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Widersprüchlicher Parteivortrag macht Klage nicht unschlüssig

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern weist Berufung ab: Kläger scheitert mit Forderung nach ausstehendem Arbeitsentgelt“

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern (Az.: 5 Sa 141/22) bestätigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts Stralsund und weist die Berufung des Klägers ab. Der Kläger, ein vietnamesischer Staatsbürger und Religionslehrer, hatte gegen seinen Arbeitgeber, einen gemeinnützigen Verein, geklagt, um ausstehendes Arbeitsentgelt für mehrere Jahre einzufordern. Die Klage wurde abgewiesen, da das Gericht den Vortrag des Klägers als widersprüchlich ansah, insbesondere in Bezug auf eine angebliche Verrechnungsabrede bezüglich des Kaufs eines Tempelgrundstücks. Der Kläger konnte nicht nachweisen, dass die behaupteten Lohnansprüche nicht anderweitig erfüllt wurden.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 5 Sa 141/22 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund wurde zurückgewiesen.
  2. Das Gericht sah den Vortrag des Klägers hinsichtlich der Verrechnungsabrede und des Erhalts von Arbeitsentgelt als widersprüchlich an.
  3. Es wurde festgestellt, dass die Lohnansprüche des Klägers durch Barzahlungen oder andere Weisen erfüllt worden sein könnten.
  4. Die Glaubwürdigkeit des Klägers wurde in Frage gestellt, insbesondere wegen der Änderung seines Vortrags zur Verrechnungsabrede.
  5. Der Kläger konnte keinen Anspruch auf die geforderten Zahlungen gemäß § 611a Abs. 2 BGB nachweisen.
  6. Das Gericht legte Wert auf die konsistente Darlegung von Fakten und sah Widersprüche in der Argumentation des Klägers.
  7. Die Erfüllung der Vergütungsansprüche wurde als rechtsvernichtende Einwendung betrachtet.
  8. Die Kosten des Rechtsstreits wurden dem Kläger auferlegt; die Revision wurde nicht zugelassen.
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Der Streit um ausstehendes Arbeitsentgelt und ein Tempelgrundstück

Im Zentrum der rechtlichen Auseinandersetzung stand die Forderung eines vietnamesischen Staatsbürgers, der als Religionslehrer für einen gemeinnützigen Verein tätig war, der sich der Förderung der buddhistischen Lehre widmete. Der Kläger, der über einen Bachelor-Abschluss in Buddhist Studies verfügte, hatte einen undatierten Arbeitsvertrag mit dem Verein unterzeichnet, der ihm bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 32,5 Stunden pro Woche eine monatliche Bruttovergütung von 1.200 Euro zusicherte. Zu seinen Aufgaben gehörten die spirituelle Führung des Vereins, die Abhaltung von Unterricht in buddhistischer Lehre, Meditationskurse und die seelsorgerische Arbeit.

Verwicklungen rund um eine Verrechnungsabrede und den Tempelbrand

Die juristische Kontroverse entzündete sich, als der Kläger behauptete, seit Beginn des Arbeitsverhältnisses keinen Nettolohn erhalten zu haben. Er gab an, es habe eine Verrechnungsabrede mit dem Verein gegeben, wonach der Nettolohn zur Finanzierung eines Tempelgrundstücks hätte verwendet werden sollen. Diese Abrede sei jedoch hinfällig geworden, nachdem der Beklagte Versicherungsleistungen aus einem Brand, der das Tempelgrundstück und darauf befindliche Ausstattungsgegenstände betraf, für sich behalten habe.

Entscheidungsfindung am Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern wies die Berufung des Klägers zurück und bestätigte somit das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund. Die Richter stellten fest, dass der Kläger den Beweis für eine ausstehende Vergütung nicht erbringen konnte. Sie sahen seinen Vortrag als widersprüchlich an, insbesondere in Bezug auf die Verrechnungsabrede und die tatsächlichen Zahlungen. Die Gerichte legten dar, dass eine Partei ihren Sachvortrag zwar ändern darf, dieser aber schlüssig und widerspruchsfrei sein muss. Im vorliegenden Fall beeinflusste die Änderung des Sachvortrags durch den Kläger, insbesondere seine späteren Aussagen zur Verrechnungsabrede, die Glaubwürdigkeit seiner ursprünglichen Behauptungen negativ.

Schlüsselaspekte der gerichtlichen Prüfung und Urteilsbegründung

Die Gerichte betonten, dass für den Anspruch auf Arbeitsentgelt der Kläger die Beweislast trage. Sie fanden keine überzeugenden Beweise dafür, dass die vom Kläger behaupteten Lohnansprüche nicht durch Barzahlungen oder auf andere Weise erfüllt worden waren. Die Richter wiesen darauf hin, dass der Kläger Vergütungsansprüche weder während des Arbeitsverhältnisses noch unmittelbar nach dessen Beendigung geltend gemacht hatte. Dies untermauerte die Annahme, dass die Vergütungsansprüche durch die im Rahmen der angeblichen Verrechnungsabrede geleisteten Zahlungen erfüllt worden sein könnten.

Fazit: Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts Stralsund, indem es die Klage abwies. Die Richter sahen den Vortrag des Klägers als widersprüchlich und nicht schlüssig genug an, um einen Anspruch auf ausstehende Lohnzahlungen zu begründen.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Welche Rolle spielt der § 611a BGB im Arbeitsrecht und wie definiert er das Arbeitsverhältnis

Der § 611a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) spielt eine zentrale Rolle im Arbeitsrecht, da er den Arbeitsvertrag und damit das Arbeitsverhältnis definiert. Er legt fest, dass ein Arbeitnehmer durch den Arbeitsvertrag im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener und fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet wird. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers kann sich auf Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit beziehen. Entscheidend ist, dass der Arbeitnehmer nicht wesentlich frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.

Persönliche Abhängigkeit als Kernmerkmal

Die persönliche Abhängigkeit ist ein Kernmerkmal des Arbeitsverhältnisses und hängt von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände notwendig. Dabei ist die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses entscheidend, nicht die Bezeichnung im Vertrag.

Rechtliche Konsequenzen

Der Arbeitgeber ist zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Die Regelung des § 611a BGB wurde erst zum 01.04.2017 in das Gesetz aufgenommen und stellt eine Kodifizierung der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dar. Sie dient der Klarstellung und Abgrenzung des Arbeitnehmerbegriffs, insbesondere im Hinblick auf die Problematik der Scheinselbstständigkeit.

Abgrenzung zu anderen Vertragsarten

Die Abgrenzung von Arbeitsverträgen zu anderen Vertragsarten wie Dienst- oder Werkverträgen ist ebenfalls von Bedeutung. Während der Dienstvertrag gemäß § 611 BGB eine selbstständige Tätigkeit beschreibt, ist der Arbeitsvertrag nach § 611a BGB durch die genannte persönliche Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit gekennzeichnet.

Zusammenfassend ist § 611a BGB ein fundamentaler Bestandteil des Arbeitsrechts, der das Arbeitsverhältnis definiert und somit für die Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern und anderen Erwerbstätigen wie Selbstständigen oder Freiberuflern entscheidend ist.

Was versteht man unter der Beweislast im Rahmen arbeitsrechtlicher Streitigkeiten?

Die Beweislast im Rahmen arbeitsrechtlicher Streitigkeiten bezieht sich auf die Verantwortung einer Partei, bestimmte Tatsachen nachzuweisen. Grundsätzlich muss jede Partei den Beweis dafür erbringen, dass die Voraussetzungen der für sie günstigen Rechtsnorm tatsächlich erfüllt sind.

Im Kontext des Arbeitsrechts gibt es jedoch bestimmte Situationen, in denen die Beweislast umgekehrt wird oder abgestuft ist. Ein Beispiel ist die Benachteiligung aus Gründen des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Wenn der Arbeitnehmer Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines dieser Gründe vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat (§ 22 AGG).

In Fällen, in denen die Wirksamkeit einer Kündigung in Frage steht, trägt der Arbeitgeber die Beweislast für alle Wirksamkeitsvoraussetzungen, einschließlich einer ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung.

Bei Streitigkeiten über den Inhalt von Briefsendungen, wie beispielsweise Kündigungsschreiben, trägt der Absender die Darlegungs- und Beweislast für den Inhalt der Sendung.

In Statusklagen, in denen es um die Frage geht, ob ein Arbeitsverhältnis besteht, trägt der potenzielle Arbeitnehmer die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Merkmale eines Arbeitsverhältnisses erfüllt sind.

Bei Streitigkeiten über die Erfüllung der Arbeitspflicht, insbesondere im Home-Office, liegt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass und in welchem Umfang Arbeitnehmende ihre Arbeitspflicht nicht erfüllt haben, beim Arbeitgeber.

Bei der Abgeltung von Überstunden muss der Arbeitnehmer darlegen und beweisen, dass er Überstunden geleistet hat. Der Arbeitgeber muss dann im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern.

Bei Schäden durch ein schlechtes oder fehlendes Arbeitszeugnis trägt der Arbeitnehmer die Beweislast für die Pflichtverletzung des Arbeitgebers und für den daraus entstandenen Schaden.

Was besagt die Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 ZPO für die Parteien eines Rechtsstreits?

Nach § 138 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) sind die Parteien eines Rechtsstreits dazu verpflichtet, ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und wahrheitsgemäß abzugeben. Diese Vorschrift zielt darauf ab, eine redliche Prozessführung zu gewährleisten und die materielle Wahrheit im Verfahren zu finden. Sie verlangt von den Parteien, dass sie keine wissentlich falschen Angaben machen und alle relevanten Tatsachen offenlegen, die für die Entscheidungsfindung des Gerichts von Bedeutung sein könnten.

Die Wahrheitspflicht ist ein fundamentaler Grundsatz im Zivilprozess und gilt für alle Verfahrensstadien. Sie umfasst nicht nur die mündliche Verhandlung, sondern auch schriftliche Vorbringen und Erklärungen im gesamten Verfahren. Gemäß § 138 Abs. 2 ZPO muss sich jede Partei zudem über die vom Gegner behaupteten Tatsachen erklären. Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, gelten als zugestanden, es sei denn, die Partei macht deutlich, dass sie diese bestreiten möchte.

Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nach § 138 Abs. 4 ZPO nur über solche Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei darstellen noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Dadurch soll verhindert werden, dass Parteien sich durch pauschales Bestreiten oder durch Vortäuschen von Unwissenheit der Aufklärungspflicht entziehen.


Das vorliegende Urteil

LAG Mecklenburg-Vorpommern – Az.: 5 Sa 141/22 – Urteil vom 17.11.2023

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 23.08.2022 – 2 Ca 318/21 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung von Arbeitsentgelt für mehrere Jahre, insbesondere über die Erfüllung von Vergütungsansprüchen.

Der Beklagte ist ein gemeinnütziger Verein, der sich zum Ziel gesetzt hat, die buddhistische Lehre zu fördern. Er veranstaltet insbesondere Meditationskurse, Seminare, öffentliche Vorträge, Unterrichtskurse und religiöse Feste. Der 1979 geborene Kläger ist vietnamesischer Staatsbürger und verfügt über einen Abschluss als Bachelor of Arts in Buddhist studies. In den Jahren 2013 und 2014 hielt er sich auf der Grundlage von Besuchs-/Geschäftsvisa mit einer Gültigkeitsdauer von 90 Tagen in Deutschland auf. Eine Erwerbstätigkeit war nicht gestattet.

Mit undatiertem Arbeitsvertrag stellte der Beklagte den Kläger zum 01.01.2015, spätestens jedoch mit Erteilung eines Arbeitsvisums, als Religionslehrer ein. Die Parteien vereinbarten eine regelmäßige Arbeitszeit von 32,5 Wochenstunden und eine monatliche Bruttovergütung von Euro 1.200,00, fällig jeweils zum 15. des Folgemonats. Laut Arbeitsvertrag gehört zu den Aufgaben des Klägers die spirituelle Führung des Vereins und der Aufbau und die Gestaltung eines regen, nach außen wirkenden Vereinslebens durch:

– Unterrichtung in buddhistischer Lehre

– Abendvorträge

– Meditationskurse

– Seelsorgerische Arbeit

– Gebet und Rituale für Kranke, Sterbende, Verstorbene

– Öffentlich zugängliche Sprachkurse in vietnamesischer Sprache

– Jugendarbeit

– Gestaltung und Einrichtung des Gemeindezentrums in ###.

Die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist nach § 2 des Arbeitsvertrages für beide Vertragsparteien bis zum Ablauf von fünf Jahren nach seinem Beginn ausgeschlossen. Der Kläger nahm seine Tätigkeit ausweislich der Lohnabrechnungen am 01.05.2015 auf. Die Ausländerbehörde in ### (Landkreis ###) stellte ihm einen Aufenthaltstitel aus. Im August 2015 richtete er bei der Postbank ein Girokonto ein.

Im Februar 2017 wurde der Tempel des Gemeindezentrums in ### einschließlich verschiedener Ausstattungsgegenstände durch einen Brand beschädigt bzw. zerstört. Der Beklagte erhielt aufgrund dessen im Jahr 2017 Leistungen aus der Gebäudeversicherung. Auf dem Grundstück wurde nach dem Brand eine Containereinheit errichtet.

Mit notariellem Vertrag vom 01.06.2018 übertrug Herr ###, Vorstandsmitglied des Beklagten, dem Kläger ohne Gegenleistung lastenfrei das Eigentum an dem Grundstück in ### mit einer Größe von 5.742 m². Der Besitzübergang fand am selben Tag statt. In dem Vertrag heißt es u. a.:

„… Der Erwerber übernimmt das Grundstück ausschließlich zur (weiteren) Nutzung durch den [Beklagten] – schuldrechtlich ist vereinbart, dass eine anderweitige Nutzung oder Verwertung des Grundstückes ausgeschlossen ist. …“

Den Verkehrswert des Grundstücks gaben die Beteiligten mit Euro 150.000,00 an. Der Kläger wurde am 09.08.2018 im Grundbuch als Eigentümer eingetragen.

Die Lohnabrechnungen für den Zeitraum ab Januar 2018 weisen einen Nettobetrag von Euro 931,95 aus. In der Zeile „Bankverbindung“ ist jeweils „Barzahlung“ vermerkt. Ab Januar 2019 belief sich der abgerechnete Nettobetrag auf Euro 940,52 und ab Juni 2019 sodann auf Euro 945,67. Ab dem Jahr 2020 legte der Beklagte den Lohnabrechnungen eine Vergütung von 130,50 Stunden à Euro 9,35 = Euro 1.221,00 brutto zugrunde, was einen Nettobetrag von Euro 963,24 ergab.

Der Kläger hielt sich nur unregelmäßig in Deutschland auf. Ansonsten lebte er in Vietnam oder in den USA. Unter anderem hielt er sich vom 13.09.2015 bis zum 25.02.2016 in Vietnam auf. Der Kläger bestätigte zuletzt im Juni 2020 gegenüber dem zuständigen Sachbearbeiter der Ausländerbehörde in ###, seinen Nettolohn regelmäßig erhalten zu haben.

Der Kläger hat mit der am 30.12.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage vorgetragen, seit Beginn des Arbeitsverhältnisses und der Aufnahme seiner Tätigkeit keinen Nettolohn bekommen zu haben. Er hat behauptet, dass es zwischen den Parteien eine Verrechnungsabrede gegeben habe, nach der mit dem Nettolohn das Tempelgrundstück in ### habe finanziert werden sollen. Regelmäßige Lohneinnahmen habe er nicht benötigt, da er von Spenden der Gläubigen lebe und im Tempel gewohnt habe. An die Verrechnungsabrede fühle er sich aber nicht mehr gebunden, nachdem der Beklagte die Versicherungsleistungen aus dem Brand des Tempels im Februar 2017, bei dem im Eigentum des Klägers stehende Ausstattungsgegenstände zerstört worden seien, für sich behalten habe. Nach dem Tempelbrand habe der Kläger auf eigene Kosten Ausstattungsgegenstände für den Tempel neu beschafft und von Vietnam nach Deutschland verschiffen bzw. transportieren lassen.

In der Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht Stralsund am 23.08.2022 hat der Kläger sodann zu Protokoll erklärt, den Vortrag hinsichtlich einer Verrechnungsabrede in dem vorliegenden Verfahren nicht weiter aufrecht zu erhalten.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger [als Arbeitsentgelt für den Zeitraum Januar 2018 bis einschließlich September 2020] Euro 31.174,85 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus

a) Euro 940,52 seit dem 15.02.2018

Euro 931,95 seit dem 15.02.2018

Euro 931,95 seit dem 15.03.2018

Euro 931,95 seit dem 15.04.2018

Euro 931,95 seit dem 15.05.2018

Euro 931,95 seit dem 15.06.2018

Euro 931,95 seit dem 15.07.2018

Euro 931,95 seit dem 15.08.2018

Euro 931,95 seit dem 15.09.2018

Euro 931,95 seit dem 15.10.2018

Euro 931,95 seit dem 15.11.2018

Euro 931,95 seit dem 15.12.2018

Euro 931,95 seit dem 15.01.2019

b) Euro 940,52 seit dem 15.02.2019

Euro 940,52 seit dem 15.03.2019

Euro 940,52 seit dem 15.04.2019

Euro 940,52 seit dem 15.05.2019

Euro 940,52 seit dem 15.06.2019

Euro 945,67 seit dem 15.07.2019

Euro 945,67 seit dem 15.08.2019

Euro 945,67 seit dem 15.09.2019

Euro 945,67 seit dem 15.10.2019

Euro 945,67 seit dem 15.11.2019

Euro 945,67 seit dem 15.12.2019

Euro 945,67 seit dem 15.01.2020

c) Euro 963,24 seit dem 15.02.2020

Euro 963,24 seit dem 15.03.2020

Euro 963,24 seit dem 15.04.2020

Euro 963,24 seit dem 15.05.2020

Euro 963,24 seit dem 15.06.2020

Euro 963,24 seit dem 15.07.2020

Euro 963,24 seit dem 15.08.2020

Euro 963,24 seit dem 15.09.2020

Euro 963,24 seit dem 15.10.2020 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Kläger habe das gesamte Gehalt in bar erhalten, so wie es auf den Gehaltsabrechnungen ausgewiesen sei. Der Kläger habe sich jedoch nur unregelmäßig in Deutschland aufgehalten und die Barzahlungen jeweils während seiner Anwesenheitszeiten entgegengenommen, zum Teil als Vorschuss für spätere Gehälter. Eine Überweisung auf das Girokonto habe der Kläger abgelehnt, da er nur zwei- bis dreimal im Jahr in Deutschland sei und von Vietnam aus keinen Zugriff auf das Konto habe. Der Beklagte habe die Zahlungen in einem sogenannten „Notierbuch“ festgehalten. Zudem habe der Beklagte hierzu Quittungen ausgestellt, deren Unterzeichnung der Kläger jedoch verweigert habe, da er ein „heiliger Mönch“ sei und absolutes Vertrauen erwarten könne. Deshalb seien die Quittungen von Vereinsmitgliedern als Zeugen gegengezeichnet worden. Da der Kläger das Geld im Anschluss an das sogenannte große Gebet erhalten habe, seien jeweils Zeugen vorhanden gewesen. Insgesamt habe der Kläger im Zeitraum 2015 bis 2020 Euro 81.500,00 wie folgt in bar erhalten:

03.08.2015: Euro 7.500,00

15.02.2016: Euro 15.000,00

10.09.2017: Euro 20.000,00

13.08.2018: Euro 5.000,00

14.08.2018: Euro 10.000,00

03.08.2019: Euro 14.000,00

13.05.2020: Euro 7.000,00

15.09.2020: Euro 3.000,00

Summe: Euro 81.500,00

Hätte der Kläger keinerlei Vergütung erhalten, hätte er seine Ansprüche sicherlich schon früher geltend gemacht, anstatt mehrere Jahre abzuwarten. Der Kläger habe regelmäßige Arbeitseinkünfte benötigt, um sich überhaupt in Deutschland aufhalten zu dürfen. Unabhängig davon trage der Kläger widersprüchlich vor. Mit der Klage verlange er die Auszahlung eines Betrages, der jedoch aufgrund einer Verrechnungsabrede zur Finanzierung des Tempelgrundstücks in ### habe verwandt werden sollen. Soweit der Kläger von dem Beklagten vereinnahmte Versicherungsleistungen anspreche, handele es sich um eine Wohngebäudeversicherung, in der keine Einrichtungsgegenstände wie Buddhafiguren, Gong, Trommel, Bilder etc. versichert gewesen seien. Im Übrigen sei nicht der Kläger, sondern der Beklagte Eigentümer dieser Einrichtungsgegenstände. Der Kläger habe diese Gegenstände aus Spenden der Vereinsmitglieder beschafft.

Mit der bereits am 18.02.2021 beim Landgericht Stralsund eingereichten Klage (Aktenzeichen 6 O 36/21) wird der Kläger von einem Vorstandsmitglied des beklagten Vereins, Herrn ###, auf Rückübertragung des Grundstücks in ### in Anspruch genommen. In diesem Verfahren beruft sich Herr ### zur Begründung seiner Forderung auf ein vertragswidriges Verhalten des Klägers durch eine von ihm eingeleitete Weiterveräußerung des Grundstücks und den aufgrund dessen zu befürchtenden Entzug des Grundstücks für die Zwecke des Beklagten.

In diesem Rechtsstreit trägt der Kläger vor, dass er die Immobilie in ### auch käuflich habe erwerben können, da er in Vietnam über entsprechende finanzielle Mittel verfügt habe. Mit dem Beklagten sei abgesprochen gewesen, dass der Kläger den Kaufpreis für die Immobilie faktisch „erarbeiten“, also durch seine Arbeitsleistung bezahlen solle. Für die Innenausstattung des Tempels habe der Kläger auf eigene Kosten insgesamt Euro 161.337,00 aufgewandt. Nach dem Brand habe der Kläger für die Erneuerung der Innenausstattung des Tempels nochmals Euro 57.459,00 ausgegeben. Eine Veräußerung des Grundstücks plane er nicht. Er habe lediglich den erzielbaren Kaufpreis der Immobilie in Erfahrung bringen wollen, um eine Entscheidungsgrundlage für die Planung eines neuen Tempels zu haben. Herr ### und der Beklagte verwehre dem Kläger widerrechtlich den Zugang zu seiner Immobilie.

Herr ### führt gegenüber dem Landgericht an, dass er von der wegen des Brandes gezahlten Versicherungssumme an den Kläger Euro 66.782,00 zum Kauf einer neuen Tempelausstattung übergeben und auch die Frachtkosten in Höhe von Euro 1.833,69 gezahlt habe. Auf der Vereinsversammlung am 14.11.2020 habe der Kläger erklärt, das Grundstück bereits veräußert zu haben, sodass es der Beklagte nicht mehr nutzen könne. Der Kläger habe die Zahlung eines Mietzinses in Höhe von monatlich Euro 1.000,00 gefordert.

Das Landgericht Stralsund hat die Klage mit Urteil vom 17.09.2021 abgewiesen. Das Berufungsverfahren ist beim Oberlandesgericht Rostock (Aktenzeichen 3 U 85/21) anhängig und noch nicht entschieden.

Das Arbeitsgericht hat die Vergütungsklage mangels Schlüssigkeit abgewiesen, da der Kläger widersprüchlich vortrage. Der Kläger habe sowohl in dem arbeitsgerichtlichen als auch in dem zivilgerichtlichen Rechtsstreit behauptet, dass es eine Abrede gebe, nach der die Lohnzahlungen mit dem Kaufpreis für das Grundstück zu verrechnen seien. Die geltend gemachten Lohnansprüche seien demnach erfüllt. Nach einem entsprechenden Hinweis des Gerichts habe der Kläger sodann seinen Sachvortrag gegenüber dem Arbeitsgericht hinsichtlich der Verrechnungsabrede geändert und nicht mehr aufrechterhalten. In dem Zivilrechtsstreit hingegen habe er es bei diesem Sachvortrag belassen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Es sei zulässig gewesen, den Sachvortrag in der mündlichen Verhandlung zu ändern. Wie das Gericht dies würdige, sei eine andere Frage. Soweit der Beklagte Bargeldzahlungen an den Kläger am 15.02.2016, 03.08.2019 und 15.09.2020 behaupte, könne das schon deshalb nicht stimmen, da sich der Kläger zu den beiden erstgenannten Daten in Vietnam und zu dem letztgenannten Datum in H-Stadt aufgehalten habe.

Der Kläger beantragt, in Abänderung des Urteils des Stralsund vom 23.08.2022 zum Az. 2 Ca 318/21 den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger [als Arbeitsentgelt für den Zeitraum Januar 2018 bis einschließlich September 2020] Euro 31.174,85 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus

a) Euro 931,95 seit dem 15.02.2018

Euro 931,95 seit dem 15.03.2018

Euro 931,95 seit dem 15.04.2018

Euro 931,95 seit dem 15.05.2018

Euro 931,95 seit dem 15.06.2018

Euro 931,95 seit dem 15.07.2018

Euro 931,95 seit dem 15.08.2018

Euro 931,95 seit dem 15.09.2018

Euro 931,95 seit dem 15.10.2018

Euro 931,95 seit dem 15.11.2018

Euro 931,95 seit dem 15.12.2018

Euro 931,95 seit dem 15.01.2019

b) Euro 940,52 seit dem 15.02.2019

Euro 940,52 seit dem 15.03.2019

Euro 940,52 seit dem 15.04.2019

Euro 940,52 seit dem 15.05.2019

Euro 940,52 seit dem 15.06.2019

Euro 945,67 seit dem 15.07.2019

Euro 945,67 seit dem 15.08.2019

Euro 945,67 seit dem 15.09.2019

Euro 945,67 seit dem 15.10.2019

Euro 945,67 seit dem 15.11.2019

Euro 945,67 seit dem 15.12.2019

Euro 945,67 seit dem 15.01.2020

c) Euro 963,24 seit dem 15.02.2020

Euro 963,24 seit dem 15.03.2020

Euro 963,24 seit dem 15.04.2020

Euro 963,24 seit dem 15.05.2020

Euro 963,24 seit dem 15.06.2020

Euro 963,24 seit dem 15.07.2020

Euro 963,24 seit dem 15.08.2020

Euro 963,24 seit dem 15.09.2020

Euro 963,24 seit dem 15.10.2020 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Das Datum der Geldübergabe am 15.02.2016 beziehe sich auf den chinesischen Mondkalender. Dieses Datum entspreche im gregorianischen Kalender dem 20.03.2016. Nach dem Tempelbrand im Februar 2017 habe der Beklagte die Datierung auf den gregorianischen Kalender umgestellt, da es in diesem Zusammenhang zu diversen Missverständnissen mit der Wohngebäudeversicherung gekommen sei. Am 03.08.2019 habe sich der Kläger in Deutschland aufgehalten. Am 02.05.2019 sei er von Vietnam aus in Deutschland eingereist und am 25.09.2019 wieder nach Vietnam ausgereist. Am 15.09.2020 sei der Kläger in ### und nicht im Harz gewesen. Die vom Kläger zum Beweis seiner Behauptung angegebene Zeugin sei im Übrigen im Jahr 2014 vom Landgericht Hannover wegen Einschleusens von Ausländern und anderer Betrugsdelikte zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Der Kläger sei – abgesehen von dem Jahr 2020, in dem es pandemiebedingt Reisebeschränkungen gegeben habe – maximal drei Monate pro Jahr in Deutschland gewesen. Vom 02.05.2019 bis zum 25.09.2019 habe sich der Kläger nicht wie angegeben in Vietnam, sondern in Deutschland aufgehalten.

In der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts am 20.06.2023 hat der Kläger nunmehr erklärt, Herrn ### am 11.09.2013 als Anzahlung für den Erwerb des Tempelgrundstücks in ### Euro 37.000,00 in bar übergeben zu haben. Es habe sich im Wesentlichen um Spendengelder aus einer Veranstaltung in Finnland gehandelt, bei der der Kläger rund 700 Menschen unterrichtet habe. Insgesamt habe er Euro 150.000,00 für das Grundstück zahlen sollen. Deshalb habe er Herrn ### fortlaufend bis zu dem Tempelbrand im Jahr 2017 monatlich Euro 2.000,00 in bar gezahlt. Das Geld stamme von seinen Anhängern, die, wenn er nicht selbst in Deutschland gewesen sei, das Geld Herrn ### überbracht hätten. In den Jahren 2016 und 2018 sei er jeweils acht Monate und im Jahr 2019 neun Monate in Deutschland gewesen. Im Jahr 2017 habe er sich ebenfalls in Deutschland aufgehalten, könne sich aber nicht mehr an den genauen Zeitraum erinnern. Vom 02.05.2019 bis zum 25.09.2019 sei er in Vietnam gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil und die vom Arbeitsgericht beigezogene Akte des Landgerichts Stralsund verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht und aus zutreffenden Erwägungen abgewiesen.

Der Kläger hat keinen Anspruch aus § 611a Abs. 2 BGB auf Zahlung von Arbeitsentgelt für den Zeitraum Januar 2018 bis einschließlich September 2020 in Höhe von Euro 31.174,85 netto.

Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet (§ 611a Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Arbeitgeber ist zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet (§ 611a Abs. 2 BGB).

Verlangt der Arbeitnehmer gemäß § 611a BGB Arbeitsvergütung für Arbeitsleistungen, hat er darzulegen und, sofern der Arbeitgeber dies bestreitet, zu beweisen, dass er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt (BAG, Urteil vom 18. April 2012 – 5 AZR 248/11 -, NZA 2012, 998). Der Arbeitnehmer trägt für die Behauptung, er habe die geschuldete Arbeit verrichtet, die Darlegungs- und Beweislast (BAG, Urteil vom 25. April 2023 – 9 AZR 253/22 – Rn. 58, NZA 2023, 1175).

Das Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird (§ 362 Abs. 1 BGB). Die Erfüllung ist als rechtsvernichtende Einwendung im Prozess von Amts wegen zu prüfen, wobei die Darlegungs- und Beweislast für das Ob und das Wie der zur Erfüllung erbrachten Haupt- oder Nebenleistung nach allgemeinen Grundsätzen den Schuldner trifft (LAG Köln, Urteil vom 4. April 2023 – 4 Sa 297/22 -; vgl. auch BAG, Urteil vom 18. April 2012 – 5 AZR 248/11 -, NZA 2012, 998).

Ob die vorgetragenen Tatsachen und Behauptungen die geltend gemachte Forderung rechtfertigen, ist im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung zu beurteilen. Eine Partei ist nicht gehindert, ihr Vorbringen im Laufe des Rechtsstreits zu ändern, insbesondere zu präzisieren, zu ergänzen oder zu berichtigen, wobei etwa die Prozessentwicklung Anlass geben kann, bisher nur beiläufig Vorgetragenes zu präzisieren. Deswegen darf bei der Beurteilung der Schlüssigkeit eines Vorbringens Tatsachenvortrag nicht allein deswegen unberücksichtigt bleiben, weil er früherem Vorbringen widerspricht (BGH, Urteil vom 5. September 2019 – III ZR 73/18 – Rn. 32; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. Juni 2016 – 2 Sa 500/15 -).

Etwaige Widersprüchlichkeiten im Parteivortrag können jedoch im Rahmen der Beweiswürdigung Beachtung finden (BGH, Beschluss vom 8. September 2021 – VIII ZR 258/20 – Rn. 23; BGH, Urteil vom 21. Juni 2018 – IX ZR 129/17 – Rn. 21, NJW-RR 2018, 1150). Den Parteien steht es nicht frei, dem Gericht mehrere miteinander unvereinbare Sachverhalte zu unterbreiten mit dem Ziel, mit einem davon auch rechtlich durchzudringen. Sie unterliegen vielmehr der Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 ZPO und haben den aus ihrer Sicht der Wahrheit entsprechenden Sachverhalt vorzutragen (BGH, Urteil vom 4. Juli 2019 – III ZR 202/18 – Rn. 27, MDR 2019, 1076).

Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei (§ 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Für die volle richterliche Überzeugungsbildung nach § 286 Abs. 1 ZPO genügt, dass ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit erreicht ist, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig ausschließen zu müssen (BAG, Urteil vom 29. Juni 2023 – 2 AZR 296/22 – Rn. 46, NZA 2023, 1105; BAG, Urteil vom 25. April 2018 – 2 AZR 611/17 – Rn. 24, NZA 2018, 1405).

In dem Zeitraum Januar 2018 bis einschließlich September 2020 mögen zwar – unabhängig vom Umfang der vom Kläger tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung – Nettolohnansprüche in Höhe von insgesamt Euro 31.174,85 entstanden sein. Nach dem unstreitigen Parteivortrag und dem Vorbringen des Klägers sind diese Ansprüche jedoch durch Barzahlungen oder auf andere Art und Weise erfüllt worden. Nach Überzeugung des Gerichts ist der ursprüngliche Vortrag des Klägers zur Verrechnungsabrede zugrunde zu legen.

Eine solche Verrechnungsabrede hatte der Kläger in dem bereits zuvor eingeleiteten Rechtsstreit mit Herrn ### beim Landgericht Stralsund vorgetragen, um sich gegen die Klage auf Rückübereignung des Grundstücks zu verteidigen. Gegenüber dem Arbeitsgericht hat sich der Kläger ebenfalls auf eine Verrechnungsabrede berufen, nach der sein Arbeitsentgelt an Herrn ### weitergeleitet wurde und werden sollte, um damit das Grundstück in ### im Wert von Euro 150.000,00 zu erwerben. Die Übereignung des Grundstücks an den Kläger im Juni 2018 bestätigt eine solche Abrede. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt rund drei Jahre für die Beklagte tätig gewesen, hatte also bereits einen Teil des Wertes erarbeitet. Zudem war von einem längeren Fortbestand des Arbeitsverhältnisses auszugehen, zumindest aber von einem Fortbestand für weitere zwei Jahre bis zum Ende der vertraglichen Mindestlaufzeit.

Damit übereinstimmend hat der Kläger noch im Juni 2020 gegenüber dem zuständigen Sachbearbeiter der Ausländerbehörde erklärt, seinen Lohn vollständig erhalten zu haben. Für die Richtigkeit dieser Angabe spricht auch, dass der Kläger Vergütungsansprüche weder während des Arbeitsverhältnisses noch zeitnah nach dessen Beendigung geltend gemacht hat. Ebenso wenig hat er die Einzahlung seines Gehalts auf sein seit langem bestehendes Girokonto gefordert. Die vorliegende Vergütungsklage hat er erst weit mehr als ein Jahr nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhoben.

Der zunächst erhobene Einwand des Klägers, sich nach dem Brand nicht mehr an die Verrechnungsabrede gebunden zu sehen, da ihm keine Versicherungsleistungen zugeflossen seien, führt nicht zur Unwirksamkeit oder zu einem Wegfall der Abrede. Sein diesbezügliches Vorbringen hat der Kläger geändert, nachdem das Arbeitsgericht in der zweiten Kammerverhandlung zu erkennen gegeben hat, von einer Beweisaufnahme absehen zu wollen. Eine Erklärung, weshalb er seinen Sachvortrag bezüglich einer Verrechnungsabrede nicht mehr aufrechterhält, weshalb er also fälschlicherweise eine Verrechnungsabrede behauptet hat, fehlt.

Der neue Sachvortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht schließt nunmehr jeglichen Zusammenhang zwischen Vergütungszahlungen und dem Erwerb des Grundstücks aus. Hätte der Kläger bereits im September 2013, also noch vor Abschluss des Arbeitsvertrages, zum Erwerb des Grundstücks als Anzahlung Euro 37.000,00 in bar und fortlaufend monatlich weitere Euro 2.000,00 in bar geleistet, hätte es für die zunächst vom Kläger behauptete Verrechnungsabrede von vornherein keinerlei nachvollziehbaren Grund gegeben. Eine Verrechnungsabrede mit dem vom Kläger vorgetragenen Inhalt ist damit in keiner Weise vereinbar. Ebenso hinfällig ist das weitere Vorbringen des Klägers, sich wegen der nicht weitergeleiteten Versicherungsleistungen nicht mehr an die Verrechnungsabrede gebunden sehen. Eine plausible Erklärung für die Änderung des Sachvortrags fehlt. Der Kläger hat nicht begründet, worauf der – aus seiner Sicht – zunächst unzutreffende Vortrag einer Verrechnungsabrede beruhte und wie es zu diesem „Fehler“ nicht nur in dem vorliegenden, sondern auch in dem zivilrechtlichen Rechtsstreit gekommen ist.

Ob die vom Beklagten angegebenen Beweismittel die – von einer Verrechnungsabrede unabhängige – Behauptung, insgesamt Barzahlungen auf die Vergütungsansprüche in Höhe von Euro 81.500,00 geleistet zu haben, zu bestätigen vermögen, kann danach offenbleiben. Die vorgelegten „Quittungen“ genügen jedenfalls nicht zum Beweis von Lohnzahlungen in dieser Höhe, da es entgegen § 368 BGB an einer Unterschrift des Klägers fehlt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Rechtsstreit wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

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