Skip to content

Kündigung wegen Beleidigung anderer Mitarbeiter – Nichtbefolgung Arbeitsanweisungen

Rechtliche Konsequenzen bei wiederholten Pflichtverletzungen im Arbeitsverhältnis

Das Thüringer Landesarbeitsgericht entschied, dass eine fristlose Kündigung wegen Beleidigung anderer Mitarbeiter und Nichtbefolgung von Arbeitsanweisungen unwirksam ist. Allerdings ist eine ordentliche Kündigung wegen verhaltensbedingter Gründe gerechtfertigt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 5 Sa 39/23 >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Die außerordentliche Kündigung vom 23.03.2022 war unwirksam, da kein wichtiger Kündigungsgrund vorlag.
  2. Die Pflichtverletzungen der Klägerin (Beleidigung anderer Mitarbeiter, Nichtbefolgung von Arbeitsanweisungen) waren schwerwiegend, rechtfertigten aber keine außerordentliche Kündigung.
  3. Die beiden Abmahnungen vom 06.10.2021 waren hinreichend bestimmt und wiesen die Klägerin auf ihr Fehlverhalten hin.
  4. Das Verhalten der Klägerin am 22.03.2022 (Aufnahme von Fotos von Mitarbeiterinnen und Äußerungen gegenüber dem Vorgesetzten) war geeignet, das Arbeitsverhältnis zu belasten.
  5. Unter Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit und des Fehlens von einschlägigen Abmahnungen war eine ordentliche Kündigung angemessen.
  6. Die ordentliche Kündigung vom 23.03.2022 war sozial gerechtfertigt, da verhaltensbedingte Gründe i. S. d. § 1 Abs. 2 KSchG vorlagen.
  7. Das Arbeitsverhältnis endete durch die ordentliche Kündigung mit Ablauf des 31.07.2022.
  8. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Verhaltensbedingte Kündigung nach Beleidigung und Arbeitsanweisungs-Missachtung

Im deutschen Arbeitsrecht kann eine Kündigung wegen Beleidigung anderer Mitarbeiter und Nichtbefolgung von Arbeitsanweisungen ausgesprochen werden. Voraussetzung für eine wirksame Kündigung ist, dass die Beleidigung eine erhebliche Pflichtverletzung darstellt und vorsätzlich erfolgt ist. Gleiches gilt für die Missachtung von Arbeitsanweisungen. Wird das Arbeitsverhältnis dadurch nachhaltig beeinträchtigt, kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer kündigen. Dies muss schriftlich erfolgen und die Gründe für die Kündigung enthalten. Die Rechtsprechung zu diesem Thema ist umfangreich und komplex. Ein konkretes Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2013 (Az. 2 AZR 419/12) verdeutlicht die Herausforderungen bei der Anwendung dieser Rechtsgrundlage.

Haben Sie Fragen zu einer verhaltensbedingten Kündigung nach Beleidigung und Arbeitsanweisungs-Missachtung? Dann fordern Sie noch heute unsere unverbindliche Ersteinschätzung an!
Nichtbefolgung von Arbeitsanweisungen: Kündigung möglich
(Symbolfoto: fizkes /Shutterstock.com)

Im Zentrum des Rechtsstreits steht die Auseinandersetzung zwischen einer Produktionsmitarbeiterin und ihrem Arbeitgeber, einem Hersteller elektronischer Stromversorgungsleitungen. Auslöser waren Vorfälle, die zwischen der Klägerin und anderen Mitarbeitern des Unternehmens stattfanden, einschließlich Beleidigungen und der Nichtbefolgung von Arbeitsanweisungen, die letztlich zur Kündigung der Mitarbeiterin führten.

Eskalation im Arbeitsumfeld führt zu gerichtlichem Nachspiel

Die Klägerin, seit 2010 im Unternehmen beschäftigt, geriet nach der Trennung von ihrem Ehemann, der ebenfalls im Unternehmen arbeitete, in mehrere Konflikte mit Kollegen und Vorgesetzten. Besonders hervorzuheben sind zwei Vorfälle: Zum einen wurde sie beschuldigt, eine Kollegin persönlich angegriffen und beleidigt zu haben, zum anderen widersetzte sie sich einer Arbeitsanweisung und hinterfragte deren Sinnhaftigkeit. Beide Vorfälle führten zu Abmahnungen durch den Arbeitgeber. Eine weitere Eskalation erfolgte, als die Klägerin ohne Zustimmung Fotos von Kolleginnen machte, um angebliches Fehlverhalten zu dokumentieren, was die sofortige fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber zur Folge hatte.

Rechtliche Bewertung des Verhaltens und der Abmahnungen

Das Arbeitsgericht Gera bewertete die fristlose Kündigung als unverhältnismäßig, da es den Vorfällen, insbesondere dem Fotografieren der Kollegen, eine Abmahnung als angemessene Reaktion ansah. Es argumentierte, dass die Klägerin ihre Bereitschaft zur Verhaltensänderung durch das Löschen der Fotos und eine nachträgliche Entschuldigung signalisiert habe. Die vorherigen Abmahnungen wurden als zu unbestimmt betrachtet, um als Grundlage für eine Kündigung zu dienen.

Berufungsverfahren bringt Wendung

Das Thüringer Landesarbeitsgericht setzte mit seiner Entscheidung neue Akzente. Es bestätigte zwar, dass die außerordentliche Kündigung nicht rechtmäßig war, fand jedoch, dass die ordentliche Kündigung aufgrund verhaltensbedingter Gründe gerechtfertigt sei. Die Richter legten dar, dass die wiederholten Verstöße der Klägerin gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten, insbesondere die persönlichen Angriffe und Beleidigungen gegenüber Kollegen, eine ordentliche Kündigung rechtlich begründen.

Die Rolle von Abmahnungen und persönlichem Verhalten

Entscheidend für die Beurteilung durch das Berufungsgericht war, dass die erteilten Abmahnungen als hinreichend bestimmt angesehen wurden und die Klägerin sich der Konsequenzen ihres Handelns bewusst sein musste. Die Beweisaufnahme und die Vernehmungen zeigten zudem, dass die Klägerin ihr Fehlverhalten nicht einsah und keine wirkliche Bereitschaft zur Verhaltensänderung zeigte. Das Gericht betonte, dass die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber den anderen Mitarbeitern eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderte, um den Betriebsfrieden zu wahren.

Fazit: Das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts verdeutlicht die Bedeutung von klaren Verhaltensregeln am Arbeitsplatz und die Rolle von Abmahnungen als Mittel zur Konfliktlösung. Es zeigt auf, dass wiederholte Verstöße gegen das Arbeitsrecht und mangelnde Einsicht in das eigene Fehlverhalten letztlich zu einer rechtmäßigen Kündigung führen können.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Wie ist die Kündigungserklärungsfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB definiert?

Die Kündigungserklärungsfrist gemäß § 626 Absatz 2 BGB ist eine Frist von zwei Wochen, die für die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund gilt. Diese Frist beginnt zu dem Zeitpunkt, zu dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Gesetzestext besagt, dass die Kündigung nur innerhalb dieser zweiwöchigen Frist erfolgen kann.

Die Frist dient dazu, dem Kündigungsberechtigten genügend Zeit für die notwendige Aufklärung des Sachverhalts zu geben, ohne dass der Kündigungsgegner unnötig lange in Ungewissheit gelassen wird. Während der Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhalts wird die Frist gehemmt, das heißt, sie beginnt noch nicht zu laufen. Dies soll verhindern, dass der Kündigungsberechtigte zu übereilten Entscheidungen gezwungen wird. Sobald die Ermittlungen abgeschlossen sind und der Kündigungsberechtigte Kenntnis von den maßgeblichen Tatsachen hat, beginnt die Frist zu laufen.

Es ist zu beachten, dass die Kündigungserklärungsfrist eine Ausschlussfrist ist. Das bedeutet, dass nach Ablauf dieser Frist eine außerordentliche Kündigung aufgrund der dann bekannten Tatsachen nicht mehr möglich ist. Der Kündigungsberechtigte muss also innerhalb dieser zwei Wochen handeln, um die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung nicht zu verlieren.

Welche Bedeutung hat die Interessenabwägung bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer Kündigung?

Die Interessenabwägung spielt eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer Kündigung. Sie wird auch als „Verhältnismäßigkeitsprüfung“ bezeichnet und dient der Gegenüberstellung der Interessen des Arbeitnehmers und der Gründe für die Kündigung.

Bei der Interessenabwägung werden verschiedene Faktoren berücksichtigt. Auf der Seite des Arbeitgebers stehen beispielsweise die betrieblichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Pflichtverletzung, das Interesse an der korrekten Handhabung der Geschäftsanweisungen, das Ausmaß des Verschuldens des Arbeitnehmers und das gegebene Maß der Beschädigung des Vertrauens sowie die drohende Wiederholungsgefahr bei vergeblicher Abmahnung. Auf der Seite des Arbeitnehmers werden unter anderem die Dauer der bisherigen Betriebszugehörigkeit, das vom Arbeitnehmer in seiner unbeanstandeten Tätigkeit gezeigte Verhalten, sein Alter und seine Unterhaltspflichten berücksichtigt.

Die Interessenabwägung ist ein notwendiger Schritt, um zu beurteilen, ob eine Kündigung wirksam ist oder nicht. Nur wenn die Interessen des Arbeitgebers überwiegen, kann eine Kündigung wirksam sein. Dabei ist zu beachten, dass eine Kündigung immer das mildeste Mittel darstellen und die sozialen und wirtschaftlichen Folgen beim Arbeitnehmer berücksichtigen muss.

Die Interessenabwägung ist sowohl bei ordentlichen als auch bei außerordentlichen Kündigungen relevant. Sie ist auch bei verhaltensbedingten, personenbedingten und betriebsbedingten Kündigungen von Bedeutung.

Es ist zu betonen, dass die Interessenabwägung immer auf den Einzelfall bezogen ist und daher stark von den spezifischen Umständen des jeweiligen Falles abhängt.

Was kennzeichnet eine verhaltensbedingte Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG?

Eine verhaltensbedingte Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG ist dadurch gekennzeichnet, dass die Kündigungsgründe im Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Dies umfasst beispielsweise Verletzungen der arbeitsvertraglichen Pflichten, Verstöße gegen die betriebliche Ordnung oder strafbare Handlungen im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis.

Für eine verhaltensbedingte Kündigung ist in der Regel erforderlich, dass der Arbeitnehmer zuvor wegen gleichartiger Verstöße erfolglos abgemahnt wurde. Nur bei besonders schwerwiegenden Verhaltensverstößen kann unter Umständen auf eine vorherige Abmahnung verzichtet werden.

Die Kündigung muss sozial gerechtfertigt sein, das heißt, sie muss nach einer umfassenden Interessenabwägung als angemessene Reaktion auf die Pflichtverletzung erscheinen. Dabei ist nicht nur die vergangene Pflichtverletzung relevant, sondern es muss auch eine negative Prognose für das zukünftige Verhalten des Arbeitnehmers vorliegen.

Zusammenfassend ist eine verhaltensbedingte Kündigung eine Maßnahme, die aufgrund von Verstößen des Arbeitnehmers gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten erfolgt und die nach einer Abmahnung und einer sorgfältigen Interessenabwägung als letztes Mittel angesehen wird.


Das vorliegende Urteil

Thüringer Landesarbeitsgericht – Az.: 5 Sa 39/23 – Urteil vom 05.12.2023

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 18.01.2023, Az. 1 Ca 626/22, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 23.03.2022 aufgelöst worden ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten der ersten Instanz und des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3 zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung.

Die am 10.05.1980 geborene, geschiedene und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Klägerin war seit dem 01.07.2010 als Produktionsmitarbeiterin bei der Beklagten beschäftigt. Ihre monatliche Vergütung betrug zuletzt 1.649,00 € bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 34 Stunden.

Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen für elektronische Stromversorgungsleitungen für die Industrie, Bahn- und Energietechnik. Die Beklagte unterhält mehrere Produktionsstandorte. Ein Betriebsrat existiert im Unternehmen der Beklagten nicht.

Im Jahr 2020 trennte sich die Klägerin von ihrem auch in dem Unternehmen der Beklagten beschäftigten Ehemann. Seitdem kam es zu verschiedenen Differenzen mit der Beklagten und Mitarbeitern der Beklagten. Im Juni 2021 wurde die Klägerin Corona bedingt vom Werk II in das Werk III versetzt. Im Werk III gab es sodann einige Konflikte.

Am 16.09.2021 kam es zu einem Vorfall zwischen der Klägerin und der weiteren Mitarbeiterin der Beklagten, Frau … . Der genaue Ablauf des Vorfalls ist zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte erteilte daraufhin der Klägerin mit Schreiben vom 16.09.2021 wegen dieses Vorfalls eine Abmahnung (Bl. 72 d. A.). Der Klägerin wurde darin vorgeworfen, zum wiederholten Male Mitarbeiter persönlich angegriffen und verletzend beleidigt zu haben. Die Klägerin wurde aufgefordert, beleidigende Äußerungen in Zukunft zu unterlassen. Sollte sie dieser Aufforderung nicht Folge leisten, müsste sie mit einer Kündigung rechnen.

Am 17.09.2021 widersetzte sich die Klägerin einer Arbeitsanweisung ihres Vorgesetzten und fing eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit der Arbeit an. Die Klägerin hat diesen Vorwurf pauschal bestritten. Mit einer weiteren Abmahnung vom 06.10.2021 rügte die Beklagte dieses Verhalten. Das Verhalten der Klägerin im Werk III führe zu einer erheblichen Störung des Betriebsfriedens. Die mehrfachen Beschwerden von Mitarbeitern, die Klägerin stifte pausenlos Unruhe, sowie das Nichtbefolgen von Arbeitsanweisungen könne nicht länger toleriert werden. Auf den weiteren Inhalt wird Bezug genommen (Bl. 73 d. A.).

Am 04.03.2022 kam es zu einem Streit zwischen der Klägerin und der Mitarbeiterin der Beklagten, Frau …, und anderen Mitarbeiterinnen. Der genaue Wortlaut ist streitig. Es folgten sodann zwei weitere Gespräche zwischen dem Fertigungsleiter, Herrn …, mit der Klägerin. Hierin sollte das Geschehene aufgearbeitet werden. Beide Gespräche blieben ohne Erfolg. Die Klägerin hatte die Gespräche abgebrochen und Herrn … mitgeteilt, dass ihr eine Kündigung nichts ausmachen würde, da sie schon in zwei anderen Betrieben zur Probe gearbeitet habe und jederzeit eine neue Anstellung finden könne.

Zu einem weiteren Vorfall kam es am 22.03.2022. Fest steht, dass die Klägerin die Kolleginnen Frau …, Frau …, Frau … und Frau … ohne ihr Einverständnis fotografiert hatte, um das aus ihrer Sicht bestehende Fehlverhalten der Kolleginnen zu dokumentieren. Nach dem der Fertigungsleiter Herr … hinzugerufen wurde und die Klägerin zur Rede stellte, löschte diese auf sein Verlangen die Bilder auf ihrem iPhone. Der genaue Wortlaut der Äußerung der Klägerin hierzu ist streitig.

Mit Schreiben vom 23.03.2022, welches der Klägerin am gleichen Tag zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt.

Mit E-Mail vom 17.05.2022, gerichtet an den Geschäftsführer der Beklagten, Herrn …, entschuldigte sich die Klägerin für ihr Verhalten. Auf den genauen Inhalt der E-Mail wird Bezug genommen (Bl. 59 d. A.).

Dagegen hat die Klägerin am 13.04.2022 beim Arbeitsgericht Gera Kündigungsschutzklage erhoben. Es liege kein wichtiger Grund vor. Zwar habe die Klägerin am 22.03.2022 Fotos von den Mitarbeitern gemacht. Dies rechtfertige allerdings allenfalls eine Abmahnung oder Ermahnung. Es fehle am Vorliegen einschlägiger Abmahnungen. Die beiden zuvor ausgesprochenen Abmahnungen seien nicht zu berücksichtigen, da diese zu unbestimmt seien und nicht die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Abmahnung erfüllen würden. Zudem würden die übrigen Vorwürfe außerhalb der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist liegen. Als ordentliche Kündigung sei diese nicht sozial gerechtfertigt. Es fehle wiederum an einer vorherigen Abmahnung. Auch eine Interessenabwägung falle zugunsten der Klägerin aus.

Die Klägerin hat beantragt:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die Kündigung vom 23.03.2022 nicht beendet ist und über den 23.03.2022 hinaus unverändert fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, es läge ein wichtiger Grund vor, welcher die außerordentliche fristlose Kündigung, hilfsweise ordentliche Kündigung, rechtfertige. Es sei nicht abzusehen, dass sich das Verhalten der Klägerin in Zukunft ändere. Das Fehlverhalten der Klägerin reihe sich in eine Kette von immer weiter eskalierenden Vorfällen ein. Die Beklagte habe bereits zuvor sämtliche Bemühungen unternommen, um auf die Klägerin einzuwirken. Auch die erteilten Abmahnungen hätten zu keiner Verhaltensänderung der Klägerin geführt.

Die Beklagte hat behauptet, dass die Klägerin am 16.09.2021 die Mitarbeiterin … persönlich angegriffen und verletzend beleidigt habe. Sie habe gesagt, Frau … sei ausgesprochen blöd, genauso wie ihre Familie, deshalb werden sie einsam sterben. Die Klägerin habe im Anschluss auf die Frontscheibe des Autos der Frau … gespuckt.

Zum Vorfall am 17.09.2021 hat die Beklagte behauptet, die Klägerin habe sich einer Arbeitsanweisung des für sie zuständigen Vorgesetzten widersetzt und eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit der Arbeit angefangen.

Am 14.03.2022 sei Herr … von der Werksleitung in die Abteilung … wegen eines Streits zwischen der Klägerin und der Mitarbeiterin Frau … gerufen worden. Anlass des Streits sei der Vorwurf gewesen, dass Frau … eine Blume nicht gegossen habe. In Anwesenheit des Herrn … habe die Klägerin Frau … als faule Mitarbeiterin und schlechte Mutter bezeichnet. Da der Streit auch anderen Mitarbeitern der Beklagten aufgefallen sei, seien diese hinzugekommen. Auch diese Mitarbeiter seien von der Klägerin als faul bezeichnet worden. Die Klägerin habe weiter geäußert, dass sie die Kollegen allesamt verachte und sie allesamt eine Atombombe verdient hätten.

Zum Vorfall am 22.03.2022 hat die Beklagte behauptet, dass die Klägerin gegenüber Herrn … angegeben habe, die Bilder als „Beweisfotos“ für die „mangelnde Leistung“ der Mitarbeiterinnen Frau …, Frau …, Frau … und Frau … gemacht habe. Außerdem habe sie insbesondere der Mitarbeiterin … zeigen wollen, wie hässlich diese sei.

Mit Urteil vom 18.01.2023 hat das Arbeitsgericht Gera dem Kündigungsschutzantrag vollständig stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die außerordentliche fristlose Kündigung unverhältnismäßig sei und die Kündigung nicht innerhalb der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 S. 1 BGB erklärt worden sei. Das Verhalten der Klägerin am 22.03.2022 stelle an sich einen wichtigen Grund dar, der eine außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigen könne. Nach den Umständen des Streitfalles hätte jedoch eine Abmahnung als Reaktion der Beklagten ausgereicht. Die in Rede stehende Pflichtverletzung der Klägerin wiege nicht so schwer, dass eine Abmahnung aus diesem Grund entbehrlich gewesen wäre. Aus dem bisherigen Vortrag lasse sich nicht feststellen, dass die Klägerin unwillig sei, ihr Verhalten zu ändern und zukünftig das Fotografieren von Mitarbeitern der Beklagten zu unterlassen. Die Klägerin habe die Fotos umgehend nach Aufforderung gelöscht und weder weitergeleitet noch verbreitet. Zudem habe sie sich mit E-Mail vom 22.05.2022 – wenn auch mit einiger zeitlicher Verzögerung – für ihr Verhalten entschuldigt. Aus diesem Verhalten sei nach Auffassung der Kammer zu schließen, dass sich die Klägerin für ihr Verhalten schäme. Es sei daher nicht von einer negativen Zukunftsprognose auszugehen. Eine vorherige Abmahnung sei auch nicht aufgrund der beiden schriftlichen Abmahnungen vom 06.10.2021 entbehrlich, da diese zu unbestimmt seien. Aus ihnen würden nicht hinreichend klar erkennbar die Art und Weise der Beanstandungen hervorgehen. Die übrigen der Klägerin vorgeworfenen Verfehlungen lägen bereits außerhalb der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 S. 1 BGB. Im Rahmen der Interessenabwägung sei auf Seiten der Klägerin die langjährige Betriebszugehörigkeit und die Besonderheiten der schweren persönlichen Krise der Klägerin zu berücksichtigen.

Die Kündigung vom 23.03.2022 sei auch als ordentliche rechtsunwirksam. Es fehle an einem hinreichenden verhaltensbedingten Kündigungsgrund i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG. Als milderes Mittel wäre hier zunächst eine Abmahnung auszusprechen gewesen. Es fehle an einer vorherigen einschlägigen Abmahnung. Eine solche sei auch nicht wegen der Schwere der Pflichtverletzung ausnahmsweise entbehrlich.

Gegen das der Beklagten am 13.02.2023 zugestellte Urteil, hat die Beklagte am 06.03.2023 Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15.05.2023 – mit dem am 15.05.2023 beim Thüringer Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie rügt, dass das Arbeitsgericht im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung zum Ergebnis gekommen sei, dass unter Berücksichtigung der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, der persönlichen Umstände der Klägerin und des Fehlens vom wirksamen Abmahnungen zunächst als milderes Mittel eine Abmahnung hätte ausgesprochen werden müssen. Das Verhalten der Klägerin stelle eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertige. Die beiden ausgesprochenen Abmahnungen vom 06.10.2021 seien hinreichend bestimmt gewesen. Mit den Abmahnungen mache die Beklagte deutlich, dass die Klägerin andere Mitarbeiter wiederholt persönlich angegriffen und beleidigt habe. Ferner habe die Beklagte gerügt, dass die Klägerin wiederholt nicht Arbeitsanweisungen befolge. Sie mache in beiden Erklärungen hinreichend deutlich, welches konkrete Fehlverhalten sie der Klägerin vorwerfe. Zwar habe die Beklagte in der Abmahnung die Einzelheiten des Fehlverhaltens am 16.09.2021 nicht wiederholt. Allerdings sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Klägerin nicht gewusst habe, was am 16.09.2021 vorgefallen sei. Dies ginge u. a. auch aus dem langen Rechtfertigungsmonolog der Klägerin in der Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht Gera hervor. Die zweite Abmahnung nehme Bezug auf ein konkretes Ereignis vom 17.09.2021. Die Klägerin habe auch gewusst, um welches Ereignis es sich hierbei gehandelt habe. Die Beklagte habe unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie die Nichtbefolgung von Arbeitsanweisungen nicht mehr tolerieren werde und die Klägerin bei Fortsetzung dieses Fehlverhaltens mit einer Kündigung rechnen müsse. Daher lägen mindestens eine, wenn nicht gar zwei wirksame Abmahnungen vor. Diese hätten erkennbar als milderes Mittel keine Wirkung gezeigt. Das Arbeitsgericht habe als Ursache des Fehlverhaltens die erheblichen persönlichen Probleme der Klägerin benannt. An keiner Stelle sei jedoch das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin die persönlichen Probleme überwunden habe. Die vom Arbeitsgericht genannten persönliche Probleme der Klägerin seien – nicht nur, aber vor allem – ihrer einseitig und unerfüllten Liebe gegenüber dem Mitarbeiter der Beklagten, Herrn …, geschuldet. Die Klägerin habe unstreitig Herrn … am Arbeitsplatz über Monate nachgestellt. Sie habe darüber hinaus alle Mitarbeiter immer dann angegriffen, wenn sie meinte, dass sie ungerecht gegenüber Herrn … seien und es deshalb ihre Aufgabe sei, Herrn … gegen diese ungerechtfertigten Angriffe zu verteidigen. Das Selbstverständnis der Klägerin, sie sei den anderen Mitarbeitern, insbesondere ihren Vorgesetzten, intellektuell weit überlegen, käme auch im Schreiben vom 07.06.2022 (Bl. 77 d. A.) zum Ausdruck, in dem sie sich als Geschäftsassistentin für den Gesamtbetrieb der Beklagten beworben habe. Auch in der Kammerverhandlung der ersten Instanz hat die Klägerin keinerlei Einsichtsfähigkeit erkennen lassen. Sie lehne die eigene Verantwortung für die Ereignisse ab. Vielmehr seien die Anderen schuld, nicht sie selbst. Die Klägerin habe in der Kammerverhandlung wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass sie eine hervorragende Mitarbeiterin und eine Bereicherung für das Unternehmen der Beklagten sei, vorausgesetzt man lasse sie in Ruhe und handhabe die Dinge so, wie sie es für richtig halte und erteile keine Anweisungen, die sie für unberechtigt und unzutreffend halte. Das Arbeitsgericht habe zudem unberücksichtigt gelassen, dass das Fehlverhalten der Klägerin sich massiv gegen andere Mitarbeiter der Beklagten richte. Viele Mitarbeiter seien nunmehr regelrecht erleichtert, nichts mehr mit der Klägerin zu tun haben zu müssen. Die vom Gericht benannten persönlichen Probleme der Klägerin würden keinesfalls rechtfertigen, sich gegenüber anderen Mitarbeitern so zu verhalten. Insbesondere sei die Beklagte nicht verpflichtet, dieses massive Fehlverhalten der Klägerin zu tolerieren.

Selbst wenn man zu der Auffassung gelangen würde, dass aufgrund der langen Betriebszugehörigkeit der Klägerin das Fehlverhalten der Klägerin nicht so schwerwiegend gewesen sei, dass der Beklagten das Abwarten der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar gewesen sei, würden die vorgetragenen Kündigungsgründe zumindest eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung rechtfertigen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 18.01.2023 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die fristlose Kündigung sei unwirksam, da alle von der Beklagten geschilderten Ereignisse außerhalb der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 liegen würden. Daher könne allenfalls das Geschehen vom 22.03.2022 als Kündigungsgrund herangezogen werden. Dabei sei es der Klägerin vor allem darauf angekommen, die Arbeitsabläufe zu dokumentieren. Um das Aussehen der Mitarbeiterin … sei es der Klägerin nicht gegangen. Sie habe niemanden herabsetzen wollen. Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, die zuvor erteilten Abmahnungen seien nicht hinreichend bestimmt, da nicht die Art und Weise der beanstandeten Pflichtverstöße erkennbar seien. Zudem sei offen, welcher konkrete Sachverhalt mit dem Vorfall vom 16.09.2021 gemeint sei. Gleiches gelte für die weitere Abmahnung vom 06.10.2021.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin … und …Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 05.12.2023 und wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf den Inhalt der in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Die nach § 64 Abs. 2 c ArbGG statthafte Berufung wurde form- und fristgerecht eingelegt und nach Maßgabe des § 520 ZPO begründet.

II. Die Berufung der Beklagten hat nur im tenorierten Umfang Erfolg. Zu Recht hat das erstinstanzliche Gericht im Ergebnis festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.03.2022 nicht aufgelöst wurde. Das Arbeitsverhältnis hat jedoch durch die fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 23.03.2022 mit Ablauf des 31.07.2022 sein Ende gefunden.

1. Da die Klägerin rechtzeitig binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben hat, bedurfte die ausgesprochene Kündigung zu ihrer Wirksamkeit gem. §§ 4, 13 Abs. 1 S. 2 KSchG des Vorliegens der Voraussetzungen des § 626 BGB. Diese liegen nicht vor.

Gemäß § 626 BGB kann ein Arbeitsverhältnis von einer Partei ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, die es der kündigenden Partei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien unzumutbar machen, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen. Nach § 626 Abs. 2 BGB kann die Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.

Auf Grund der in § 626 Abs. 2 S. 1 BGB geregelten Zweiwochenfrist kann allenfalls der Vorfall am 22.03.2022 als Kündigungsgrund herangezogen werden.

Die erforderliche Überprüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund im Sinne § 626 BGB darstellt, vollzieht sich zweistufig. Im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dem Kündigenden unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und der Abwägung der Interessen der beiden Vertragsteile zumutbar ist oder nicht (BAG 5. November 2009 – 2 AZR 609/08 – Rn. 12).

Die Kammer hat bereits Zweifel, ob der Vorfall am 22.03.2022 für sich genommen, wie ihn die Beklagte behauptet, als wichtiger Kündigungsgrund geeignet ist. Hierbei berücksichtigt die Kammer, dass die Klägerin die aufgenommenen Fotos nach Aufforderung sofort gelöscht und nicht weiterverbreitet hat. Auf jeden Fall war es jedoch nach Auffassung der Kammer der Beklagten unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zuzumuten, das Arbeitsverhältnis zumindest bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Insoweit wäre die ordentliche Kündigung das mildere Mittel. Dabei berücksichtigte die Kammer, dass die Klägerin bereits seit 01.07.2010 bei der Beklagten beschäftigt war und durchaus über einen längeren Zeitraum beanstandungsfrei ihrer Tätigkeit nachkam. Das vorgeworfene Fehlverhalten reduziert sich im Wesentlichen auf einen Zeitraum von 1 bis 2 Jahren.

2. Das Arbeitsverhältnis der der Parteien endet durch ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.03.2022. Die streitgegenständliche Kündigung ist sozial gerechtfertigt i. S. v. § 1 Abs. 1 KSchG, denn es liegen verhaltensbedingte Gründe i. S. d. § 1 Abs. 2 KSchG vor. Die Klägerin hat in schwerwiegendem Maße gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Dabei legte die Kammer das Verhalten der Klägerin am 04.03.2022 und 22.03.2022 zugrunde. Dieses Verhalten rechtfertigt unter Berücksichtigung der vorherigen einschlägigen Abmahnungen vom 06.10.2021 eine ordentliche Kündigung.

Nach der zweitinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin am 04.03.2022 die ihr vorgeworfenen Äußerungen gegenüber der Frau … und gegenüber den übrigen Mitarbeitern getätigt hat. Zudem ist die Kammer davon überzeugt, dass die Klägerin auch am 22.03.2022 nicht nur die Fotos von den anderen Mitarbeiterinnen aufgenommen hat, sondern auch im Gespräch mit Herrn … bekundet hat, dass sie mit den Fotos die mangelnde Leistung der Kolleginnen zeigen wollte und wie hässlich Frau … sei.

Auf Grund der Beweisaufnahme am 05.12.2022 steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Klägerin am 04.03.2022 mit der Zeugin … wegen einer vertrockneten Orchidee in Streit geriet, sie dabei als faul und schlechte Mutter bezeichnete und zu ihr gesagt hat, die Eltern der Zeugin haben diese nicht gut erzogen. Zudem hat die Klägerin gesagt, dass alle Mitarbeiter faul sind und allesamt die Atombombe verdient haben.

Die Zeugin … hat den Vorfall unter genauer Beschreibung der Örtlichkeit im Wesentlichen, wie von der Beklagten behauptet bestätigt. Differenziert hat sie dahingehend, dass das eigentliche Streitgespräch zwischen ihr und der Klägerin nicht in Anwesenheit des Fertigungsleiters und Zeugen … erfolgt ist, sondern sie Herrn … erst später dazu rufen ließ und ihm das Geschehene mitgeteilt hat. Schon durch die Abweichung vom Beklagtenvortrag erscheint die Aussage der Zeugin glaubhaft. Diese Sachverhaltsschilderung wurde letztlich auch vom Zeugen Herr … bestätigt. Auch dieser hat erklärt, dass entgegen der Behauptung der Beklagten er vom Geschehen erst durch den Bericht der Zeugin … informiert wurde.

Die Kammer hat auch keinen Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin. Diese konnte sich an das Geschehene gut erinnern und war merklich davon nach wie vor beeindruckt und betroffen. Der Zeuge … konnte zum Vorfall am 04.03.2022 die tumultartige Situation aufgrund der Äußerungen der Klägerin im Kern bestätigen. Er hat überzeugend die Situationen geschildert. Es bestehen keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen … . Er hat an einigen Stellen auch eingeräumt, z. B. sich nicht mehr an den genauen Wortlaut erinnern zu können. Er wusste nicht mehr, ob die Orchidee Auslöser des Streitgesprächs mit Frau … bzw. Thema im Gespräch mit der Klägerin in seinem Büro war. Es ist erklärlich, dass er sich nicht an jedes Detail erinnern konnte, da er selbst von den Vorwürfen nicht so direkt betroffen wie die Zeugin … und die anderen Kollegen war. Er hat die Situation als Vorgesetzter wahrgenommen. Der Zeuge konnte sich jedoch an die wesentlichen Punkte des Geschehens erinnern, da er hierzu Notizen gefertigt hatte, um diese an den Geschäftsführer, Herrn …, weiterzuleiten. Dies ist nachvollziehbar.

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zudem zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Klägerin am 22.03.2022 nicht nur Fotos von den Kolleginnen Frau …, Frau …, Frau … und Frau … aufgenommen hat, sondern dass sie auch hierzu gegenüber dem Zeugen … erklärte hat, dass sie die mangelnde Leistung der Kolleginnen zeigen wollte und wie hässlich Frau … ist. Die Aussage erschien der Kammer glaubhaft. Gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen spricht gerade nicht, dass er nicht mehr sagen konnte, ob auch Frau … auf dem Foto zu sehen war. Er beschränkte sich nachvollziehbar auf die Aussage, dass er sich die Bilder gar nicht genau angesehen hatte, sondern nur darauf geachtet hat, dass es Bilder bei der Beklagten waren, die gelöscht werden sollten. Er blieb auch diesbezüglich bei seiner Aussage und ließ sich nicht zu weiteren Vermutungen hinreißen. Für die Glaubwürdigkeit des Zeugen spricht auch, dass der sich an einige Details, insbesondere Wahrnehmung der Geräusche erinnern konnte. So hat der Zeuge erläutert, wie er bemerkt hat, dass in der Werkhalle die Maschinen nicht so wie normalweise liefen und dafür aber Tumult zu hören war.

Die beiden Vorfälle am 04.03.2022 und 22.03.2022 stellen Vertragspflichtverletzungen dar, die eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Die beiden Vorfälle bestätigen, dass die Klägerin andere Mitarbeiter mehrfach persönlich angegriffen und verletzend beleidigt hat. Dies muss die Beklagte keinesfalls hinnehmen. Insbesondere die von der Klägerin getätigten Äußerungen, die anderen Kollegen hätte die Atombombe verdient, zeigt eine verachtende Haltung der Klägerin gegenüber ihren Kolleginnen und führt zu einer erheblichen Störung des Betriebsfriedens.

In diesem Zusammenhang hat die Kammer berücksichtigt, dass die Klägerin offenbar gar nicht begriffen hat, dass ihr Verhalten völlig unangemessen gewesen ist. Durch ihre Äußerungen in den Kammerterminen am 19.09.2023 und 05.12.2023 ließ sie auch keinerlei Einsichtsfähigkeit erkennen. Vielmehr gab sie den anderen Kolleginnen die Schuld und wollte ihre verbalen Ausfälle damit erklären, dass die Stimmung gereizt war und die anderen Kolleginnen sie mehr oder weniger provoziert haben. Gerade die Äußerungen der Klägerin im Rahmen der Beweisaufnahme am 05.12.2023 zur Pflege der Orchidee bestätigt letztlich eindrucksvoll den Vorwurf der Beklagten, dass die Klägerin überzeugt sei, alles besser zu wissen und dies gegenüber Kolleginnen und Vorgesetzten auch kundtun zu müssen. Dieses Verhalten beeinträchtigt nachhaltig den Betriebsfrieden.

Entgegen der Erstinstanz hält die Kammer die beiden Abmahnungen vom 06.10.2021 für bestimmt genug. Die Bestimmtheit der Abmahnungen ist entbehrlich, wenn der Arbeitnehmer weiß, um welchen Vorfall es sich handelt. Hier hat sich die Klägerin zu den Vorfällen am 16.09.2021 und 17.09.2021 eingelassen. Sie wusste also ganz genau, um welche Ereignisse es sich handelte. Den Abmahnungen ist auch eindeutig der Vorwurf der Pflichtverletzung zu entnehmen.

Die Abmahnungen sind auch einschlägig. Die beiden abgemahnten Vorfälle zeugen ebenfalls davon, dass die Klägerin durch ihre Äußerungen und das Nichtbefolgen von Arbeitsanweisungen Unruhe stiftet. Dies wird für ausreichend erachtet.

Beide Abmahnungen erfüllen auch die sogenannte Warnfunktion. Der Klägerin musste klar sein, dass sie bei diesem fortgesetzten Verhalten gegenüber den Mitarbeitern und Vorgesetzten mit einer Kündigung zu rechnen hatte.

Das Interesse der Beklagten an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiegt. Im Rahmen der Interessenabwägung unter Berücksichtigung der einschlägigen Abmahnungen und andererseits der langen Betriebszugehörigkeit der Klägerin seit 2010 und des Status als Alleinerziehende gelangt die Kammer zu Auffassung, dass die ordentliche Kündigung verhältnismäßig ist.

Der Beklagten war es unter Berücksichtigung der Fürsorgepflicht für die anderen Mitarbeiter, die unter der permanenten Streitlust der Klägerin litten, nicht zumutbar, die Störung des Betriebsfriedens weiterhin hinzunehmen. Die Klägerin hat für die Folgen ihres eigenen Fehlverhaltens einzustehen. Die von der Vorinstanz berücksichtigte Entschuldigung vom 17.05.2022 hält die Kammer nicht für ernsthaft. Zum einen ist die Entschuldigung nach Erhebung der Kündigungsschutzklage und unter anwaltlicher Beratung ausgesprochen worden. Zudem zeigte das Gebaren der Klägerin in den mündlichen Verhandlungen der Berufungsinstanz, dass sie ihr Fehlverhalten gerade nicht einsieht. Die von der ersten Instanz angeführten persönlichen Probleme der Klägerin spielen nur eine untergeordnete Rolle. Diese rechtfertigen nicht, die Kollegen immer wieder ehrverletzend verbal anzugreifen und zu beleidigen. Die Beklagte muss hier nicht abwarten, bis die Klägerin ihre persönlichen Probleme gelöst hat.

Nach alledem war das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung der Beklagten in dem tenorierten Umfang abzuändern und die Kündigungsschutzklage im Hinblick auf die ordentliche Kündigung abzuweisen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz sowie der Berufungsinstanz sind den Parteien gem. § 92 Abs. 1 ZPO nach Maßgabe ihres jeweiligen Obsiegens und Unterliegens aufzuerlegen. Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass die Klägerin mit der Kündigungsschutzklage die außerordentliche und ordentliche Kündigung vom 23.03.2022 angegriffen hat und letztlich nur im Hinblick auf die ausgesprochene außerordentliche Kündigung obsiegte.

IV. Anlass für die Zulassung der Revision bestand nicht.

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Arbeitsrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Arbeitsrecht. Vom Arbeitsvertrag bis zur Kündigung. Nehmen Sie noch heute Kontakt zu uns auf.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Arbeitsrecht einfach erklärt

Weitere interessante arbeitsrechtliche Urteile

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!