Skip to content

Integrationsamtszustimmung zur ordentlichen Kündigung eines Schwerbehinderten

Integrationsamtszustimmung zur Kündigung von Schwerbehinderten: Keine ernsthaften Zweifel an Rechtmäßigkeit

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat entschieden, dass die Zustimmung des Integrationsamtes zur ordentlichen Kündigung eines Schwerbehinderten rechtmäßig war. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen diesen Beschluss wurde abgelehnt, da keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung bestanden. Die Klägerin muss die Kosten des Verfahrens tragen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 12 A 2926/20 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Das Gericht lehnte den Antrag auf Berufung gegen die Zustimmung zur Kündigung ab.
  2. Die Klägerin konnte keine ernsthaften Zweifel an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts vorbringen.
  3. Es wurden keine Verfahrensfehler im Zustimmungsbescheid des Beklagten festgestellt.
  4. Die Ermessensentscheidung des Beklagten wurde als sachgerecht angesehen.
  5. Das Verhalten der Klägerin führte zur Zerstörung des Vertrauensverhältnisses, was die Kündigung rechtfertigte.
  6. Ein Präventionsverfahren war nicht zwingend für die Rechtmäßigkeit der Zustimmungsentscheidung erforderlich.
  7. Unterschiedliche Sachverhalte in vergleichbaren Urteilen beeinträchtigen nicht die Tragfähigkeit der Entscheidung.
  8. Ein Verstoß gegen das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot wurde von der Klägerin nicht hinreichend dargelegt.

Rechtsstreit um Kündigung eines Schwerbehinderten endet ohne Berufungszulassung

Integrationsamtszustimmung zur Kündigung: Wenn ein Arbeitgeber eine Schwerbehinderte Person kündigt, muss das Integrationsamt zustimmen. Dies wird getan, um die Arbeitsstelle des Betroffenen zu erhalten. Es kann mehrere Gründe geben, warum eine Kündigung nötig ist, auch wenn die betroffene Person schwerbehindert ist. Beispielsweise kann es auch in diesem Rahmen Betriebsbedingte oder Verhaltensbedingte Kündigungen geben. Eine gerichtliche Klärung erfolgt, wenn der Betroffene die Kündigung anfechtet und möchte, dass das Integrationsamt seine Zustimmung zurücknimmt. Hierbei geht es darum, ob die Beteiligten korrekt gehandelt haben und alle rechtlichen Bedingungen erfüllt sind oder nicht.

Als Betroffener bekommt man die Möglichkeit, sich dagegen zu wehren, wenn die Zustimmung erteilt wurde und wenn man der Ansicht ist, dass dies nicht rechtens ist.

„Sie sind unsicher, ob Ihre Kündigung wirksam ist? Wenden Sie sich an unsere juristische Expertise für eine vertrauliche Ersteinschätzung.“

Der Weg zur Entscheidung: Ein detaillierter Blick auf den Fall

Im Kern dreht sich der vorliegende Rechtsstreit um die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers, für die eine Zustimmung des Integrationsamtes erforderlich ist. Der Ausgangspunkt war ein Zustimmungsbescheid des Beklagten vom 13. Februar 2019, der es dem Arbeitgeber erlaubte, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zu beenden. Die Klägerin hinterfragte die Rechtmäßigkeit dieser Zustimmung, indem sie argumentierte, der Bescheid sei möglicherweise verfahrensfehlerhaft, da unklar sei, ob er ordnungsgemäß vom Behördenleiter oder einem Beauftragten unterzeichnet wurde. Diese rechtliche Auseinandersetzung wirft ein Schlaglicht auf die komplexen Anforderungen an Verwaltungsakte und die spezifischen Schutzmechanismen für schwerbehinderte Arbeitnehmer im Kündigungsprozess.

Die rechtlichen Herausforderungen und Ermessensentscheidungen

Die Klägerin machte geltend, dass der Zustimmungsbescheid des Integrationsamtes fehlerhaft sei, da er nicht den formalen Anforderungen genüge. Zudem wurde argumentiert, dass der Beklagte den Sachverhalt nicht korrekt dargestellt und bei seiner Ermessensentscheidung wesentliche Punkte außer Acht gelassen habe. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen stellte jedoch fest, dass die Klägerin die ernstlichen Richtigkeitszweifel, die sie als Grund für die Zulassung der Berufung anführte, nicht substantiiert darlegen konnte. Dies verdeutlicht die hohen Anforderungen an die Begründungspflicht in gerichtlichen Auseinandersetzungen und die Bedeutung einer gründlichen Vorbereitung auf die spezifischen rechtlichen Rahmenbedingungen.

Der Umgang mit dem Vertrauensverhältnis und Präventionsverfahren

Ein weiterer zentraler Aspekt des Falls war die Bewertung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Die Klägerin brachte vor, dass auch das Verhalten des Arbeitgebers berücksichtigt werden müsse und dass ein Präventionsverfahren hätte eingeleitet werden sollen, um die Kündigung möglicherweise zu vermeiden. Das Gericht erkannte zwar an, dass das Verhalten der Klägerin zur Zerstörung des Vertrauensverhältnisses beigetragen hatte, stellte aber auch fest, dass die Durchführung eines Präventionsverfahrens keine zwingende Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Zustimmung zur Kündigung durch das Integrationsamt ist. Diese Feststellung beleuchtet die Grenzen und Möglichkeiten präventiver Maßnahmen im Arbeitsrecht und den Ermessensspielraum der Behörden.

Die finale Entscheidung und ihre Begründung

Letztlich wies das Gericht den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung als unbegründet zurück. Es führte aus, dass weder Verfahrensfehler noch eine fehlerhafte Ermessensausübung seitens des Beklagten erkennbar seien. Zudem konnte die Klägerin keine stichhaltigen Argumente vorbringen, die ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung begründet hätten. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung einer fundierten rechtlichen Argumentation und die hohen Hürden, die für eine erfolgreiche Anfechtung von Verwaltungsakten genommen werden müssen.

In diesem komplexen Rechtsstreit bestätigte das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen die Rechtmäßigkeit der Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers. Die Entscheidung beleuchtet die vielschichtigen rechtlichen Anforderungen und den breiten Ermessensspielraum, der bei der Bewertung von Kündigungen schwerbehinderter Arbeitnehmer zum Tragen kommt.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Wie wird die Rechtmäßigkeit einer Kündigung schwerbehinderter Personen beurteilt?

Die Rechtmäßigkeit einer Kündigung schwerbehinderter Personen in Deutschland wird durch eine Reihe spezifischer gesetzlicher Regelungen bestimmt, die den besonderen Schutz dieser Personengruppe auf dem Arbeitsmarkt sicherstellen sollen. Schwerbehinderte Menschen und ihnen gleichgestellte Personen genießen einen besonderen Kündigungsschutz, der in den §§ 168 ff. des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch (SGB IX) geregelt ist. Dieser Schutz umfasst mehrere wesentliche Aspekte:

Zustimmung des Integrationsamtes

Vor Ausspruch einer Kündigung gegenüber einem schwerbehinderten Arbeitnehmer muss der Arbeitgeber die Zustimmung des Integrationsamtes einholen. Diese Regelung gilt für alle Arten von Kündigungen, unabhängig vom Grund der beabsichtigten Kündigung, mit Ausnahme von Kündigungen durch den Arbeitnehmer selbst oder in gegenseitigem Einverständnis.

Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung

Die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung (SBV) ist ein weiterer wichtiger Aspekt des Kündigungsschutzes. Der Arbeitgeber muss die SBV über die Hintergründe der geplanten Kündigung informieren und ihr ausreichend Zeit für eine mögliche Stellungnahme lassen, ähnlich wie beim Betriebsrat.

Probezeit und besondere Fälle

Innerhalb der ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses besteht nach deutschem Recht kein besonderer Kündigungsschutz für schwerbehinderte Personen. Allerdings hat eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) die Rechte von Arbeitnehmern mit einer Behinderung gestärkt, indem festgestellt wurde, dass Arbeitgebern unter Umständen vor einer Kündigung in der Probezeit ein anderer Arbeitsplatz angeboten werden muss.

Ausnahmen vom besonderen Kündigungsschutz

Es gibt bestimmte Ausnahmen, bei denen der besondere Kündigungsschutz für Schwerbehinderte nicht greift. Dazu gehören Situationen, in denen der Arbeitnehmer das 58. Lebensjahr vollendet hat und Anspruch auf eine Abfindung hat, oder wenn die Schwerbehinderung zum Zeitpunkt der Kündigung nicht nachgewiesen ist.

Präventionsverfahren und Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)

Um Kündigungen zu vermeiden, führen Arbeitgeber bei Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Beschäftigung eines schwerbehinderten Menschen ein Präventionsverfahren oder ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durch. Das Integrationsamt bietet hierbei Unterstützung und Beratung an.

Rechtsmittel und Kündigungsschutzklage

Schwerbehinderte Arbeitnehmer, die sich gegen eine Kündigung wehren möchten, können innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht erheben. Dabei ist es wichtig, dass der Arbeitgeber über die Schwerbehinderung spätestens drei Wochen nach Zugang der Kündigung informiert wird, um den besonderen Kündigungsschutz geltend machen zu können.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Rechtmäßigkeit einer Kündigung schwerbehinderter Personen in Deutschland von der Einhaltung spezifischer gesetzlicher Vorgaben abhängt, die den Schutz dieser Personengruppe auf dem Arbeitsmarkt gewährleisten sollen.

Was besagt das Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX?

Das Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX ist eine gesetzliche Verpflichtung für Arbeitgeber, bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung, die in § 176 SGB IX genannten Vertretungen sowie das Integrationsamt einzuschalten. Ziel ist es, gemeinsam alle Möglichkeiten und zur Verfügung stehenden Hilfen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeits- oder sonstige Beschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann.

Das Präventionsverfahren dient somit der langfristigen Sicherung der Arbeitsplätze von schwerbehinderten oder gleichgestellten Menschen. Arbeitgeber müssen bei auftretenden Schwierigkeiten, die das Beschäftigungsverhältnis gefährden könnten, frühzeitig handeln und die relevanten Stellen einbeziehen. Dies umfasst die Erörterung aller inner- und außerbetrieblichen Möglichkeiten zur Beseitigung der Schwierigkeiten, einschließlich der Beratung und möglicher finanzieller Hilfen.

Die Durchführung des Präventionsverfahrens ist zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für den Ausspruch einer Kündigung, jedoch erhöht sich bei fehlenden Präventionsmaßnahmen die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers im Hinblick auf die Notwendigkeit der Kündigung. Das Präventionsverfahren ist eine Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Kündigungsschutzrecht, wonach eine Kündigung nur als letztes Mittel (ultima ratio) in Betracht kommt, wenn sie nicht durch mildere Maßnahmen, wie die im Präventionsverfahren erörterten Möglichkeiten und Hilfen, vermieden werden kann.

Zusammenfassend besagt das Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX, dass Arbeitgeber bei Schwierigkeiten, die ein Arbeitsverhältnis mit einer schwerbehinderten Person gefährden könnten, frühzeitig präventive Maßnahmen ergreifen müssen, indem sie die Schwerbehindertenvertretung, die in § 176 SGB IX genannten Vertretungen und das Integrationsamt einbeziehen, um das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft zu erhalten.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung)
    Regelung der Berufungszulassung bei ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Im Urteil relevant, da der Antragsteller die Zulassung der Berufung aus diesem Grund beantragt hatte, jedoch die erforderlichen ernstlichen Zweifel nicht nachweisen konnte.
  • § 37 Abs. 3 Satz 1 VwVfG NRW (Verwaltungsverfahrensgesetz Nordrhein-Westfalen)
    Bestimmt die Formvorschriften für schriftliche Verwaltungsakte, insbesondere die Anforderungen an die Unterschrift. Im Urteil war dies von Bedeutung, da die Klägerin die formelle Korrektheit des Zustimmungsbescheids zur Kündigung in Frage stellte.
  • § 114 VwGO
    Legt die Überprüfungsbreite von Ermessensentscheidungen in der verwaltungsgerichtlichen Klageprüfung fest. Im Kontext des Urteils zentral, da die gerichtliche Kontrolle der Ermessensentscheidung des Beklagten bei der Zustimmung zur Kündigung thematisiert wurde.
  • § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO
    Definiert den Gegenstand der Anfechtungsklage im Verwaltungsprozess. Relevant im Urteil, da es um die Anfechtung eines Verwaltungsakts geht und der Widerspruchsbescheid die maßgebliche Entscheidungsgrundlage darstellt.
  • § 167 Abs. 1 SGB IX (Sozialgesetzbuch Neuntes Buch)
    Regelung zum Präventionsverfahren, das vor Ausspruch einer Kündigung gegenüber einem schwerbehinderten Menschen eingeleitet werden sollte. Im Urteil wichtig, da diskutiert wurde, ob das Fehlen eines solchen Verfahrens die Rechtmäßigkeit der Zustimmungsentscheidung beeinflusst.
  • § 612a BGB (Bürgerliches Gesetzbuch)
    Verbietet die Benachteiligung eines Arbeitnehmers wegen der Ausübung seiner Rechte. Im Urteil von Interesse, da die Klägerin eine Verletzung dieses Verbots durch den Arbeitgeber geltend machte, aber nicht nachweisen konnte.


Das vorliegende Urteil

Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen – Az.: 12 A 2926/20 – Beschluss vom 22.02.2023

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Richtigkeitszweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht dargelegt bzw. liegt nicht vor.

Stützt der Rechtsmittelführer seinen Zulassungsantrag auf diesen Zulassungsgrund, muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen. Dabei muss er den tragenden Rechtssatz oder die Feststellungen tatsächlicher Art bezeichnen, die er mit seinem Antrag angreifen will, und mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellen. Diesen Anforderungen entspricht das Zulassungsvorbringen nicht.

Die Klägerin wendet sich zunächst gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, der angefochtene Zustimmungsbescheid des Beklagten vom 13. Februar 2019 zur Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses durch den Beigeladenen sei verfahrensfehlerfrei ergangen. Insoweit rügt sie, es sei nicht zu erkennen, dass der Bescheid von dem ordnungsgemäß Beauftragten des Behördenleiters unterzeichnet sei, und verweist dazu auf § 37 Abs. 3 Satz 1 VwVfG NRW, wonach ein schriftlicher Verwaltungsakt „die Unterschrift des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten“ müsse. Dieser Einwand verfängt nicht. Die Klägerin gibt den Wortlaut der Vorschrift unvollständig wieder. § 37 Abs. 3 Satz 1 VwVfG NRW stellt auf die Unterschrift oder die Namenswiedergabe der benannten Zeichnungsberechtigten ab. Während unter einer Unterschrift die eigenhändige Unterzeichnung mit dem eigenen Namen zu verstehen ist, erfolgt die Namenswiedergabe in der Regel maschinenschriftlich, sie kann aber auch faksimiliert, mit einem Stempel mit dem Schriftzug oder in Druckschrift gestempelt oder auch gedruckt sein.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Mai 1997 – 1 B 129.96 -, juris Rn. 9, m. w. N.

Dass die Anforderungen an eine solche Wiedergabe des Namens der Zeichnungsberechtigten im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind, wird von der Klägerin nicht dargelegt und ist auch nicht zu erkennen.

Der weitere Vortrag der Klägerin dazu, dass der Beklagte den Sachverhalt entgegen der Auffassung des Gerichts nicht richtig dargestellt und seiner Ermessensentscheidung zugrunde gelegt habe, greift ebenfalls nicht durch.

Nach § 114 VwGO ist eine Ermessensentscheidung – wie die hier im Streit stehende Entscheidung über die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung – im verwaltungsgerichtlichen Verfahren lediglich daraufhin zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Hierzu gehört die Kontrolle, ob die Behörde in ihre Ermessenserwägungen alle nach Sinn und Zweck des Gesetzes wesentlichen Gesichtspunkte eingestellt hat, ob sie dabei von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist und ob das Ergebnis ihrer Entscheidung auf Grund der vorzunehmenden Gewichtung der zu berücksichtigenden Gesichtspunkte sachgerecht ist.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. November 2003 – 12 A 750/01 -, juris Rn. 33.

Hat – wie hier – ein Vorverfahren stattgefunden, so ist nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat, Gegenstand der Anfechtungsklage. Maßgebend sind der Inhalt und die Begründung, die der Ausgangsbescheid durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat. Erst der Widerspruchsbescheid gibt dem Verwaltungsakt die für die gerichtliche Kontrolle maßgebliche Gestalt und Begründung, insbesondere bei Ermessenserwägungen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Dezember 2009 – 12 A 2365/09 -, juris Rn. 4.

Die Klägerin zeigt mit ihrem Zulassungsvorbringen nicht auf, dass die aus der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2019 hervorgehenden Ermessenserwägungen des Widerspruchsausschusses des Beklagten nach dem dargelegten rechtlichen Maßstab entgegen der Würdigung des Verwaltungsgerichts fehlerhaft sind.

Der auf die zugrunde gelegte Zerrüttung des Arbeitsverhältnisses bezogene Einwand der Klägerin, es sei „auch das Verhalten des Arbeitgebers mit einzubeziehen“, geht daran vorbei, dass der Widerspruchsausschuss die festgestellte Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arbeitnehmerin und Arbeitgeber in ihren Ursachen keineswegs einseitig ausschließlich der Klägerin angelastet hat. So heißt es in der Begründung des Widerspruchsbescheides (S. 12 f.) etwa, es werde auch gesehen, dass die Klägerin „in der Gewissheit, auf Missstände aufmerksam machen zu müssen, das Geschäftsgebaren ihres Arbeitgebers offenlegte und zuständigen Stellen Informationen weiter gab, möglicherweise ohne böse Absicht handelte“. Weiter wird dazu ausgeführt, das Arbeitsgericht habe inzwischen festgestellt, dass die Klägerin „unter Umständen nicht unberechtigt die Geschäftspraktiken ihres Arbeitgebers kritisch hinterfragt, ihn vergeblich darauf angesprochen und zuständige Stellen darüber informiert hat“. Daran anknüpfend hat der Widerspruchsausschuss angenommen, das Verhalten der Klägerin habe aber „nachvollziehbar zur Konsequenz“ gehabt, „dass das für ein Arbeitsverhältnis unverzichtbare Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Parteien zerstört ist“; es fehle „inzwischen jegliche Vertrauensbasis, die besonders im Falle eines Kleinbetriebes […] unbedingt notwendig“ sei. Diese Wertung ist auch im Lichte des Zulassungsvorbringens der Klägerin nicht zu beanstanden.

Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, bei der Ermessensentscheidung über die Zustimmung zur Kündigung sei unberücksichtigt geblieben, dass der Beigeladene es entgegen § 167 Abs. 1 SGB IX unterlassen habe, ein Präventionsverfahren beim Integrationsamt einzuleiten.

Die Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 167 Abs. 1 SGB IX ist keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Zustimmungsentscheidung des Integrationsamtes. Es kann jedoch bei der Ermessensentscheidung über die Zustimmung zur Kündigung und unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gegebenenfalls zulasten des Arbeitgebers zu berücksichtigen sein, wenn bei gehöriger Durchführung des Präventionsverfahrens die Möglichkeit bestanden hätte, die Kündigung zu vermeiden.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 2013 – 5 B 47.13 -, juris Rn. 12; OVG Saarland, Beschluss vom 15. Juli 2021 – 2 A 42/21 -, juris Rn. 16.

Dass ein Präventionsverfahren hier zu einer Vermeidung der Kündigung hätte führen können, erscheint angesichts der festgestellten Zerrüttung des Arbeitsverhältnisses fernliegend und wird auch von der Klägerin nicht dargetan.

Die Rüge der Klägerin, das vom Verwaltungsgericht zitierte Urteil des beschließenden Gerichts vom 23. Januar 1992 – 13 A 297/91 -, juris, befasse sich „mit einem gänzlich anderen Sachverhalt als dem hier vorliegenden“ und sei „deshalb so nicht zu übertragen“, führt gleichfalls nicht auf ernstliche Richtigkeitszweifel. Das Verwaltungsgericht hat der herangezogenen Entscheidung die allgemein gehaltene Aussage entnommen, es unterliege der freien unternehmerischen Entscheidung, den Betrieb den eigenen Vorstellungen nach zu organisieren und die auf den Inhaber eines bestimmten Arbeitsplatzes entfallenden Aufgaben auf andere Arbeitnehmer zu übertragen (S. 11 des Urteils). Allein aus der von der Klägerin hervorgehobenen Unterschiedlichkeit der zugrunde liegenden Sachverhalte erschließt sich angesichts des grundsätzlichen Charakters der in Rede stehenden Annahme nicht, dass sie im vorliegenden Fall nicht tragfähig ist. Zudem geht die Klägerin nicht auf die weiteren Erwägungen des Widerspruchsausschusses zu dem betriebsbedingten Kündigungsgrund ein; auf die Begründung des Widerspruchsbescheides hat das Verwaltungsgericht gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug genommen (S. 12 des Urteils).

Schließlich dringt die Klägerin auch nicht durch mit ihrem Einwand, der Beklagte hätte bei seiner Entscheidung das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot des § 612a BGB berücksichtigen müssen. Sie zeigt schon nicht in einer den Darlegungsanforderungen aus § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO entsprechenden Weise auf, dass der Beigeladene bei Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung zu ihren Lasten gegen die besagte Vorschrift verstoßen hat.

Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Auch eine Kündigung kann eine Maßnahme in diesem Sinne sein. Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB liegt indes nur vor, wenn die zulässige Rechtsausübung der tragende Beweggrund, d. h. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme ist. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet. Handelt der Arbeitgeber aufgrund eines Motivbündels, so ist auf das wesentliche Motiv abzustellen.

Vgl. BAG, Urteil vom 20. Mai 2021 – 2 AZR 560/20 -, juris Rn. 26, m. w. N.

Daran gemessen legt die Klägerin einen Verstoß gegen § 612a BGB nicht ansatzweise dar, indem sie lediglich darauf verweist, bereits das Arbeitsgericht Siegen habe in seinem Urteil vom 12. Dezember 2019 – 2 Ca 921/18 – ausgeführt, dass sie in zulässiger Weise Rechte wahrgenommen habe und ihre Weiterbeschäftigung nicht unzumutbar gewesen sei.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da dieser dem Zulassungsantrag der Klägerin durch einen eigenen Sachantrag entgegengetreten ist und sich hierdurch einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Arbeitsrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Arbeitsrecht. Vom Arbeitsvertrag bis zur Kündigung. Nehmen Sie noch heute Kontakt zu uns auf.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Arbeitsrecht einfach erklärt

Weitere interessante arbeitsrechtliche Urteile

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!