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Schriftformerfordernis für Beantragung von Elternzeit – besonderer Kündigungsschutz nach BEEG

Elternzeit ohne Schriftform: Kündigung rechtmäßig

Das Gericht entschied, dass die Kündigung der Klägerin rechtswirksam war, da sie keinen schriftlichen Antrag auf Elternzeit gestellt hatte, was eine Voraussetzung für den besonderen Kündigungsschutz nach § 18 BEEG ist. Das Berufen auf die fehlende Schriftform durch die Beklagte war nicht rechtsmissbräuchlich. Somit wurde das Versäumnisurteil vom 13.02.2023 aufrechterhalten, die Klageerweiterung abgewiesen und der Anspruch auf Weiterbeschäftigung der Klägerin abgelehnt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 Ca 1941/22 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Das Gericht bestätigt die Rechtswirksamkeit der Kündigung, da kein schriftlicher Antrag auf Elternzeit vorlag.
  2. Schriftliche Beantragung der Elternzeit ist eine Wirksamkeitsvoraussetzung für den Sonderkündigungsschutz nach dem BEEG.
  3. Das Berufen der Beklagten auf die fehlende Schriftform stellt kein rechtsmissbräuchliches Verhalten dar.
  4. Es besteht kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung der Klägerin nach der Kündigung.
  5. Die Klärung der Rechtslage hinsichtlich Elternzeit und Kündigungsschutz.
  6. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die unterliegende Klägerin.
  7. Die Wichtigkeit der Rechtsklarheit durch das Schriftformerfordernis.
  8. Die Entscheidung betont, dass die persönliche Kommunikation mit dem Arbeitgeber über Elternzeit entscheidend ist.

Elternzeit und Kündigungsschutz: Schriftform ist entscheidend

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ein wichtiges Anliegen vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) regelt die Rechte und Pflichten von Eltern in dieser Hinsicht. Ein zentraler Aspekt ist dabei das Schriftformerfordernis für den Antrag auf Elternzeit. Nur wenn dieser schriftlich gestellt wird, ist er wirksam und kann den besonderen Kündigungsschutz nach § 18 BEEG aktivieren. Das Bundesarbeitsgericht hat in mehreren Urteilen betont, dass die Schriftform entscheidend ist, um Missverständnisse und rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden. Arbeitnehmer sollten daher ihren Antrag eigenhändig unterschreiben und ihn rechtzeitig an den Arbeitgeber senden. Andernfalls riskieren sie, dass ihr Antrag nicht anerkannt wird und sie ihren Arbeitsplatz verlieren.

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In einem bemerkenswerten Fall vor dem Arbeitsgericht Gera, Az.: 4 Ca 1941/22, verhandelt am 18. Oktober 2023, stand das Schriftformerfordernis für die Beantragung von Elternzeit und der damit verbundene besondere Kündigungsschutz nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) im Zentrum der rechtlichen Auseinandersetzung. Die Klägerin, eine zum Zeitpunkt der Kündigung schwangere Fachverkäuferin, hatte nach Ablauf ihres Mutterschutzes Kündigungsschutzklage erhoben, um sich gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte, einen Kleinbetrieb, zu wehren.

Ein komplexes Arbeitsrecht-Verfahren entspinnt sich

Die Klägerin, die im Juni 2018 ursprünglich befristet eingestellt und später in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen wurde, erfuhr Ende September 2021 von ihrer Schwangerschaft. Nachdem das Arbeitsverhältnis von Frau S., der Sekretärin der Beklagten und bisherigen Kontaktperson der Klägerin, beendet wurde, fand Anfang Oktober 2021 ein Personalgespräch statt. In dessen Folge wurde ein Änderungsvertrag unterzeichnet, der die Arbeitsbedingungen der Klägerin modifizierte. Jedoch wurde ihr Arbeitsverhältnis zum 31. August 2022 gekündigt, was die Klägerin zum Anlass nahm, unter Berufung auf den Sonderkündigungsschutz nach § 18 Abs. 1 BEEG rechtliche Schritte einzuleiten.

Die Kernproblematik: Schriftformerfordernis und Kündigungsschutz

Die rechtliche Herausforderung dieses Falles lag im Schriftformerfordernis für die Beantragung von Elternzeit nach § 16 Abs. 1 BEEG. Die Klägerin berief sich auf den besonderen Kündigungsschutz, obwohl sie keinen schriftlichen Antrag auf Elternzeit bei der Beklagten gestellt hatte. Die Beklagte argumentierte, dass ohne einen solchen schriftlichen Antrag der Sonderkündigungsschutz nicht greife. Das Arbeitsgericht musste also klären, ob die Klägerin ohne die Einhaltung der Schriftform dennoch Anspruch auf den besonderen Kündigungsschutz während der Elternzeit hatte.

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Gera

Das Gericht entschied zugunsten der Beklagten. Es hielt das Versäumnisurteil vom 13. Februar 2023 aufrecht und wies die Klageerweiterung der Klägerin ab. In seiner Begründung führte das Gericht aus, dass das Schriftformerfordernis eine wesentliche Wirksamkeitsvoraussetzung für die Inanspruchnahme von Elternzeit darstelle. Die Klägerin hatte versäumt, dieses einzuhalten, was zur Rechtswirksamkeit der Kündigung führte. Das Berufen der Beklagten auf die fehlende Schriftform wurde nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen.

Der besondere Kündigungsschutz nach BEEG und seine Voraussetzungen

Der Fall unterstreicht die Bedeutung der Schriftform bei der Beantragung von Elternzeit und dem damit verbundenen Kündigungsschutz. Nach § 18 BEEG ist eine Kündigung während der Elternzeit grundsätzlich unzulässig. Allerdings setzt dies voraus, dass die Arbeitnehmerin die Elternzeit nicht nur berechtigterweise angetreten hat, sondern dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung auch alle Anspruchsvoraussetzungen, insbesondere das Schriftformerfordernis nach § 16 Abs. 1 BEEG, erfüllt sind.

Das Arbeitsgericht Gera hat in seinem Urteil deutlich gemacht, dass die formgerechte Beantragung von Elternzeit eine unverzichtbare Voraussetzung für den Genuss des besonderen Kündigungsschutzes ist. Dieses Urteil dient als ernste Erinnerung an alle Arbeitnehmer, die Elternzeit in Anspruch nehmen möchten, die formalen Anforderungen genau zu beachten.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was versteht man unter dem Schriftformerfordernis bei der Beantragung von Elternzeit?

Unter dem Schriftformerfordernis bei der Beantragung von Elternzeit versteht man die gesetzliche Notwendigkeit, dass der Antrag auf Elternzeit in schriftlicher Form beim Arbeitgeber eingereicht werden muss. Dies bedeutet, dass der Antrag eigenhändig durch Namensunterschrift des Antragstellers zu unterzeichnen ist. Elektronische Formen der Übermittlung, wie E-Mail oder Fax, erfüllen das Schriftformerfordernis nicht und können zur Nichtigkeit des Antrags führen.

Das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) regelt in § 16 Abs. 1, dass der Antrag auf Elternzeit spätestens sieben Wochen vor dem gewünschten Beginn der Elternzeit beim Arbeitgeber eingereicht werden muss. Dabei muss der Antragsteller auch verbindlich erklären, für welche Zeiten innerhalb von zwei Jahren Elternzeit genommen werden soll.

Die strenge Schriftform im Sinne von § 126 Abs. 1 BGB ist erforderlich, um das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit zum Ruhen zu bringen, ohne dass es einer Zustimmung des Arbeitgebers bedarf. Ein formwirksamer Elternzeitantrag befreit den Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht, ohne dass es zu einer Kündigung wegen unentschuldigten Fehlens kommen kann.

Die Schriftform dient somit der Rechtssicherheit und soll sicherstellen, dass der Arbeitgeber über den Antrag auf Elternzeit und dessen genaue Ausgestaltung informiert ist. Dadurch wird auch der besondere Kündigungsschutz während der Elternzeit gewährleistet.

Warum ist der besondere Kündigungsschutz während der Elternzeit im BEEG vorgesehen?

Der besondere Kündigungsschutz während der Elternzeit, wie im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) festgelegt, dient dem Schutz der Arbeitnehmenden, die sich entscheiden, eine Auszeit von der Arbeit zu nehmen, um sich der Betreuung ihres Kindes zu widmen. Dieser Schutz beginnt mit der Anmeldung der Elternzeit und ist darauf ausgerichtet, den Arbeitnehmenden eine sichere Umgebung zu bieten, in der sie sich ohne die Sorge vor Arbeitsplatzverlust voll und ganz auf die Betreuung ihres Kindes konzentrieren können.

Der Kündigungsschutz während der Elternzeit ist deshalb vorgesehen, um die nahtlose Betreuung des Kindes zu sichern, während gleichzeitig eine angemessene Frist für den Arbeitgeber gewahrt wird. Dies bedeutet, dass Arbeitgeber nur in sehr speziellen und streng regulierten Ausnahmefällen eine Kündigung aussprechen dürfen, wie beispielsweise bei Insolvenz des Unternehmens, bei einer teilweisen Stilllegung des Betriebes oder bei besonders schwerer Pflichtverletzung durch den Elternteil. Selbst in diesen Fällen muss die Zulässigkeit der Kündigung von einer speziellen Aufsichtsbehörde für Arbeitsschutz genehmigt werden.

Der Gesetzgeber verfolgt mit § 18 BEEG das Ziel, einen größtmöglichen Bestand des Arbeitsverhältnisses während der Elternzeit zu gewährleisten. Dieser Schutzmechanismus trägt dazu bei, dass Arbeitnehmende ihre Rechte auf Elternzeit in Anspruch nehmen können, ohne befürchten zu müssen, dass diese Entscheidung negative Auswirkungen auf ihre berufliche Laufbahn hat.

Zusammengefasst dient der besondere Kündigungsschutz während der Elternzeit dazu, die Balance zwischen den Bedürfnissen der Familien und den Interessen der Arbeitgeber zu wahren, indem er eine stabile und sichere Umgebung für die Betreuung des Kindes schafft und gleichzeitig die Kontinuität des Arbeitsverhältnisses sichert.

Wie wirkt sich das Fehlen eines schriftlichen Antrags auf Elternzeit auf den Kündigungsschutz aus?

Das Fehlen eines schriftlichen Antrags auf Elternzeit hat erhebliche Auswirkungen auf den Kündigungsschutz des Arbeitnehmers. Gemäß § 18 Abs. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) ist die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ab dem Zeitpunkt, zu dem Elternzeit beantragt wurde, und während der Elternzeit grundsätzlich ausgeschlossen. Der besondere Kündigungsschutz beginnt in der Regel mit der Antragstellung auf Elternzeit und schützt den Arbeitnehmer während der gesamten Dauer der Elternzeit.

Wird jedoch kein schriftlicher Antrag auf Elternzeit gestellt, ist die Elternzeit nicht wirksam vereinbart, und der Arbeitnehmer genießt keinen Kündigungsschutz. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigen kann, ohne dass die Schutzvorschriften des BEEG greifen. Ein mündlich vereinbarter oder nicht schriftlich fixierter Elternzeitantrag erfüllt nicht die gesetzlichen Anforderungen und führt dazu, dass der Arbeitnehmer nicht von dem besonderen Kündigungsschutz profitiert.

In einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm wurde entschieden, dass eine Kündigung zulässig ist, wenn die Elternzeit nicht schriftlich beantragt und genehmigt wurde. Nur wenn der Arbeitgeber die Elternzeit trotz fehlender Schriftform gewährt hat, könnte ein Kündigungsschutz ausnahmsweise bestehen. In einem solchen Fall könnte sich der Arbeitnehmer auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen, wenn der Arbeitgeber sich widersprüchlich verhalten hat, beispielsweise indem er die Elternzeit bei der Krankenkasse gemeldet hat und über einen längeren Zeitraum das Fernbleiben des Arbeitnehmers hingenommen hat.

Zusammenfassend ist die Einhaltung der Schriftform für den Antrag auf Elternzeit entscheidend, um den besonderen Kündigungsschutz während der Elternzeit zu aktivieren. Fehlt es an einem schriftlichen Antrag, besteht kein Kündigungsschutz nach dem BEEG.

Kann das Berufen auf das Schriftformerfordernis durch den Arbeitgeber als rechtsmissbräuchlich angesehen werden?

Das Berufen auf das Schriftformerfordernis bei der Beantragung von Elternzeit durch den Arbeitgeber kann in der Regel nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Das Schriftformerfordernis dient der Rechtssicherheit und soll sowohl den Arbeitgeber als auch den Arbeitnehmer schützen. Für den Arbeitgeber besteht dadurch Klarheit über die Inanspruchnahme der Elternzeit und die damit verbundenen Zeiträume, während der Arbeitnehmer vor unüberlegten oder übereilten Entscheidungen geschützt wird.

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinen Entscheidungen klargestellt, dass die Einhaltung der Schriftform ein Wirksamkeitserfordernis für die Inanspruchnahme der Elternzeit ist. Dies bedeutet, dass ein Antrag auf Elternzeit, der nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form eingereicht wird, nicht wirksam ist und somit auch keinen Kündigungsschutz nach § 18 BEEG auslöst.

Die Schriftform hat neben der Rechtssicherheit auch eine Warnfunktion für den Arbeitnehmer, da durch die Inanspruchnahme von Elternzeit das Arbeitsverhältnis für die Dauer von bis zu drei Jahren ruht und der Vergütungsanspruch für diesen Zeitraum entfällt. Die Ausübung des Gestaltungsrechts muss daher wohlüberlegt sein.

In Ausnahmefällen könnte das Berufen auf die Schriftform möglicherweise als rechtsmissbräuchlich betrachtet werden, wenn beispielsweise der Arbeitgeber durch sein Verhalten den Eindruck erweckt hat, dass er die Elternzeit auch ohne Einhaltung der Schriftform akzeptiert. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn der Arbeitgeber die Elternzeit bei der Krankenkasse gemeldet hat und das Fernbleiben des Arbeitnehmers über einen längeren Zeitraum hingenommen hat. Allerdings müsste in einem solchen Fall das Verhalten des Arbeitgebers im Einzelnen geprüft werden, um festzustellen, ob tatsächlich ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorliegt.


Das vorliegende Urteil

ArbG Gera – Az.: 4 Ca 1941/22 – Urteil vom 18.10.2023

1. Das Versäumnisurteil vom 13.02.2023 wird aufrechterhalten.

2. Die Klageerweiterung vom 02.03.2023 wird abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 6.400,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Darüber hinaus begehrt die Klägerin ihre Weiterbeschäftigung.

Die Beklagte führt einen Kleinbetrieb i. S. d. § 23 Abs. 1 KSchG. Nach der Zählregel des § 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG sind bei ihr 3,5 Arbeitnehmer beschäftigt. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 42 f. der Akte Bezug genommen.

Die am 00.00.1989 geborene Klägerin ist verheiratet und gegenüber einem Kind zum Unterhalt verpflichtet. Mit Arbeitsvertrag vom 25.05.2018 (Bl. 7 ff. d. Akte) wurde sie ab 01.06.2018 bis 31.05.2019 als Fachverkäuferin befristet eingestellt. Die Vergütung betrug 1.600,00 € brutto monatlich bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich. Nach der Zusatzvereinbarung vom 25.05.2018 (Bl. 13 d. Akte) erhielt die Klägerin ab dem 01.07.2018 monatliche Provisionen. Unter dem 20.04.2020 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass ihr befristetes Arbeitsverhältnis mit Wirkung vom 01.06.2020 in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übergeht (Bl. 12 d. Akte).

Ende September 2021 erfuhr die Klägerin, dass sie schwanger war. Wenige Tage danach teilte sie dies der Sekretärin der Beklagten Frau S. mit.

Das Arbeitsverhältnis von Frau S. bei der Beklagten endete am 30.09.2021.

Seit dem 01.10.2021 ist sie bei der M. GmbH beschäftigt.

Am 04.10.2021 fand ein Personalgespräch zwischen der Geschäftsführerin R. und der Klägerin statt.

Im Ergebnis wurde ein Änderungsvertrag (Bl. 14 d. Akte) vereinbart. Danach wurde die Klägerin ab 01.10.2021 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden bei einer Vergütung in Höhe von 1.285,00 € brutto weiterbeschäftigt.

Mit Schreiben vom 04.10.2021 (Bl. 15 d. Akten) hat die Klägerin ihre Willenserklärung hinsichtlich der Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit angefochten bzw. widerrufen.

Dem hat die Beklagte mit Schreiben vom 15.10.2021 (Bl. 16 d. Akte) widersprochen.

Mit Schreiben vom 17.02.2022 (Bl. 17 d. Akte) hat die Geschäftsführerin der Beklagten der Klägerin mit sofortiger Wirkung ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen.

Am 02.05.2022 wurde das Kind der Klägerin geboren.

Die Klägerin befand sich bis zum 27.06.2022 im Mutterschutz.

Am 05.07.2022 gab es zwischen der Klägerin und Frau S. eine WhatsApp-Kommunikation. Wegen des Inhalts wird auf Blatt 63 der Akte Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 13.07.2022 (Bl. 18 d. Akte), welches der Klägerin am 14.07.2022 zugegangen ist, kündigte die Geschäftsführerin R. der Beklagten das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31.08.2022.

Am 01.08.2022 hat die Klägerin beim Arbeitsgericht Gera Kündigungsschutzklage erhoben und sich auf den Sonderkündigungsschutz aus § 18 Abs. 1 BEEG berufen.

Mit Bescheid vom 01.08.2022 (Bl. 64 ff. d. Akte) hat die Stadt G. der Klägerin Elterngeld bewilligt.

Im Gütetermin am 26.09.2022 konnte eine gütliche Einigung der Parteien nicht erzielt werden (Bl. 34 d. Akte).

Im Kammertermin am 13.02.2023 ist für die Klägerin niemand erschienen (Bl. 53 d. Akte).

Auf Antrag der Beklagten hat das Gericht ein klageabweisendes Versäumnisurteil verkündet (Bl. 54 d. Akte).

Das Versäumnisurteil ist der Klägerin am 27.02.2023 zugestellt worden.

Ihr Einspruch vom 02.03.2023 ist am 03.03.2023 beim Arbeitsgericht Gera eingegangen.

Mit dem Einspruch hat die Klägerin klageerweiternd ihre Weiterbeschäftigung begehrt.

Im Termin zur Verhandlung über den Einspruch und zur Hauptsache am 18.10.2023 ist die vorsorglich geladene Zeugin Sa. vom Gericht informatorisch befragt worden.

Die Mitarbeiterin der Elterngeldstelle hat erklärt, dass die Bewilligung von Elterngeld unabhängig davon erfolgt, ob die Arbeitnehmerin bei ihrem Arbeitgeber auch Elternzeit beantragt hat.

Die Klägerin trägt vor, die Kündigung sei rechtsunwirksam.

Sie berufe sich auf den Sonderkündigungsschutz aus § 18 Abs. 1 BEEG.

Sie habe zwar keinen schriftlichen Antrag auf Elternzeit bei der Arbeitgeberin gestellt. Die Beklagte müsse aber dem Sozialamt der Stadt G. im Rahmen ihrer gesetzlichen Pflichten notgedrungen zugearbeitet haben. Im Übrigen habe die Beklagte über ihre ehemalige Sekretärin Frau S., die für Personalsachen zuständig gewesen sei, Kenntnis erlangt, dass die Klägerin Elternzeit in Anspruch nehmen wolle.

Die Klägerin beantragt,

1. unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 13.02.2023 festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 13.07.2022 nicht beendet wurde.

2. für den Fall des klägerischen Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin über den 31.08.2022 hinaus zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 25.05.2018 i. d. F. der Vereinbarung vom 20.04.2020 als Fachverkäuferin in ihrer Verkaufsstelle in G., H., weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten und den Antrag auf Weiterbeschäftigung abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, die Klägerin könne sich nicht auf den Sonderkündigungsschutz nach § 18 Abs. 1 BEEG berufen. Die Klägerin habe weder schriftlich gegenüber der Beklagten Elternzeit in Anspruch genommenen noch auf sonstige Weise das Begehren auf Elternzeit geäußert.

Ein widersprüchliches Verhalten der Beklagten liege nicht vor.

Sie habe die faktische Inanspruchnahme von Elternzeit nicht über einen längeren Zeitraum hingenommen. Vielmehr habe sie 2 Wochen nach Ende der Mutterschutzfrist und Fehlen am Arbeitsplatz die Kündigung ausgesprochen.

Einen Kontakt zur Elterngeldstelle habe es erstmalig am 26.07.2022, also deutlich nach Ausspruch und Zustellung der streitgegenständlichen Kündigung gegeben. Dabei sei es um die Frage der Auszahlung von Kurzarbeitergeld in den Jahren 2020 und 2021 gegangen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst allen dazugehörenden Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 26.09.2022, vom 13.02.2023 und 18.10.2023 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat insgesamt keinen Erfolg.

Das Versäumnisurteil vom 13.02.2023 ist nach § 343 Satz 1 ZPO aufrechtzuerhalten.

Die Entscheidung, die aufgrund der neuen Verhandlung zu erlassen ist, stimmt mit der in dem Versäumnisurteil enthaltenen Entscheidung überein.

Die klageerweiternd begehrte Weiterbeschäftigung ist abzuweisen.

Die Kündigung vom 13.07.2022 ist rechtswirksam.

Die Kündigung ist nicht sozial ungerechtfertigt i. S. d. § 1 KSchG.

Die Klägerin genießt keinen allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz, weil es sich bei der Beklagten unstreitig um einen Kleinbetrieb i. S. d. § 23 KSchG handelt. Insofern gilt der Grundsatz der Kündigungsfreiheit.

Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf den besonderen Kündigungsschutz nach dem BEEG gerufen.

Nach § 18 BEEG darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit nicht kündigen. Das Kündigungsverbot des § 18 BEEG besteht allerdings grundsätzlich nur dann, wenn die Arbeitnehmerin die Elternzeit berechtigterweise angetreten hat und zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für die Elternzeit vorliegen. Zum Kündigungszeitpunkt müssen deshalb sowohl die Voraussetzungen von § 15 BEEG als auch die des § 16 BEEG erfüllt sein. Nur derjenige kommt in den Genuss des besonderen Kündigungsschutzes nach § 18 BEEG, der sich berechtigterweise in Elternzeit befindet. Demnach müssen alle Arbeitnehmer, die Elternzeit in Anspruch nehmen können, nicht nur die persönlichen Voraussetzungen gemäß § 15 Abs. 1 BEEG erfüllen, sondern auch die Elternzeit schriftlich und ordnungsgemäß gemäß § 16 Abs. 1 BEEG gegenüber ihrem Arbeitgeber verlangt haben. Das schriftliche Verlangen stellt eine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Inanspruchnahme der Elternzeit dar.

Das Schriftformerfordernis dient der Rechtsklarheit.

Am Beginn einer Elternzeit sind vielfältige Fallgestaltungen denkbar, in denen – bei fehlender schriftlicher Beantragung – offenbleibt, ob Elternzeit in Anspruch genommen oder eine andere Form der Arbeitsbefreiung geltend gemacht wird bzw. schlicht eine Fehlzeit vorliegt. Dementsprechend kommt dem schriftlichen Verlangen nach Elternzeit eine vor allem klarstellende Funktion für die Parteien zu, an der grundsätzlich – wie in § 16 BEEG vorgesehen – festzuhalten ist. Versäumt es der Arbeitnehmer, die Elternzeit in der entsprechenden Form zu beantragen, besteht demnach grundsätzlich kein besonderer Kündigungsschutz (BAG Urteil vom 26.06.2008 – 2 AZR 23/07 Rz. 25 nach juris m. w. N.).

Das Berufen der Beklagten auf die fehlende Schriftform stellt auch kein rechtsmissbräuchliches Verhalten dar.

Im Einzelfall kann das Berufen auf die fehlende Schriftform gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) in der Erscheinungsform des widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) verstoßen, wenn der Arbeitnehmerin Elternzeit gewährt worden ist, obwohl dem Arbeitgeber bekannt war, dass die Anspruchsvoraussetzungen – insbesondere die fehlende Schriftlichkeit – nicht vorliegen. Nach dem Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens ist ein Verhalten als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn durch das Verhalten der einen Vertragspartei – bewusst oder unbewusst – für die andere Vertragspartei ein schützenswertes Vertrauen auf den Fortbestand des bisherigen geschaffen worden ist. Ein solches Vertrauen kann auch durch Umstände begründet werden, die nach dem Beginn des Fernbleibens von der Arbeit eingetreten sind (BAG a. a. O. Rz. 27).

Derartige Umstände liegen nicht vor. Die Klägerin hat sich bis zum 27.06.2022 im Mutterschutz befunden und danach ihre Arbeit nicht angetreten. Die Beklagte hat am 13.07.2022 die ordentliche Kündigung ausgesprochen. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagte Kenntnis davon hatte, dass die Klägerin nach Ablauf der Mutterschutzfrist in Elternzeit gehen wollte. Eine eventuelle Kenntnis der bis 30.09.2022 beschäftigten Sekretärin S. muss sich die Beklagte nicht zurechnen lassen. Bei seiner Entscheidungsfindung hat das Gericht insbesondere berücksichtigt, dass die Klägerin nur dargelegt hat, dass sie Ende September 2022 gegenüber der Sekretärin geäußert hat, dass sie schwanger ist. Daraus lässt sich nicht ableiten, dass nach der Geburt und Ablauf der Mutterschutzfrist Elternzeit beantragt werden soll. Auch der WhatsApp-Verkehr vom 05.07.2022 bietet keine ausreichenden Anhaltspunkte. Zu diesem Zeitpunkt war S. nicht mehr bei der Beklagten tätig, sondern bei der M. GmbH. Im Übrigen hätte der Klägerin klar sein müssen, dass sie rechtserheblichen Verkehr mit der Geschäftsführerin der Beklagten führen muss. Der befristete Arbeitsvertrag vom 25.05.2018 war von der Geschäftsführerin R. persönlich unterzeichnet. Ebenso die Zusatzvereinbarung vom 25.05.2018 und das Schreiben vom 20.04.2020, mit dem das Arbeitsverhältnis entfristet worden ist. Auch das Personalgespräch hat die Klägerin mit der Geschäftsführerin R. am 04.10.2021 persönlich geführt und den Änderungsvertrag unterschrieben. Zur Überzeugung des Gerichts steht daher fest, dass die Klägerin auch eine Elternzeit im direkten Verkehr mit der Geschäftsführerin der Beklagten hätte beantragen müssen.

Die Beklagte hat auch nicht in sonstiger Weise von der Inanspruchnahme von Elternzeit durch die Klägerin Kenntnis erlangt. Unstreitig hat sie mit der Elterngeldstelle erstmals am 26.07.2023 Kontakt gehabt.

Bei einer Gesamtwertung aller Umstände des Einzelfalls lässt sich daher ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten nicht feststellen.

Der klageerweiternd geltend gemachte Anspruch auf Weiterbeschäftigung über den 31.08.2022 hinaus ist unbegründet.

Der von der Rechtsprechung des BAG entwickelte allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch greift nur nach erstinstanzlicher Feststellung der Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin hat als unterliegende Partei die Kosten des Rechtstreits zutragen.

Der nach § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzende Wert des Streitgegenstandes ist für den Kündigungsschutzantrag nach § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG auf den Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts begrenzt. Für den Weiterbeschäftigungsantrag hat das Gericht einen weiteren Monatsverdienst angesetzt.

 

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