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Fristlose Arbeitnehmerkündigung in Kleinbetrieb – Wartefrist – Entschädigungsanspruch nach AGG

Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 4 Sa 862/17 – Urteil vom 11.12.2018

1. Die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28.09.2017 – 6 Ca 1413/17 – werden zurückgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens zu 75 Prozent und die Klägerin zu 25 Prozent.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung während der Probezeit sowie einer außerordentlichen Kündigung und über einen Entschädigungsanspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) aufgrund einer Benachteiligung wegen des Geschlechts.

Der Beklagte ist Rechtsanwalt und betreibt eine Kanzlei in K mit einem angestellten Rechtsanwalt, einer angestellten Rechtsanwältin, drei weiblichen Rechtsanwaltsfachangestellten, einer Auszubildenden und drei als stundenweise Aushilfe beschäftigten weiteren weiblichen Rechtsanwaltsfachangestellten.

Die am .1976 geborene Klägerin schloss mit dem Beklagten unter dem 25.11.2016 einen Arbeitsvertrag (Anlage K 1 zur Klageschrift, Blatt 15 ff. der Akte). Auf dieser Grundlage trat die Klägerin am 02.01.2017 auf Basis einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von 2.950,00 EUR ihre Arbeit als Rechtsanwaltsfachangestellte in der Kanzlei des Beklagten an. Unter dem 10.01.2017 (Anlage B 1 zur Klageerwiderung vom 17.03.2017, Blatt 96 der Akte) beantragte die Klägerin Sonderurlaub für ihre eigene Hochzeit am 17.03.2017, den der Beklagte genehmigte.

Am 24.01.2017 setzte die Klägerin den Beklagten telefonisch über die am gleichen Tag erlittene Fehlgeburt im frühen Schwangerschaftsstadium und ihre bis zum 27.01.2017 andauernde Arbeitsunfähigkeit in Kenntnis. Der Klägerin wurde durch frauenärztliches Attest (Anlage B 3 zur Klageerwiderung vom 17.03.2017, Blatt 98 der Akte) Arbeitsunfähigkeit vom 24.01.2017 bis zum 27.01.2017 bescheinigt. Am 30.01.2017 nahm die Klägerin ihre Arbeit wieder auf.

Am 07.02.2017 kam es zwischen den Parteien zu einem Gespräch unter vier Augen, in dem unter anderem über die Büroorganisation und Arbeitszeiten der Klägerin gesprochen wurde. Der Inhalt des Gesprächs im Einzelnen ist zwischen den Parteien streitig.

Am Freitag, den 10.02.2017, erkrankte die Klägerin und verließ nach Rücksprache mit dem Beklagten ihren Arbeitsplatz. Der Klägerin wurde durch Bescheinigung eines Allgemeinmediziners vom 13.02.2017 (Anlage K 5 zur Klageschrift, Blatt 28 der Akte) Arbeitsunfähigkeit vom 13.02.2017 bis zum 24.02.2017 attestiert. Nach Kenntnis von der Krankschreibung kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Schreiben vom 13.02.2017 (Anlage K 6 zur Klageschrift, Blatt 29 f. der Akte) ordentlich innerhalb der Probezeit zum 27.02.2017. In dem Kündigungsschreiben heißt es:

„Nach ihrer Genesung können wir uns gerne über ein neu abzuschließendes Arbeitsverhältnis unterhalten. Bitte haben Sie jedoch Verständnis dafür, dass ich in Anbetracht Ihrer Krankschreibung von zwei Wochen und der Tatsache, dass Sie damit schon in den ersten zwei Monaten drei Wochen krankheitsbedingt ausfallen, das Arbeitsverhältnis so nicht fortsetzen werde.“

Die Klägerin holte das Kündigungsschreiben nach Mitteilung am 16.02.2017 bei der Poststelle ab. Unter demselben Datum schickte die Klägerin dem Beklagten folgende Textnachricht:

„Sehr geehrter Herr H, ich habe heute Ihre Kündigung bei der Post abgeholt. Das hat mich schon enttäuscht, auch wenn es nicht ganz überraschend kam. Sie erinnern sich an das Gespräch am 07.02., bei dem Sie mir mitteilten, dass Sie mich kündigen müssen, wenn ich wieder schwanger werden möchte. Ich frage mich nun, ob Sie ernsthaft an einem möglichen neuen Arbeitsverhältnis interessiert sind, sobald ich wieder genesen bin. Ich hatte ja auf Ihre Frage bzgl. des Wunsches ggf. erneut schwanger zu werden, nicht geantwortet und möchte dies eigentlich auch künftig ungerne tun. Daher wäre ich Ihnen verbunden, wenn Sie mir dies ehrlich mitteilen würden, da ich ungern ein zweites Mal gekündigt werden würde. Sollte dies der Fall sein, würde ich mir lieber etwas Anderes nach meiner Genesung suchen. Wir sollten dann allerdings wegen der Überstunden noch einmal miteinander sprechen.“

Als Reaktion auf die Nachricht der Klägerin wandte sich der Beklagte mit Schreiben vom 22.02.2017 (Anlage K 9 zur Klageschrift, Blatt 34 der Akte) an die Klägerin. In dem Schreiben heißt es wie folgt:

„Zunächst einmal halte ich fest, dass ich Ihnen im Einstellungsgespräch erläutert habe, dass ich eine Arbeitskraft für meinen wichtigsten Arbeitsplatz suche, der selbstverständlich voraussetzt, dass sich dieser Mitarbeiter intensiv in meine Kanzleiorganisation einarbeitet und dauerhaft zur Verfügung steht. Wenn Ihre Lebensplanung schon beim Einstellungsgespräch war, kurzfristig schwanger zu werden, hätten Sie mir dies offenbaren müssen, da Sie dann für die zu besetzende Stelle nicht in Frage gekommen wären.

Eine Frage nach Ihrer Lebensplanung wollen Sie auch in Zukunft nicht beantworten, verlangen aber von mir ehrliche Antworten. Sie sind enttäuscht, wenn Sie eine Kündigung erhalten, nachdem Sie mir in der Probezeit nach einer einwöchigen Erkrankung ohne jeden Kommentar eine Krankmeldung für die Dauer von gleich 2 Wochen vorlegen. Ich kann darauf nur erwidern, dass ich von Ihnen ein anderes Verhalten erwartet habe und was die Ehrlichkeit angeht, sollten Sie sich besser an die eigene Nase fassen!

Ein Gespräch über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Konditionen kommt für mich nicht mehr in Betracht. Ich wünsche Ihnen trotzdem auf Ihrem Lebensweg weiterhin alles Gute und empfehle Ihnen dringend einen anderen Umgang mit Ihren Arbeitgebern.“

Mit ihrer am 27.02.2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen, dem Beklagten am 08.03.2017 zugestellten Klage hat sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 13.02.2017 gewandt und zudem den sogenannten allgemeinen Feststellungsantrag angekündigt. Gleichzeitig hat die Klägerin eine Entschädigung aufgrund einer Benachteiligung wegen des Geschlechts, die Bezahlung von Überstunden und Weiterbeschäftigung beansprucht.

Mit Schreiben vom 09.03.2017 (Anlage B 7 zum Schriftsatz des Beklagten vom 19.09.2017, Blatt 177 a der Akte) kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin erneut vorsorglich ordentlich in der Probezeit zum 23.03.2017. Zudem sprach der Beklagte auf Seite 20 seiner Klageerwiderung vom 17.03.2017 (Blatt 93 der Akte) hilfsweise eine fristlose außerordentliche Kündigung wegen Verleumdung aus. Diesen Schriftsatz nahm der Klägervertreter im Rahmen der Güteverhandlung am 21.03.2017 als zugestellt entgegen.

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe sie in dem Personalgespräch am 07.02.2017 gefragt, ob sie plane, eine Familie zu gründen. Nachdem sie mitgeteilt habe, dass sie diese private Frage nicht beantworten möge, habe der Beklagte ihr mitgeteilt, dass er sie – wenn sie wieder schwanger werden möchte – kündigen müsse.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 13.02.2017 sei nach § 134 BGB in Verbindung mit § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG unwirksam, da der Beklagte sie mit der Kündigung wegen ihres Geschlechts benachteiligt habe. Die diskriminierenden Beweggründe ergäben sich eindeutig aus dem Kündigungsschreiben vom 13.02.2017 sowie dem Schreiben vom 22.02.2017. Aufgrund der Diskriminierung könne die Klägerin auch verlangen, dass ihr eine Entschädigung in Höhe von mindestens drei Gehältern gezahlt wird. Auch bezüglich der Kündigung vom 09.03.2017 sei eine Diskriminierung wegen des Geschlechts anzunehmen. Ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung vom 17.03.2017 bestehe nicht. Zudem hat die Klägerin insoweit bestritten, dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten worden ist.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 13.02.2017 nicht beendet worden ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch durch die ordentliche Kündigung vom 09.03.2017 nicht beendet worden ist;

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch durch die außerordentliche Kündigung vom 17.03.2017 nicht beendet worden ist;

4. den Beklagten zu verurteilen, an sie eine Entschädigung nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Höhe der Entschädigung wird in das Ermessen des Gerichts gestellt, sollte aber einen Betrag von 8.850,00 EUR nicht unterschreiten;

5. den Beklagten zu verurteilen, an sie 387,19 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.02.2017 zu zahlen;

6. den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtstreits zu den bisherigen Bedingungen als Rechtsanwaltsfachangestellte in seinem Betrieb in Köln weiter zu beschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat behauptet, die Klägerin habe ihm bereits im Rahmen des Vorstellungsgesprächs erläutert, dass sie im März des Jahres 2017 ihren Lebensgefährten heiraten und deshalb Urlaub nehmen wolle. Im Gespräch am 07.02.2017 habe er keinesfalls Fragen nach der Familienplanung der Klägerin gestellt. Durch die ihm bekannte geplante Heirat der Klägerin und die mitgeteilte Fehlgeburt sei für ihn völlig klar gewesen, dass die Klägerin plante, ein Kind zu zeugen. Dass er trotz Kenntnis dieser Umstände nicht bereits nach Bekanntwerden der Fehlgeburt gekündigt habe, zeige doch eindeutig, dass der Grund für die ausgesprochene Kündigung nicht eine etwaige geplante Schwangerschaft der Klägerin gewesen sei. Letztere habe bei der Kündigungsentscheidung ebenso wie die Fehlgeburt gar keine Rolle gespielt. Vielmehr habe ihn ausschließlich die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum von zwei Wochen dazu veranlasst, das Anstellungsverhältnis zu beenden. Hierfür spreche auch, dass er der Klägerin im Kündigungsschreiben ein Gesprächsangebot über eine mögliche Wiedereinstellung unterbreitet habe.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, eine Diskriminierung der Klägerin liege insgesamt nicht vor. Der Klägerin sei es nicht gelungen, Indizien vorzutragen, die eine Diskriminierung wegen des Geschlechts nahelegen würden. Ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung liege in der fortgesetzten Behauptung der Klägerin, der Beklagte habe sie wegen ihres Geschlechts diskriminiert. Die Vorwürfe erfüllten die Tatbestände der Beleidigung sowie der üblen Nachrede und verletzten ihn in seinem Ehrgefühl.

Das Arbeitsgericht hat die Klage für insgesamt zulässig und teilweise begründet erachtet. Die Kündigung des Beklagten vom 13.02.2017 sei gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG aufgrund einer Benachteiligung der Klägerin wegen des Geschlechts unwirksam. Die Klägerin habe hinreichend dargetan, dass der Beklagte eine etwaige von ihr beabsichtigte Schwangerschaft zumindest als Teil eines Motivbündels zur Grundlage der ausgesprochenen Kündigung genommen habe. Dies folge im Wesentlichen aus dem Schreiben des Beklagten vom 22.02.2017, das in direktem inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang zu der Kündigung gestanden habe. Die hiermit verbundene Indizwirkung habe der Beklagte nicht zu widerlegen vermocht, zumal ein Teil der Ausfallszeiten, die nach Darstellung des Beklagten maßgebliches Motiv für die Kündigung gewesen seien, auf einer von der Klägerin erlittenen Fehlgeburt beruht habe. Die durch Ausspruch der Kündigung vorgenommene Diskriminierung ist nach Bewertung des Arbeitsgerichts auch nicht gerechtfertigt. Aufgrund der durch den Ausspruch der Kündigung vom 13.02.2017 erfolgten Diskriminierung der Klägerin wegen des Geschlechts hat das Arbeitsgericht der Klägerin gemäß § 15 Abs. 2 AGG eine Entschädigung in Höhe von 4.425,00 EUR zugesprochen. Die außerordentliche Kündigung hat das Arbeitsgericht wegen des Fehlens eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB als fristlose Kündigung für unwirksam befunden. Die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 09.03.2017 hielt das Arbeitsgericht für rechtswirksam mit der Folge, dass es eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 23.03.2017 annahm und den Weiterbeschäftigungsanspruch zurückwies. Im Hinblick auf die Vergütung von Überstunden hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze wie auch auf das arbeitsgerichtliche Urteil Bezug genommen.

Gegen das dem Beklagten am 06.11.2017 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit am 08.11.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 06.02.2018 – am 06.02.2018 begründet. Mit am 18.04.2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin – nach Verlängerung der Frist zur Beantwortung der Berufungsbegründung bis zum 20.04.2018 – die Berufung beantwortet und Anschlussberufung eingelegt und diese begründet.

Der Beklagte wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Der Beklagte meint, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht der Klage teilweise stattgegeben. Das Urteil des Arbeitsgerichts beruhe auf einer falschen und unzureichenden Tatsachenfeststellung, einer fehlerhaften Beweiswürdigung, einer fehlerhaften Subsumtion des Sachverhalts sowie auf fehlerhafter Rechtsanwendung und Verfahrensfehlern. Der Beklagte behauptet, die Kündigung vom 13.02.2017 sei ausschließlich aufgrund der Krankschreibung der Klägerin vom 13.02.2017 bis zum 24.02.2017 erfolgt, was er so mit der Mitarbeiterin T besprochen habe, die seiner Ansicht nach – wie von ihm angeboten – vom Arbeitsgericht als Zeugin zu vernehmen gewesen wäre. Auch den Inhalt des Gesprächs vom 07.02.2017 habe das Arbeitsgericht – so die Auffassung des Beklagten – nicht hinreichend aufgeklärt. Dem Schreiben vom 22.02.2017 als alleinige Reaktion auf die Textnachricht der Klägerin vom 16.02.2017, die eine zeitliche Zäsur darstelle, seien Rückschlüsse auf den Entschluss zur Kündigung vom 13.02.2017 nicht zu entnehmen, zumal sich die dortige Aussage ausschließlich auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Anstellungsvertrags beziehe. Nach Anhörung der Parteien hätte das Arbeitsgericht feststellen müssen, dass die von der Klägerin behauptete Diskriminierung in dem Gespräch vom 07.02.2017 tatsächlich nicht stattgefunden habe. Jedenfalls aber sei es dem Beklagten gelungen, eine Indizwirkung zu widerlegen. Allein der Umstand, dass der Beklagte gewusst habe, dass ein Teil der krankheitsbedingten Ausfallzeiten auf einer Fehlgeburt beruhte, könne das Recht des Arbeitgebers zur Kündigung nicht einschränken. Da die Klägerin gegenüber dem Beklagten nie mitgeteilt habe, dass sie vorhabe, erneut schwanger zu werden, sei eine Kündigung aufgrund einer angenommenen vermeintlich geplanten Schwangerschaft überhaupt nicht möglich gewesen.

Der Beklagte ist weiter der Auffassung, dass das Arbeitsgericht bei zutreffender Feststellung des Sachverhalts zwingend zu dem Ergebnis hätte kommen müssen, dass die konstruierten, falschen und verleumderischen Anschuldigungen der Klägerin einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellten. Die Höhe der vom Arbeitsgericht ausgeurteilten Entschädigung sei vollkommen unangemessen und überzogen. Das Arbeitsgericht habe bei der Abwägung der Höhe der Entschädigung völlig außer Acht gelassen, dass das Arbeitsverhältnis jedenfalls aufgrund der Kündigung vom 09.03.2017 wirksam beendet worden ist. Die Benachteiligung der Klägerin liege daher allenfalls in einer drei Wochen späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die sie wirtschaftlich nicht schlechter gestellt habe. Bei der Bemessung einer möglichen Entschädigungszahlung sei neben seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen, dass es sich nur um eine schwache Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin ausschließlich im Verhältnis zwischen den Parteien handele. Die äußerst kurze Dauer der Betriebszugehörigkeit habe im Rahmen der Berücksichtigung aller Umstände entsprechende Beachtung zu finden.

Der Beklagte beantragt, unter teilweiser Abänderung des am 28.09.2017 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Köln – 6 Ca 1413/17 – die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Berufung des Beklagten zurückzuweisen sowie

2. das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28.09.2017 – 6 Ca 11413/17 – hinsichtlich Ziffer 2. des Tenors wie folgt zu fassen:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 8.850,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.03.2017 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin tritt der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung bei, soweit der Klage stattgegeben wurde.

Sie ist der Auffassung, das erstinstanzliche Gericht habe sein richterliches Ermessen zur Entschädigungshöhe fehlerhaft ausgeübt und eine zu niedrige Entschädigung zugesprochen. Entscheidend sei die Schwere der Verletzung des Persönlichkeitsrechts und nicht, worauf das Arbeitsgericht abgestellt habe, die Auswirkungen für die Klägerin in wirtschaftlicher Hinsicht. Auch habe das Arbeitsgericht nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt, dass der Beklagte, nach eigenen Angaben langjährig im Arbeitsrecht tätig, bewusst und gewollt gehandelt habe, was zur Schwere der Diskriminierung erheblich beitrage. Schließlich sei die Höhe der Entschädigung auch an ihrem Sanktionszweck zu bemessen, wobei bereits die Höhe des Bruttomonatsgehalts als Bemessungsgrundlage dem Umstand Rechnung trage, dass der Beklagte eine kleine Kanzlei betreibe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber in der Sache ohne Erfolg. Gleiches gilt für die Anschlussberufung.

I. Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 b) und c) ArbGG) und frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO). Das Gleiche gilt für die Anschlussberufung der Klägerin (§§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 524 ZPO).

II. Die Berufung bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung insoweit stattgegeben, als es festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche Kündigung vom 13.02.2017 und nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 17.03.2017 mit sofortiger Wirkung sein Ende gefunden hat, und als es den Beklagten verurteilt hat, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 4.425,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.03.2017 zu zahlen. Auch die auf Erhöhung der zugesprochenen Entschädigung gerichtete Anschlussberufung der Klägerin ist ohne Erfolg. Eine höhere Entschädigung als vom Arbeitsgericht zugesprochen steht der Klägerin gegenüber dem Beklagten nicht zu.

1. Wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung vom 13.02.2017 sein Ende gefunden. Die ordentliche Kündigung vom 13.02.2017 ist gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG unwirksam. Sie diskriminiert die Klägerin wegen ihres Geschlechts.

a) Die Kündigung ist nicht bereits wegen § 7 KSchG rechtswirksam; die Klägerin hat gegen die mit Schreiben vom 13.02.2017 erklärte Kündigung am 27.02.2017 und damit rechtzeitig beim Arbeitsgericht Klage eingereicht.

b) Die ordentliche Kündigung vom 13.02.2017 ist gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG unwirksam. Sie diskriminiert die Klägerin wegen ihres Geschlechts.

aa) Der Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Als Arbeitnehmerin ist die Klägerin Beschäftigte im Sinne des AGG, § 6 Abs. 1 Nr. 1 AGG. Der Beklagte, der die Klägerin beschäftigt hat, ist Arbeitgeber, § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG.

bb) Eine ordentliche Kündigung, die einen Arbeitnehmer, auf den das Kündigungsschutzgesetz (noch) keine Anwendung findet, aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe diskriminiert, ist gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 7 Abs. 1 AGG unwirksam. Zwar regelt das AGG nicht selbst, welche Rechtsfolge eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG unzulässige Benachteiligung hat. Jedoch ergibt sich die Rechtsfolge aus § 134 BGB. Seit Inkrafttreten des AGG sind deshalb diskriminierende Kündigungen nicht mehr am Maßstab des § 242 BGB zu messen. § 2 Abs. 4 AGG steht dem nicht entgegen. Ordentliche Kündigungen während der Wartezeit und in Kleinbetrieben sind deshalb unmittelbar am Maßstab des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu messen. Dies ergibt sich aus der Gesetzgebungsgeschichte und dem Zweck des § 2 Abs. 4 AGG (vgl. BAG, Urteil vom 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, Rn. 14, 18 und 22 juris).

cc) Gemäß § 7 Abs. 1 Halbsatz 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale benachteiligt werden. Eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne von § 3 Abs. 1 AGG liegt vor, wenn eine Person wegen eines der verpönten Merkmale eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Die Kündigung als solche knüpft als gestaltende Willenserklärung nicht an die Diskriminierungsmerkmale des § 1 AGG an. Erst die dem Kündigungsentschluss zugrunde liegenden Erwägungen können Anhaltspunkt für einen Zusammenhang zwischen der Kündigungserklärung und einem Merkmal nach § 1 AGG sein. Dieser kann sich aus der Kündigungsbegründung oder anderen Umständen ergeben. Dabei bedarf es keiner subjektiven Komponente im Sinne einer Benachteiligungsabsicht. Es genügt, dass eine Anknüpfung der Kündigung an ein Diskriminierungsmerkmal zumindest in Betracht kommt. Die Kündigung wegen einer Schwangerschaft der Arbeitnehmerin oder aus einem im Wesentlichen auf der Schwangerschaft beruhenden Grund kommt nur bei Frauen in Betracht. Sie stellt eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar (BAG, Urteil vom 26.03.2015 – 2 AZR 237/14, Rn. 31 ff. juris).

Die Beweislastregel des § 22 AGG für eine Benachteiligung wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale wirkt sich auf die Verteilung der Darlegungslast aus. Es genügt, dass die Beschäftigte Indizien vorträgt und gegebenenfalls beweist, die ihre Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals vermuten lassen. Hierzu ist nicht erforderlich, dass die Tatsachen einen zwingenden Schluss auf eine Verknüpfung der Benachteiligung mit einem Diskriminierungsmerkmal erlauben. Vielmehr reicht es, wenn dafür nach allgemeiner Lebenserfahrung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht. Ist dies der Fall, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat (vgl. BAG, Urteil vom 07.07.2011 – 2 AZR 396/10, Rn. 34 juris). Die Würdigung, ob die Arbeitnehmerin Tatsachen vorgetragen hat, die ihre Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals vermuten lassen, obliegt den Tatsachengerichten. Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO haben sie unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach ihrer freien Überzeugung zu entscheiden, ob sie eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr erachten. Diese Grundsätze gelten auch, wenn nicht darüber zu entscheiden ist, ob eine Behauptung „wahr“ ist, sondern darüber, ob vorgetragene und gegebenenfalls bewiesene Tatsachen eine Behauptung der Arbeitnehmerin als „wahr“ vermuten lassen (BAG, Urteil vom 26.03.2015 – 2 AZR 237/14, Rn. 38 f. juris; BAG, Urteil vom 22.07.2010 – 8 AZR 1012/08, Rn. 66 juris). Für die Vermutungswirkung genügt es ebenso wie beim Kausalitätszusammenhang in § 3 AGG, dass ein geschütztes Merkmal Bestandteil eines Motivbündels ist, das die Entscheidung beeinflusst hat (Armbrüster in: Erman, BGB, 15. Auflage 2017, § 22 AGG, Rn. 1; BAG, Urteil vom 22.10.2009 – 8 AZR 642/08, Rn. 27 juris).

dd) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt, dass der Beklagte die Klägerin durch die Kündigung vom 13.02.2017 wegen des Geschlechts benachteiligt hat. Maßgeblicher Grund für die Kündigung war zumindest auch die zukünftige Möglichkeit einer Schwangerschaft der Klägerin. Die Klägerin hat insoweit hinreichend dargetan, dass der Beklagte eine etwaige von ihr beabsichtigte Schwangerschaft zumindest als Teil eines Motivbündels zur Grundlage der ausgesprochenen Kündigung genommen hat. Diese Annahme findet ihre Grundlage im Wesentlichen in den Ausführungen des Beklagten in seinem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 22.02.2017. Dort führt der Beklagte aus, dass die Klägerin, wenn ihre Lebensplanung schon beim Einstellungsgespräch war, kurzfristig schwanger zu werden, für die zu besetzende Stelle nicht in Frage gekommen wäre, da der von ihm gesuchte Mitarbeiter auf dem für ihn wichtigsten Arbeitsplatz dauerhaft zur Verfügung stehen muss. Diese Formulierung lässt – auch wenn sie sich dem Wortlaut nach auf die Situation bei der Einstellung bezieht – auch nach Bewertung der Berufungskammer nur den Schluss zu, dass der Beklagte die nur wenige Tage zuvor ausgesprochene Kündigung zumindest auch wegen befürchteter Beeinträchtigungen des Arbeitsverhältnisses infolge einer zukünftigen Schwangerschaft der Klägerin ausgesprochen hat. Denn der Beklagte macht seinen Standpunkt, dass eine Frau, die eine Schwangerschaft geplant habe, für die Stelle nicht in Betracht gekommen wäre, mit dem Schreiben unzweifelhaft deutlich. Hinzu kommt, dass der Beklagte die Rechtslage verkennt, wenn er in dem Schreiben auf eine Offenbarungspflicht im Einstellungsgespräch für den Fall einer kurzfristig geplanten Schwangerschaft hinweist. So ist die Frage nach einer Schwangerschaft bei der Einstellung wegen ihrer geschlechtsdiskriminierenden Wirkung grundsätzlich unzulässig. In aller Regel besteht auch keine Offenbarungspflicht der Arbeitnehmerin, und zwar selbst dann, wenn sie befristet als Schwangerschaftsvertretung beschäftigt werden soll (vgl. Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 11.10.2012 – 6 Sa 641/12, Rn. 18 ff. juris). Diese Haltung des Beklagten wird auch in seinen Ausführungen mit Schriftsatz vom 17.03.2017 auf Seite 16 (Blatt 89 der Akte) deutlich, wonach er sich von der Klägerin getäuscht fühlte, da er eine Mitarbeiterin gesucht habe, die für eine Einarbeitungszeit von einem halben Jahr und auch danach zur Verfügung steht.

Der Umstand, dass das Schreiben zeitlich nach dem Zugang der streitgegenständlichen Kündigung gefertigt wurde, steht dieser Annahme nicht entgegen. Die dem Kündigungsentschluss zugrunde liegenden Erwägungen können sich auch aus zeitlich nach dem Ausspruch der Kündigung liegenden Umständen ergeben. Entscheidend ist insoweit vorliegend der enge zeitliche und inhaltliche Zusammenhang. Auch sieht die Berufungskammer entgegen der Auffassung des Beklagten in der Textnachricht der Klägerin vom 16.02.2017 keine zeitliche Zäsur, zumal der Beklagte selbst in dem Schreiben vom 22.02.2017 auf das Einstellungsgespräch Bezug nimmt, also auf einen Zeitpunkt vor Ausspruch der Kündigung. Auf den Inhalt des Gesprächs vom 07.02.2017 kam es auch nach Bewertung der Berufungskammer insofern nicht an.

ee) Der Beklagte konnte das Gericht nicht davon überzeugen, dass die Benachteiligung nicht (auch) auf dem Geschlecht beruht. Ausgehend davon, dass die festgestellten Tatsachen eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen, trägt der Beklagte nach § 22 AGG die Beweislast dafür, dass eine solche Benachteiligung nicht vorlag. Damit muss er Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich ergibt, dass es ausschließlich andere Gründe waren, die zu der weniger günstigen Behandlung geführt haben (vgl. BAG, Urteil vom 24.01.2013 – 8 AZR 188/12, Rn. 41 juris). Hierfür reicht insbesondere nicht aus, dass der Beklagte auf Ausfallzeiten der Klägerin abstellt, zumal er in dem Kündigungsschreiben insoweit auch auf Ausfallzeiten abstellt, die ihren Grund in der Fehlgeburt der Klägerin hatten. Auch die wiederholte Beteuerung des Beklagten, eine (mögliche) beabsichtigte Schwangerschaft habe im Hinblick auf den Kündigungsentschluss keine Rolle gespielt, vermochte die Berufungskammer nicht davon zu überzeugen, dass eine beabsichtigte Schwangerschaft der Klägerin im Motivbündel nicht enthalten war. Hieran vermag auch das im Kündigungsschreiben enthaltene Gesprächsangebot über eine mögliche Wiedereinstellung der Klägerin nichts zu ändern. Da es sich bei der Frage der Motivation für die Kündigung um eine innere Tatsache handelt, war auch der vom Beklagten insofern angebotene Zeugenbeweis offensichtlich ungeeignet.

ff) Die unterschiedliche Behandlung ist auch nicht nach § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt, wonach eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zulässig ist, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist. Insbesondere kann sich der Beklagte insofern – wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat – nicht darauf berufen, dass der Arbeitsplatz wegen seiner Wichtigkeit und der erforderlichen langen Einarbeitungszeit nicht von einer Frau, welche gegebenenfalls wegen einer Schwangerschaft ausfallen könnte, ausgeübt werden könne.

2. Wie das Arbeitsgericht ebenfalls zutreffend festgestellt hat, hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 17.03.2017 mit sofortiger Wirkung sein Ende gefunden.

a) Die dreiwöchige Klagefrist der §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 4 Satz 1 KSchG ist gewahrt. Die Klägerin hat mit ihrer am 27.02.2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage nicht nur die ordentliche Kündigung vom 13.02.2017 angegriffen, sondern zudem den sogenannten allgemeinen Feststellungsantrag angekündigt. Für diese Klage nach § 256 ZPO ist zur Begründung eines Interesses an alsbaldiger Feststellung Tatsachenvortrag zur Möglichkeit weiterer Beendigungsgründe erforderlich. Ein solcher Sachvortrag ist im Falle einer ursprünglich mangels ausreichender Begründung unzulässigen Klage auch noch nach Ablauf der Dreiwochenfrist (§ 4 KSchG) bei einer inzwischen ausgesprochenen, weiteren Kündigung nachholbar und ergänzbar. Hat der Arbeitnehmer eine Feststellungsklage nach § 256 ZPO erhoben, ist der Arbeitgeber auch nach Sinn und Zweck des § 4 KSchG hinreichend gewarnt, dass der Arbeitnehmer sich gegen alle weiteren (eventuell vorsorglichen) Kündigungen wenden will, so dass die Einhaltung der Dreiwochenfrist für die Einführung der konkreten Kündigung in den Prozess reine Förmelei wäre (BAG, Urteil vom 13.03.1997 – 2 AZR 512/96, Rn. 15 ff. juris). Somit konnte die Klägerin im Rahmen der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung vom 28.09.2017 im Hinblick auf die Kündigung vom 17.03.2017 auf die Kündigungsschutzklage übergehen.

b) Die außerordentliche Kündigung vom 17.03.2017 ist unwirksam, da ein sie rechtfertigender wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB nicht vorliegt. Die von dem Beklagten vorgebrachten Tatsachen sind nicht geeignet, eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.

aa) Das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist in einer zweistufigen Prüfung zu bestimmen. Der Sachverhalt muss zunächst an sich geeignet sein, einen wichtigen Grund zur Kündigung abzugeben. Sodann wird in einer konkreten Interessenabwägung anhand der Umstände des Einzelfalles (und des Prinzips der Verhältnismäßigkeit) geprüft, ob die Kündigung gerechtfertigt ist (Sandmann in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 8. Auflage 2018, § 626 BGB, Rn. 58; BAG, Urteil vom 29.06.2017 – 2 AZR 302/16, Rn. 11 juris).

bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt ein wichtiger Grund hier nicht vor. Der Beklagte stützt die außerordentliche Kündigung auf die fortgesetzte Behauptung der Klägerin, der Beklagte habe sie wegen ihres Geschlechts diskriminiert, und sieht hierin die Tatbestände der Beleidigung sowie der üblen Nachrede erfüllt. Ausgehend von den obigen Ausführungen stellt die ordentliche Kündigung vom 13.02.2017 eine Benachteiligung der Klägerin wegen ihres Geschlechts dar und ist gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG unwirksam. Mit der Geltendmachung dieser Rechte kann damit weder der Tatbestand der Beleidigung noch der üblen Nachrede erfüllt sein, so dass es an einem wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB fehlt.

3. Das Arbeitsgericht hat den Beklagten zu Recht verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 4.425,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.03.2017 zu zahlen. Die Klage ist insoweit zulässig und in Höhe des zugesprochenen Betrages begründet. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG. Als Entschädigungssumme hält die Berufungskammer entsprechend des ihr insoweit zustehenden Ermessens wie auch das Arbeitsgericht einen Betrag von 4.425,00 EUR für angemessen.

a) Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere ist er hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Klägerin durfte die Höhe der von ihr begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen. § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG räumt dem Gericht bei der Höhe der Entschädigung einen Beurteilungsspielraum ein, weshalb eine Bezifferung des Zahlungsantrags nicht notwendig ist. Erforderlich ist allein, dass Tatsachen benannt werden, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrags heranziehen soll, und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angegeben wird (vgl. BAG, Urteil vom 24.01.2013 – 8 AZR 429/11, Rn. 23 juris; Weth in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Auflage 2017, § 15 AGG, Rn. 41). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin hat einen Sachverhalt dargelegt, der dem Gericht die Bestimmung einer Entschädigung ermöglicht, und den Mindestbetrag der angemessenen Entschädigung mit 8.859,00 EUR beziffert.

b) Die Klägerin hat den Entschädigungsanspruch rechtzeitig gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG geltend gemacht und ihre Klage innerhalb der Klageerhebungsfrist des § 61 b Abs. 1 ArbGG erhoben. Gemäß § 15 Abs. 4 AGG muss ein Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, gemäß § 61 b Abs. 1 ArbGG ist eine Klage auf Entschädigung nach § 15 AGG innerhalb von drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung zu erheben. Beide Fristen hat die Klägerin mit ihrer am 27.02.2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem Beklagten am 08.03.2017 zugestellten Klage gewahrt.

c) Einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG kann die Klägerin grundsätzlich auch in Ansehung der Bestimmung des § 2 Abs. 4 AGG geltend machen. Ungeachtet der Unwirksamkeit einer diskriminierenden Kündigung sperrt § 2 Abs. 4 AGG weitergehende Ansprüche auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG nicht. Eine merkmalsbezogene Belastung im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Kündigung führt jedenfalls dann zu einem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG, wenn die Belastung – wie bei einer schwerwiegenden Persönlichkeits-rechtsverletzung – über das Normalmaß hinausgeht (BAG, Urteil vom 12.12.2013 – 8 AZR 838/12, Rn. 17 ff. juris). Die im diskriminierenden Verhalten liegende Persönlichkeitsrechtsverletzung soll als solche unabhängig von der Frage sanktioniert werden, ob nach einer unwirksamen Kündigung das Arbeitsverhältnis fortbesteht und fortgesetzt wird (vgl. BAG, Urteil vom 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, Rn. 38 juris).

d) Ausgehend von der unter 1. getroffenen Feststellung, dass die Klägerin mit der Kündigung vom 13.02.2017 wegen des Geschlechts benachteiligt wird, also ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorliegt, ist grundsätzlich vom Vorliegen eines immateriellen Schadens im Sinne des § 15 Abs. 2 AGG auszugehen (vgl. BAG, Urteil vom 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, Rn. 37 juris). Nach der Wertung des Gesetzgebers stellen Benachteiligungen wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale regelmäßig eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. Die Sanktion des § 15 Abs. 2 AGG soll im Kern gerade vor solchen Persönlichkeitsrechtsverletzungen schützen (vgl. BAG, Urteil vom 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, Rn. 38 juris).

e) Als Entschädigungssumme hält die Berufungskammer entsprechend des ihr insoweit zustehenden Ermessens wie auch das Arbeitsgericht einen Betrag in Höhe von 4.425,00 EUR für angemessen.

aa) Bei der Beurteilung der angemessenen Höhe der festzusetzenden Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG sind alle Umstände des Einzelfalls, wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns, der Grad der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers, etwa geleistete Wiedergutmachung oder erhaltene Genugtuung, das Vorliegen eines Wiederholungsfalles und der Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen. Die Entschädigung muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz gewährleisten. Die Härte der Sanktionen muss der Schwere des Verstoßes entsprechen, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber gewährleistet, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (vgl. BAG, Urteil vom 19.05.2016 – 8 AZR 470/14, Rn. 93 juris; BAG, Urteil vom 17.12.2015 – 8 AZR 421/14, Rn. 47 juris; BAG, Urteil vom 19.08.2010 – 8 AZR 530/09, Rn. 69 juris). Die Höhe der Entschädigung muss in Anlehnung an die Regelung des Schmerzensgelds in § 253 Abs. 2 BGB angemessen sein. Im Rahmen des Sanktionszwecks der Norm finden auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitgebers Berücksichtigung, weil die Entschädigung abschreckende Wirkung haben soll (vgl. Belling/Riesenhuber in: Erman, BGB, 15. Auflage 2017, § 15 AGG, Rn. 16). Eine unmittelbare Benachteiligung wiegt grundsätzlich schwerer als eine mittelbare Benachteiligung, genauso wie eine vorsätzliche Diskriminierung gegenüber einer fahrlässigen schwerer wiegt. Wird ein Geschädigter aus mehreren der in § 1 AGG genannten Gründen unzulässig benachteiligt, so spricht dies ebenfalls für eine erhöhte Entschädigung (Weth in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Auflage 2017, § 15 AGG, Rn. 41).

bb) Vorliegend handelt es sich um eine nach Art und Schwere erhebliche Benachteiligung der Klägerin wegen des Geschlechts, die als unmittelbare Benachteiligung grundsätzlich schwerer als eine mittelbare Benachteiligung wiegt. Erschwerend kommt hinzu, dass der Beklagte als Rechtsanwalt tätig ist, und zwar auch im Bereich Arbeitsrecht, also gewisse Kenntnisse des Rechts als vorhanden unterstellt werden dürfen. Auch die mit der Entschädigungszahlung bezweckte abschreckende Wirkung verlangt vorliegend die Festsetzung einer erheblichen und für den Beklagten fühlbaren Entschädigung, die weit über einen symbolischen Betrag hinausgeht. Gleichzeitig war im Rahmen des Sanktionszwecks der Norm in die Abwägung einzubeziehen, dass der Beklagte eine kleine Rechtsanwaltskanzlei betreibt, die von der Beschäftigtenzahl die Schwelle des Kleinbetriebs im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG nicht überschreitet. Schließlich ließ sich eine Benachteiligungsabsicht des Beklagten gegenüber der Klägerin nicht feststellen. Insgesamt erscheint der Berufungskammer in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht insoweit ein Betrag in Höhe von 4.425,00 EUR als angemessen, aber auch ausreichend.

Soweit der Beklagte darauf abstellt, das eine Benachteiligung der Klägerin – ausgehend von der wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Kündigung vom 09.03.2017 – allenfalls in einer drei Wochen späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses liege, die sie wirtschaftlich nicht schlechter gestellt habe, ist darauf hinzuweisen, dass § 15 Abs. 2 AGG – anders als § 15 Abs. 1 AGG – keine Regelung zum Ersatz materieller Schäden, sondern zum Ersatz immaterieller Schäden darstellt.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, weil sie auf den besonderen Umständen des Einzelfalles beruht. Auch weicht die Kammer nicht von anderen Entscheidungen im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG ab.

 

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