollen. Es handelte sich jedoch um Daten, die allein und ausschließlich ihn betrafen. Er führte ausdrücklich aus, dass es sich um sei eigenes Mobiltelefon handelte und nur er es war, der dieses nutzte. Insofern war er selbstredend auch befugt, die entsprechenden Daten in den Prozess einzuführen, weil er Inhaber des tangierten Rechts ist.

Das Gericht war auch befugt, diese Daten zu verwenden und deren Richtigkeit zu unterstellen. Soweit die Beklagte in Zweifel zog, dass es sich um das klägerische Mobilfunkgerät handelte und dieses von ihm genutzt worden sei, handelte es sich um ein unbeachtliches Bestreiten ins Blaue hinein.

Es ist im Zivilprozess wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig, eine Behauptung „ins Blaue hinein“ aufzustellen. Hiervon ist bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte auszugehen (BGH vom 13.12.2002, V ZR 359/01). Einem Bestreiten ins Blaue hinein ist nicht nachzugehen (OLG Köln vom 27.02.1991, 2 U 89/90).

So verhielt es sich hier: Es fehlte jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass es sich nicht um die hier relevanten Aufenthaltsdaten und Bewegungsabläufe des Klägers handelte. Weshalb die Beklagte die Richtigkeit dieser Daten, die sich – wie noch auszuführen sein wird – zum Teil auch negativ für den Kläger auswirkten, anzweifelte, erschloss sich nicht ansatzweise. Der Einwand der Beklagten war daher nicht relevant.

Bei Berücksichtigung der Daten fiel auf, dass sie überwiegend nicht in Einklang zu bringen waren mit den oben geschilderten, stets gleichlaufenden Arbeitszeiten.

Der Kläger selber bestätigte dies im Rahmen der Berufungsverhandlung am 04.04.2023, indem er nach entsprechender Rückfrage durch das Gericht ausführte, dass er mangels eigener Aufzeichnung und aufgrund des Umstandes, dass der Sachverhalt nun schon einige Zeit vergangen sei, nur grob geschätzt habe, welche Arbeitszeiten es hätten sein können.

Hiernach erschien es dem Gericht daher notwendig, die Höhe des Schadens in Anbetracht der vom Kläger selber vorgelegten GPS-Daten zu schätzen.

Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung, § 287 Absatz 1 Satz 1 ZPO.

Die Vorschrift reduziert die Anforderungen an die Darlegungslast und an die Überzeugungsbildung des Tatrichters. Anwendbar ist sie, soweit es um Entstehung und Höhe eines Schadens geht und für die Bestimmung der Anspruchshöhe, wenn eine vollständige Aufklärung mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden wäre (BeckOK ZPO/Bacher ZPO § 287 Rn. 1).

So verhielt es sich hier:

Das Gericht war – wie dargelegt – davon überzeugt, dass der Kläger auch nach dem 10.12.2018 weiter für die Beklagte gearbeitet hatte. Es lag zudem auf der Hand – und wurde vom Kläger selber auch ausdrücklich bestätigt – dass die genauen Arbeitszeiten nicht mehr bekannt waren. Eine vollständige Aufklärung des Sachverhaltes mit genauer Bezifferung des Schadens erschien damit kaum möglich. Dies führte jedoch nicht zur Abweisung der Klage, sondern dazu, dass das Gericht die Höhe des Schadens nach § 287 Absatz 1 Satz 1 ZPO schätzte.

Unter Zugrundelegung der vom Kläger eingereichten GPS Daten ergab sich damit für den Zeitraum vom 11.12.2018 bis zum 22.12.2018 folgendes Bild:

11.12.2018  10 Stunden

12.12.2018  10 Stunden

13.12.2018  –

14.12.2018  –

15.12.2018  5: 30 Stunden

17.12.2018  10 Stunden

18.12.2018  10 Stunden

19.12.2018  10 Stunden

20.12.2018  9 Stunden

21.12.2018  8 Stunden

22.12.2018  –

Gesamt   72,5 Stunden

Zur Erläuterung ist auszuführen, dass zwischen der Baustelle in der E straße und der im GPS-System stets vermerkten H -B -Straße nur wenige Meter liegen, so dass das Gericht die Zeiten, in denen das Mobiltelefon des Klägers einen Aufenthalt in der H -B -Straße aufgezeichnet hatte, als Arbeitszeiten bewertete.

Für den Monat Dezember ergab sich mithin folgendes Gesamtbild:

01.12.2018 bis 10.12.2018   76 Stunden

11.12.2018 bis 22.12.2018   72,5 Stunden

Gesamt      148,5 Stunden

Bei einem unstreitigen Stundenlohn in Höhe von 12 Euro bestand mithin für den eingeklagten Zeitraum im Dezember 2018 ein Gesamtvergütungsanspruch in Höhe von (148,5 h x 12 Euro) 1.782 Euro brutto. Hierauf leistete die Beklagte ausweislich der Lohnabrechnung und mangels anderweitiger Tilgungsbestimmung eine Teilerfüllung in Höhe von 456 Euro brutto. Die weiteren Zahlungen im Dezember 2018 erfolgten – erneut ausweislich der Lohnabrechnung – nicht auf diese Schuld. Für Dezember 2018 war damit hinsichtlich des eingeklagten Streitgegenstandes noch ein Betrag in Höhe von (1.782 Euro – 456 Euro) 1.326 Euro brutto offen. Dieser war Betrag stellt den von der Beklagten zu ersetzenden Schaden im Monat Dezember 2018 dar.

Einen weiteren Schaden konnte der Kläger für den Monat Dezember 2018 nicht darlegen und beweisen. Arbeitszeiten darüber hinaus wurden nicht in ausreichendem Maße vorgetragen. Das ergänzende Beweisangebot, welches der Kläger im Rahmen der Berufungsverhandlung am 04.04.2023 zu Protokoll gab, erschloss sich dem Gericht insoweit nicht, als dass das Gericht genau diese Daten bereits ausgewertet und bewertet hatte. Insofern beinhaltete dieser Beweisantrag keine neuen Aspekte, denen das Gericht hätte nachgehen müssen.

c) Gehalt 07.01.2019 bis 31.01.2019

Der Kläger hatte gegen die Beklagte für oben genannten Zeitraum einen Vergütungsanspruch in Höhe von (162,50 Stunden x 12 Euro) 1.950 Euro brutto aus dem Gesichtspunkt der geleisteten Arbeit, § 611 Absatz 1 BGB in Verbindung mit den arbeitsvertraglichen Regelungen sowie für den 01.01.2019 in Höhe von (10 Stunden x 12 Euro) 120 Euro brutto aus dem Gesichtspunkt der Entgeltfortzahlung an Feiertagen, § 2 Absatz 1 EFZG.

Dies ergab sich aus folgenden Erwägungen:

Irrelevant war, ob die Beklagte – wie behauptet – tatsächlich eine am 10.12.2018 zugegangene ordentliche Kündigung zum 31.12.2018 erklärt hatte. Denn eine solche Kündigungserklärung wäre für den streitgegenständlichen Vergütungsanspruch irrelevant, sofern der Kläger darlegen und beweisen könnte, nach diesem Datum mit Wissen und Wollen der Beklagten für diese weitergearbeitet zu haben. In diesem Falle wäre das Arbeitsverhältnis einvernehmlich fortgesetzt worden.

Dieser Beweis gelang dem Kläger:

Zwischen den Parteien war im Streit, ob der Kläger mit Ablauf des 10.12.2018 noch Tätigkeiten für die Beklagte erbracht hatte. Das Gericht war nach Durchführung der Beweisaufnahme dem Grunde nach überzeugt davon, dass dies im Zeitraum vom 07.01.2019 bis zum 31.01.2019 der Fall war.

Hinsichtlich der Grundsätze der Beweiswürdigung wird auf obige Ausführungen verwiesen.

Der Zeuge S B bekundete, dass er „zu 100 % sagen“ könne, dass der Kläger „den ganzen Januar gearbeitet habe“. Der Zeuge A B führte aus, dass der Kläger „Ende Januar/Anfang Februar“ noch gearbeitet habe. Er bekundete weiter, im Januar 2019 unter anderem auch mit dem Kläger gemeinsam im Auto zur Arbeit gefahren zu sein. Der Zeuge M verwies auf ein am 30.01.2019 von ihm persönlich gefertigtes Foto, auf dem nicht der Kläger, aber noch Arbeiter der Beklagten auf der Baustelle bei der Arbeit zu sehen waren. Weitere Aussagen zum Kläger hinsichtlich des Monats Januar 2019 konnte er konkret nicht tätigen.

Das Gericht hielt alle 3 Zeugen – wie dargelegt – für glaubwürdig. Auf obige Ausführungen ist insofern zu verweisen. Beide Kollegen des Klägers, die unmittelbar mit dem Kläger zusammengearbeitet hatten, waren sich sicher, dass der Kläger jedenfalls bis einschließlich Januar 2019 für die Beklagte tätig war. Diese Einlassungen deckten sich mit den vom Kläger eingereichten GPS Daten jedenfalls dem Grunde nach. Für das Gericht stand nach Durchführung der Beweisaufnahme außer Zweifel, dass der Kläger nicht nur im Dezember auch nach dem 10.12.2018, sondern auch im Januar 2019 nach Urlaubsrückkehr ab dem 07.01.2019 unverändert für die Beklagte auf der Baustelle in K tätig war. Der insoweit von der Beklagten offenbar angedachte unbekannte Drittunternehmer, für den der Kläger gearbeitet haben könnte, stellte eine Schutzbehauptung dar, die durch nichts ansatzweise belegt wurde.

Der Höhe nach galt auch hier, dass sich das Gericht an den vom Kläger selber eingereichten GPS Daten orientierte und hiernach eine Schätzung der Schadenshöhe nach § 287 Absatz 1 Satz 1 ZPO vornahm. Dies führte zu folgenden Ergebnissen:

07.01.2019  10 Stunden

08.01.   10 Stunden

09.01.   10 Stunden

10.01.   5 Stunden

11.01.   10 Stunden

12.01.   6 Stunden

14.01.   10 Stunden

15.01.   7 Stunden

16.01.   10 Stunden

17.01.   –

18.01.   10 Stunden

19.01.   8 Stunden

21.01.   6 Stunden

22.01.   10 Stunden

23.01.   6 Stunden

24.01.   –

25.01.   10 Stunden

26.01.   8 Stunden

28.01.   10 Stunden

29.01.   –

30.01.   7,5 Stunden

31.01.   9 Stunden

Gesamt   162,5 Stunden

Soweit sich aus den GPS-Daten nach der vorgenommenen Berechnungsmethode teilweise mehr Stunden ergaben als der Kläger für diesen Tag eingeklagt hatte, galt § 308 Absatz 1 Satz 1 ZPO. Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist.

Aus geleisteter Arbeit waren im Monat Januar 2019 mithin (162,5 Stunden x 12 Euro) 1.950 Euro brutto zu vergüten.

Zu addieren war ein Betrag in Höhe von 120 Euro brutto aus dem Gesichtspunkt der Entgeltfortzahlung an Feiertagen:

Für Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertages ausfällt, hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte, § 2 Absatz 1 EFZG.

Erforderlich ist Kausalität zwischen der durch das Feiertagsrecht ermöglichten Arbeitsruhe und dem Ausfall der Arbeit (ErfK/Reinhard, § 2 EFZG Rn. 4). Es gilt das Entgeltausfallprinzip (ErfK/Reinhard, § 2 EFZG Rn. 14).

Der Kläger konnte unwidersprochen vortragen, dass eine solcher Anspruch für 1 Tag – 01.01.2019 – im Monat Januar 2019 bestand. Auch die Höhe wurde nicht bestritten und entsprach der Berechnung der üblichen Vergütung an einem Arbeitstag.

Für den Monat Januar 2019 bestand mithin ursprünglich ein Gesamtvergütungsanspruch in Höhe von (1.950 Euro + 120 Euro) 2.070 Euro brutto. Die jedenfalls vom Kläger eingebrachte Teilerfüllung in Höhe von 820 Euro netto war in Abzug zu bringen. Der hiernach verbleibende Betrag stellt den Schaden dar, den der Kläger im Monat Januar 2019 erlitten hat.

Der Zinsanspruch ergab sich aus den §§ 286,288,291 BGB.

Im Übrigen war die Klage jedoch abzuweisen:

d) Gehalt 01.02.2019 bis 07.02.2019

Für den Zeitraum vom 01.02.2019 bis zum 07.02.2019 war kein von der Beklagten zu ersetzender Verzögerungsschaden eingetreten. Zumindest war es dem Kläger nicht gelungen, einen solchen darzulegen.

Ein Anspruch aus dem Gesichtspunkt der geleisteten Arbeit, § 611 Absatz 1 BGB in Verbindung mit den arbeitsvertraglichen Regelungen war nicht gegeben.

Der Kläger hatte behauptet, in dieser Zeit jeden Tag gearbeitet zu haben und hierfür insgesamt 58 Stunden eingeklagt. Der Beweis hierfür gelang ihm jedoch nicht. Die hierzu gehörten Zeugen waren diesbezüglich – anders als die Zeiträume vor dem 01.02.2019 – unergiebig.

Der Zeuge S B bekundete lediglich, dass er „zu 100 % sagen“ könne, dass der Kläger den gesamten Januar gearbeitet habe. Hinsichtlich des Zeitraums ab dem 01.02.2019 hielt er sich mit konkreten Aussagen diesbezüglich zurück. Er sagte ausdrücklich, dass er es nicht mehr wisse. Diese Einlassung verstärkt erneut die Glaubwürdigkeit des Zeugen, da sich eine Person, die bewusst zu Lasten einer Partei lügen möchte, eine Tätigkeit des Klägers vermutlich auch im Februar bestätigt hätte. Umgekehrt bedeutet dies allerdings auch, dass der Beweis einer Tätigkeit auch im Februar jedenfalls durch die Aussagen des Zeugen B nicht zu führen war.

Der Zeuge A B war sich noch nicht einmal sicher, wie lange er selber auf der Baustelle tätig war. Gleich zu Beginn äußerte er, dass er möglicherweise auch nur bis Ende Januar dort gearbeitet hatte. In diesem Falle hätte er keinerlei Aussagen dazu tätigen können, ob der Kläger noch im Februar 2019 auf der Baustelle gearbeitet hatte. Konkret angesprochen auf den Kläger verhielt er sich demzufolge ebenfalls zurückhaltend, indem er zunächst ausführte, das genaue Datum nicht zu wissen. Sodann ließ er sich dahingehend ein, dass der Kläger „Ende Januar/Anfang Februar“ noch da gewesen sei. Eine solche Aussage verdeutlicht die Unsicherheit. Es handelt sich – nachvollziehbarerweise – um eine Schätzung, eine vage Vermutung. Der Nachweis einer Tätigkeit des Klägers noch im Februar 2019 ließ sich hierdurch nicht führen. Auch die Aussage des Zeugen A B war diesbezüglich unergiebig.

Zuletzt waren auch die Aussagen des von der Beklagten benannten Zeugen M für die Behauptung des Klägers, auch im Februar 2019 noch für die Beklagte gearbeitet zu haben, nicht positiv ergiebig. Er legte ein Foto vor, welches er am 30.01.2019 auf der Baustelle gefertigt hatte. Auf diesem Foto war der Kläger nicht zu sehen. Zudem könnte dieses Bild ohnehin keinen Beweis für eine Tätigkeit des Klägers im Februar 2019 führen, da es nicht im Februar gefertigt worden war. Ansonsten traf der Zeuge M keine Aussage dahingehend, dass er den Kläger noch im Februar 2019 auf der Baustelle gesehen hatte. Er bekundete vielmehr, dass es aus seiner Sicht eine Stammbelegschaft gab, zu der er den Kläger nicht zählte. Auch seine Aussage war mithin insoweit nicht ergiebig.

Dieses Ergebnis deckt sich zudem mit den GPS-Daten des klägerischen Mobiltelefons. An keinem der Tage vom 01.02.2019 bis zum 07.02.2019 befinden sich Zeiten, die sich der Baustelle in der E straße in K zuordnen lassen.

Damit bestand kein nachweisbarer Vergütungsanspruch des Klägers für den Zeitraum vom 01.02.2019 bis zum 07.02.2019. Ein zu ersetzender Verzögerungsschaden schied für diese Zeit mithin aus.

e) 11.02.2019 bis 28.02.2019

Das gleiche galt für den Zeitraum vom 11.02.2019 bis zum 28.02.2019, in dem der Kläger unstreitig nicht mehr für die Beklagte gearbeitet hatte.

Diesbezüglich berief sich der Kläger auf einen ursprünglichen Anspruch aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges.

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein, § 615 Satz 1 BGB. Nach § 615 BGB trägt der Arbeitgeber grundsätzlich das Risiko, den Arbeitnehmer nicht beschäftigen zu können. Kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wegen Auftragsmangels nicht beschäftigen, wird er nicht von seiner Gegenleistungspflicht befreit. Der Arbeitgeber bleibt vielmehr zur Entgeltzahlung verpflichtet (BAG vom 23.06.1994, 6 AZR 853/93).

Die Voraussetzungen lagen jedoch nicht vor, wurden jedenfalls nicht in ausreichendem Maße dargelegt:

Über die Leistungsfähigkeit hinaus ist erforderlich, dass der Arbeitnehmer leistungsbereit (leistungswillig) ist (BAG vom 19.05.2004, 5 AZR 434/03; BAG vom 17.08.2011, 5 AZR 251/10; ErfK/Preis BGB § 615 BGB Rn. 46). Annahmeverzug des Arbeitgebers ist ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer nicht leistungsfähig oder nicht leistungswillig ist (BAG vom 13.07.2005, 5 AZR 578/04; LAG Berlin-Brandenburg vom 03.08.2010, 16 Sa 532/10). Ein zuvor leistungsunwilliger Arbeitnehmer muss seine erneute Leistungsbereitschaft dem Arbeitgeber anzeigen (BAG vom 22.02.2012, 5 AZR 249/11; LAG Berlin-Brandenburg vom 31.05.2013, 6 Sa 373/13).

Dass der Kläger vor dem 11.02.2019 noch für die Beklagte gearbeitet hatte, konnte er nicht darlegen und beweisen. Eine Tätigkeit ab dem 01.02.2019 ließ sich – wie bereits ausgeführt – nicht nachweisen. Damit war es dem Kläger auch nicht gelungen, seine Leistungsbereitschaft in der Zeit vom 11.02.2019 bis zum 28.02.2019 darzulegen. Sofern er zuvor – ohne Freistellung – nicht mehr für die Beklagte tätig gewesen sein sollte, hätte es nach den soeben dargestellten Grundsätzen einer ausdrücklichen Erklärung des Klägers gegenüber der Beklagten bedurft, nun wieder arbeitsbereit zu sein. Eine Freistellung hatte der Kläger selber erst ab dem 09.02.2019 behauptet. Sofern er zuvor schon nicht gearbeitet haben sollte, hätte der Kläger seine Leistungsbereitschaft anzeigen müssen. Hierzu trug er jedoch nicht vor.

Ergänzend galt – auch wenn es streitentscheidend darauf nicht mehr ankam und insofern auch keiner eingehenden Erörterung bedurfte – auch folgendes:

Der Kläger selber hatte im Rahmen der Klageschrift keine Tätigkeit für Freitag, den 08.02.2019, eingetragen und eingeklagt, obwohl die Freistellung nach eigener Einlassung erst am Samstag, 09.02.2019, erfolgte. Damit wäre er sogar nach seiner eigenen Darstellung verpflichtet gewesen, hierzu und zu der hieraus möglicherweise ableitbaren Problematik der Leistungsbereitschaft vorzutragen. Eines ausdrücklichen Hinweises bedurfte es hierfür aber nicht, da sich die fehlende Leistungsbereitschaft – wie dargelegt – bereits aus dem Umstand ergab, dass der Kläger mit sämtlichen, von ihm angebotenen Beweismitteln den Beweis nicht führen konnte, noch ab dem 01.02.2019 für die Beklagte gearbeitet zu haben.

Ein Verzögerungsschaden für den Zeitraum vom 11.02.2019 bis zum 28.02.2019 schied mithin aus.

f) Urlaub

Zuletzt hat das Arbeitsgericht die Klage insoweit zu Recht abgewiesen, als dass der Kläger Ansprüche aus Urlaubsentgelt, Urlaubsgeld und Urlaubsabgeltung geltend machte.

aa) Urlaubsentgelt sowie Urlaubsgeld

Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub, § 1 BUrlG.

Nach § 13 Absatz 1 Satz 1 BUrlG in Verbindung mit § 8 Ziffer 4.1 BRTV Bau beträgt die Urlaubsvergütung 14,25 v.H., bei Schwerbehinderten im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen 16,63 v.H. des Bruttolohnes. Die Urlaubsvergütung besteht aus Urlaubsentgelt in Höhe von 11,4 v.H. – bei Schwerbehinderten 13,3 v.H. – des Bruttolohnes und dem zusätzlichen Urlaubsgeld. Das zusätzliche Urlaubsgeld beträgt 25 v.H. des Urlaubsentgelts.

Ausweislich der Klagebegründung klagte der Kläger „Urlaubsgeld 2018“ in Höhe von 2.103,85 Euro brutto ein. Aus der beigefügten Berechnung der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (im Folgenden: S -Bau) sowie der Lohnabrechnung der Beklagten im Dezember 2018 ließ sich entnehmen, dass es sich hierbei um Urlaubsentgelt (1.683,08 Euro) und Urlaubsgeld (420,77 Euro) handelte.

Ob die Berechnungen nachvollziehbar waren oder ob der Kläger verpflichtet gewesen wäre, zur Höhe konkrete Berechnungen vorzunehmen, bedurfte keiner abschließenden Bewertung. Der Anspruch wurde jedenfalls erfüllt.

Das Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. § 362 Absatz 1 BGB.

Die Erfüllung ist als rechtsvernichtende Einwendung im Prozess von Amts wegen zu prüfen, wobei die Darlegungs- und Beweislast für das Ob und das Wie der zur Erfüllung erbrachten Haupt- oder Nebenleistung nach allgemeinen Grundsätzen den Schuldner trifft (vgl. BGH vom 07.12.1999, XI ZR 67/99).

Dass die Beklagte den eingeklagten Betrag in Höhe von 2.103,85 Euro brutto bereits gezahlt und damit erfüllt hatte, ergab sich ohne Weiteres aus der Lohnabrechnung für den Monat Dezember 2018, so dass eine weitergehende Darlegung durch die Beklagte entbehrlich war. Den in der Lohnabrechnung aufgeführten Betrag hatte die Beklagte auch unstreitig an den Kläger überwiesen, so dass hinsichtlich des Betrages in Höhe von 2.103,85 Euro brutto Erfüllung eingetreten war.

bb) Urlaubsabgeltung

Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Antrag des Klägers auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung in Höhe von 384 Euro brutto abgewiesen.

Soweit der Kläger diesen Betrag teilweise als „Urlaubsgeld“ titulierte, ging das Gericht davon aus, dass es sich um eine irrtümliche Falschbezeichnung handelte, nachdem er im Folgenden stets Ausführungen zur Frage der Urlaubsabgeltung tätigte und hierzu vortrug. Er monierte im Rahmen der Berufungsbegründung auch nicht, dass das Arbeitsgericht offenbar ebenfalls diese Auslegung vorgenommen und ausschließlich zur Frage der Urlaubsabgeltung vorgetragen hatte.

Nach § 7 Absatz 4 BUrlG ist der Urlaub grundsätzlich abzugelten, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann.

Gemäß § 13 Absatz 1 Satz 1 BUrlG in Verbindung mit § 8 Ziffer 6.1 BRTV Bau hat der Arbeitnehmer nur dann einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung, wenn er länger als drei Monate nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis zu einem von diesem Tarifvertrag erfassten Betrieb gestanden hat, ohne arbeitslos zu sein, länger als drei Monate nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis zu einem von diesem Tarifvertrag erfassten Betrieb gestanden hat und berufsunfähig oder auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, seinen bisherigen Beruf im Baugewerbe auszuüben, Altersrente oder Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung bezieht, nachdem sein Arbeitsverhältnis geendet hat, in ein Angestellten- oder Ausbildungsverhältnis zu einem Betrieb des Baugewerbes überwechselt, als Gelegenheitsarbeiter, Werkstudent, Praktikant oder in ähnlicher Weise beschäftigt war und das Arbeitsverhältnis vor mehr als drei Monaten beendet wurde oder nicht mehr von diesem Tarifvertrag erfasst wird, ohne dass sein Arbeitsverhältnis endet, und er nicht innerhalb von drei Monaten erneut von diesem Tarifvertrag erfasst wird.

Gemäß § 8 Ziffer 6.2. BRTV Bau richtet sich der Anspruch auf Urlaubsabgeltung gegen die S -Bau. Dieser Anspruch ist nur zu erfüllen, soweit Beiträge für die Urlaubsansprüche des jeweiligen Urlaubsjahres bereits geleistet worden sind oder bis zum Ablauf des Kalenderjahres nachentrichtet werden und nicht für die Erstattung von Urlaubsvergütungen verwendet worden oder zum Ausgleich für geleistete Erstattungen zu verwenden sind. §§ 366, 367 BGB finden keine Anwendung.

Die Regelung, dass sich der Anspruch auf Urlaubsabgeltung gegen die S Bau richtet, erfasst nur solche Abgeltungsansprüche, die nach den Vorschriften des BRTV berechnet und durch Arbeitgeberbeiträge an den Beklagten gedeckt sind. Für weitergehende Abgeltungsansprüche bleibt der Arbeitgeber gemäß § 7 Absatz 4 BUrlG Anspruchsgegner. Der Abgeltungsanspruch ist mithin nur dann von der S Bau zu erfüllen, soweit Beiträge für die Urlaubsansprüche des jeweiligen Urlaubsjahres bereits geleistet worden sind oder bis zum Ablauf des Kalenderjahres nachentrichtet werden und nicht für die Erstattung der Urlaubsvergütungen verwendet worden ist oder zum Ausgleich für geleistete Erstattungen zu verwenden sind. Es handelt sich bei der tarifvertraglichen Systematik mithin um eine Beschränkung auf beitragsgedeckte Abgeltungsansprüche. Hat der Arbeitgeber hingegen keine Beiträge für die Urlaubsansprüche geleistet, hat nicht die S Bau, sondern der Arbeitgeber die Urlaubsabgeltung zu zahlen. Jedenfalls wäre eine Tarifnorm, die Arbeitnehmer im Baugewerbe im Falle der unterlassenen Beitragszahlung ohne Schuldner lässt, unwirksam (BAG vom 15.01.2013, 9 AZR 465/11).

Der Antrag des Klägers war dennoch abzuweisen:

Nach § 8 Ziffer 2.2 BRTV Bau erwirbt der Arbeitnehmer nach jeweils 12 Beschäftigungstagen Anspruch auf einen Tag Urlaub. Nach § 8 Ziffer 2.3 BRTV Bau sind Beschäftigungstage alle Kalendertage des Bestehens von Arbeitsverhältnissen in Betrieben des Baugewerbes während des Urlaubsjahres. Ausgenommen hiervon sind Tage, an denen der Arbeitnehmer der Arbeit unentschuldigt ferngeblieben ist und Tage unbezahlten Urlaubs, wenn dieser länger als 14 Tage gedauert hat. Nach § 8 Ziffer 2.4 BRTV Bau sind volle Beschäftigungsmonate zu 30 Beschäftigungstagen zu zählen.

Ausweislich der Klageerweiterung vom 04.08.2021 klagte der Kläger eine Urlaubsabgeltung für 4 Tage ein. Erstmals im Rahmen der Berufungsbegründung nahm der Kläger eine Berechnung anhand von Beschäftigungstagen vor. Diese Berechnung war nach Durchführung der Beweisaufnahme jedoch wie folgt vorzunehmen:

Der Monat Januar 2019 war nach § 8 Ziffer 2.4 BRTV Bau mit 30 Beschäftigungstagen zu bewerten. Für den Monat Februar 2019 konnte angesichts der Regelung des § 8 Ziffer 2.3 BRTV Bau kein Beschäftigungstag berücksichtigt werden, da eine Arbeitsleitung des Klägers – wie dargelegt – nicht nachgewiesen werden konnte.

Bei 30 Beschäftigungstagen im Jahr 2019 wären damit im Jahr 2019 nach der Regelung des § 8 Ziffer 2.2 BRTV Bau 2,5 Urlaubstage entstanden. Bruchteile von Urlaubstagen sind nach § 8 Ziffer 2.7 BRTV Bau auf volle Urlaubstage kaufmännisch aufzurunden, so dass sich der Anspruch für 2019 auf 3 Tage belief. Genau diese 3 Tage hatte der Kläger nach eigenem Sachvortrag jedoch im Jahr 2019 schon genommen (02.01.2019 bis 04.01.2019). Offene, abzugeltende Urlaubstage bestanden mithin nicht mehr. Das Urlaubsentgelt für die 3 genommenen Urlaubstage war nicht streitgegenständlich.

Damit war es nicht relevant, ob das Arbeitsverhältnis tatsächlich beendet war, was nicht der Fall wäre, wenn eine Kündigung tatsächlich – wie auch vom Kläger schriftlich bestätigt – am 10.12.2018 zugegangen wäre und sodann einvernehmlich eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erfolgte. Ebenso wenig von Relevanz war damit, dass auch die Berechnungen der Höhe nicht nach den tarifvertraglichen Regelungen erfolgte.

Ein Verzögerungsschaden hinsichtlich der streitgegenständlichen Urlaubsansprüche war damit zu verneinen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 64 Absatz 6 ArbGG, 97 Absatz 1, 92, 344 ZPO. Es erfolgte eine Quotelung anteilig des Unterliegens. Der Kläger hat zudem die Kosten seiner Säumnis zu tragen.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Absatz 2 ArbGG sind nicht gegeben. Keine der entscheidungserheblichen Rechtsfragen hat grundsätzliche Bedeutung. Die Rechtsfragen berühren auch nicht wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit. Ferner lagen keine Gründe vor, die die Zulassung wegen einer Abweichung von der Rechtsprechung eines der in § 72 Absatz 2 Nr. 2 ArbGG angesprochenen Gerichte rechtfertigen würde.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Arbeitsrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Arbeitsrecht. Vom Arbeitsvertrag bis zur Kündigung. Nehmen Sie noch heute Kontakt zu uns auf.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Arbeitsrecht einfach erklärt

Weitere interessante arbeitsrechtliche Urteile

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!