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Abmahnungsentfernung aus Personalakte und Aufhebung Hausverbot

Unwirksame Abmahnungen und Hausverbot: Gericht urteilt zugunsten des Arbeitnehmers

Das Gericht entschied, dass die dem Kläger erteilten Abmahnungen aus seiner Personalakte entfernt und das ihm erteilte Hausverbot aufgehoben werden müssen. Es stellte fest, dass die Abmahnungen inhaltlich unbestimmt waren und die Vorwürfe nicht präzise genug dargelegt wurden, um einen konkreten Pflichtverstoß zu kennzeichnen. Zudem wurde das Hausverbot ohne ausreichende Begründung als unverhältnismäßig eingestuft, da kein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers erkennbar war, das den Ausschluss des Klägers rechtfertigen würde.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 6 Ca 282/23 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Abmahnungen und Hausverbot gegen den Kläger wurden aufgehoben.
  2. Das Gericht erklärte, dass Abmahnungen inhaltlich präzise sein müssen und konkret dargelegte Pflichtverletzungen enthalten sollten.
  3. Das Hausverbot wurde als unverhältnismäßig bewertet, da es auf einem lediglich vermuteten Pflichtverstoß basierte.
  4. Der Kläger hat Anspruch auf Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte nach §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB.
  5. Die Entscheidung beruht auf dem Fehlen einer rechtlichen Grundlage für die erteilten Abmahnungen und das Hausverbot.
  6. Der Arbeitgeber konnte kein überwiegendes Interesse nachweisen, das den Ausschluss des Klägers rechtfertigen würde.
  7. Der Kläger blieb während des Verfahrens arbeitsunfähig, was die Versetzung in einen anderen Bereich irrelevant machte.
  8. Die Kosten des Rechtsstreits wurden der Beklagten auferlegt.
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Im Zentrum eines arbeitsrechtlichen Streits stand ein Pflegehelfer, beschäftigt bei einer Einrichtung seit dem 13.02.2012, der gegen die von seinem Arbeitgeber ausgesprochene Abmahnung und ein ihm erteiltes Hausverbot vor dem Arbeitsgericht Suhl vorgegangen ist. Die Auseinandersetzung entzündete sich an einem Vorfall vom 12.02.2023, bei dem der Kläger während seiner Schicht im Frühdienst mit einem Patienten, der psychische Auffälligkeiten zeigte, konfrontiert wurde. Die Situation eskalierte soweit, dass ein Mitarbeiter eingreifen musste. Daraufhin erhielt der Kläger zwei Abmahnungen und ein Hausverbot, das ihm den Zutritt zu bestimmten Gebäuden sowie den Kontakt zu Patienten untersagte.

Abmahnungen und Hausverbot: Eine rechtliche Auseinandersetzung

Die vom Arbeitgeber ausgesprochenen Abmahnungen warfen dem Kläger unangemessenes Verhalten gegenüber dem Patienten vor, unter anderem, dass er in ein Glas gespuckt und dieses einem Patienten gegeben habe. Diese Vorwürfe basierten auf einer schriftlichen Beschwerde eines Patienten und führten neben den Abmahnungen auch zur Erteilung eines umfassenden Hausverbots. Der Kläger widersprach den Anschuldigungen vehement, behauptete, die Vorwürfe seien haltlos und die Abmahnungen somit unwirksam, da ein konkret begründeter Pflichtverstoß nicht dargelegt wurde.

Kernprobleme des Rechtsstreits und die juristische Bewertung

Der rechtliche Konflikt drehte sich um die Frage, ob die Abmahnungen und das Hausverbot rechtmäßig waren. Dabei standen die inhaltliche Bestimmtheit der Abmahnungen und die Verhältnismäßigkeit des Hausverbots im Fokus. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Abmahnungen die gerügten Verhaltensweisen nicht präzise genug beschrieben und somit dem Arbeitnehmer nicht klar aufzeigen konnten, welches Verhalten konkret beanstandet wurde. Ebenso wurde das Hausverbot als unverhältnismäßig bewertet, da es lediglich auf einem Verdacht basierte und die Interessenabwägung zu Gunsten des Arbeitnehmers ausfiel.

Urteilsbegründung und rechtliche Einordnung

Das Arbeitsgericht Suhl gab dem Kläger Recht und ordnete die Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte sowie die Aufhebung des Hausverbots an. In seiner Urteilsbegründung verwies das Gericht auf die Grundsätze des Arbeitsrechts, insbesondere auf die Notwendigkeit, dass Abmahnungen konkret und bestimmt sein müssen. Zudem unterstrich es, dass Hausverbote nur dann zulässig sind, wenn überwiegende betriebliche Interessen dies erfordern, was hier nicht der Fall war.

Die Rolle des Arbeitsverhältnisses und die Folgen für die Praxis

Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die Bedeutung einer genauen und fairen Handhabung von Abmahnungen und Hausverboten im Arbeitsrecht. Er verdeutlicht, dass Arbeitgeber ihre Sanktionsmaßnahmen sorgfältig prüfen und begründen müssen, um nicht Gefahr zu laufen, dass diese in einem gerichtlichen Verfahren als unrechtmäßig eingestuft werden. Für Arbeitnehmer bietet das Urteil eine wichtige Orientierung darüber, welche Anforderungen an die Rechtmäßigkeit von Abmahnungen gestellt werden und unter welchen Voraussetzungen sie sich gegen diese und gegen Hausverbote wehren können.

Das Arbeitsgericht Suhl stärkt mit seinem Urteil die Rechte von Arbeitnehmern, indem es hohe Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit von Abmahnungen und die Rechtmäßigkeit von Hausverboten stellt.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Wie kann ein Arbeitnehmer gegen eine unrechtmäßig erteilte Abmahnung vorgehen?

Ein Arbeitnehmer, der eine als unrechtmäßig empfundene Abmahnung erhalten hat, kann verschiedene Schritte unternehmen, um dagegen vorzugehen. Zunächst sollte er keine vorschnellen Reaktionen zeigen, wie etwa eine sofortige Stellungnahme oder die Bestätigung der Vorwürfe. Stattdessen sollte er die Abmahnung sorgfältig prüfen und gegebenenfalls eine schriftliche Gegendarstellung verfassen, in der er die Vorwürfe entkräftet. Diese Gegendarstellung kann er seinem Arbeitgeber zukommen lassen und darin auch die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte fordern.

Sollte der Arbeitgeber nicht auf die Gegendarstellung reagieren oder die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte verweigern, hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, rechtliche Schritte einzuleiten. Er kann eine sogenannte Abmahnungsentfernungsklage beim Arbeitsgericht einreichen, um die Entfernung der Abmahnung gerichtlich durchzusetzen. Hierbei trägt der Arbeitgeber die Beweislast für die Rechtmäßigkeit der Abmahnung.

Es ist zu beachten, dass für das Einlegen eines Widerspruchs gegen eine Abmahnung keine Fristen einzuhalten sind. Der Arbeitnehmer kann also auch noch nach längerer Zeit gegen die Abmahnung vorgehen. Allerdings sollte er nicht zu lange warten, da mit der Zeit die Beweislage schwieriger werden kann und eventuell eine Verwirkung des Anspruchs droht.

Zusätzlich kann es hilfreich sein, den Betriebsrat zu informieren und dessen Unterstützung zu suchen, da dieser möglicherweise bei der Klärung des Sachverhalts helfen kann. Auch eine Rechtsschutzversicherung kann von Vorteil sein, um die Kosten eines möglichen Rechtsstreits abzudecken.

In jedem Fall ist es ratsam, sich von einem auf Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt beraten zu lassen, um die Erfolgsaussichten einer Klage und die beste Vorgehensweise zu erörtern.

Unter welchen Umständen ist ein vom Arbeitgeber erteiltes Hausverbot rechtlich haltbar?

Ein Hausverbot durch den Arbeitgeber kann unter bestimmten Umständen rechtlich haltbar sein. Die Wirksamkeit eines Hausverbots hängt davon ab, ob es während oder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen wird.

Hausverbot während des Arbeitsverhältnisses

Während des Arbeitsverhältnisses kann ein Hausverbot nur dann wirksam sein, wenn das Interesse des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer den Zutritt zum Betrieb zu verwehren, das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers überwiegt. Ein solches Interesse kann beispielsweise dann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer in erheblicher Weise gegen die Geschäftsinteressen des Arbeitgebers verstoßen hat oder wenn ein begründeter Verdacht eines solchen Verstoßes besteht. Ein Hausverbot kann auch dann gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer durch sein Verhalten das Hausverbot selbst verursacht hat, wie etwa durch Beleidigungen oder andere schwere Verfehlungen.

Hausverbot nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist die Rechtslage anders. Hier kann der Arbeitgeber grundsätzlich frei entscheiden, ob er einem ehemaligen Arbeitnehmer den Zutritt verwehrt. Allerdings muss das Hausverbot auch hier verhältnismäßig sein. Es darf nicht willkürlich ausgesprochen werden und muss sachliche Gründe haben, insbesondere wenn es sich um Bereiche handelt, die dem Publikumsverkehr zugänglich sind.

Besondere Fälle

  • Betriebsräte: Für Betriebsräte gelten besondere Regelungen. Ein Hausverbot gegen Betriebsratsmitglieder darf nur bei gravierenden Pflichtverletzungen ausgesprochen werden.
  • Kundenhausverbot: Wenn ein Kunde des Arbeitgebers ein Hausverbot gegen einen Arbeitnehmer ausspricht, kann dies Auswirkungen auf den Zahlungsanspruch des Arbeitnehmers haben, insbesondere wenn der Arbeitnehmer das Hausverbot durch sein Verhalten verursacht hat.

Vorgehen bei Hausverbot

Ein Hausverbot sollte idealerweise schriftlich ausgesprochen werden, um als Nachweis zu dienen. Es ist jedoch auch mündlich wirksam. Der Betroffene sollte über die Gründe des Hausverbots informiert werden, und es sollte ihm die Möglichkeit gegeben werden, dazu Stellung zu nehmen.

Ein Hausverbot ist rechtlich haltbar, wenn es auf sachlichen Gründen basiert und das Interesse des Arbeitgebers an der Verhängung des Hausverbots das Interesse des Arbeitnehmers am Betreten des Betriebs überwiegt. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber mehr Freiheiten, ein Hausverbot auszusprechen, muss dabei aber weiterhin sachlich und verhältnismäßig vorgehen.

Inwiefern spielt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Erteilung von Abmahnungen eine Rolle?

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit spielt bei der Erteilung von Abmahnungen eine wesentliche Rolle, da er sicherstellt, dass die Reaktion des Arbeitgebers auf ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers angemessen ist. Eine Abmahnung muss demnach erhebliche Vertragsverstöße rügen und darf nicht für bloße Bagatellen ausgesprochen werden. Sie gilt als das mildere Mittel im Vergleich zu einer Kündigung und soll dem Arbeitnehmer die Möglichkeit geben, sein Verhalten zu ändern, bevor schwerwiegendere Konsequenzen wie eine Kündigung folgen.

Die Verhältnismäßigkeit einer Abmahnung bezieht sich auf die Form und die Umstände der Abmahnung, nicht aber auf die Frage, ob die Abmahnung als solche eine Überreaktion darstellt. Das bedeutet, dass das Gericht bei einer Überprüfung einer Abmahnung nicht bewertet, ob die Abmahnung an sich unangemessen ist, sondern ob sie in einer angemessenen Form und unter angemessenen Umständen ausgesprochen wurde.

Zudem ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch im Hinblick auf die Auswahl der Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers relevant. Bei erstmaligen oder nur geringfügigen Pflichtverletzungen kann eine Ermahnung als mildere Reaktion zur Abmahnung in Betracht kommen. Eine Abmahnung ist unverhältnismäßig, wenn sie bei geringfügigen Verstößen ausgesprochen wird oder wenn weniger drastische Maßnahmen, wie eine Ermahnung, ausgereicht hätten.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Arbeitgeber bei der Erteilung einer Abmahnung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten muss, um sicherzustellen, dass die Maßnahme angemessen und gerechtfertigt ist.

Wie wird der Beschäftigungsanspruch eines Arbeitnehmers im Kontext eines Hausverbots berücksichtigt?

Der Beschäftigungsanspruch eines Arbeitnehmers im Kontext eines Hausverbots wird durch verschiedene rechtliche Rahmenbedingungen und Gerichtsentscheidungen geprägt. Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Beschäftigung, der aus dem Arbeitsvertrag und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitet wird. Dieser Anspruch kann jedoch in bestimmten Situationen, wie bei einem Hausverbot, eingeschränkt werden.

Ein Hausverbot kann entweder vom Arbeitgeber selbst oder von einem Kunden gegenüber dem Arbeitnehmer ausgesprochen werden. Die Rechtsfolgen eines solchen Hausverbots hängen maßgeblich davon ab, ob der Arbeitnehmer das Hausverbot selbst verschuldet hat und ob der Arbeitgeber alternative Beschäftigungsmöglichkeiten anbieten kann.

Hausverbot durch den Arbeitgeber

Ein Hausverbot durch den Arbeitgeber kann nur wirksam ausgesprochen werden, wenn das Interesse des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer den Zutritt zum Betrieb zu verwehren, das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers überwiegt. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer in erheblicher Weise gegen die Geschäftsinteressen des Arbeitgebers verstoßen hat. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann ein Hausverbot leichter ausgesprochen werden, insbesondere wenn der Zugang zu einem Bereich verwehrt werden soll, der gegen unbefugtes Eindringen gesichert ist.

Hausverbot durch einen Kunden

Wenn ein Kunde einem Arbeitnehmer ein Hausverbot erteilt, kann dies dazu führen, dass der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringen kann. In einem solchen Fall liegt kein Annahmeverzug des Arbeitgebers vor, wenn der Arbeitnehmer wegen des Hausverbots eines Kunden die Arbeit nicht leisten kann. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass ein Arbeitsausfall wegen eines Hausverbots beim Kunden nicht der Risikosphäre des Arbeitgebers unterfällt und der Arbeitgeber daher nicht zur Zahlung des Arbeitslohns verpflichtet ist, sofern der Arbeitnehmer das Hausverbot selbst herbeigeführt hat.

Prüfung alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten

Der Arbeitgeber ist jedoch verpflichtet zu prüfen, ob es ihm möglich und zumutbar ist, den Arbeitnehmer auf einem anderen zur Verfügung stehenden Arbeitsplatz einzusetzen. Kommt der Arbeitgeber dieser Prüfungspflicht nicht nach, kann er sich schadensersatzpflichtig machen.

Ein Hausverbot kann den Beschäftigungsanspruch eines Arbeitnehmers einschränken, insbesondere wenn der Arbeitnehmer das Hausverbot selbst verschuldet hat oder wenn keine alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen. Der Arbeitgeber muss jedoch stets prüfen, ob eine anderweitige Beschäftigung des Arbeitnehmers möglich ist.


Das vorliegende Urteil

ArbG Suhl – Az.: 6 Ca 282/23 – Urteil vom 23.08.2023

1. Die Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger mit Schreiben vom 23.02.2023 erteilte Abmahnung – Zeuge A – aus den Personalakten zu entfernen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, das dem Kläger mit Schreiben vom 23.02.2023 erteilte Hausverbot aufzuheben.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 6.400,00 € festgesetzt.

5. Soweit die Berufung nicht kraft Gesetzes statthaft ist, wird sie nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte sowie die Aufhebung eines Hausverbotes.

Der Kläger ist seit dem 13.02.2012 als Pflegehelfer bei der Beklagten beschäftigt. Auf den zwischen den Parteien unter dem 07.02.2012 geschlossenen Anstellungsvertrag (Bl. 62 ff. d.A.) wird insoweit ergänzend Bezug genommen.

Am 12.02.2023 war der Kläger zum Frühdienst eingeteilt. Während der Kläger das Frühstück vorbereitete, näherte sich ihm ein Patient, der sich wegen psychischer Verhaltensauffälligkeit im Klinikum aufhielt. Sowohl das sich anschließende Verhalten des Patienten als auch des Klägers ist streitig. Jedenfalls befand sich der Mitarbeiter A zum Zeitpunkt des Ereignisses im Stationszimmer. Als es laut wurde, schritt er deeskalierend ein. Ein Patient verfasste unter dem 13.02.2023 eine schriftliche Beschwerde (Bl. 39 d.A.) über das Verhalten eines Pflegers. Der Übersetzung nach soll der Pfleger in ein Glas gespuckt haben, das Glas mit Wasser aufgefüllt und dem Patienten gegeben haben. Insoweit wird ergänzend auf Bl. 40 d.A. verwiesen.

In der Folge unterzog sich der Kläger einer Operation und befindet sich seitdem im Krankenstand. Am 24.02.2023 ging ihm ein Schreiben von der Beklagten zu. Diesem lagen 2 Abmahnungen vom 23.02.2023 sowie ein Hausverbot vom 23.02.2023 bei. Das sofortige Hausverbot betraf bestimmte Gebäude der B sowie ein Verbot, sich Patient:innen und Untergebrachten des Krankenhauses und Bewohner:innen des Wohnparks C zu nähern. Insoweit wird auf die Anlage K4 (Bl. 12 d.A.) Bezug genommen.

Die Abmahnung Anlage K2 lautet auszugsweise wie folgt:

„…als sich ein Patient in einer Weise, die Ihnen nicht behagte, näherte. Er habe Sie mehrfach „Bruder“ genannt und auch immer wieder versucht, Sie zu berühren/umarmen. Nachdem der Patient nicht von seinen Handlungen ablies, verkündeten Sie Ihre Meinung dem Patienten gegenüber in unangemessenem, lautstarken Ton, anstatt deeskalierend auf den Patienten einzuwirken und sich Hilfe zu holen. Erst durch das Einschreiten von Herrn A konnte die Situation deeskaliert werden.“ Wegen des weiteren Inhalts dieser Abmahnung wird auf die Anlage K2 (Bl. 9 f. d.A.) Bezug genommen.

Mit der weiteren Abmahnung Anlage K1 (Bl. 7 f. d.A.) wurde der dringende Verdacht ausgesprochen, dass der Kläger dieser Situation vorhergehend in das Wasserglas des Patienten gespuckt habe. Dies habe der Patient in einem Arzt-Patienten-Psychologen-Gespräch am darauffolgenden Tag, dem 13.02.2023 erklärt und zum Sachverhalt eine schriftliche Beschwerde vorgelegt, die dann übersetzt wurde. Wegen des weiteren Inhalts dieser Abmahnung wird auf Bl. 7 f. d.A. Bezug genommen.

Unter dem 16.03.2023 wurde der Kläger in den Bereich Projekt- und Bestellwesen versetzt. Der Versetzung lies der Kläger mit Rechtsanwaltsschreiben vom 24.03.2023 (Anlage K5, Bl. 54 f. d.A.) widersprechen. Die Versetzung wurde bislang nicht vollzogen, da der Kläger noch immer arbeitsunfähig ist.

Der Kläger meint, die Anschuldigungen in den Abmahnungen seien haltlos und unsubstantiiert. Die Abmahnungen seien bereits unwirksam, da sie gar keinen ausreichend begründeten Pflichtenverstoß darlegen würden. Der Kläger behauptet, er habe den Patienten beim Vorbereiten des Frühstücks professionell darauf hingewiesen, dass Hygieneabstände einzuhalten sind. Er habe weder in unangemessenem, lautstarkem Ton auf Berührungs- und Umarmungsversuche eines Patienten reagiert, noch habe er in ein Wasserglas gespuckt. Vielmehr sei der Mitarbeiter A ihm zur Hilfe geeilt, als er bemerkt habe, dass der Patient dem Kläger gegenüber immer aggressiver geworden sei.

Auch das Hausverbot sei völlig willkürlich erteilt worden, da kein Fehlverhalten des Klägers vorliege. Sein Beschäftigungsinteresse dürfte zudem das Interesse der Beklagten, ihm den Zutritt zur Klinik zu verwehren, überwiegen.

Die Abmahnung entsprechend der Anlage K1 wurde zwischenzeitlich aus der Personalakte entfernt. Insoweit haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich des ursprünglichen Antrages 1 übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Kläger beantragt zuletzt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger mit weiterem Schreiben vom 23.02.2023 erteilte Abmahnung – Zeuge A – (Anlage K2) aus den Personalakten zu entfernen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, das dem Kläger mit Schreiben vom 23.02.2023 erteilte Hausverbot (Anlage K3) aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, die Abmahnung sei nicht zu beanstanden und rechtswirksam. Sie behauptet, der Sachverhalt habe sich so, wie in der Abmahnung beschrieben, ereignet. Damit habe der Kläger gegen seine vertragliche Nebenpflicht verstoßen, einen professionellen Umgang zu den Patienten zu wahren.

Ebenso sei das ausgesprochene Hausverbot wirksam. Hintergrund der ausgesprochenen Versetzung sei der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung in Form der Patientenwohlgefährdung. Konkret bestehe der Verdacht, dass der Kläger in ein Glas eines Patienten gespuckt habe. Aufgrund des schwerwiegenden Verdachtes sei es nicht zumutbar, den Kläger in Bereichen mit direktem Patientenkontakt zu beschäftigen, geschweige denn hier Zutritt zu den Örtlichkeiten zu gewähren. Insoweit überwiege das Interesse an der Nichtbeschäftigung des Klägers in diesen Bereichen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf sämtliche im Verfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien, des Klägers vom 07.03.2023 (Bl. 3 ff. d.A.), vom 14.06.2023 (Bl. 50 ff. d.A.) und vom 10.08.2023 (Bl. 61 ff.d.A.) sowie der Beklagten vom 25.05.2023 (Bl. 35 ff. d.A.), nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet.

1. Der Kläger hat einen Anspruch auf Entfernung der weiteren Abmahnung vom 23.02.2023 aus seiner Personalakte in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt (st. Rspr., zB BAG 20. Januar 2015 – 9 AZR 860/13 – Rn. 31; 19. Juli 2012 – 2 AZR 782/11 – Rn. 13 mwN, BAGE 142, 331). Einen solchen Anspruch macht der Kläger im Wege des Leistungsantrags hinsichtlich der erteilten Abmahnung geltend.

Es kann dahinstehen, ob die angegriffene Abmahnung unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält. Denn sie ist jedenfalls inhaltlich nicht ausreichend bestimmt und bereits deshalb unwirksam und zu entfernen.

Die Abmahnung beschreibt das gerügte Verhalten nicht ausreichend präzise. Aus der Rügefunktion der Abmahnung folgt, dass der Arbeitnehmer der Abmahnung zweifelsfrei entnehmen können muss, was ihm vorgeworfen wird. Die Konkretisierungspflicht erfordert es, dass genau dargelegt wird, welche näher beschriebenen Leistungsmängel oder Pflichtverletzungen gerügt werden. Es bedarf einer detaillierten Beschreibung des tatsächlichen Sachverhalts, der den Pflichtverstoß kennzeichnet, insbesondere nach Ort und beteiligten Personen sowie nach Datum und Uhrzeit. Die Abmahnung vom 23.02.2023 enthält dagegen keine konkrete Ortsangabe und keine Uhrzeit. Der betroffene Patient wird ebenso wenig benannt. Es wird auch nicht dargelegt, inwiefern der Kläger seine Meinung dem Patienten gegenüber in unangemessen und lautstarkem Ton verkündet haben soll. Es wird nicht beschrieben, welche Äußerungen des Klägers unangemessen gewesen sein sollen. Darüber hinaus stellt der Begriff „unangemessen“ eine Wertung dar. Worauf diese Wertung beruht, kann aufgrund der in der Abmahnung enthaltenen Angaben nicht beurteilt werden.

Darüber hinaus bestehen Bedenken der Kammer im Hinblick auf den Inhalt der Abmahnung, nämlich das in der Abmahnung angegebene Datum des behaupteten Pflichtenverstoßes. Im Beschwerdeschreiben des Patienten bzw. der vorliegenden Übersetzung wird als Ereignistag Samstag, der 11.02.2023, benannt. Dagegen enthält die Abmahnung das Datum 12.02.2023. In der bereits entfernten Abmahnung hieß es sogar „…am darauffolgenden Tag, dem 13.02.2023.“

2. Der Kläger hat zudem Anspruch auf Aufhebung des unter dem 23.02.2023 ausgesprochenen Hausverbotes einschließlich des Verbotes, sich Patienten, Untergebrachten des Krankenhauses und Bewohnern des Wohnparks C zu nähern, aus § 1004 BGB analog.

Das auf §§ 1004, 903, 861 BGB gestützte grundsätzlich freie Hausrecht des Arbeitgebers wird durch den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers eingeschränkt. Während des bestehenden Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer einen sog. Beschäftigungsanspruch. Soweit der Arbeitnehmer die Geschäfts- und Betriebsräume betreten muss, um die vereinbarte Arbeitsleistung zu erbringen, ist das Hausrecht des Arbeitgebers beschränkt. Im bestehenden Arbeitsverhältnis kann der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer nur dann den Zugang zu dem Betrieb oder bestimmten Betriebsbereichen verwehren, wenn überwiegende schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers dem Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers entgegenstehen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Gefahr strafbarer Handlungen, des Geheimnisverrates oder von Betriebsstörungen besteht.

Derartige Umstände sind hier jedoch nicht ersichtlich. Soweit die Beklagte die Entscheidung mit dem Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung in Form einer Patientenwohlgefährdung begründet, ist dies im konkreten Fall nicht ausreichend. Denn zum einen besteht lediglich der Verdacht, dass der Kläger in ein Glas eines Patienten gespuckt haben soll. Zum anderen war dieser Verdacht bereits Inhalt der zwischenzeitlich aus der Personalakte entfernten Abmahnung. Mit der erteilten Abmahnung wurde von der Beklagten gerade zum Ausdruck gebracht, dass der Arbeitnehmer sich dies zur Warnung gereichen lassen und sein Verhalten künftig anpassen werde. In der Abmahnung ist formuliert: „Gleichzeitig fordere ich Sie auf, zukünftig Ihren Pflichten nachzukommen und in solchen Situationen, die Ihnen nach über 11 Jahren Berufserfahrung nicht neu sein sollten, professionell zu reagieren und zu agieren. Von Ihnen als Pflegehelfer, der bereits seit 2012 im Pflegedient tätig ist, wird erwartet, dass…. Wir weisen Sie ausdrücklich darauf hin, dass bei weiteren Verstößen mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses zu rechnen ist. “

Damit fordert die Beklagte den Kläger auf, sich künftig bei seiner Tätigkeit als Pflegehelfer pflichtgemäß zu verhalten, und bekundet, dass das behauptete Fehlverhalten noch nicht ein derartiges Gewicht erreicht hat, was für eine (außerordentliche) Kündigung notwendig wäre. Die Aufforderung zur Besserung des Verhaltens während seiner Tätigkeit als Pflegehelfer und das ausgesprochene Hausverbot bzw. Näherungsverbot schließen einander jedoch aus. Unerheblich ist insoweit, dass die Beklagte zwischenzeitlich die Verdachtsabmahnung zurückgenommen hat. Dies ändert nichts an der von ihr zur Zeit der Abmahnung getroffenen Wertung. Im Übrigen geht auch die Kammer davon aus, dass bei der langen Beschäftigungszeit des Klägers ohne zumindest nach Aktenlage dokumentierte vorhergehende Vorfälle eine Abmahnung auch die angemessene Reaktion dargestellt hätte.

Soweit die Beklagte nunmehr darauf abstellt, dass der Kläger aufgrund des Verdachtes in den Bereich Projekt- und Bestellwesen versetzt wurde, steht auch die Versetzung in Widerspruch zu den Aufforderungen in den zuvor getätigten Abmahnungen. Einerseits wird der Kläger aufgefordert, sich bei seiner Arbeit als Pflegehelfer, die Kontakt mit Patienten voraussetzt, pflichtgemäß zu verhalten. Nun meint die Beklagte, es sei nicht zumutbar, den Kläger in Bereichen mit direktem Patientenkontakt zu beschäftigen. Dies ist nicht nachvollziehbar.

Die Kammer hat zudem erhebliche Bedenken, ob die Beklagte berechtigt ist, den Kläger in den Bereich Projekt- und Bestellwesen zu versetzen. Ausweislich des Anstellungsvertrages vom 07.02.2012 ist der Kläger bei der Beklagten als Pflegehelfer beschäftigt. Die Voraussetzungen der in § 1 Abs.3 des Arbeitsvertrages formulierten Versetzungsklausel liegen nicht vor. Weder wurden betriebliche Gründe benannt, noch stellt der ausgesprochene Verdacht eines Fehlverhaltens einen persönlichen Grund dar.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs.2 S. 1 ArbGG i.V.m. §§ 91 Abs. 1, 91 a Abs.1 ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsreit übereinstimmend erledigt erklärt haben, war über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen nach dem bisherigen Sach- und Streitstand zu entscheiden. Danach hat die Beklagte auch diese Kosten zu tragen, da die Klage auch bezüglich des ursprünglichen Antrages 1 zulässig und begründet war. Eine Verdachtsabmahnung gibt es nicht, denn der Verdacht einer Pflichtverletzung kann nicht unter Kündigungsandrohung gerügt werden (Niemann in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 23. Auflage 2023, § 626 BGB Rn. 34). Darüber hinaus war auch diese Abmahnung nicht hinreichend bestimmt.

III.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 61 Abs.1 ArbGG, 3 ff. ZPO. Dabei wurde der Streitwert für die Abmahnung mit einem Monatsgehalt und der Streitwert für das Hausverbot entsprechend dem des Beschäftigungsanspruchs ebenfalls mit einem Monatsgehalt bewertet.

IV.

Die Berufung ist nicht gemäß § 64 Abs. 2 a) ArbGG zuzulassen, da Berufungszulassungs-gründe gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG nicht ersichtlich sind. Unberührt von dieser Entscheidung ist für die im Rechtsstreit unterlegene Beklagte die Berufung gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft.

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