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Fristlose Kündigung bei unerlaubter Mitnahme eines Bürostuhls

Kündigung wegen eigenmächtiger Mitnahme eines Bürostuhls unwirksam

Das Arbeitsgericht Köln hat in einem Urteil entschieden, dass die außerordentliche fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers aufgrund der eigenmächtigen Mitnahme eines Bürostuhls unwirksam ist. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass auch die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist sowie die Versetzung in den Ruhestand nicht wirksam sind. In dem Verfahren ging es zudem um Entgeltfortzahlungsansprüche und eine Entschädigung aufgrund von Verletzung der Gesundheit und des Persönlichkeitsrechts der Klägerin.

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Hintergrund des Rechtsstreits

Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer fristlosen und hilfsweise mit einer Auslauffrist verbundenen außerordentlichen Kündigung wegen der eigenmächtigen Mitnahme eines Bürostuhls. Zudem ging es um die Frage, ob die Klägerin aufgrund dauerhafter Arbeitsunfähigkeit in den Ruhestand versetzt werden könne und welche Entgeltfortzahlungsansprüche sowie Entschädigungsansprüche sich daraus ergeben.

Entscheidungsgründe des Gerichts

Das Gericht stellte fest, dass die außerordentliche fristlose Kündigung vom 22.07.2021 das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht beendet hat. Ebenso wurde festgestellt, dass die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist vom 22.07.2021 mit Wirkung zum 31.03.2022 nicht wirksam ist. Schließlich wurde entschieden, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin übersandte Versetzung in den Ruhestand vom 28.07.2021 sowie durch die Versetzung in den Ruhestand in dem Schreiben vom 28.07.2021 beendet wurde.

Entgeltfortzahlung und Kostenverteilung

Das beklagte Unternehmen wurde verurteilt, rückständige Vergütung für die Monate August 2021 bis Januar 2022 in Höhe von insgesamt EUR 55.721,46 brutto nebst Zinsen zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits wurden zwischen den Parteien aufgeteilt, wobei die Klägerin 47 % und das beklagte Unternehmen 53 % der Kosten tragen müssen.

Berufung nicht gesondert zugelassen

Das Gericht hat eine Berufung gegen das Urteil nicht gesondert zugelassen. Damit bleibt das Urteil rechtskräftig, sofern keine weiteren Rechtsmittel eingelegt werden.

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Das vorliegende Urteil

ArbG Köln – Az.: 16 Ca 4198/21 – Urteil vom 18.01.2022

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentlich fristlose Kündigung vom 22.07.2021 beendet wurde.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist vom 22.07.2021 mit Wirkung zum 31.03.2022 enden wird.

3. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin übersandte Versetzung in den Ruhestand vom 28.07.2021 in den Ruhestand überführt worden ist.

4. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die mit am 18.08.2021 der Klägerin unmittelbar zugegangenem Schreiben vom 28.07.2021 verfügte Versetzung in den Ruhestand in den Ruhestand überführt worden ist.

5. Das beklagte …. wird verurteilt, rückständige Vergütung für die Monate August 2021 bis Januar 2022 von jeweils EUR 9.286,91, insgesamt EUR 55.721,46 brutto, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.11.2021 an die Klägerin zu zahlen.

6. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

7. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 47 % und das beklagte ….. zu 53 %.

8. Streitwert: 173.729,83 EUR.

9. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Wirksamkeit einer fristlosen und hilfsweise mit einer Auslauffrist verbundenen außerordentlichen Kündigung wegen der eigenmächtigen Mitnahme eines Bürostuhls, über die Zurruhesetzung wegen dauerhafter Arbeitsunfähigkeit in einem beamtenähnlich ausgestalteten Arbeitsverhältnis, davon abhängige Entgeltfortzahlungsansprüche und eine mit einer Verletzung der Gesundheit und des Persönlichkeitsrechts der Klägerin begründeten Entschädigung.

Im unmittelbaren Anschluss an einen vorangegangenen Arbeitsvertrag vom 10./12.07.2007, im Rahmen dessen die am …. geborene Klägerin mit Wirkung ab 01.07.2007 zur Justitiarin …… bestellt worden war, schlossen die Parteien am 22.08.2008 einen Dienstvertrag, zu dessen Einzelheiten auf Bl. 35 ff. d. A. Bezug genommen wird. Dieser Vertrag enthält u.a. folgende Regelungen:

§ 1

(…)

(2) Für die Rechte und Pflichten des Dienstnehmers gelten sinngemäß die beamtenrechtlichen Grundsätze und Vorschriften des Landes …. in der jeweils geltenden Fassung, soweit diese nicht auf der Eigenart des öffentlichen Dienstes beruhen. Die beamtenrechtlichen Vorschriften des Landes ….. finden keine Anwendung, soweit ihrer Geltung im Einzelfall die Eigenart des kirchlichen Dienstes entgegensteht. (…)

§ 2

(1) Die Weiterbeschäftigung als Justitiarin und Leiterin der Stabsabteilung Recht im ….. – erfolgt ab 01.09.2008 auf unbestimmte Zeit.

(…)

§ 3

Dienstvorgesetzter ist der Generalvikar.

§ 4

(1) Der Dienstnehmer wird in die Besoldungsgruppe B 3 der Landesbesoldungsordnung in der z. Z. geltenden Fassung eingruppiert. Das Besoldungsdienstalter wird nach den für vergleichbare Landesbeamte geltenden Bestimmungen festgesetzt.

(…)

§ 5

(1) lm Falle der Erkrankung werden die Dienstbezüge weitergezahlt. Bei Erkrankungen ist dem Dienstgeber spätestens nach drei Tagen ein ärztliches Attest vorzulegen. Dauert die Krankheit länger als vier Wochen, so sind dem Dienstgeber auf dessen Verlangen weitere ärztliche Atteste über den Krankheitsverlauf einzureichen.

(2) Für die dauerhafte Dienstunfähigkeit und die Versetzung in den Ruhestand gelten in entsprechender Anwendung die Vorschriften des Beamtengesetzes für das Land …. in der jeweils geltenden Fassung mit der Maßgabe, dass das …. anstelle der amtsärztlichen Untersuchung einen Vertrauensarzt benennen kann.

(3) Der Dienstgeber gewährt dem Dienstnehmer Unterstützungen, Beihilfen, Vorschüsse und sonstige Fürsorgeleistungen nach den für vergleichbare Landesbeamte maßgebenden Bestimmungen.

§ 6

Der Dienstnehmer hat Anwartschaft auf beamtenmäßige Versorgung in entsprechender Anwendung des Beamtenversorgungsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung.

§ 7

(1) Der Umfang der Beschäftigung beträgt 100 Prozent und richtet sich nach den für entsprechende Landesbeamte geltenden Bestimmungen. Letzteres gilt auch für den Urlaub.

(…)

(3) Die Bestimmungen des Beamtengesetzes für das Land ….. zur Nebentätigkeit sowie die Nebentätigkeitsverordnung gelten in ihrer jeweils gültigen Fassung entsprechend, soweit nicht im Einzelfall abweichende Regelungen getroffen werden.

(…)

§ 9

(1) Die ordentliche Kündigung durch den Dienstgeber ist ausgeschlossen.

(…)

(5) Das Dienstverhältnis endet ohne Kündigung entweder vorzeitig mit der Versetzung in den Ruhestand gemäß § 5 Abs. 2 oder mit Erreichen der nach den beamtenrechtlichen Vorschriften des Landes …… in ihrer jeweils geltenden Fassung festgesetzten Altersgrenzen.

(…)

Zuletzt erhielt die Klägerin ein Grundgehalt nach der Besoldungsgruppe B4 i. H. v. 8.909,07 EUR, einen Familienzuschlag von 277,84 EUR und eine Dienstaufwandszahlung von 100,00 EUR, insgesamt 9.286,91 EUR brutto monatlich.

Im Rahmen ihrer Tätigkeit wirkte die Klägerin von 2010 bis März 2015 an der Aufklärung von annähernd 100 Fällen sexuellen Missbrauchs mit. Das umfasste die Anhörung der Betroffenen, die Befragung mutmaßlicher Täter und den Kontakt zu den zuständigen Staatsanwaltschaften. Im März 2015 wurde eine unabhängige Interventionsstelle eingerichtet, womit die permanente Befassung der Klägerin mit der Aufklärung der Missbrauchsfälle endete.

Das beklagte …… schaffte für die Klägerin im Sommer 2015 einen rückenschonenden Bürostuhl zum Preise von 914 EUR an.

In einem Informationsschreiben des beklagten ….. an die Mitarbeiter vom 26.03.2020, zu dessen Einzelheiten auf die Kopie Bl. 243 ff. d. A. verwiesen wird, heißt es im Hinblick auf die Ausbreitung des Coronavirus:

Der derzeitige Notbetrieb bleibt bis auf weiteres aufrechterhalten.

Absoluter Vorrang von Homeoffice gegenüber Präsenz im EGV

Im Notbetrieb ist es für das ……. oberstes Ziel, alle nicht zwingend erforderlichen Wege einzuschränken und so viele Mitarbeitende wie irgend möglich im Homeoffice arbeiten zu lassen.

Die Klägerin wurde mit Schreiben der vom beklagten … beauftragten Gutachter ….. vom 25.01.2021 zu möglichen Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der unterbliebenen Weiterleitung von zehn Missbrauchsfällen an die Strafverfolgungsbehörden angehört (Bl. 73 ff. d. A.). Nach Veröffentlichung des Gutachtens der Rechtsanwälte …… am 18.03.2021 wurde sie mit Schreiben des vom beklagten ….. beauftragten Rechtsanwalts ….. (Bl. 16 f. d. A.) unter Hinweis auf den im Gutachten bescheinigten großen Einsatz der Klägerin bei der Bearbeitung der Missbrauchsverdachtsfälle zu den im Gutachten festgestellten neun Pflichtverletzungen der Klägerin bei der Aufarbeitung angehört. Dieses Schreiben schließt mit den Worten: „Sollten der fristgemäßen Abgabe einer Stellungnahme triftige gesundheitliche Gründe entgegenstehen, wird um eine entsprechende Erklärung bis zum 26.3.2021 gebeten.“

Die vom beklagten ….. im Jahre 2018 mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragten Rechtsanwälte …….. (im Folgenden: ……) baten die Klägerin mit Schreiben vom 02.04.2020, zu dessen Einzelheiten auf Bl. 45 ff. d. A. Bezug genommen wird, um Stellungnahme bis zum 17.04.2020 zu ihrem Verhalten in drei Missbrauchsverdachtsfällen, die teilweise nicht weiter aufgeklärt wurden und nicht der Glaubenskongregation mitgeteilt wurden, nach Aussage des früheren Generalvikars aufgrund einer rechtlichen Bewertung der Justiziarin oder des Offizials.

Am Gründonnerstag, dem 09.04.2020 teilte die Klägerin dem damaligen Generalvikar in einem persönlichen Gespräch mit, dass sie in dem Anhörungsschreiben vom 02.04.2020 mit Vorwürfen des früheren Generalvikars konfrontiert worden sei, auf die sie nun bis spätestens 17.04.2020 Stellung nehmen müsse. Dieser Vorgang belaste sie persönlich erheblich. Beide sprachen auch darüber, dass die Klägerin gemäß der Anordnung des ….. ab dem auf Ostern folgenden Dienstag bis auf weiteres dauerhaft von zu Hause aus arbeiten werde. Anschließend nahm die Klägerin neben dem Laptop, dem Ipad, und dem Dienstsmartphone auch den im Jahr 2015 für sie angeschafften Bürostuhl mit nach Hause.

Seit 15.04.2022 ist die Klägerin durchgehend arbeitsunfähig krankgeschrieben. Nach erfolglosem Versuch vom 08.06.2020 ordnete das beklagte ….. mit Schreiben vom 22.07.2020 erneut eine vertrauensärztliche Untersuchung der Klägerin an. Dagegen wehrte sich die Klägerin im einstweiligen Rechtsschutz. In der mündlichen Verhandlung am 15.10.2020 einigten sich die Parteien auf Modalitäten einer arbeitsmedizinischen Begutachtung durch die von der Beklagten bestimmte Fachärztin für Arbeitsmedizin im Januar 2021. Im dazu erteilten Auftrag des beklagten …… heißt es nach der Wiedergabe durch die Arbeitsmedizinerin (ebenso wie im Schreiben an die Klägerin vom 08.06.2020 (Bl. 66 d. A.)):

.. zur weiteren Gewährleistung unserer Fürsorgeverpflichtung hinsichtlich der Wiederherstellung Ihrer Dienstfähigkeit ist für den Dienstgeber die Veranlassung gegeben, Ihre Dienstfähigkeit im Wege einer vertrauensärztlichen Untersuchung feststellen zu lassen. In diesem Zusammenhang ist ebenso notwendig, im Hinblick auf eine gesundheitliche Zukunftsprognose eine belastbare Aussage darüber treffen zu können, ob bzw. wann mit einer nachhaltigen Wiedererlangung Ihrer Dienst- bzw. Einsatzfähigkeit gerechnet werden kann

In der Bescheinigung der Arbeitsmedizinerin vom 19.01.2021 (Kopie Bl. 168 ff. d. A.) heißt es weiter:

Auf Aufforderung des beklagten ……. gab die Klägerin den ihr überlassenen Dienstwagen am 16.11.2020 zurück. Der von ihr angerufene Schlichtungsausschuss für den Bereich des …… …. wies in der Verhandlung am 31.03.2021 darauf hin, dass die Klägerin einen Anspruch auf Überlassung des Dienstwagens nur für die ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit habe, und erklärte die Schlichtungsverhandlung für gescheitert.

Mit Schreiben vom 22.07.2021, das der Klägerin am 26.07.2021 zuging, kündigte das beklagte ……. das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos und hilfsweise außerordentliche mit Auslauffrist. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 30.07.2021 bei Gericht eingegangenen Kündigungsschutzklage.

Das beklagte ….. übersandte dem jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 30.07.2021 per beA und am 02.08.2021 per Post ein Schreiben an die Klägerin, in dem es heißt: „Hiermit versetzen wir Sie gemäß § 5 Dienstvertrag i.V.m. § 34 LBG ….. mit dem Ende des laufenden Monats in den Ruhestand. Diese Verfügung ergeht vorsorglich und hilfsweise unter Aufrechterhaltung der außerordentlichen Kündigungen vom 22.07.2021 für den Fall, dass keine dieser beiden Kündigungen rechtswirksam werden sollte.“ Nachdem der Empfänger diese Schreiben unter Berufung auf eine fehlende Empfangsvollmacht zurückgewiesen hatte, erfolgte eine Zustellung des gleichen Schreibens am 18.08.2021 per Gerichtsvollzieher an die Klägerin persönlich. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihren am 16.08.2021 und am 30.08.2021 bei Gericht eingegangenen Klageerweiterungen.

Die Klägerin hält die Kündigungen u.a. wegen des Fehlens eines wichtigen Grundes für unwirksam. Sie habe nicht beabsichtigt, den Bürostuhl dauerhaft zu behalten, sondern ihn nur vorübergehend zur Arbeit zu Hause nutzen und nach Ende der coronabedingten Zeit im Homeoffice zurückbringen wollen, um ihre Arbeit am betrieblichen Arbeitsplatz wieder aufzunehmen. Sie habe deshalb keine Zueignungsabsicht gehabt. Das beklagte ….. habe von den Mitarbeitern bei der Umstellung auf die Arbeit im Homeoffice Flexibilität erwartet. Deshalb habe sie den Stuhl einfach mit nach Hause genommen, ohne bürokratische Abläufe einzuhalten. Darüber habe sie ihre Assistentin noch am 09.04.2020 informiert. Im Übrigen habe der Arbeitgeber für die Ausstattung des Heimarbeitsplatzes aufzukommen. Außerdem sei der Stuhl zum Zeitpunkt der Mitnahme nicht mehr verkäuflich gewesen.

Am Dienstag nach Ostern, dem 14.04.2020, habe sie intensiv von zu Hause aus gearbeitet. Am Tag darauf habe sie gänzlich unerwartet bei der morgendlichen Arbeitsaufnahme einen Zusammenbruch erlitten.

Auch die Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand sei unwirksam. Eine solche Möglichkeit könne ein Arbeitgeber sich nicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einräumen, auch nicht durch eine dynamische Bezugnahme auf beamtenrechtliche Vorschriften. Die Umwandlung des Arbeitsverhältnisses in ein Versorgungsverhältnis führe zu einer Einkommenseinbuße von 47 %. Darin liege zudem eine Umgehung des zwingenden gesetzlichen Kündigungsschutzes.

Außerdem sei sie nicht dauerhaft dienstunfähig. Dies habe die vertrauensärztliche Stellungnahme vom 18.01.2021 bestätigt. Vielmehr bestehe die Aussicht, dass ihre Dienstfähigkeit innerhalb von sechs Monaten voll wiederhergestellt sei. Ausreichende Anhaltspunkte für eine gegenteilige Prognose habe das beklagte …. nicht dargelegt und erst recht nicht mit ärztlichen Gutachten untermauert. Außerdem käme auch eine Versetzung in den Ruhestand nach Beamtenrecht nur als ultima ratio in Betracht. Der Dienstherr müsse eine Weiterverwendungsmöglichkeit umfassend prüfen und diese Suche dokumentieren, was das beklagte ….. unterlassen habe. Bereits außergerichtlich habe die Klägerin sich darauf berufen, sie könne auf anderen Stellen weiterbeschäftigt werden. Sie habe insoweit vorgerichtlich nicht auf einer Tätigkeit in einem klerikerfreien Umfeld bestanden, sondern nur zum Ausdruck gebracht, dass ihr ein solches Umfeld womöglich besser täte. Sie könne sich etwa eine Abordnung zur Wahrnehmung von Aufsichtsrats-Mandaten im Rahmen des Beteiligungsmanagements des …… oder anderer kirchlicher Rechtsträger Deutschlands vorstellen. Möglich sei auch eine Abordnung an eine andere Einrichtung der Kirche, etwa im wissenschaftlichen Bereich.

Zur Begründung ihrer Schmerzensgeldforderung trägt die Klägerin vor, die Mitwirkung an der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle sei für sie extrem belastend gewesen. Die erhebliche psychische Belastung durch eine solche Begleitung von (mutmaßlichen) Opfern und Tätern verlange an sich eine entsprechende Schulung im Umgang mit traumatisierten Personen und eine begleitende professionelle Supervision. Eine Schulung habe die Klägerin nicht erfahren; eine Supervision sei ihr damals auch nicht gewährt worden. Lediglich nach ihrer Erkrankung sei ihr zeitweise eine Supervision zur Aufarbeitung bewilligt worden.

Die im Herbst 2018 veröffentlichte sogenannten …-Studie zum Ausmaß des Missbrauches im Bereich der katholischen Kirche in Deutschland habe bei ihr erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Krisenbewältigung ausgelöst. In der Folge habe sie einen Zusammenbruch (…) erlitten, der zu einer längeren Arbeitsunfähigkeit nebst Wiedereingliederung bis Mai 2019 geführt habe. Diese Symptomatik sei zwischenzeitlich wieder aufgetreten durch die erneute Befassung mit den Missbrauchsfällen anlässlich ihrer schriftlichen Anhörungen für die vom beklagten ……. in Auftrag gegebene unabhängige externe Untersuchung zum institutionellen Umgang mit sexualisierter Gewalt im ……. sowie anlässlich der Frage nach der institutionellen Verpflichtung zu Entschädigungszahlungen an Betroffene.

Sie leide seit geraumer Zeit an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Dennoch habe sie mindestens drei Mal Stellung nehmen sollen zu ihren Wahrnehmungen als Arbeitnehmerin des beklagten …… „zu vermeintlichem Fehlverhalten Dritter im Rahmen der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle“. Erstmals im März 2021 sei ihr dann vorgeworfen worden, bei ihrer Mitwirkung an der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen Fehler begangen zu haben. Nach dem darauf bezogenen Anhörungsschreiben vom 02.04.2020 sei nichts mehr geschehen.

Das beklagte …… habe mehrfach vorsätzlich das Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt. Im Wissen um die wiederholt fachärztlich dokumentierte posttraumatische Belastungsstörung, die durch die Arbeit bei der Beklagten entstanden sei und auf deren Pflichtverletzung und Mitverschulden zurückgehe, habe es die Klägerin mindestens drei Mal aufgefordert, sich wieder mit den Missbrauchsfällen zu beschäftigen. Auch wenn der Arbeitgeber ein Interesse daran habe, interne Ermittlungen durchzuführen, dürfe dies nicht einseitig zu Lasten höchstrangiger Rechtsgüter der Klägerin gehen wie Leib, Leben und körperliche Unversehrtheit. Letztlich habe das beklagte ……. die Klägerin an Leib und Seele beschädigt, um sie für ihre Aufarbeitungsstrategie zu nutzen.

Auch das Überziehen mit einer Vielzahl von arbeitsrechtlichen Einzelmaßnahmen gegenüber einer schwer erkrankten Arbeitnehmerin, sei in einer Gesamtschau schikanös und nicht durch legitime Ziele gedeckt. Das Verlangen einer vertrauensärztlichen und einer amtsärztlichen Untersuchung, das Verfahren zur „Zurruhesetzung“ sowie die offensichtlich unwirksame Kündigung mit dem Vorwurf, sie habe den Bürostuhl „geklaut“, beeinträchtigten ihre Gesundheit. Aufgrund der Verweigerung der vertraglich zugesagten beamtenähnlichen Beihilfe habe sie sich zusätzlich krankenversichern müssen.

In einer Gesamtschau erscheine deshalb ein Betrag von EUR 50.000,- angesichts des zeitlichen Umfangs und der Heftigkeit der Maßnahmen des beklagten ….. angemessen aber auch erforderlich, auch um die Kosten der Klägerin zu decken, die ihr zur anwaltlichen Verteidigung entstanden seien. Hier gehe es auch um Spezial- und Generalprävention.

Die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentlich fristlose Kündigung vom 22.07.2021 beendet wurde.

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist vom 22.07.2021 mit Wirkung zum 31.03.2022 enden wird;

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;

4. das beklagte …… zu verurteilen an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, das einen Betrag von EUR 50.000,- allerdings nicht unterschreiten sollte;

5. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die mit Schreiben datiert auf den 28.7.2021 verfügte Versetzung in den Ruhestand beendet oder in den Ruhestand überführt worden ist;

6. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch eine auf den 28.7.2021 datierte Kündigung zum 31.7.2021 beendet worden ist;

7. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch eine auf den 28.7.2021 datierte Kündigung zum 31.8.2021 beendet worden ist;

8. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch Eintritt einer auflösenden Bedingung zum 31.7.2021 beendet worden ist;

9. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch Eintritt einer auflösenden Bedingung zum 31.8.2021 beendet worden ist;

10. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die mit Schreiben, zugegangen am 18.8.2021, datiert auf den 28.7.2021, verfügte Versetzung in den Ruhestand beendet worden ist;

11. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch eine auf den 28.7.2021 datierte, am 18.8.2021 zugestellte Kündigung zum 31.8.2021 beendet worden ist;

12. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch Eintritt einer auflösenden Bedingung zum 31.8.2021 beendet worden ist;

13. das beklagte ….. zu verurteilen, rückständige Vergütung für die Monate August 2021 bis Januar 2022 von jeweils EUR 9.286,91, insgesamt EUR 55.721,46 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen;

14. das beklagte …… zu verurteilen, der Klägerin in den Monaten August 2021 bis Januar 2022 Beihilfe nach den für vergleichbare Landesbeamte des Landes ……… maßgebenden Vorschriften zu gewähren.

Das beklagte …… beantragt, die Klage abzuweisen.

Es stützt die außerordentliche Kündigung auf die Mitnahme des Bürostuhls. Dieser Stuhl habe unter Berücksichtigung eines Preisnachlasses von 134,45 EUR netto tatsächlich einen Neuwert von 902,52 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer insgesamt also i. H. v. 1.074,00 EUR gehabt. Zum Zeitpunkt der Mitnahme durch die Klägerin habe er nach den steuerlichen Abschreibungsvorschriften noch einen Zeitwert von 421,85 EUR bzw. ohne Berücksichtigung des Preisnachlasses von 495,69 EUR gehabt. Der Stuhl habe sich auch bei der schließlich im August 2021 erfolgten Rückgabe durch die Klägerin noch in einwandfreiem Zustand befunden.

Zu berücksichtigen sei auch der zeitliche Ablauf. Nach Mitnahme des Stuhls sei die Klägerin noch einen einzigen Arbeitstag, nämlich am 14.04.2020, arbeitsfähig gewesen. Seit dem 15.04.2020 habe sie ununterbrochen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ihres Arztes vorgelegt. Sie habe den Bürostuhl also im unmittelbaren Zusammenhang mit der für sie absehbar langfristigen Arbeitsunfähigkeit in ihren privaten Besitz genommen und dabei gewusst, dass sie ihn langfristig nicht zu dienstlichen Zwecken verwenden werde. Dafür spreche auch, dass sie aus ihrem Büro nicht allein den Bürostuhl mitgenommen habe, sondern den ganz überwiegenden Teil ihrer privaten Sachen. Dadurch habe sie dokumentiert, dass sie überhaupt nicht mehr beabsichtigt habe, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren und ihre Tätigkeit wieder aufzunehmen. Damit niemand auf den Gedanken käme, nach dem fehlenden Bürostuhl zu suchen, habe sie in der Woche nach Ostern ihrer Assistentin telefonisch mitgeteilt, sie habe den Bürostuhl für das Homeoffice mitgenommen, sie solle sich über das Fehlen nicht wundern. Dies zeige ihr planmäßiges Verhalten. Das Fehlen des Bürostuhls sei deshalb erst Anfang Juli 2021 rein zufällig aufgefallen, als die kommissarische Justiziarin und Leiterin der Stabsabteilung Recht zur Vorbereitung eines hausinternen Umzuges der Stabsabteilung das Büro der Klägerin betreten habe.

Die Pandemie rechtfertige oder entschuldige die Pflichtverletzung der Klägerin nicht. Kein anderer Mitarbeiter habe in dieser Zeit seinen Bürostuhl mit ins Homeoffice genommen. Das Informationsschreiben vom 26.03.2020 habe für die Führungskräfte nur eingeschränkt gegolten, weil sie weiterhin im erforderlichen Umfang im Generalvikariat präsent hätten sein müssen, um ihre Leitungsaufgaben wahrnehmen zu können. Die Klägerin habe nicht dauerhaft zu Hause arbeiten sollen. Wenn sie den Bürostuhl für eine zeitweise Tätigkeit im Homeoffice benötigt hätte, hätte sie den zuständigen Hauptabteilungsleiter Verwaltung ansprechen müssen und nicht einfach zur Selbsthilfe greifen dürfen. Nicht einmal das Anhörungsschreiben vom 08.07.2021 zu diesem Vorgang habe die Klägerin veranlasst, den Stuhl zurückzubringen, sondern lediglich zu der Erklärung vom 14.07.2021, sie sei jederzeit zur Herausgabe bereit. Bei der erforderlichen Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin als Justiziarin eine Vorbildfunktion habe.

Die Versetzung in den Ruhestand sei eine durch das Direktionsrecht gedeckte arbeitgeberseitige Entscheidung, die in der Besonderheit des beamtenähnlich ausgestalteten Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien begründet liege. Durch diese Möglichkeit werde die Klägerin in Verbindung mit dem Ausschluss der ordentlichen Kündigung auch nicht gegenüber anderen Arbeitnehmern benachteiligt, sondern im Gegenteil sogar bevorzugt, weil ihr Arbeitsverhältnis weder aus dringenden betrieblichen Gründen noch aus Gründen in ihrer Person beendet werden könne, sondern nur im Falle dauerhafter Arbeitsunfähigkeit unter Fortbestand der Rechtsbeziehung zwischen den Parteien in ein Versorgungsverhältnis ohne Verpflichtung der Klägerin zur Erbringung einer Arbeitsleistung aber mit der Verpflichtung des …… zur Zahlung der beamtenrechtlich berechneten Versorgung i. H. v. aktuell 5.001,58 EUR überführt werden könne.

Die Klägerin sei dauerhaft dienstunfähig. Sie sei nach einer ersten lang andauernden Erkrankung in der Vergangenheit inzwischen seit mehr als 20 Monaten ununterbrochen arbeitsunfähig. Eine über den Inhalt der zitierten vertrauensärztlichen Stellungnahme vom 19.01.2021 hinausgehende Prognose habe die Klägerin planmäßig verhindert, indem sie verboten habe, mit Ausnahme der konkret im Gutachten enthaltenen rudimentären Zitate die ihr vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen zu verwerten.

Die Klägerin könne auch nicht anderweitig beschäftigt werden. Sie habe nämlich mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass sie nur in einem klerikerfreien Umfeld arbeiten könne. Bereits für die vertrauensärztliche Untersuchung habe sie jeden Ort abgelehnt, an dem sie eines Priesters ansichtig werden könne. Nach ihrer eigenen Erklärung könne sie nicht einmal den Anblick eines Kölner Priesters ertragen, ohne retraumatisiert zu werden. Die zitierten ärztlichen Stellungnahmen seien deshalb unter dieser Bedingung zu verstehen. Die Tätigkeit als rechtliche Beraterin des Erzbischofs und der überwiegend aus Geistlichen bestehenden Bistumsleitung könne sie deshalb nicht mehr ausüben. Es gebe beim beklagten ……. aber auch keine andere Tätigkeit für die Klägerin, bei der ein Kontakt zu Priestern ausgeschlossen sei. Die bloße Wahrnehmung von Aufsichtsratsmandaten sei keine hauptamtliche, sondern nur eine Nebentätigkeit.

Für die weiteren Feststellungsanträge gebe es keinen Anlass. Das beklagte ….. habe mit dem Schreiben vom 28.07.2021 weder eine Kündigung erklärt noch sich auf eine auflösende Bedingung berufen.

Schmerzensgeld stehe der Klägerin nicht zu. Das beklagte ….. habe seine Fürsorgepflicht gegenüber der Klägerin im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle nicht verletzt. Als Volljuristin habe die Klägerin davon ausgehen müssen, in ihrem Berufsleben auch schwerwiegende Konfliktsituationen bearbeiten zu müssen. Zudem habe sie intensiv darum gekämpft, die alleinige Zuständigkeit für Intervention und Missbrauch in ihrer Stabsabteilung anzusiedeln.

Die Klägerin habe am 21.09.2010 an einer dreistündigen internen und am 07.10.2011 an einer ganztägigen Fortbildungsveranstaltung der deutschen Bischofskonferenz zum Thema sexueller Missbrauch teilgenommen. Außerdem habe das beklagte …… ihr auf seine Kosten nach ihrer freien Themenwahl Coachings in folgendem Umfang ermöglicht: 6 Stunden von September bis November 2012, 3 Stunden im März 2013, 12 Stunden von Juli bis November 2013 und jeweils 4 Stunden im Januar 2014, im November/Dezember 2014, im Februar 2015, im Mai 2015 und im Oktober 2015. Auch habe es im …….. schon vor dem Frühjahr 2010 die „Stabsabteilung Diözesanstelle für Pastorale Begleitung“ unter der Leitung des Pastoralreferenten …… gegeben, die auch für alle Beschäftigten Supervisionen vermittle. Herrn ….. sei die Klägerin regelmäßig im täglichen Arbeitsablauf begegnet und in den Beratungsgremien, denen sie gemeinsam angehörten. In Anspruch genommen habe die Klägerin dieses Supervisionsangebot für 73 Sitzungen aber erst in der Zeit von November 2018 bis Juni 2020. Weitere Unterstützung habe die Klägerin nicht nachgefragt. Die Klägerin sei keine untergeordnete Mitarbeiterin, die sozusagen an die Hand genommen werden müsse, um Unterstützungsangebote für belastende Tätigkeiten in Anspruch zu nehmen. Es sei ihr unbenommen gewesen, das bestehende Angebot über die vorbeschriebenen Coaching-Termine hinaus in Anspruch zu nehmen, wenn sie dies als notwendig erachtete.

Die Anfragen der unabhängigen Gutachter zu möglichen Pflichtverletzungen der Klägerin bei der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle habe das beklagte ….. nicht veranlasst. Die Klägerin habe selbst an der Erteilung des Gutachtenauftrags für die Kanzlei ….. mitgewirkt. Die im Gutachten ….. im Zusammenhang mit der Aufarbeitungstätigkeit der Klägerin erhobenen Vorwürfe habe das beklagte ….. nicht einfach unter den Tisch fallen lassen können. Das Anhörungsschreiben des Rechtsanwalts … vom 21.03.2020 zu den im Gutachten gerügten Pflichtverletzungen habe der Klägerin ausdrücklich zugestanden, aus gesundheitlichen Gründen von einer Beantwortung abzusehen. Auch sei der Schriftwechsel entsprechend dem Wunsch der Klägerin ausschließlich über ihren Bevollmächtigten geführt worden.

Zur Rückgabe des Dienstwagens und zur Teilnahme an der vertrauensärztlichen Untersuchung sei die Klägerin verpflichtet gewesen.

Die von der Klägerin behauptete posttraumatische Belastungsstörung habe sie gegenüber dem beklagten ….. nie belegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist im zuerkannten Umfang zulässig und begründet und im Übrigen teils unzulässig und teils unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat durch die außerordentliche Kündigung vom 22.07.2022 weder fristlos noch unter Einhaltung der Auslauffrist geendet, weil die Mitnahme des Bürostuhls unter den konkreten Umständen des Falls keinen wichtigen Grund zur Kündigung darstellt (dazu im Folgenden unter 1.). Auch die Versetzung der Klägerin in den Ruhestand vom 28.07.2021 ist unwirksam. Die dafür notwendige Prognose, dass die Klägerin ihre Dienstfähigkeit dauerhaft oder zumindest in den nächsten sechs Monaten nicht wiedererlangen werde, war nicht schon allein aufgrund der vertrauensärztlichen Stellungnahme von Januar 2021 und der seither fortdauernden Dienstunfähigkeit gerechtfertigt (dazu unter 2.). Wegen des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses schuldet das beklagte …. der Klägerin die Entgeltfortzahlung für die Monate August 2021 bis Januar 2022 (3.). Die Schmerzensgeldforderung ist unbegründet. Die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle war notwendig, die damit für die Klägerin verbundenen Belastungen unvermeidbar. Der Klägerin als Leiterin der Stabsabteilung Recht war es zumutbar, selbst um für sie notwendige Unterstützung durch das ….. nachzusuchen, soweit die gewährte und angebotene nicht ausreichten. In den gutachterlichen und anwaltlichen Anhörungen der Klägerin zu möglichen eigenen und fremden Fehlern bei der Aufarbeitung liegt ebenso wenig eine Pflichtverletzung des beklagten …… wie im Entzug des Dienstwagens und der Ladung zur vertrauensärztlichen Untersuchung (dazu unter 4.). Die übrigen Anträge sind mangels Feststellungsinteresses, der Leistungsantrag zu 14. mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig.

1. Die zur Verhinderung der Fiktionswirkung des § 7 KSchG erforderlichen und damit zulässigen Anträge zu 1. und 2. sind begründet. Die Klägerin hat mit ihrer am 30.07.2021 bei Gericht eingegangenen und dem beklagten …… am 11.08.2021 zugestellten Klage die dreiwöchige Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG hinsichtlich der ihr am 26.07.2022 zugegangenen Kündigung vom 22.07.2021 gewahrt. Diese Kündigung hat das Arbeitsverhältnis der Parteien weder fristlos noch mit Ablauf der hilfsweise gewährten Auslauffrist beendet. Sie ist rechtsunwirksam, weil das beklagte ….. keinen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB hatte.

a) Ein Arbeitsverhältnis kann rechtswirksam fristlos gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann (§ 626 Abs. 1 BGB).

Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d. h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (BAG, Urteil vom 13. Mai 2015 – 2 AZR 531/14 -, Rn. 28 m.w.N., juris).

Dabei gilt ein objektiver Maßstab. Maßgeblich ist nicht, ob ein bestimmter Arbeitgeber meint, ihm sei die Einhaltung der Kündigungsfrist nicht zuzumuten, und ob er weiterhin hinreichendes Vertrauen in einen Arbeitnehmer hat. Es kommt darauf an, ob die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist dem Kündigenden aus der Sicht eines objektiven und verständigen Betrachters unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zumutbar ist oder nicht (BAG, Urteil vom 13. Mai 2015 – 2 AZR 531/14 -, Rn. 29 m.w.N., juris)

aa) Die nicht abgesprochene Mitnahme des Bürostuhls durch die Klägerin am 09.04.2020 ist an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Begeht ein Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche – ggf. strafbare – Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann an sich einen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB darstellen (BAG, Urteil vom 31. Juli 2014 – 2 AZR 407/13 -, Rn. 27 m.w.N., juris). Auch im Eigentum des Arbeitgebers stehende Arbeitsmittel darf der Arbeitnehmer nicht ohne Absprache einfach mit nach Hause nehmen, selbst wenn er damit zu Hause arbeiten will. Erst recht ist es pflichtwidrig, sie nicht wieder von sich aus zurückzugeben, wenn der Arbeitnehmer kurz nach der Mitnahme für längere Zeit erkrankt und die Arbeitsmittel nicht für seine Arbeit nutzen kann. Fragt der Arbeitgeber dann sogar nach dem Verbleib des Arbeitsmittels – wie das beklagte …… mit Schreiben vom 08.07.2021 – besteht dringende Veranlassung, es umgehend zurückzugeben. Nimmt der Arbeitnehmer einen Bürostuhl eigenmächtig mit nach Hause, kann er nicht erwarten, dass der Arbeitgeber ihn wieder abholen kommt. Ist er selbst krankheitsbedingt nicht in der Lage, den Stuhl zurückzubringen, hat er jemanden damit zu beauftragen.

bb) Diese Pflichtverletzung der Klägerin macht dem beklagten ….. jedoch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der (wegen der ordentlichen Unkündbarkeit der Klägerin fiktiven) Kündigungsfrist unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des vorliegenden Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile aus der Sicht eines objektiven und verständigen Betrachters nicht unzumutbar. Maßgeblich dafür sind aus der Sicht des erkennenden Gerichts die folgenden besonderen Umstände:

Die Klägerin hat den damaligen Generalvikar, nach § 3 des Dienstvertrags ihren Dienstvorgesetzten, am 09.04.2020 darüber informiert, dass sie nach Ostern vorerst zu Hause arbeiten werde. Sie hat am Dienstag nach Ostern von zu Hause aus gearbeitet, den Bürostuhl also zur Arbeit genutzt. Die Arbeitsunfähigkeit kam für die Klägerin überraschend bei Aufnahme der Tätigkeit im Homeoffice am Folgetag. Dies hat die Klägerin vorgetragen. Es ist der Entscheidung zugrunde zu legen, weil das beklagte … Gegenteiliges, insbesondere die Kenntnis der Klägerin von ihrer bevorstehenden Arbeitsunfähigkeit schon am 09.04.2020, nicht unter Beweis gestellt hat, obwohl den kündigenden Arbeitgeber im Prozess die Beweislast für alle Umstände trifft, die den wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB bilden sollen (BAG, Urteil vom 17.04.1956, AP Nr. 8 zu § 626 BGB unter I 6. a.E. der Gründe; Urteil vom 06.08.1987, AP Nr. 97 zu § 626 BGB unter II 2 a) der Gründe m.w.N.). Das gilt auch für alle Umstände, aus denen im Rahmen der Interessenabwägung die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung abgeleitet wird (BAG, Urteil vom 30.05.1978, AP Nr. 70 zu § 626 BGB unter III 4 b) der Gründe; SPV/Preis, 9. Auflage München 2015, Rn. 559 je m.w.N.).

Außerdem hat die Klägerin ihre Assistentin selbst nach dem hinsichtlich des Zeitpunkts streitigen Vorbringen des beklagten ……spätestens in der Woche nach Ostern und damit kurz nach Beginn ihrer Arbeitsunfähigkeit über die Mitnahme des Stuhls informiert. Ein Anzeichen für ein planvolles auf Verheimlichung ausgerichtetes Vorgehen der Klägerin liegt darin bei objektiver Betrachtung nicht. Wie die Assistentin mit dieser Information umgehen würde, konnte die Klägerin nicht wissen. Sie hat auch nicht versucht, dies zu beeinflussen. Jedenfalls ist dies nicht vorgetragen.

Die Tätigkeit der Klägerin im Homeoffice entsprach auch dem im Informationsschreiben vom 26.03.2020 postulierten „absoluten Vorrang von Homeoffice gegenüber Präsenz“ im … Generalvikariat. Dass dieser Vorrang für leitende Mitarbeiter nicht gelten sollte, lässt sich dem Schreiben nicht entnehmen, solange die notwendigen organisatorischen Tätigkeiten auch von zu Hause erledigt werden konnten. Auch der damalige Generalvikar hat im Gespräch am 09.04.2020 offenbar keine Einwände gegen die von der Klägerin angekündigte Tätigkeit im Homeoffice erhoben. Jedenfalls ist auch dies nicht vorgetragen. Dass die Klägerin deshalb am 09.04.2020 davon ausging, dass sie den extra für sie wegen ihrer Rückenprobleme angeschafften Bürostuhl in der Zeit nach Ostern zur Arbeit zu Hause mehr benötigen würde als für die Arbeit im Büro, ist nachvollziehbar.

Zudem obliegt dem Arbeitgeber die Ausstattung des Heimarbeitsplatzes, wenn er den Arbeitnehmer zu Hause arbeiten lässt. Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer grundsätzlich die erforderlichen Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen (ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, BGB § 611a Rn. 559 m.w.N.). Dieser Grundsatz ist seit langem anerkannt. Der Anspruch des Arbeitnehmers darauf ergibt sich nach heutiger Rechtslage aus § 611a Abs. 1 BGB i. V. m. dem Arbeitsvertrag (BAG, Urteil vom 10. November 2021 – 5 AZR 334/21 -, Rn. 16 ff., 22 m.w.N., juris). Dies gilt grundsätzlich auch bei Tätigkeiten im Homeoffice (Küttner/Röller: Personalbuch 2022, Homeoffice Rn. 10; Krieger/Rudnik/Povedano Peramato, NZA 2020, 473, 478 unter V 1. m.w.N.). Da das beklagte …. in der damaligen Situation kurz nach Ausbruch der Pandemie verständlicherweise nicht in der Lage war, allen vorrangig im Homeoffice eingesetzten Mitarbeitern sofort den Heimarbeitsplatz angemessen auszustatten, mussten die Mitarbeiter bei der Ausstattung flexibel sein, damit die Arbeit weiterhin erledigt werden konnte. In dieser Situation erschüttert die nicht abgesprochene Mitnahme eines Bürostuhls zur Verwendung im Homeoffice das notwendige Vertrauen in die Redlichkeit des Arbeitnehmers nicht im gleichen Maße wie in anderen Fällen, in denen ein Arbeitnehmer ihm überlassene Arbeitsmittel eigenmächtig mit nach Hause nimmt.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien bereits länger als vierzehn Jahre andauerte und in dieser Zeit nicht durch andere Pflichtverletzungen der Klägerin belastet wurde. Die erstmalige Pflichtverletzung lässt unter den besonderen Umständen dieses Falles das Auflösungsinteresse des beklagten ….. nicht das Interesse der Klägerin am Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses überwiegen.

b) Auch hinsichtlich der hilfsweise mit einer Auslauffrist verbundenen außerordentlichen Kündigung gilt hier nichts anderes.

Ein wichtiger Grund i, S. d. § 626 Abs. 1 BGB kann im Verhältnis zu einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis ordentlich nicht gekündigt werden kann, auch dann vorliegen, wenn ein pflichtwidriges Verhalten, das bei einem Arbeitnehmer ohne Sonderkündigungsschutz nur eine ordentliche Kündigung rechtfertigen würde, gerade wegen der infolge des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung langen Bindungsdauer einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung für den Arbeitgeber i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB darstellen kann. Zwar wirkt sich der Sonderkündigungsschutz insofern zum Nachteil für den Arbeitnehmer aus. Dies ist jedoch im Begriff des wichtigen Grundes gemäß § 626 Abs. 1 BGB angelegt. Dieser richtet sich nach der Zumutbarkeit einer Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses. Zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs muss in einem solchen Fall allerdings zugunsten des Arbeitnehmers zwingend eine der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist eingehalten werden. Der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber ordentlich nicht gekündigt werden kann, darf im Ergebnis nicht schlechter gestellt sein, als wenn er dem Sonderkündigungsschutz nicht unterfiele (BAG, Urteil vom 13. Mai 2015 – 2 AZR 531/14 -, Rn. 44 m.w.N., juris)

Bei Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers wird eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist allerdings nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Die Pflichtverletzung müsste einerseits so gravierend sein, dass sie im Grundsatz auch eine fristlose Kündigung rechtfertigen könnte. Andererseits müsste es dem Arbeitgeber aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls zumutbar sein, dennoch die (fiktive) ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten. Wäre etwa die Gefahr einer Wiederholung des Pflichtverstoßes zwar für den Lauf der ordentlichen Kündigungsfrist auszuschließen, nicht aber darüber hinaus, könnte ausnahmsweise gerade der Ausschluss der ordentlichen Kündigung dazu führen, dass ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung – mit notwendiger Auslauffrist – bestünde (BAG, Urteil vom 13. Mai 2015 – 2 AZR 531/14 -, Rn. 45 m.w.N., juris).

Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin zukünftig nach ihrer Genesung auch in einer anderen als der damaligen Ausnahmesituation eigenmächtig im Eigentum des beklagten ….. stehende Gegenstände mit nach Hause nehmen wird, sind hier weder vorgetragen noch ersichtlich.

2. Die gemäß § 256 ZPO unproblematisch zulässigen Anträge zu 5. und 10. sind begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch die Versetzung in den Ruhestand vom 28.07.2021 nicht in den Ruhestand überführt.

Dabei bedarf es hier keiner Entscheidung, ob die Arbeitsvertragsparteien in einem beamtenähnlich ausgestalteten Arbeitsvertrag dem Arbeitgeber wirksam die Möglichkeit der einseitigen Versetzung des Arbeitnehmers in den vorzeitigen Ruhestand vorbehalten können. Auch wenn man dies annimmt, liegen hier jedenfalls die in § 5 Abs. 2 des Dienstvertrags in Bezug genommenen beamtenrechtlichen Voraussetzungen für eine Versetzung in den Ruhestand nicht vor.

Die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit setzt gemäß § 34 Abs. 1 LBG …… in der aktuellen Fassung vom 14.06.2016 voraus, dass die dienstvorgesetzte Stelle nach Einholung eines amtlichen Gutachtens der unteren Gesundheitsbehörde die Beamtin oder den Beamten für dienstunfähig hält. Anstelle eines solchen amtsärztlichen Gutachtens haben die Parteien in § 5 Abs. 2 ihres Dienstvertrags die Einholung eines vertrauensärztlichen Gutachtens vereinbart. Die amtsärztliche Stellungnahme im Zwangspensionierungsverfahren muss dem Dienstherrn die Entscheidung darüber ermöglichen, ob der Beamte zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist und gegebenenfalls welche Folgerungen aus einer bestehenden Dienstunfähigkeit zu ziehen sind. Von dieser Zweckrichtung ausgehend darf sich das amtsärztliche Gutachten nicht auf die bloße Mitteilung einer Diagnose und eines Entscheidungsvorschlags beschränken. Es muss vielmehr sowohl die notwendigen Feststellungen zum Sachverhalt, d.h. die in Bezug auf den Beamten erhobenen Befunde, darstellen als auch die aus medizinischer Sicht daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen für die Fähigkeit des Beamten, seinen dienstlichen Anforderungen weiter zu genügen, soweit deren Kenntnis für die Behörde unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die Entscheidung über die Zurruhesetzung erforderlich ist. Dabei müssen aber jedenfalls die für die Meinungsbildung wesentlichen Entscheidungsgrundlagen erkennbar sein (OVG NRW, Urteil vom 8. April 2020 – 6 A 48/19 -, Rn. 17, juris).

Der im Tatbestand wiedergegebenen Stellungnahme der von dem beklagten ….. beauftragten Vertrauensärztin vom 19.01.2021 lassen sich weder eine ausreichende Feststellung von Befunden noch die aus medizinischer Sicht daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen entnehmen. Die Vertrauensärztin hat selbst keinerlei Befunde erhoben. Sie hat auch keine eigenen medizinischen Schlussfolgerungen gezogen. Sie hat lediglich aus zwei … Stellungnahmen der behandelnden Ärzte zitiert. Diese Zitate sprechen gerade nicht für eine dauerhafte Dienstunfähigkeit der Klägerin. Zur Zukunftsprognose bleibt die eine Stellungnahme unergiebig. Die andere geht von einer Genesung und Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit aus, ohne einen Zeitrahmen dafür zu nennen. Die Vertrauensärztin schließt mit den Worten: „Weitere Aussagen zur Zukunftsprognose und der Wiedereinsetzbarkeit von Frau …, in der Funktion der Justitiarin ……., sind aus arbeitsmedizinischer Sicht zur Zeit nicht möglich“.

Angesichts der Unergiebigkeit dieser Stellungnahme, die zudem auch in dem wiedergegebenen Gutachtenauftrag nicht erkennen ließ, dass sie zur Vorbereitung einer Entscheidung über die Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand eingeholt werde, durfte das beklagte …. vor seiner sechs Monate später getroffenen Entscheidung nicht von der Einholung eines aussagekräftigen Gutachtens absehen. Erforderlich war eine aktuelle Prognose, die nach § 34 LBG NRW gerade nicht allein aus der Dauer einer bereits bestehenden Dienstunfähigkeit abgeleitet, sondern nur aufgrund eines ärztlichen Gutachtens erstellt werden kann (BeckOK Beamtenrecht Bund, Brinktrine/Schollendorf/Heidt, § 26 BeamtStG, 23. Edition Stand: 01.08.2021 Rn. 13 m.w.N.). In der Regel wird der Dienstherr eine solche Prognose nicht ohne eine ärztliche Beurteilung der Erkrankung(en), ihrer genauen Ursachen und der auf dieser Grundlage zu erwartenden weiteren gesundheitlichen Entwicklung des Beamten bzw. der Beamtin abgeben können (v. Roetteken in: v. Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, 22. Update Oktober 2021, d) Unwahrscheinlichkeit der Wiederherstellung der uneingeschränkten Dienstfähigkeit, Rn. 267)

Auch der Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bis zur letzten mündlichen Verhandlung heilt diesen Mangel nicht. Denn es ist unerheblich, ob sich die Prognose im nachhinein als richtig erweist. Entscheidend ist vielmehr, ob die Prognose nach dem Sach- und Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung einwandfrei erarbeitet worden ist (OVG NRW, Urteil vom 18. April 1991 – 12 A 1861/89 -, Rn. 7, juris).

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Klägerin sich im Zusammenhang mit der vorangegangenen vertrauensärztlichen Untersuchung aus Sicht des beklagten ….. nicht kooperativ gezeigt hat. Sowohl das Arbeitsrecht als auch das Beamtenrecht stellen dem Arbeitgeber geeignete Mittel zur Verfügung, um eine aussagekräftige ärztliche Grundlage für die Beurteilung über die Dauerhaftigkeit der Arbeits- oder Dienstunfähigkeit eines seit geraumer Zeit durchgehend arbeitsunfähigen Arbeitnehmers zu erlangen.

3. Der als Leistungsantrag unproblematisch zulässige Klageantrag zu 13. ist begründet. Weil das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentlichen Kündigungen beendet noch durch die Versetzung in den Ruhestand in ein Versorgungsverhältnis übergeführt worden ist, hat die Klägerin auch für die Monate August 2021 bis Januar 2022 Anspruch auf zum Monatsbeginn zu zahlende Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 des Dienstvertrags der Parteien, der keine zeitliche Begrenzung der Entgeltfortzahlung vorsieht. Die Zinsforderung ist im Hinblick auf die aus dem beamtenrechtlichen Alimentationsprinzip folgende Fälligkeit des Gehalts zu Beginn des Monats jedenfalls unter dem Gesichtspunkt eines mittleren Zinsdatums gemäß §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1, 291 Satz 1 ZPO begründet.

4. Der auf Zahlung eines „Schmerzensgeldes“ gerichtete Antrag zu 4. ist unbegründet.

Er ist entsprechend §§ 133, 157 BGB dahingehend auszulegen, dass die Klägerin eine Entschädigung für erlittenen immateriellen Schaden begehrt. Darauf deutet nicht nur die Bezeichnung „Schmerzensgeld“ hin, sondern auch der Umstand, dass die Klägerin als möglichen materiellen Schaden lediglich ihre Rechtsanwaltskosten erwähnt, diese aber nicht beziffert. Außerdem stützt sie ihre Forderung auf die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und ihrer Gesundheit.

Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld gemäß § 253 Abs. 1 BGB nur in den durch Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden. Danach kann ein Anspruch auf Entschädigung wegen widerrechtlicher Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts allein auf deliktische Anspruchsgrundlagen, insbesondere § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 831 BGB gestützt werden. Das durch Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Persönlichkeitsrecht ist als „sonstiges Recht“ i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB anerkannt. Vertragliche Anspruchsgrundlagen scheiden demgegenüber aus, weil § 253 Abs. 2 BGB das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht aufführt (BAG, Urteil vom 15. September 2016 – 8 AZR 351/15 -, Rn. 35, juris). Ein Anspruch auf Entschädigung wegen einer Gesundheitsverletzung kann demgegenüber auch auf eine Vertragspflichtverletzung gestützt werden, weil für eine solche eine Entschädigung in § 253 Abs. 2 BGB vorgesehen ist.

Das beklagte ….. hat aber gegenüber der Klägerin weder eine unerlaubte Handlung begangen noch seine arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Rücksichtnahme auf die Gesundheit oder die Persönlichkeit der Klägerin gemäß § 241 Abs. 2 BGB verletzt.

Eine Pflichtverletzung gegenüber der Klägerin erfolgte nicht durch unzureichende Unterstützung der Klägerin bei deren Mitwirkung an der Aufklärung der Missbrauchsfälle in den Jahren 2010 bis 2015. Dass die Aufarbeitung der zahlreichen Fälle sexuellen Missbrauchs für die Klägerin psychisch belastend war, liegt auf der Hand. Ihre Behauptung, sie sei weder geschult worden noch sei ihr damals eine Supervision gewährt worden, kann der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden. Das beklagte ……. hat im Einzelnen vorgetragen, dass die Klägerin in den Jahren 2010 und 2011 an zwei Schulungen zu dem Thema teilgenommen hat und es ihr auf seine Kosten nach ihrer freien Themenwahl in den Jahren 2012 bis 2015 zahlreiche Coachings ermöglicht habe. Von dem schon damals bestehenden von der „Stabsabteilung Diözesanstelle für Pastorale Begleitung“ vermittelten Supervisionsangebot für alle Beschäftigten habe die Klägerin zunächst keinen Gebrauch gemacht und es erst ab 2018 in Anspruch genommen. Diesem Vorbringen ist die Klägerin nicht konkret entgegengetreten. Dass sie darüber hinaus weiteren Unterstützungsbedarf für die seelisch belastende Tätigkeit erbeten und nicht erhalten habe, behauptet die Klägerin nicht. Angesichts ihrer hohen beruflichen Qualifikation und ihrer Führungsposition wäre es ihr aber zuzumuten gewesen, einen solchen Bedarf von sich aus anzumelden, wenn sie die gewährte Unterstützung für nicht ausreichend hielt.

Unabhängig davon ergibt sich aus den Darlegungen der Klägerin aber auch nicht die Kausalität zwischen der behaupteten unzureichenden Unterstützung und der erlittenen Schädigung ihrer Gesundheit. Es liegt jedenfalls nicht auf der Hand, dass die jahrelange Befassung mit Fällen sexuellen Missbrauchs bei besserer Unterstützung keine posttraumatische Belastungsstörung bei der Klägerin ausgelöst hätte.

Mit den Anfragen der unabhängigen Gutachter zu möglichen Pflichtverletzungen der Klägerin bei der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle hat das beklagte …. seine Pflichten gegenüber der Klägerin nicht verletzt. Die Klägerin hat nicht behauptet, diese Anfragen seien vom beklagten ……. veranlasst worden. Das vom beklagten ….. veranlasste Anhörungsschreiben vom 21.03.2020 nahm gerade Rücksicht auf die gesundheitliche Situation der Klägerin und räumte ihr ausdrücklich die Möglichkeit ein, aus gesundheitlichen Gründen von einer Beantwortung abzusehen.

Die Veranlassung der vertrauensärztlichen Untersuchung stellt keine Pflichtverletzung dar. Die wiederholte langanhaltende Erkrankung der Klägerin gab dazu berechtigten Anlass.

Das beklagte …… hat auch nicht durch eine offensichtlich unwirksame Kündigung das Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt. Die Kündigungen waren nicht offensichtlich unwirksam. Die Klägerin hat durch die eigenmächtige Mitnahme des Bürostuhls eine Pflichtverletzung begangen, die an sich eine Kündigung begründen könnte. Lediglich aufgrund der besonderen Umstände führte die abschließende Interessenabwägung zur Unwirksamkeit der Kündigungen.

Allein durch den Ausspruch einer unwirksamen Kündigung verletzt ein Arbeitgeber nicht seine dem Arbeitnehmer gegenüber bestehenden Rücksichtnahmepflichten. Im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen sind grundsätzlich nicht geeignet, die Tatbestandsvoraussetzungen einer Vertragspflichtverletzung oder einer unerlaubten Handlung zu erfüllen. Eine solche in der Praxis häufig vorkommende Konfliktsituation ist der Ausspruch einer Arbeitgeberkündigung. Der Gesetzgeber hat durch das Kündigungsschutzgesetz konkret geregelt, dass und wie sich der Arbeitnehmer gegen diese Maßnahme des Arbeitgebers zur Wehr setzen kann. Außerdem sind auch die Folgen einer rechtsunwirksamen Kündigung gesetzlich geregelt (vgl. z. B. Annahmeverzug des Arbeitgebers nach §§ 11 KSchG, 615 BGB, Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, Möglichkeit eines Auflösungsantrags durch den Arbeitnehmer oder Arbeitgeber nach § 9 KSchG).

Damit geht der Gesetzgeber davon aus, dass der Ausspruch einer Kündigung durch den Arbeitgeber sich im Regelfalle als ein sozial adäquates Verhalten darstellt, dessen Rechtswirksamkeit der Arbeitnehmer im Einzelfalle gerichtlich überprüfen lassen kann. Eine nicht mehr sozial adäquate Maßnahme könnte eine Kündigung nur dann darstellen, wenn sie den Arbeitnehmer über den bloßen Kündigungsausspruch hinaus in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt und dies vom Arbeitgeber auch so gewollt ist (BAG, Urteil vom 24. April 2008 – 8 AZR 347/07 -, Rn. 47 f. m.w.N., juris). Anhaltspunkte dafür sind hier von der Klägerin nicht dargelegt. Dies hätte ihr jedoch oblegen, weil der Arbeitnehmer für das Vorliegen einer Pflichtverletzung durch den Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast trägt (BAG, Urteil vom 24. April 2008 – 8 AZR 347/07 -, Rn. 48, juris)

Aus welchem Grund schließlich die Aufforderung zur Rückgabe des Dienstwagens nach mehrmonatiger krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit einen Pflichtverstoß darstellen soll, hat die Klägerin gleichfalls nicht dargelegt.

5. Der Antrag zu 3., bei dem es sich nach der ausdrücklichen Klarstellung auf Seite 9 der Klageschrift um einen allgemeinen Feststellungsantrag handelt, ist wegen fehlenden Feststellungsinteresses unzulässig. Die allgemeine Feststellungsklage setzt auch im Kündigungsschutzprozess ein besonderes Feststellungsinteresse i. S. d. § 256 ZPO voraus. Dieses besteht nicht schon deshalb, weil eine bestimmt bezeichnete Kündigung ausgesprochen worden und wegen dieser ein Kündigungsschutzrechtsstreit anhängig ist. Es ist vielmehr erforderlich, dass der klagende Arbeitnehmer durch Tatsachenvortrag weitere streitige Beendigungstatbestände in den Prozess einführt oder wenigstens deren Möglichkeit darstellt und damit belegt, warum dieser, die Klage nach § 4 KSchG erweiternde Antrag zulässig sei, d.h., warum an der – noch dazu alsbaldigen – Feststellung ein rechtliches Interesse bestehen soll (BAG, Urteil vom 13.07.1997, AP Nr. 38 zu § 4 KSchG 1969 unter II 1 b) der Gründe m.w.N.). Die Klägerin hat jedoch keine von ihr nicht schon mit den übrigen Anträgen angegriffenen Beendigungstatbestände vorgetragen.

6. Die Anträge zu 6. bis 9., zu 11. und 12. sind mangels Feststellungsinteresse unzulässig. Insoweit fehlt ein streitiges Rechtsverhältnis. Das beklagte …… hat sich zu keinem Zeitpunkt darauf berufen, die Versetzung in den Ruhestand beende das Arbeitsverhältnis als Kündigung oder auflösende Bedingung, sondern im Gegenteil auf Seite 22 des Schriftsatzes vom 01.09.2022 erklärt, dies sei nicht der Fall. Auch die Klägerin sieht im Schreiben vom 28.07.2022 weder eine Kündigung noch eine auflösende Bedingung. Sie stellt den Antrag nur vorsorglich für den Fall, dass eine höhere Instanz dies anders sieht. Dies begründet jedoch kein Interesse an einer alsbaldigen gerichtlichen Feststellung i. S. d. § 256 ZPO.

7. Der Klageantrag zu 14. ist unzulässig, denn er ist als Leistungsantrag nicht hinreichend bestimmt. Ein Klageantrag ist nur dann hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Satz 2 ZPO, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis im Hinblick auf § 308 ZPO klar abgrenzt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft (§ 322 ZPO) der begehrten Entscheidung erkennen lässt, das Risiko des Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt. Dazu ist erforderlich, dass bezifferbare Ansprüche benannt werden, um Klarheit über den Umfang der Rechtskraft zu schaffen (BAG, Urteil vom 10.12.1991, AP Nr. 20 zu § 253 ZPO unter 2 c) der Gründe m.w.N.). Ein unbezifferter Zahlungsantrag ist nicht hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und damit unzulässig, (BAG, Urteil vom 12.07.2006, NZA 2006, 1294, 1295 unter III. der Gründe). Der Klageantrag zu 14. lässt als Leistungsantrag in keiner Weise die Höhe der zu zahlenden Beihilfebeträge erkennen.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 42 Abs. 2 Satz 1 GKG, 3 ZPO. Ein Grund für die gesonderte Zulassung der Berufung i. S. d. § 64 Abs. 3 ArbGG liegt nicht vor.

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