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Urlaubsabgeltungsansprüche tarifliche Ausschlussfrist

Fristwahrung bei Urlaubsabgeltungsansprüchen nach Kündigung

Wenn ein Arbeitsverhältnis endet, stehen oft noch offene Urlaubstage im Raum. Was passiert mit diesen Tagen, wenn sie nicht mehr genommen werden können? Hier kommt der Urlaubsabgeltungsanspruch ins Spiel, der Arbeitnehmern das Recht gibt, nicht genommenen Urlaub finanziell erstattet zu bekommen. Doch was, wenn tarifvertragliche Regelungen eine Frist setzen, innerhalb derer solche Ansprüche geltend gemacht werden müssen? Die sogenannte tarifliche Ausschlussfrist kann hier zum Zankapfel werden, denn verpasst der Arbeitnehmer diese Frist, könnte der Anspruch verfallen. Dies wirft Fragen nach der Fälligkeit solcher Ansprüche auf und wie diese mit dem Mindestlohn und europäischen Richtlinien in Einklang stehen. Besonders bei einer Kündigung und einem darauffolgenden Vergleich sind die genauen Zeitpunkte und rechtlichen Bedingungen von entscheidender Bedeutung. Diese Thematik berührt grundlegende Aspekte des Arbeitsrechts und zeigt, wie wichtig die Kenntnis und die Einhaltung von Fristen für die Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten sind.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 10 Ca 2689/18  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Arbeitsgericht Nürnberg bestätigt, dass Urlaubsabgeltungsansprüche innerhalb der tarifvertraglich festgelegten Ausschlussfrist geltend gemacht werden müssen, um wirksam zu sein.

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Urlaubsabgeltungsansprüche müssen innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.
  2. Die Fälligkeit tritt mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses ein, unabhängig von späteren Vergleichen oder Kündigungsschutzverfahren.
  3. Die tarifliche Ausschlussfrist endet hier am 31.03.2018, eine Geltendmachung am 10.04.2018 ist somit zu spät.
  4. Das Gericht folgt der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach die Fälligkeit des Anspruchs nicht durch einen späteren Vergleich beeinflusst wird.
  5. Die Ausschlussfrist ist mit der EU-Richtlinie 2003/88/EG vereinbar, da der Urlaubsabgeltungsanspruch als eigenständiger Anspruch gilt.
  6. Die Unwirksamkeit der Kündigung und die Arbeitsunfähigkeit des Klägers haben keinen Einfluss auf die Fälligkeit des Abgeltungsanspruchs.
  7. Die Berufung auf das Mindestlohngesetz (MiLoG) ist nicht stichhaltig, da der Kläger ein Gehalt über dem Mindestlohn erzielte.
  8. Die rechtzeitige Geltendmachung von Ansprüchen ist essentiell für deren Durchsetzbarkeit.

Langjähriges Arbeitsverhältnis und Kündigungsschutz

Im Zentrum des vorliegenden Falles steht ein langjähriges Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten, das aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung zum 31. Dezember 2017 endete. Der Kläger, seit dem 24. Januar 1991 in dem Unternehmen beschäftigt, hatte gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben, die mit einem Vergleich am 28. Februar 2018 endete. Die rechtliche Auseinandersetzung entzündete sich an dem Anspruch des Klägers auf Abgeltung von 19 Tagen Resturlaub für das Jahr 2017, die er nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend machte. Der Kern des Streits liegt in der Frage, ob der Anspruch auf Urlaubsabgeltung durch die tarifliche Ausschlussfrist erloschen war, da der Kläger diesen erst mit Schreiben vom 10. April 2018 und somit nach Ablauf der imTarifvertrag festgelegten Drei-Monats-Frist geltend machte.

Tarifvertragliche Regelungen vs. Europäisches Recht

Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall ergibt sich aus der komplexen Interaktion zwischen nationalen arbeitsrechtlichen Bestimmungen, tarifvertraglichen Regelungen und europäischem Recht. Die tarifliche Ausschlussfrist, die im Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie festgelegt ist, sieht vor, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen sind. Der Kläger argumentierte, dass die Fälligkeit seines Anspruchs erst mit dem Vergleich eintrat und die Ausschlussfrist somit noch nicht abgelaufen sei. Zudem berief er sich auf die Unvereinbarkeit der Ausschlussfrist mit der EU-Richtlinie 2003/88/EG und dem Mindestlohngesetz (MiLoG).

Gerichtsentscheidung: Bestätigung der Ausschlussfrist

Das Arbeitsgericht Nürnberg entschied jedoch gegen den Kläger. Es folgte der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach die Fälligkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs bereits mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses eintritt, unabhängig von einem späteren Vergleich. Das Gericht sah keine Unvereinbarkeit der tariflichen Ausschlussfrist mit der EU-Richtlinie, da der Urlaubsabgeltungsanspruch als eigenständiger Anspruch angesehen wird und nicht dem Schicksal des Urlaubsanspruchs im laufenden Arbeitsverhältnis folgt. Auch die Berufung auf das MiLoG wurde zurückgewiesen, da der Kläger ein Bruttomonatsgehalt erzielte, das über dem Mindestlohn lag, und keine schlüssige Darlegung vorbrachte, dass durch die Nichtauszahlung der Urlaubsabgeltung ein Verstoß gegen das MiLoG vorlag.

Auswirkungen und Fazit des Urteils

Die Auswirkungen dieses Urteils sind vielschichtig. Zum einen bestätigt es die Anwendung tariflicher Ausschlussfristen und stärkt damit die Rechtssicherheit für Arbeitgeber in Bezug auf die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis. Zum anderen verdeutlicht es die Notwendigkeit für Arbeitnehmer, ihre Ansprüche zeitnah und unter Beachtung tarifvertraglicher Fristen geltend zu machen. Darüber hinaus zeigt der Fall, dass die europäische Rechtsprechung zwar Einfluss auf das nationale Arbeitsrecht hat, aber nicht in jedem Fall zu einer anderen Beurteilung führt.

Das Fazit des Urteils unterstreicht die Bedeutung der genauen Kenntnis und Einhaltung tarifvertraglicher Regelungen. Es betont, dass die rechtzeitige Geltendmachung von Ansprüchen eine wesentliche Voraussetzung für deren Durchsetzbarkeit ist und dass die europäische Rechtsprechung nicht pauschal über nationalen Regelungen steht. Für Arbeitnehmer resultiert daraus die Notwendigkeit, sich über ihre Rechte und Pflichten genau zu informieren und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses schnell zu handeln, um finanzielle Nachteile zu vermeiden. Für Arbeitgeber bestätigt das Urteil die Wirksamkeit von tariflichen Ausschlussfristen als Mittel zur Begrenzung von Nachforderungsrisiken.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was versteht man unter Urlaubsabgeltungsansprüchen im Arbeitsrecht?

Urlaubsabgeltungsansprüche im Arbeitsrecht beziehen sich auf die finanzielle Vergütung von nicht genommenem Urlaub bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Wenn ein Arbeitnehmer seinen gesetzlich zustehenden Urlaub aus verschiedenen Gründen nicht vollständig nehmen konnte, hat er Anspruch auf eine Urlaubsabgeltung. Die Urlaubsabgeltung stellt somit sicher, dass Beschäftigte auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in den Genuss dieser Urlaubstage kommen. Die Urlaubsabgeltung ist in § 7 Abs. 4 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) geregelt.

Die Höhe der Urlaubsabgeltung berechnet sich nach dem durchschnittlichen Gehalt der letzten 13 Wochen vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dabei werden auch Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld berücksichtigt. Der durchschnittliche werktägliche Arbeitsverdienst in diesem Zeitraum wird ermittelt und mit den verbleibenden Urlaubstagen multipliziert.

Es ist zu erwähnen, dass die Urlaubsabgeltung auch bei fristloser Kündigung oder im Falle des Todes eines Arbeitnehmers besteht. Im letzteren Fall haben die Erben Anspruch auf die Auszahlung.

Es ist wichtig, dass Arbeitnehmer rechtzeitig vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses ihren Urlaub beantragen und gewährt bekommen, um einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung zu sichern. Andernfalls kann der Arbeitgeber argumentieren, dass der Arbeitnehmer den Urlaub hätte nehmen können und somit kein Anspruch auf Urlaubsabgeltung besteht.


Das vorliegende Urteil

ArbG Nürnberg – Az.: 10 Ca 2689/18 – Endurteil vom 29.11.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird auf € 2.643,09 festgesetzt.

4. Eine gesonderte Zulassung der Berufung ist nicht veranlasst.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers.

Der Kläger war vom 24.01.1991 bis zum 31.12.2017 bei der Beklagten, bzw. ihren Rechtsvorgängern auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 24.01.1991 (Anlage B 1) bei einem Bruttomonatsverdienst von zuletzt 3.014,17 EUR beschäftigt. In Ziffer 5 dieses Arbeitsvertrages ist folgende Regelung enthalten:

„Für das Beschäftigungsverhältnis gelten die gesetzlichen Bestimmungen und der jeweils gültige Tarifvertrag, abgeschlossen zwischen der Industriegewerkschaft Metall f.d. BRD, Bezirksleitung München, und dem Verband der Bayerischen Metallindustrie, München 2, in der jeweils gültigen Fassung.“

Im Betrieb der Beklagten gilt ein Haustarifvertrag (zuletzt vom 23.06.2015), der den Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie vom 23.06.2008 (MTV M+E) in Bezug nimmt. Gemäß § 22 Ziffer 3 Abs. (I) b) dieses MTV M+E (Anlage B 4) sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von 3 Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Nach Absatz (II) ist eine Geltendmachung nach Ablauf der unter Abs. (I) festgesetzten Frist ausgeschlossen, es sei denn, dass die Einhaltung dieser Frist wegen eines unabwendbaren Ereignisses nicht möglich gewesen ist.

Die Beklagte hatte das Arbeitsverhältnis mit ordentlicher betriebsbedingter Kündigung vom 20.09.2017 zum 31.12.2017 gekündigt. Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Nürnberg, Az. 12 Ca 5415/17. Am 28.02.2018 schlossen die Parteien in diesem Verfahren einen Vergleich (Bl. 15 d.A.), in dem sie sich unter anderem in Ziffer 1 auf eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung vom 20.09.2017 zum 31.12.2017 einigten. Der Vergleich konnte bis zum 07.03.2018 widerrufen werden. Ein Widerruf ist nicht erfolgt.

Mit Schreiben vom 10.04.2018 (Bl. 19 d.A.) machte der Prozessbevollmächtigte des Klägers erstmalig Abgeltungsansprüche für noch offenen Resturlaub von 19 Tagen für 2017 bei der Beklagten geltend, der bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch bestand.

Mit seiner Klage vom 18.05.2018, eingegangen beim Arbeitsgericht Nürnberg am selben Tage und der Beklagten zugestellt am 24.05.2018, begehrt der Kläger Urlaubsabgeltung für 19 Tage.

Er ist der Ansicht, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch für 19 Urlaubstage in Höhe von EUR 2.643,09 brutto wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus § 7 Abs. 4 BurlG bestehe. Dem stehe auch nicht die tarifvertragliche Ausschlussfrist entgegen. Es komme für deren Beginn auf den Zeitpunkt des Vergleichsschlusses an, also den 08.03.2018. Der Kläger sei auch vom 15.09.2017 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig krank gewesen, weshalb der Urlaubsanspruch nicht verfallen dürfe. Das Arbeitsverhältnis habe bis zum Vergleichsschluss wegen Unwirksamkeit der Kündigung fortbestanden. Auch sei die Ausschlussfrist nicht mit Art. 7 RL 2003/88 EG vereinbar. Eine Auslegung, dass bereits der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unabhängig von der vergleichsweisen späteren Einigung die Ausschlussfrist in Gang setze, widerspreche genannter EU Richtlinie. Dies folge aus der Rechtsprechung des EuGH. Auch sei die Ausschlussfrist insoweit unwirksam, als sie gegen das MiLoG verstoße.

Der Kläger beantragt: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Urlaubsabgeltung einen Betrag von EUR 2.643,09 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 25.04.2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt: Die Klage wird abgewiesen.

Sie meint, vorliegend seien die Urlaubsabgeltungsansprüche am 10.04.2018 zu spät geltend gemacht worden. Die dreimonatige Ausschlussfrist habe am 31.03.2018 geendet. Maßgeblich sei der Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruches, was vorliegend der Beendigungszeitpunkt am 31.12.2017 sei. Daher greife die Ausschlussfrist. Auch der Höhe nach sei der Anspruch falsch berechnet.

Zum übrigen Sachvortrag der Parteien und den Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen (§§ 46 Abs. 2 ArbGG, 495, 313 Abs. 2 ZPO).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

I.

Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist vorliegend gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG gegeben. Das Arbeitsgericht Nürnberg ist gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 12, 17 ZPO örtlich zuständig. Die Klage ist zulässig.

II.

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abgeltung von noch 19 Tagen Urlaub aus 2017 nach § 7 Abs. 4 BurlG, da vorliegend die tarifliche Ausschlussfrist des § 22 Ziffer 3 Abs. (I) b), die unstreitig auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden ist, greift.

1. Gemäß § 7 Abs. 4 BurlG ist der Urlaub abzugelten, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Beendigung des Arbeitsverhältnisses war hier mit Ablauf des 31.12.2017 gegeben. Der Kläger hat seinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung für das Jahr 2017 unstreitig erst mit Schreiben seiner Rechtsanwälte vom 10.04.2018 schriftlich geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch genannter Anspruch bereits wegen der tariflichen Ausschlussfrist verfallen.

2. Soweit der Kläger meint, die Ausschlussfrist sei erst im Zeitpunkt der Wirksamkeit des Vergleiches (08.03.2018) in Gang gesetzt worden, folgt dem die Kammer angesichts der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht. Die für den Lauf einer Ausschlussfrist maßgebliche Fälligkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs tritt im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine arbeitgeberseitige Kündigung bereits mit Ablauf der Kündigungsfrist ein. Ein vom Arbeitnehmer eingeleitetes Kündigungsschutzverfahren und dessen Beendigung durch gerichtlichen Vergleich, in dem sich die Parteien auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Kündigungstermin verständigen, haben auf die Entstehung des Urlaubsabgeltungsanspruchs und dessen Fälligkeit keinen Einfluss (BAG 17.10.2017 – 9 AZR 80/17). Dies folgt letztlich aus dem Charakter der Kündigung als Gestaltungsrecht, deren Wirkung unmittelbar mit Zugang der einseitigen Willenserklärung eintritt. Unabhängig von der Frage, ob die Kündigung des Arbeitgebers objektiv rechtswirksam ist oder nicht, bewirkt nach genannter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Rn. 32 des genannten Urteils) das Einverständnis mit der Prozesserledigung im Vergleich, dass die Beendigungswirkung der Kündigung aus einem eigenständigen Grund – der gesetzlichen Fiktion des § 7 KSchG – greift, weshalb das Beendigungsdatum und nicht das Datum der Wirksamkeit des Vergleiches entsprechend § 7 Abs. 4 BurlG die Fälligkeit des Urlaubsabgeltungsanspruches begründet. In der Erhebung einer Bestandsschutzklage liegt auch nicht die schriftliche Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs im Sinne einer arbeitsvertraglichen Verfallklausel (BAG, a.a.O.). Demnach war der Urlaubsabgeltungsanspruch vorliegend mit Ablauf des 31.12.2017, der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, fällig. Gemäß § 22 Ziffer 3 Abs. (I) b) MTV müssen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden, sonst ist die Geltendmachung ausgeschlossen. Mithin hätte die schriftliche Geltendmachung bis zum 31.03.2018 erfolgen müssen. Die Geltendmachung am 10.04.2018 war zu spät. Der Anspruch besteht nicht.

3. Soweit der Kläger sich auf die Unvereinbarkeit der Ausschlussfrist für den Urlaubsabgeltungsanspruch mit Art. 7 RL 2003/88 EG beruft, folgt dem die Kammer nicht. Denn nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (9 AZR 80/17) steht der Unterwerfung des – insoweit nach neuerer Rechtsprechung eigenständigen und vom eigentlichen Urlaubsanspruch unabhängigen – Urlaubsabgeltungsanspruchs unter Verfallsfristen weder §§ 1, 3 Abs. 1, 13 BurlG noch die vom die vom Gerichtshof der Europäischen Union vorgenommene und für das Bundesarbeitsgericht nach Art. 267 AEUV verbindliche Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung entgegen (BAG a.a.O., Rn. 26, weiterhin BAG vom 9. August 2011 – 9 AZR 475/10 – Rn. 32 ff. m.w.N.). Soweit sich der Kläger auf Rechtsprechung des EuGH zum Urlaubsanspruch beruft, insbesondere zu dem Fall, dass der Arbeitnehmer wegen Arbeitsunfähigkeit den Urlaub nicht mehr nehmen konnte, führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Denn der Urlaubsabgeltungsanspruch ist ein eigenständiger, vom Urlaubsanspruch unabhängiger Anspruch, der nicht dessen Schicksal teilt. Damit sind die vom EuGH aufgestellten Grundsätze über den Urlaubsanspruch im laufenden Arbeitsverhältnis nicht auf den eigenständigen finanziellen Urlaubsabgeltungsanspruch übertragbar. Dafür, dass es dem Kläger unmöglich gewesen sein sollte, seinen Abgeltungsanspruch rechtzeitig geltend zu machen, sind auch keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich. Da der Kläger sogar in der Lage war, eine Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung zu erheben und am 28.02.2018, mithin innerhalb des Zeitraums der streitgegenständlichen Ausschlussfrist einen Vergleich zu schließen, ist im Gegenteil davon auszugehen, dass dem Kläger auch eine rechtzeitige Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruches möglich gewesen wäre.

4. Soweit der Kläger vorträgt, dass aus § 3 MiLoG zumindest ein unverfallbarer Teilanspruch bestehe, folgt dem die Kammer ebenfalls nicht. Zwar bestimmt § 3 MiLoG, dass Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, insoweit unwirksam sind. Auch die Kammer ist der Auffassung, dass von einer tariflichen Ausschlussfrist Ansprüche auf Mindestlohn insoweit auszunehmen sind. Jedoch hat der Kläger vorliegend keinerlei Sachvortrag erbracht, dass durch die Nichtauszahlung der Urlaubsabgeltung ein Verstoß gegen das MiLoG vorliegt. Der Kläger nimmt hier eine isolierte Betrachtung des Urlaubsabgeltungsanspruches vor und errechnet insoweit Mindestlohnansprüche (vgl. Schriftsatz der Klägervertreter vom 31.08.2018, Seiten 4 und 5). Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt jedoch eine isolierte Betrachtung im Hinblick auf den Mindestlohn nicht in Frage. Vielmehr ist der Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt. Erfüllt ist der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn, wenn die für den Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit dem gesetzlichen Mindestlohn ergibt. Erfüllung tritt mit Zahlung des Bruttoarbeitsentgelts ein. Auch verspätete Zahlungen können Erfüllungswirkung haben. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn entsteht mit jeder geleisteten Arbeitsstunde. Dies erfordert jedoch die schlüssige Darlegung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden, der sodann der erzielte Lohn gegenüberzustellen ist (vgl. zum Ganzen BAG vom 25.05.2016 – 5 AZR 135/16). Nach diesen Grundsätzen liegt keine schlüssige dahingehende Darlegung vor, dass durch die Nichtauszahlung der streitgegenständlichen Urlaubsabgeltung die Frage des Mindestlohnes tangiert ist. Es ist der Kammer nicht ersichtlich, inwieweit ein Verstoß gegen das MiLoG vorliegen sollte, zumal der Kläger ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von EUR 3.014,07 erzielt hat. Daher verbleibt es bei der Klageabweisung.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO. Da der Kläger unterliegt, hat er die Kosten zu tragen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 3 ff ZPO. Da der Kläger einen Betrag in Höhe von 2.643,09 EUR eingeklagt hat, war dies der festzusetzende Streitwert. Eine gesonderte Zulassung der Berufung war nicht veranlasst, § 64 Abs. 3 a ArbGG.

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