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Arbeitgeberhaftung für Unfall eines betriebsfremden Arbeitnehmers

OLG Koblenz – Az.: 1 U 296/18 – Urteil vom 13.12.2018

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 05.02.2018, Az. 4 O 320/16, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin der Beklagten zu tragen.

3. Diese und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte oder die Streithelferin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt nach einem Unfall auf dem Betriebsgelände der Beklagten, bei dem er schwer verletzt wurde, von der Beklagten Schmerzensgeld.

Arbeitgeberhaftung für Unfall eines betriebsfremden Arbeitnehmers
(Symbolfoto: CandyRetriever/Shutterstock.com)

Der Kläger ist Angestellter der Streithelferin der Beklagten, der Firma …[A] Brandschutzservice GmbH. Die Beklagte, die Rollläden herstellt, schloss am 21.01.2005 mit der Streithelferin einen Vertrag über die turnusmäßige Wartung und Instandhaltung der Rauch- und Wärmeabzugsanlage (RWA-Anlage) an dem Betriebsgebäude der Beklagten. Seither führen Mitarbeiter der Streithelferin einmal jährlich die Wartungsarbeiten aus. Am 06.08.2013 sollte der Kläger mit einem Kollegen diese Wartungsarbeiten im Betrieb der Beklagten durchführen. Der Kläger war zuvor nicht bei Wartungsarbeiten in dem Betrieb der Beklagten eingesetzt worden. Der Kläger und sein Kollege wurden von dem Betriebsleiter der Beklagten empfangen und ihnen wurde die zu prüfende RWA-Anlage in der Halle gezeigt. Der Kläger prüfte zunächst die RWA-Anlage im Inneren der Lagerhalle. Sodann begab er sich mit Hilfe einer Leiter ohne Absturzsicherung auf das Dach der Halle, um dort die Thermoventile der Anlage zu überprüfen. Das Dach der Lagerhalle besteht als Profilblechen, die von nicht trittsicheren Lichtbändern aus Plexiglas durchbrochen sind. Der Kläger trat auf dem Dach auf eines dieser Lichtbänder und stürzte etwa 9 m tief in die Halle, wo er auf den Asphaltboden aufschlug und sich schwerste Verletzungen zuzog.

Der Kläger hatte auf Veranlassung der Streithelferin im Jahr 2006 an einem Grund- und Aufbaulehrgang zu RWA-Anlage teilgenommen und im Jahr 2012 außerdem an einem Seminar zu persönlichen Sicherungssystemen. Gegenstand der Seminare waren jeweils auch Gefahren bei Arbeiten auf Dächern.

Der Kläger hat vorgetragen, dass es die Beklagte pflichtwidrig unterlassen habe, ihn auf die mit den nicht trittsicheren Lichtbändern auf dem Dach verbundenen Gefahren hinzuweisen. Diese Pflichten ergäben sich aus dem Arbeitsschutzgesetz (ArbschG) und den Unfallverhütungsvorschriften. Außerdem sei der Wartungsvertrag als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter anzusehen. Auch daraus ergäben sich entsprechende Schutzpflichten. Die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt. Auf dem Dach selbst seien die Lichtbänder nicht von den Profilblechen zu unterscheiden; der Kläger sei zudem bei der Begehung von der Sonne geblendet worden.

Bei dem Sturz habe er sich unter anderem eine Fraktur des Oberschenkels und des Armes, einen Beckentrümmerbruch, einen Kiefertrümmerbruch und eine Fraktur des Jochbeins zugezogen. Er sei in ein künstliches Koma versetzt worden und habe 13 Tage auf der Intensivstation liegen müssen. Noch heute befinde er sich in regelmäßiger ärztlicher Behandlung, sei auf die Einnahme von Schmerzmitteln angewiesen und müsse Krankengymnastik machen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 100.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle vergangenen und alle zukünftigen Schäden, die ihm infolge des Arbeitsunfalls vom 06.08.2013 entstanden sind bzw. noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger und/oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden,

3. die Beklagte zu verurteilen, ihm die außergerichtlichen Kosten, nicht anzurechnende Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwälte …[B] aus der Kostennote vom 27.05.2015 in Höhe von 4.410,14 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte und die Streithelferin haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass sie anlässlich des Abschlusses des Wartungsvertrages im Jahr 2005 die Streithelferin in die örtlichen Besonderheiten eingewiesen und diese dabei auch auf die nicht trittsicheren Lichtbänder auf dem Hallendach hingewiesen habe. Im Übrigen seien die Lichtbänder eindeutig als solche zu erkennen und besonders auffällig, wenn man sich in der Halle befinde. Die Beklagte ist der Ansicht, dass sie weder gegen ihre Verkehrssicherungspflicht noch gegen das Arbeitsschutzgesetz oder Unfallverhütungsvorschriften verstoßen habe. Es sei außerdem Sache der Streithelferin, für die Sicherheit ihrer Arbeitnehmer zu sorgen; die entsprechenden Vorschriften richteten sich auch nur an die Streithelferin.

Das Landgericht hat zu der Frage, ob vor der erstmaligen Wartung der Anlage durch die Streithelferin im Jahr 2005 eine Einweisung in die gesamte Anlage durch die Beklagte stattgefunden hat und ob Gegenstand dieser Einweisung auch die Beschaffenheit des Daches war Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen …[C]. Hinsichtlich des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 27.11.2017, Bl. 186 – 188 d.A. verwiesen.

Durch Urteil vom 05.02.2018 hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Vorschriften des ArbSchG im vorliegenden Fall nicht anwendbar seien, da diese lediglich die Streithelferin als Arbeitgeberin des Klägers, nicht aber die Beklagte verpflichteten. Ob der Wartungsvertrag eine Schutzwirkung zugunsten des Klägers entfalte, könne letztlich offen bleibe, da die Beklagte jedenfalls keine aus diesem Vertrag resultierende Pflicht verletzt habe. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass der Betriebsleiter der Beklagten, der Zeuge …[C], im Jahr 2005 anlässlich der ersten Wartung mit einem Mitarbeiter der Streithelferin eine Betriebsbesichtigung durchgeführt und dabei auch ausdrücklich auf die nicht begehbaren Lichtbänder auf dem Dach hingewiesen habe. Es gebe keinen Anlass, an den Bekundungen des Zeugen zu zweifeln. Damit habe die Beklagte aber ihre Pflichten erfüllt. Die Beklagte habe die Einweisung weder schriftlich dokumentieren noch diese jährlich gegenüber den Mitarbeitern der Streithelferin wiederholen müssen. Die Beklagte habe auch nicht die ihr obliegenden allgemeinen Verkehrssicherungspflichten aus § 823 BGB verletzt, da das Dach der Halle nicht für den allgemeinen Verkehr freigegeben gewesen sei.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.

Er verfolgt seine erstinstanzlichen Klageziele in vollem Umfang weiter und führt aus, dass die Beklagte ihre Pflichten aus § 8 Abs. 2 ArbSchG verletzt habe. Aus dieser Vorschrift folge, dass sich die Beklagte, wenn Arbeitnehmer anderer Betriebe in ihrem Betrieb tätig würden, vergewissern müsse, dass diese angemessene Anweisungen erhalten haben. Am Unfalltag hätte die Beklagte also nachfragen müssen, ob der Kläger Kenntnis von den nicht begehbaren Lichtbändern auf dem Dach habe. Als Arbeitgeberin, die Beschäftige von Fremdbetrieben in ihrem Betrieb tätig werden lasse, habe die Beklagte außerdem gegen zahlreiche Unfallverhütungsvorschriften verstoßen. So sei sie insbesondere zu einer Gefährdungsbeurteilung samt Dokumentation des Ergebnisses, zur Überwachung besonders gefährlicher Arbeiten und zur Unterweisung sowie jährlichen Wiederholung der Unterweisung der Fremdfirmenbeschäftigten in die Gefahren ihres Betriebes verpflichtet gewesen. Schließlich sei die Beweiswürdigung des Landgerichts fehlerhaft; der Zeuge …[C] sei nicht glaubwürdig. Er stehe im Lager der Beklagten und sein erstaunlich genaues Erinnerungsvermögen an die schon lange zurückliegende Einweisung müsse Zweifel an der Wahrhaftigkeit seiner Bekundungen aufkommen lassen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Landgerichts Koblenz zu Az.: 4 O 320/16, verkündet am 05.02.2018, aufzuheben und nach seinen Schlussanträgen in erster Instanz zu entscheiden, hilfsweise, die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Koblenz zurückzuverweisen.

Die Beklagte und die Streithelferin beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass es im vorliegenden Fall an einer Zusammenarbeit mehrerer Arbeitgeber, wie sie von § 8 ArbSchG vorausgesetzt werde, fehle. Die Norm sei daher nicht einschlägig. Auch die Unfallverhütungsvorschriften richteten sich nicht an die Beklagte; diese seien außerdem eingehalten worden. Ursache des Unfalls sei gewesen, dass der Kläger die klar erkennbaren Lichtbänder betreten habe; mithin ein Versäumnis des Klägers. Im Übrigen sei der Kläger für die fehlende Ersteinweisung beweispflichtig, habe jedoch keinen Beweis angeboten. Eine Haftung der Beklagten sei jedenfalls nach den Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld ausgeschlossen. Infolge der Haftungsprivilegierung gemäß §§ 104 ff. SGB VII stünden dem Kläger gegen die Streithelferin gar keine Ansprüche zu, die gemäß § 426 Abs. 2 BGB auf die Beklagte übergehen könnten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien und der Streithelferin wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 02.12.2016 (Bl. 45 d.A.) der Firma …[A] Brandschutzservice GmbH den Streit verkündet mit der Aufforderung, dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beizutreten. Mit Schriftsatz vom 11.01.2017 (Bl. 77 d.A.) hat die Streitverkündete den Beitritt zu dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten erklärt.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Schmerzensgeld zu, denn die Beklagte hat keine ihr gegenüber dem Kläger obliegende Sorgfalts- oder Verkehrssicherungspflicht verletzt.

1. Bei dem im Jahr 2005 zwischen den Parteien abgeschlossenen Wartungsvertrag (Bl. 23 – 24 d.A.), der jedenfalls mit den dort geregelten Verpflichtungen zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Anlage und der Durchführung notwendiger Reparaturen samt etwaiger Nachbesserungen auch werkvertragliche Elemente enthält, dürfte es sich um einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter handeln, in dessen Schutzbereich auch der Kläger einbezogen war.

Das durch die Rechtsprechung entwickelte Institut des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter beruht auf einer ergänzenden Vertragsauslegung und knüpft an den hypothetischen Willen der Parteien an, der gemäß § 157 BGB unter Berücksichtigung von Treu und Glauben, § 242 BGB, zu erforschen ist. Danach können auch Personen, die nicht selbst Vertragspartner, jedoch einem von dem Vertrag besonders geschützten Personenkreis zuzurechnen sind, in die aus einem Vertrag folgenden Sorgfalts- und Schutzpflichten einbezogen werden (Kober in beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.07.2018, § 636 Rn. 141). Den Besteller einer Werkleistung trifft die vertragliche Pflicht, alles ihm Zumutbare zu tun, um seinen Vertragspartner bei der Ausführung der Arbeiten vor Schaden zu bewahren. Stellt der Besteller ein Grundstück oder ein Arbeitsgerät für die Werkleistung zur Verfügung, erstreckt sich seine vertragliche Pflicht darauf, im Rahmen des Zumutbaren hiervon ausgehende Gefahren für den Vertragspartner zu vermeiden. Bei schuldhafter Verletzung der vertraglichen Schutzpflichten haftet der Besteller seinem Vertragspartner gemäß § 280 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz (vgl. BGH NJW 2018, 1537). Hier dürfte der Kläger in die aufgrund des zwischen der Beklagten und der Streithelferin geschlossenen Vertrages bestehenden Schutzpflichten einbezogen gewesen sein; er war als Arbeitnehmer der Streithelferin mit Arbeiten an einer Halle der Beklagten betraut; die Streithelferin hatte aufgrund ihrer Fürsorgepflicht als Arbeitgeberin des Klägers ein schutzwürdiges Interesse an dessen Einbeziehung und dies war auch für die Beklagte erkennbar (vgl. Kober, a.a.O.; BGH NJW 2018, 1537).

2. Die Beklagte hat aber jedenfalls keine ihr gegenüber dem Kläger obliegenden Schutzpflichten verletzt.

a) Die Beklagte hat nicht gegen das ArbSchG verstoßen.

Die Zusammenarbeit mehrerer Arbeitgeber ist in § 8 ArbSchG geregelt. Nach § 8 Abs. 1 ArbSchG sind die Arbeitgeber verpflichtet, bei der Durchführung der Sicherheits- und Gesundheitsschutzbestimmungen zusammenzuarbeiten, wenn Beschäftigte mehrerer Arbeitgeber an einem Arbeitsplatz tätig werden. Die Arbeitgeber haben sich gegenseitig und ihre Beschäftigten über die mit den Arbeiten verbundenen Gefahren zu unterrichten und Maßnahmen zur Verhütung dieser Gefahren abzustimmen. In § 8 Abs. 2 ArbSchG ist ein Spezialfall der Unterweisung normiert (vgl. Wiebauer in Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 77. EL Oktober 2017, § 8 ArbSchG Rn. 14). Demnach muss sich der Arbeitgeber je nach Art der Tätigkeit vergewissern, dass die Beschäftigten anderer Arbeitgeber, die in seinem Betrieb tätig werden, hinsichtlich der Gefahren für ihre Sicherheit und Gesundheit während ihrer Tätigkeit in seinem Betrieb angemessene Anweisungen erhalten haben.

Für die Anwendbarkeit des § 8 ArbSchG ist es ohne Belang, wie die Arbeitgeber untereinander rechtlich verbunden sind. Die Zusammenarbeit kann auch – wie im vorliegenden Fall – auf einem Dienst- oder Werkvertrag beruhen und in dem Betrieb eines der beteiligten Arbeitgeber stattfinden (vgl. Wiebauer, a.a.O., Rn. 11, 14).

Grundsätzlich bleibt es jedoch dabei, dass auch dann, wenn mehrere Unternehmer zusammenarbeiten, jeder Arbeitgeber für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz seiner eigenen Beschäftigten selbst verantwortlich ist (vgl. Wiebauer, a.a.O., Rn. 7; VG Stuttgart, Beschluss vom 13.10.2010 – 7 K 2625/10 = BeckRS 2010, 55602). Dies gilt auch für Außeneinsätze. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die drohenden Gefährdungen zu ermitteln und entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Er ist es, der seinem Beschäftigten den Arbeitsplatz in dem Fremdbetrieb zuweist; daher muss er auch für die Sicherheit seines Beschäftigten dort einstehen. Die für seine Gefährdungsbeurteilung notwendigen Informationen muss er sich dabei von seinem Auftraggeber beschaffen (vgl. Wiebauer, a.a.O., Rn. 7). Bei der Beschäftigung betriebsfremder Arbeitnehmer auf der Grundlage von Dienst- oder Werkverträgen trägt daher der Arbeitgeber die Verpflichtung zur Durchführung der arbeitsschutzrechtlichen Maßnahmen und nicht der Inhaber des Betriebes, auf dessen Betriebsgelände die Arbeitnehmer gerade tätig sind. § 8 Abs. 2 ArbSchG verändert nicht die Verpflichtung des Arbeitgebers solcher Fremdbeschäftigten, für die Durchführung der arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen zu sorgen (vgl. Ambs in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 218. EL Januar 2018, § 8 ArbSchG Rn. 4).

Der Arbeitgeber, auf dessen Betriebsgelände solche Fremdbeschäftigten tätig sind, hat jedoch nach § 8 Abs. 2 ArbSchG die Pflicht, sich zu vergewissern, ob diese fremden Arbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber Anweisungen arbeitsschutzrechtlichen Art von ihrem Arbeitgeber erhalten haben.

Die Beklagte hat den Kläger hier bei Aufnahme der Arbeiten am 06.08.2013 unstreitig nicht danach befragt, ob er von seinem Arbeitgeber Anweisungen erhalten hat.

Nach den konkreten Umständen des vorliegenden Falles hat die Beklagte hierdurch jedoch nicht gegen Pflichten gemäß § 8 Abs. 2 ArbSchG verstoßen.

Zunächst ist gesetzlich nicht geregelt, in welcher Form die Beklagte ihrer Vergewisserungspflicht hätte nachkommen müssen. Es ist jedenfalls nicht erforderlich, dass jeder einzelne Fremdbeschäftigte stets vor Aufnahme seiner Tätigkeit nach erhaltenen Anweisungen befragt wird; Stichproben können genügen (vgl. Ambs, a.a.O., Rn. 4), ebenso, dass der Auftraggeber vorab mit dem Auftragnehmer die zu erteilenden Weisungen abspricht oder sich diese von ihm bestätigen lässt (vgl. Otto in Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 1. Aufl. 2016 § 8 ArbSchG Rn. 5).

Im hier zu beurteilenden Fall ist jedoch der Inhalt der Vergewisserungspflicht nach § 8 Abs. 2 ArbSchG entscheidend. Der Betriebsinhaber muss nicht die Unterweisungspflicht des anderen Arbeitgebers durchsetzen, er soll lediglich im Rahmen seiner Möglichkeiten dafür sorgen, dass die besonderen Gefahren der Zusammenarbeit berücksichtigt werden. Die Fremdfirmenbeschäftigten sollen gerade vor Gefährdungen geschützt werden, die aus ihrer Unkenntnis der Verhältnisse im Einsatzbetrieb resultieren. Die Vergewisserungspflicht steht insoweit unter dem Vorbehalt der Erforderlichkeit (vgl. Wiebauer, a.a.O., Rn. 23, 28, 29).

Nach diesen Maßgaben war es im hier zu beurteilenden Fall nicht erforderlich, dass sich die Beklagte vergewisserte, dass der Kläger auf die nicht trittsicheren Lichtbänder im Dach hingewiesen worden war. Ausweislich der von dem Kläger selbst zu den Akten gereichten Lichtbilder des Unfallortes (Bl. 4, 5 d.A.) waren die großflächigen Lichtbänder im Dach bei einem Aufenthalt in der Halle ganz deutlich zu erkennen. Durch diese Lichtbänder fiel – ähnlich Fenstern – helles Tageslicht ein, während die übrige Fläche des Daches lichtundurchlässig war. Der Kläger selbst hat vorgetragen, dass er von dem Betriebsleiter der Beklagten empfangen worden sei und ihm die Anlage in der Halle gezeigt worden sei, woraufhin er mit den Arbeiten an der Anlage im Inneren der Halle begonnen habe. Aus einem als Anlage zur Klageschrift vorgelegte Schreiben der …[D]-Versicherung AG vom 11.09.2014 ergibt sich weiter, dass bei den Prüfungen im Inneren der Halle auch die Klappen auf dem Dach mittels Notauslösung geöffnet worden sind. Bei den Arbeiten in der Halle war die Gefahrenquelle für den Kläger aber deutlich sichtbar. Hinzu kommt noch, dass der Kläger bei einer Firma beschäftigt war, deren Betätigungsfeld der Brandschutz ist. RWA-Anlagen haben ihre Abzüge aber in der Regel gerade auch über die Dächer. Die übliche Tätigkeit des Klägers bei der Streithelferin schloss also typischerweise auch Überprüfungen im Bereich von Dächern ein. Hierzu passt, dass der Kläger auf Veranlassung der Streithelferin auch in den Jahren 2006 und 2012 unstreitig an beruflichen Weiterbildungsseminaren teilgenommen hat, die auch Gefahren bei Arbeiten auf Dächern und entsprechende Unfallverhütungsmaßnahmen zum Gegenstand hatten; insoweit hat die Streithelferin eine Folie „Wartung von RWA-Anlagen – Keine Routine auf dem Dach“ vorgelegt (Bl. 102 d.A.) die – von dem Kläger unwidersprochen – in dem entsprechenden Grundseminar behandelt worden ist. Bei den Lichtbändern in dem Hallendach handelte es sich mithin gerade nicht um eine besondere Gefahrenquelle im Betrieb der Beklagten, von der der Kläger als Fremdfirmenbeschäftigter keine Kenntnis haben konnte und in Bezug auf die er somit auf Informationen durch die Beklagte angewiesen war. Vor offenkundigen und klar erkennbaren Gefahrenquellen muss nicht gewarnt werden.

Vor diesem Hintergrund kann letztlich dahinstehen, ob der Zeuge …[C] im Jahr 2005 bei der Betriebsbegehung anlässlich der ersten Wartung durch die Streithelferin diese auf die nicht begehbaren Lichtbänder in dem Hallendach explizit hingewiesen hat.

Davon abgesehen ist aber auch die Beweiswürdigung des Landgerichts – soweit sie einer berufungsrechtlichen Überprüfung zugänglich ist – nicht zu beanstanden. Die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil genügt den Anforderungen des § 286 Abs. 1 ZPO. Sie ist widerspruchsfrei und verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungsgrundsätze. Dem Landgericht war bewusst, dass der Zeuge …[C] ein Mitarbeiter der Beklagten ist. Allein der Umstand, dass ein Zeuge in einem Näheverhältnis zu einer Partei steht oder eine gute Erinnerung an ein Geschehen hat, ist nicht geeignet, Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit zu begründen. Der erkennende Richter hat hier anschaulich und nachvollziehbar seinen persönlichen Eindruck von dem Zeugen und dessen Schilderung dargelegt; es ist nicht zu beanstanden, dass er vor diesem Hintergrund der Aussage des Zeugen gefolgt ist. Mit dem Landgericht geht daher auch der Senat davon aus, dass im Jahr 2005 anlässlich der ersten Wartungsarbeiten durch die Streithelferin eine Betriebsbegehung auf dem Gelände der Beklagten stattgefunden hat, bei der der Zeuge …[C] auch auf die nicht begehbaren Lichtbänder in dem Hallendach hingewiesen hat.

b) Die Beklagte hat entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht gegen Unfallverhütungsvorschriften verstoßen.

Bei den Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften handelt es sich um autonomes Verbandsrecht, das von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung auf der Grundlage von § 15 SGB VII erlassen worden ist. Die Unfallverhütungsvorschriften sind das Ergebnis langjähriger Erfahrung mit betrieblichen Unfallrisiken und können daher zur Konkretisierung der allgemeinen Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden (vgl. Wiebauer, a.a.O., Rn. 449); es handelt sich jedoch nicht um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (vgl. Schmitt in Schmitt, SGB VII, 4. Aufl., § 15 Rn. 11). Die Unfallverhütungsvorschriften legen den Mindeststandard fest, den der Arbeitgeber in sicherheitstechnischer Hinsicht einhalten muss (vgl. Schmitt, a.a.O., Rn. 12). Die Unfallverhütungsvorschriften gehören damit aber zu den Arbeitsschutzmaßnahmen, für die – wie unter II. 1. a) ausgeführt – die Streithelferin als Arbeitgeberin des Klägers auch dann verantwortlich bleibt, wenn sie den Kläger auf einem fremden Betriebsgelände einsetzt. Die Streithelferin muss sich die für ihre Gefährdungsbeurteilung erforderlichen Informationen notfalls bei der Beklagten beschaffen; die Beklagte selbst ist jedoch nicht Adressatin von Unfallverhütungsvorschriften, die dem Schutz des Klägers dienen.

c) Die Beklagte hat auch keine allgemeinen vertraglichen Schutzpflichten verletzt.

Zwar obliegt dem Besteller im Rahmen eines Werkvertrages eine aus dem vertraglichen Treueverhältnis abgeleitete Pflicht, den Werkunternehmer zu beraten und aufzuklären, falls besondere Risiken bei der Ausführung des Auftrags bestehen; er hat insbesondere auf Gefahrenquellen oder gefahrerhöhende Umstände hinzuweisen, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die er auch bei sorgfältiger Beobachtung der tatsächlichen Gegebenheiten nicht erkennen kann. Auf allgemeine Gefahren, die regelmäßig bestehen, braucht der Besteller aber nicht hinzuweisen (vgl. OLG Celle, Urteil vom 24.01.2001 – 2 U 104/00 = BeckRS 2011, 6623).

Auch in diesem Zusammenhang ist entscheidend, dass die Lichtbänder bei Beginn der Arbeiten in der Halle für den Kläger ohne weiteres erkennbar waren. Wie bei allen Arbeiten auf Dächern, die der Kläger für die Streithelferin ausführte, war Vorsicht geboten, insbesondere bei entsprechendem Anlass der Untergrund auf Trittsicherheit zu prüfen. Auf angemessene Vorsichtsmaßnahmen war der Kläger, der für die Streithelferin im Rahmen seiner Tätigkeit typischerweise auch auf Dächern arbeitete, in Seminaren hingewiesen worden. Es handelte sich bei den Lichtbändern auf dem Dach gerade nicht um eine Gefahrenquelle, die der Kläger auch bei sorgfältiger Beobachtung der tatsächlichen Gegebenheiten nicht erkennen konnte; die Gefahrenquelle war hier vielmehr offensichtlich. Folglich hat die Beklagte keine allgemeine vertragliche Schutzpflichten (s. o. Ziff. 1) verletzt, indem sie den Kläger nicht explizit auf die Unbegehbarkeit der Lichtbänder hingewiesen hat. Um Wertungswidersprüche zu vermeiden, können die allgemeinen vertraglichen Schutzpflichten letztlich auch keinen weiterreichenden Inhalt haben, als die einschlägigen speziellen Arbeitsschutzvorschriften.

2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen deliktischen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB.

Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass das Dach der Halle nicht für den allgemeinen Verkehr freigegeben war und folglich für die Beklagte auch keine allgemeinen Verkehrssicherungspflichten bestanden.

Da die Klägerin keinen Anspruch auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz gegen die Beklagte hat, bleibt auch ihrem entsprechendem Feststellungsantrag und ihrem Antrag auf Ersatz ihrer vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten der Erfolg versagt.

Der Schriftsatz vom 28.11.2018 gibt für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung keinen Anlass.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 709 S. 2, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 180.000,00 EUR festgesetzt.

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