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Unwirksamkeit – Eigenkündigung – Verwirkung

Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 7 Sa 677/17 – Urteil vom 26.04.2018

Auf die Berufung des Beklagten hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 12.06.2017 in Sachen 15 Ca 8925/16 teilweise wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen, soweit das Arbeitsgericht in seiner Entscheidung festgestellt hat, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht mit Ablauf des 30.06.2016 sein Ende gefunden hat, sondern ungekündigt fortbesteht (Urteilstenor Ziff. 1).

Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz haben die Klägerin 94 % und der Beklagte 6 % zu tragen.

Die Kosten der Berufungsinstanz trägt die Klägerin allein.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz nur noch darum, ob das zwischen ihnen begründete Arbeitsverhältnis aufgrund einer Eigenkündigung der Klägerin Ende Juni 2016 sein Ende gefunden hat, oder ob es über diesen Zeitpunkt hinaus ungekündigt fortbestanden hat.

Die am 1958 geborene Klägerin trat zum 01.11.2015 als Reinigungskraft in die Dienste des Beklagten. Arbeitsvertraglich vereinbart war eine Vergütung in Höhe von 442,00 EUR monatlich bei abzuleistenden10 Wochenstunden.

Mit Schreiben vom 13.06.2016 (Bl. 143 d. A.) kündigte die Klägerin ihrerseits das Arbeitsverhältnis der Parteien wie folgt:

„Betreff: Kündigung

Hiermit kündige ich zum 25.06.2016. Da mir noch 10 Tage Urlaub zustehen und ich den nehme, ist für mich der Montag der letzte Arbeitstag.

Grund:

Ich bekomme keine 8,50 Mindestlohn, weil ich die Benzinkosten selber tragen muss und das Wegegeld zu den anderen Objekten auch.

Mit freundlichen Grüßen

S M „

Das Kündigungsschreiben wurde von der Klägerin per Einschreiben mit der Post versandt. Den genauen Tag des Zugangs des Kündigungsschreibens beim Beklagten konnten die Parteien im Rahmen der mündlichen Erörterung vor dem Berufungsgericht nicht mehr angeben.

Ob die Klägerin in der Zeit nach dem 13.06.2016, wie von ihr vorgesehen, ihren Urlaub verwirklichen konnte, oder ob sie auf Bitten des Beklagten Arbeitsleistungen erbracht hat, weil eine andere Mitarbeiterin wegen einer Kurmaßnahme ausgefallen war, ist zwischen den Parteien streitig geblieben. Ebenfalls streitig geblieben ist die Behauptung der Klägerin, sie habe am Montag, dem 27.06.2016, noch im Steuerberatungsbüro E in K für den Beklagten Reinigungsleistungen erbracht.

Jedenfalls kündigte das Steuerberatungsbüro E noch am 27.06.2016 den zum Beklagten bestehenden Reinigungsvertrag mit sofortiger Wirkung, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin, und bat den Beklagten zugleich, „die sich noch in Ihrem Besitz befindlichen Schlüssel und Transponderkarten umgehend bei uns abzugeben.“ (Bl. 122 d. A.)

Am Dienstag, dem 28.06.2016, begaben sich die Klägerin und ihre Kollegin auf Aufforderung durch den Beklagten zur Firma E , um dort die ihnen überlassenen Schlüssel – für deren Erhalt die Klägerin auch persönlich unterschrieben hatte – abzugeben und die bei der Firma E noch deponierten Putzmittel abzuholen. Die Klägerin begab sich sodann zum Beklagten und räumte ihr Auto leer, in dem sich noch weitere Putzgegenstände der Firma befanden. Nach diesem Zeitpunkt arbeitete die Klägerin, wie sie persönlich in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ausgesagt hat, nicht mehr für den Beklagten.

In der Folgezeit kam es dann gelegentlich noch zu telefonischen Kontakten zwischen den Parteien, weil die Klägerin die Auffassung vertrat, dass ihr noch Restlohn, Fahrtkostenerstattung und Urlaubsabgeltung zustünden. Aus diesem Grund suchte die Klägerin auch am 07.10.2016 einen Rechtsanwalt, ihren späteren Prozessbevollmächtigten auf. Mit außergerichtlichem Schreiben an den Beklagten vom 11.10.2016 (Bl. 9 – 13 d. A.) machte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin für diese umfangreich begründete außergerichtliche Ansprüche von insgesamt 1.858,80 EUR brutto geltend. Einleitend heißt es in dem Schriftsatz:

„Unsere Mandantin hat uns darüber unterrichtet, dass das zwischen ihnen und unserer Mandantin bestehende Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30.06.2016 sein Ende gefunden hat.“

Nachdem die außergerichtliche Geltendmachung ihrer Zahlungsansprüche erfolglos geblieben war, erhob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin unter dem 13.12.2016, beim Arbeitsgericht Köln eingegangen am 16.12.2016, die vorliegende Klage, die ursprünglich als reine Zahlungsklage ausgestaltet war. Die Begründung der Klageschrift beginnt mit den Sätzen:

„Der Beklagte betreibt ein Reinigungsunternehmen. In diesem war die Klägerin vom 01.11.2015 bis einschließlich zum 30.06.2016 beschäftigt.“

Erstmals mit Schriftsatz vom 10.03.2017, beim Arbeitsgericht eingegangen am gleichen Tage, ließ die Klägerin im Wege der Klageerweiterung geltend machen, dass das Arbeitsverhältnis „nicht mit Ablauf des 30.06.2016 sein Ende gefunden hat, sondern ungekündigt fortbesteht“. Zur Begründung führte sie aus, dass sie nach dem 25.06.2016, nämlich am 27.06. und 28.06.2016, noch gearbeitet habe und das Arbeitsverhältnis nach diesem Zeitpunkt von niemandem formwirksam beendet worden sei.

Mit Urteil vom 12.06.2017 hat die 15. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dem Kündigungsschutzantrag stattgegeben. Zur Begründung hat sich das Arbeitsgericht auf § 625 BGB berufen. Auf Abschnitt I 1. und 2. der Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils wird Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Beklagten am 27.07.2017 zugestellt. Der Beklagte hat hiergegen am 25.08.2017 Berufung einlegen und diese – nach Verlängerung der Frist bis zum 27.10.2017 – am 23.10.2017 begründen lassen.

Der Beklagte und Berufungskläger bestreitet den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses „über den 30.06.2016 hinaus“, wie vom Arbeitsgericht ausgeurteilt. Insbesondere bestreitet der Beklagte, dass die Klägerin nach Ausspruch ihrer Eigenkündigung noch Reinigungsarbeiten erbracht habe. Vielmehr habe sie, wie von ihr laut Kündigungsschreiben auch beabsichtigt, den ihr stillschweigend genehmigten Erholungsurlaub in Anspruch genommen. Insbesondere habe sie am Montag, dem 27.06., keine Reinigungsleistungen bei der Kundenfirma E mehr erbracht. Dass sie am 28.06.2016, nach der fristlosen Kündigung des Reinigungsauftrags durch E , die von dort erhaltenen Schlüssel zu dem Kunden zurückgebracht habe, sei sinnvoll erschienen, weil sie bei Erhalt der Schlüssel auch persönlich dafür unterschrieben habe.

Ferner beruft sich der Beklagte und Berufungskläger auch darauf, dass das Vorgehen der Klägerin gegen ihre Eigenkündigung gegen Treu und Glauben verstoße.

Der Beklagte und Berufungskläger beantragt nunmehr, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 12.06.2017 (15 Ca 8925/16) die von der Klägerin erhobene Klage abzuweisen, soweit das Arbeitsgericht Köln in seiner Entscheidung festgestellt hat, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht mit Ablauf des 30.06.2016 sein Ende gefunden hat, sondern ungekündigt fortbesteht (Tenor 1. des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 12.06.2017).

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte hält das arbeitsgerichtliche Urteil, soweit es von dem Beklagten angegriffen wird, für richtig und tritt dessen Begründung bei.

Auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründungsschrift des Beklagten, der Berufungserwiderungsschrift des Klägers und der sonstigen in der Berufungsinstanz eingereichten Schriftsätze der Parteien sowie auf den Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht vom 26.04.2018 wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 12.06.2017 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 Buchstabe c) ArbGG statthaft. Sie wurde auch innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen formal ordnungsgemäß eingelegt und begründet.

II. Die Berufung des Beklagten musste auch Erfolg haben. Zur Überzeugung des Berufungsgerichts trifft es nicht zu, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien, wie vom Arbeitsgericht ausgeurteilt, „nicht mit Ablauf des 30.06.2016 sein Ende gefunden hat, sondern ungekündigt fortbesteht“. Vielmehr hat das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Eigenkündigung der Klägerin vom 13.06.2016 mit Ablauf der von der Klägerin einzuhaltenden Kündigungsfrist, spätestens aber zum 30.06.2016 rechtswirksam sein Ende gefunden. Ein Fall des § 625 BGB liegt nicht vor. Außerdem verstößt das Vorgehen der Klägerin gegen die von ihr ausgesprochene Eigenkündigung gegen § 242 BGB; denn es liegt ein Fall prozessualer Verwirkung vor.

Im Einzelnen:

1. Die Klägerin hat mit ihrem Schreiben vom 13.06.2016 das Arbeitsverhältnis der Parteien unter Wahrung der gesetzlichen Schriftform und auch im Übrigen rechtswirksam ordentlich und fristgerecht gekündigt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat damit mit Ablauf der von der Klägerin einzuhaltenden Kündigungsfrist sein Ende gefunden. Die Kündigungsfrist endete allerdings nicht am 25.06.2016, sondern frühestens mit Ablauf des 28.06.2016.

a. Aus dem Inhalt des Kündigungsschreibens der Klägerin geht klar hervor, dass die Klägerin eine ordentliche, fristgerechte Kündigung aussprechen wollte. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass in Wirklichkeit eine außerordentliche Kündigung gemeint gewesen sein könnte, liegen nicht vor. Auch die Klägerin selbst hat ihre Kündigung zu keinem Zeitpunkt als außerordentliche Kündigung interpretiert.

b. Bei Ausspruch einer ordentlichen Kündigung hat aber nicht nur ein Arbeitgeber, sondern auch eine Arbeitnehmerin/ein Arbeitnehmer die dafür vorgeschriebenen Kündigungsfristen einzuhalten, die sich aus dem Gesetz (§ 622 BGB), aus einem Tarifvertrag oder dem Individualarbeitsvertrag der Parteien ergeben. Vorliegend findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der für allgemeinverbindlich erklärte Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom 28.06.2011 Anwendung. Gemäß § 20 Ziffer 1 MTV kann das Arbeitsverhältnis „beiderseitig unter Einhaltung einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden“.

c. Der Lauf der Kündigungsfrist beginnt mit dem Zugang der Kündigungserklärung beim Adressaten Unstreitig hat die Klägerin ihr Kündigungsschreiben per Einschreiben mit der Post versandt. Den genauen Tag des Zugangs der Kündigungserklärung beim Beklagten konnten in der mündlichen Verhandlung weder der Beklagte, noch die Klägerin angeben. Unstreitig lag der Zugangszeitpunkt aber innerhalb üblicher Postlaufzeiten. Das am Montag, dem 13.06.2016 verfasste, mit der Post versandte Kündigungsschreiben kann den Beklagten frühestens am Dienstag, dem 14.06.2016 erreicht haben. Ausgehend von diesem frühestmöglichen Zugangsdatum endete die zweiwöchige Kündigungsfrist also nicht vor Dienstag, dem 28.06.2016 um 24:00 Uhr.

d. Der Ablauf der Kündigungsfrist zum Ende des 28.06.2016 bezeichnet bei der gebotenen objektiven Betrachtung zugleich den „Ablauf der Dienstzeit“ im Sinne von § 625 BGB. Die Klägerin hat nach ihrem eigenen ausdrücklichen Bekunden in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nach Ablauf des 28.06.2016 keinerlei wie auch immer geartete Arbeiten für den Beklagten mehr erbracht. Schon daran muss die Anwendung von § 625 BGB scheitern.

e. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin in ihrem Kündigungsschreiben ausführt, sie kündige „zum 25.06.1916“. Abgesehen davon, dass die Klägerin sicherlich nicht „1916“, sondern „2016“ gemeint hat, bleibt in Anbetracht des sonstigen Inhalts des Kündigungsschreibens dennoch unklar, an welchem Tag genau das Arbeitsverhältnis nach der Vorstellung der Klägerin enden sollte. Im Weiteren heißt es nämlich im Kündigungsschreiben:

„Da mir noch 10 Tage Urlaub zustehen und ich den nehme, ist für mich der Montag der letzte Arbeitstag.“

f. Diese Formulierung erscheint auslegungsbedürftig, da die Klägerin den Montag, der für sie den „letzten Arbeitstag“ darstellen sollte, kalendarisch nicht bezeichnet hat. Aus dem Gesamtzusammenhang lässt sich entnehmen, dass die Klägerin sich offenbar vorstellte, ihre 10 Tage Resturlaub in der Kündigungsfrist zu nehmen.

aa. Denkbar wäre es dann, dass die Klägerin mit „Montag, dem letzten Arbeitstag“ den Tag gemeint hat, der dem Beginn des Urlaubs vorangehen sollte. Dann käme als dieser Montag eigentlich nur Montag, der 13.06.2016 in Frage, also der Tag, an dem die Klägerin ihr Kündigungsschreiben verfasst hat. Wann nun, ausgehend von der Vorstellung, Montag, der 13.06.2016 sei der letzte Arbeitstag, ein zehntägiger Urlaub enden würde, hängt davon ab, ob die Klägerin die „10 Tage Urlaub“ als Werktage, als Arbeitstage (5-Tage-Woche) oder gar als Kalendertage angesehen hat. Nach keiner dieser Versionen wäre jedoch Samstag, der 25.06.2016 der letzte Urlaubstag und somit der in der Vorstellung der Klägerin möglicherweise richtige Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewesen: Hätte der Urlaub der Klägerin nach ihrer Vorstellung somit am Dienstag, dem 14.06.2016 begonnen, so wären10 Werktage am Freitag, dem 24.06.2016 abgelaufen, 10 Kalendertage bereits am Donnerstag, dem 23.06., 10 Arbeitstage hingegen erst am Montag, dem 27.06.2016.

bb. Der Text des Kündigungsschreibens kann aber auch so ausgelegt werden, dass die Klägerin mit „Montag, dem letzten Arbeitstag“ nicht den Tag gemeint hat, an dem sie vor Antritt ihres Urlaubs das letzte Mal faktisch arbeiten müsse, sondern denjenigen Tag, den sie sich als letzten Tag ihres Arbeitsverhältnisses vorgestellt hat. Dann kann mit „Montag, der letzte Arbeitstag“ aber nur Montag, der 27.06.2016 gemeint gewesen sein.

cc. Bei alledem ist in Rechnung zu stellen, dass es sich bei der Klägerin um eine juristische Laiin handelt, bei der nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden kann, dass sie die Feinheiten der Berechnung einer Kündigungsfrist oder auch der Dauer eines Resturlaubsanspruchs in jeder Hinsicht beherrscht. Andererseits kann der Klägerin in Ermangelung gegenteiliger Anhaltspunkte unterstellt werden, dass sie den Willen hatte, die für sie maßgebliche Kündigungsfrist auch einzuhalten. Ausgehend davon, dass die Klägerin ihre Kündigung am 13.06.2016 verfasst hat, wäre, gerechnet von diesem Tag an, der Ablauf der zweiwöchigen Kündigungsfrist tatsächlich auf Montag, den 27.06.2016 zu datieren gewesen. Diese Überlegungen sprechen dafür, die Widersprüche im Text des Kündigungsschreibens der Klägerin dahingehend aufzulösen, dass die Klägerin das Arbeitsverhältnis in Wirklichkeit zum Montag, dem 27.06.2016 beenden wollte und sich somit bei der Wahl des Datums „25.06.1916“ nicht nur in der Jahreszahl, sondern auch im Kalendertag vertan hat.

g. Auch nach dem 27.06.2016 hat die Klägerin für den Beklagten keine Arbeitsleistungen mehr erbracht, die eine Grundlage für die Anwendung des§ 625 BGB darstellen könnten. Reinigungsleistungen hat die Klägerin in ihren persönlichen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zufolge am 28.06.2016 nicht mehr erbracht. Die Rückgabe von ihr überlassenen Kundenschlüsseln, für deren Empfang sie persönlich quittiert hatte, und ebenso die Rückgabe des ihr überlassenen Arbeitsmaterials an den Betrieb des Beklagten stellen keine Arbeitsleistungen dar, die als „Fortsetzung des Dienstverhältnisses“ im Sinne von § 625 BGB interpretiert werden könnten.

2. Unabhängig davon ist es der Klägerin nach Überzeugung des Berufungsgerichts auch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß  242 BGB verwehrt, sich jetzt noch darauf zu berufen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch ihre Eigenkündigung vom 13.06.2016 spätestens zum 30.06.2016 beendet wurde.

a. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Grundsatzentscheidung vom 21.09.2017 klargestellt, dass die Regeln der §§ 4, 7 KSchG weder unmittelbar noch analog auf die Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Eigenkündigung anwendbar sind. Zugleich hat das Bundesarbeitsgericht aber das Interesse des Arbeitgebers an einer schnellen Klärung auch der Wirksamkeit einer Eigenkündigung erwähnt und anerkannt (BAG a. a. O. Rdn. 22).

b. Wenn auch die in § 4 KSchG normierte Drei-Wochen-Frist somit nicht unmittelbar anzuwenden ist, wenn die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer geltend machen will, dass das Arbeitsverhältnis trotz einer von ihr/ihm ausgesprochenen Eigenkündigung fortbesteht, so stellt die kurze Dauer der Drei-Wochen-Frist doch einen Orientierungspunkt dafür dar, für wie lange Zeit ein Zuwarten des Arbeitnehmers der Gegenseite noch zumutbar erscheint.

c. Ausgehend von dem im Antrag der Klageerweiterung der Klägerin vom 10.03.2017 genannten Enddatum 30.06.2016 hat sich die Klägerin ca. 8 ½ Monate damit Zeit gelassen, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen. Dies ist ein Zeitraum, der die Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG um ca. das 12-fache übertrifft. Damit ist das Zeitmoment der Verwirkung in Anbetracht des für Bestandsstreitigkeiten geltenden beschleunigten Klärungsinteresses zur Überzeugung der Berufungskammer als erfüllt anzusehen.

d. Aber auch das sogenannte Umstandsmoment erscheint im vorliegenden Fall gegeben.

aa. Die Klägerin in eigener Person hat sich zu keinem Zeitpunkt nach dem 28.06.2016 dem Beklagten gegenüber um die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bemüht oder diese gar gefordert. Durch Rückgabe sämtlicher ihr überlassener Arbeitsmaterialien am 28.06.2016 hat sie vielmehr deutlich klargemacht, dass sie von einer endgültigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeht.

bb. In dem ausführlich begründeten anwaltlichen Schreiben vom 11.10.2016, in welchem verschiedene Zahlungsansprüche aus der Vergangenheit geltend gemacht werden, wird ausdrücklich festgehalten, dass nach Vorstellung der Klägerin das bestehende Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30.06.2016 sein Ende gefunden hat.

cc. Dasselbe ergibt sich nochmals aus der Begründung zur vorliegend zunächst ebenfalls als reine Zahlungsklage erhobenen Klage vom 13.12.2016. Auch dort heißt es ohne Wenn und Aber, dass die Klägerin „vom 01.11.2015 bis einschließlich zum 30.06.2016 beschäftigt“ gewesen sei.

dd. In Anbetracht dieses Verhaltens der Klägerin nach dem Ende des Monats Juni 2016 musste der Beklagte schlechterdings nicht mehr damit rechnen, dass die Klägerin im Frühjahr 2017 den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend machen würde. Er musste sich auf eine solche Geltendmachung nicht mehr einstellen und keine Dispositionen für einen solchen Fall treffen.

e. In Anbetracht dessen könnte sich die Klägerin redlicherweise selbst dann nicht mehr auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses „über den 30.06.2016 hinaus“ berufen, wenn die Voraussetzungen des § 625 BGB zu bejahen wären, was allerdings zur Überzeugung des Berufungsgerichts ohnehin nicht der Fall ist.

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO nach dem Verhältnis des beiderseitigen Obsiegens und Unterliegens.

Bei der vorliegenden Einzelfallentscheidung war die Revision nicht zuzulassen.

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