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Arbeitnehmerhaftung wegen nicht bzw. nicht weisungsgemäß erbrachter Arbeitsleistung

Arbeitnehmerhaftung bei Krankheit und Netzwerkproblemen: Berufung der Klägerin abgewiesen

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern (Az.: 5 Sa 14/23) befasst sich mit der Frage der Arbeitnehmerhaftung wegen nicht oder nicht weisungsgemäß erbrachter Arbeitsleistung. Die Klägerin, eine Arbeitgeberin, forderte Schadensersatz von einem ihrer Arbeitnehmer, dem Beklagten, weil dieser angeblich nicht die vereinbarte Arbeitsleistung erbracht hatte.

Das Gericht wies die Berufung der Klägerin zurück, da nicht nachgewiesen werden konnte, dass der Beklagte seine Arbeitspflichten vorsätzlich oder fahrlässig verletzt hatte. Zudem wurde festgestellt, dass der Beklagte aufgrund von Krankheit und ohne Zugang zum erforderlichen Netzwerk nicht in der Lage war, seine Arbeit wie gefordert auszuführen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 5 Sa 14/23 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  • Berufung der Klägerin wurde auf ihre Kosten zurückgewiesen.
  • Revision wurde nicht zugelassen.
  • Der Beklagte war wegen Krankheit und fehlendem Netzwerkzugang nicht in der Lage seine Arbeitsleistung zu erbringen.
  • Kein Nachweis von vorsätzlicher oder fahrlässiger Pflichtverletzung durch den Beklagten.
  • Fehlender Zugang zum Netzwerk der Entleiherin verhinderte die Arbeitsleistung des Beklagten.
  • Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Beklagten wurde von der Klägerin nicht in Frage gestellt.
  • Kein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB oder § 628 Abs. 2 BGB.
  • Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Arbeitnehmerhaftung bei mangelhaft erbrachter Arbeitsleistung

Die Arbeitnehmerhaftung bei mangelhaft erbrachter Arbeitsleistung ist ein relevantes Thema im Arbeitsrecht. Arbeitnehmer können für Schäden haftbar gemacht werden, die durch ihre mangelhafte oder unzureichende Arbeitsleistung entstehen. Gemäß der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern kann der Arbeitgeber in solchen Fällen eine angemessene Leistung einfordern und gegebenenfalls Schadensersatz verlangen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Haftung des Arbeitnehmers begrenzt ist und bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssen.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass Arbeitnehmer ihre Arbeitspflichten sorgfältig und gewissenhaft erfüllen. Andernfalls können sie für Schäden haftbar gemacht werden, die durch ihre mangelhafte Arbeitsleistung entstehen. Arbeitgeber sollten daher klare Vorgaben machen und ihre Arbeitnehmer regelmäßig kontrollieren, um sicherzustellen, dass die Arbeit korrekt ausgeführt wird.

Wenn Sie sich mit der Arbeitnehmerhaftung bei mangelhaft erbrachter Arbeitsleistung konfrontiert sehen, zögern Sie nicht und fordern Sie noch heute unsere Ersteinschätzung an.

Im Zentrum des Rechtsstreits zwischen einer Arbeitgeberin und ihrem Arbeitnehmer stand die Frage der Arbeitnehmerhaftung aufgrund nicht oder nicht weisungsgemäß erbrachter Arbeitsleistung. Die Klägerin, ein Unternehmen im Ingenieurbereich, hatte den Beklagten, einen erfahrenen SPS- und KI-Programmierer, zur Unterstützung in einem speziellen Projekt an die B.AG überlassen. Dort sollte er in der Planung der Steuerungstechnik von Produktionssystemen für Hochvoltspeicherzellmodule mitwirken. Nachdem der Beklagte seinen Dienst aufgenommen hatte, kam es zu einer Reihe von Ereignissen, die seine Arbeitsleistung behinderten, darunter Krankheit und technische Probleme, die den Zugang zu notwendigen Netzwerken blockierten.

Die Anfänge einer rechtlichen Auseinandersetzung

Die Situation eskalierte, als der Beklagte, nachdem er krankheitsbedingt nicht im Büro erscheinen konnte und technische Probleme den Zugriff auf das Firmennetzwerk verhinderten, von der Klägerin mehrere Abmahnungen erhielt. Diese bezogen sich auf die Nichtvorlage der Zeiterfassung, unentschuldigtes Fehlen sowie auf Kommunikationsprobleme. Trotz der Bemühungen des Beklagten, die Situation zu klären, einschließlich der Teilnahme an einem Team-Call während seiner Krankheitsphase und der Ankündigung, an der Software-Optimierung für ein spezifisches Projekt zu arbeiten, kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis fristlos und forderte sowohl die Rückzahlung des Nettogehalts für September als auch Schadensersatz für entgangenen Gewinn.

Rechtliche Herausforderungen und die Urteilsfindung

Das Arbeitsgericht Stralsund wies die Forderungen der Klägerin größtenteils zurück, lediglich die Rückzahlung des Nettogehalts für September wurde dem Beklagten auferlegt. Die Klägerin legte gegen diese Entscheidung Berufung ein, beharrte auf ihrer Schadensersatzforderung und betonte, der Beklagte habe vorsätzlich die ihm übertragenen Aufgaben nicht erfüllt. Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern sah dies jedoch anders und bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts, indem es die Berufung der Klägerin auf ihre Kosten zurückwies.

Die Gründe für die Urteilsfindung

Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass nicht nachgewiesen werden konnte, dass der Beklagte seine Arbeitsleistung vorsätzlich oder fahrlässig nicht erbracht hatte. Es wurde festgestellt, dass der Beklagte aufgrund von Krankheit und fehlendem Zugang zu erforderlichen Netzwerken nicht in der Lage war, seine Arbeit wie gefordert auszuführen. Zudem wurde klargestellt, dass während der Dauer der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Beklagten sowie nach Zugang der außerordentlichen Kündigung keine Arbeitspflicht mehr bestand.

Schlussbetrachtung des Falls

Das Urteil unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Prüfung der Umstände bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aufgrund nicht erbrachter Arbeitsleistung. Es zeigt auf, dass Arbeitgeber nicht nur die tatsächliche Arbeitsleistung, sondern auch die Arbeitsmöglichkeit und die Kommunikation mit ihren Arbeitnehmern sicherstellen müssen, bevor sie rechtliche Schritte einleiten. Im vorliegenden Fall führten die besonderen Umstände, unter denen der Beklagte seine Tätigkeit nicht ausüben konnte, zur Zurückweisung der Berufung der Klägerin.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was bedeutet Arbeitnehmerhaftung im Arbeitsrecht?

Die Arbeitnehmerhaftung im Arbeitsrecht beschreibt die Bedingungen und den Umfang, unter denen ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber gegenüber für Schäden haftet, die er im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit verursacht hat. Grundsätzlich haften Arbeitnehmer für Schäden, die sie durch ihr Verhalten verursachen, nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen, die in den §§ 249, 276 BGB geregelt sind. Allerdings hat die Rechtsprechung für das Arbeitsverhältnis Haftungserleichterungen entwickelt, um die besondere Abhängigkeit und Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers zu berücksichtigen.

Haftungsgrundsätze

Die Haftung des Arbeitnehmers richtet sich nach dem Grad des Verschuldens und kann in drei Kategorien eingeteilt werden:

  1. Leichte Fahrlässigkeit: Bei leichtester Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer in der Regel nicht für den entstandenen Schaden. Dies berücksichtigt, dass selbst sorgfältigen Arbeitnehmern Fehler unterlaufen können.
  2. Mittlere Fahrlässigkeit: Bei mittlerer Fahrlässigkeit wird der Schaden zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aufgeteilt. Die genaue Haftungsquote hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit, der Höhe des Schadens, der Versicherbarkeit des Risikos für den Arbeitgeber und den persönlichen Verhältnissen des Arbeitnehmers.
  3. Grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz: Bei grober Fahrlässigkeit oder vorsätzlichem Handeln haftet der Arbeitnehmer grundsätzlich in vollem Umfang. Allerdings kann auch hier eine Haftungsreduzierung in Betracht kommen, wenn beispielsweise das Gehalt des Arbeitnehmers in keinem angemessenen Verhältnis zum Schadensrisiko steht.

Besonderheiten im Arbeitsrecht

Im Arbeitsrecht wird die Haftung des Arbeitnehmers durch das sogenannte Arbeitnehmerhaftungsprivileg eingeschränkt. Dieses Privileg berücksichtigt die Tatsache, dass Arbeitnehmer in die betriebliche Organisation eingebunden sind und nicht über alle Aspekte ihrer Arbeit frei entscheiden können. Zudem trägt der Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht und hat die Möglichkeit, sich gegen Schäden abzusichern.

Ein weiterer Aspekt ist die Beweislastverteilung gemäß § 619a BGB, die im Arbeitsrecht zugunsten des Arbeitnehmers abweicht. Der Arbeitgeber muss im Schadensfall die Pflichtverletzung und das Verschulden des Arbeitnehmers nachweisen.

Praktische Anwendung

In der Praxis müssen bei der Beurteilung der Arbeitnehmerhaftung alle relevanten Umstände berücksichtigt werden. Dazu zählen das Verhalten des Arbeitnehmers, die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts und die besondere Verantwortung des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber sollte sich gegen finanzielle Risiken absichern und kann beispielsweise durch Versicherungen oder betriebliche Regelungen das Haftungsrisiko minimieren.

Die Arbeitnehmerhaftung im Arbeitsrecht ist ein komplexes Gebiet, das eine differenzierte Betrachtung des Einzelfalls erfordert. Die Rechtsprechung hat Haftungserleichterungen für Arbeitnehmer entwickelt, um deren Schutzbedürftigkeit im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen. Die konkrete Haftung hängt vom Grad des Verschuldens und von den Umständen des Einzelfalls ab.

Wie wird eine pflichtwidrige Arbeitsleistung definiert?

Eine pflichtwidrige Arbeitsleistung liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten nicht erfüllt, indem er beispielsweise fehlerhaft arbeitet oder seine persönliche Leistungsfähigkeit nicht angemessen ausschöpft. Der Arbeitgeber muss in einem solchen Fall objektiv darlegen, dass die Leistung des Mitarbeiters vom Durchschnitt abweicht und dies vorwerfbar ist.

Die Rechtsprechung hat einen subjektiven Leistungsbegriff entwickelt, der sich an der individuellen Leistungsfähigkeit des Mitarbeiters orientiert. Ein Arbeitnehmer genügt seiner Vertragspflicht, wenn er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeitet. Eine pflichtwidrige Schlechtleistung kann eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung wissentlich zurückhält und seine Leistungsfähigkeit bewusst nicht vollständig nutzt.

Die Herausforderung für den Arbeitgeber besteht darin, die Schlechtleistung zu beweisen, da die bloße Behauptung nicht ausreicht. Es ist erforderlich, dass der Arbeitgeber die Pflichtverletzung und das Verschulden des Arbeitnehmers im Prozess darlegt, woraufhin der Arbeitnehmer erläutern muss, warum er trotz erheblich unterdurchschnittlicher Leistungen seine Leistungsfähigkeit ausschöpft.


Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern – Az.: 5 Sa 14/23 – Urteil vom 02.11.2023

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 29.11.2022 – 2 Ca 122/22 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten zweitinstanzlich noch über Schadensersatzansprüche der Arbeitgeberin wegen nicht bzw. nicht weisungsgemäß erbrachter Arbeitsleistung.

Die Klägerin bietet Dienstleistungen im Ingenieurbereich an und überlässt gewerbsmäßig Arbeitnehmer. Mit Arbeitsvertrag vom 24./28.07.2021 stellte sie den 1975 geborenen Beklagten mit Wirkung zum 01.09.2021 als Projektingenieur ein. Der Beklagte ist als SPS- und KI-Programmierer tätig. Er ist zudem Geschäftsführer eines eigenen Unternehmens. Die Parteien vereinbarten eine regelmäßige Wochenarbeitszeit von 40 Stunden bei einer monatlichen Vergütung von € 6.378,84 brutto, zahlbar spätestens am dritten Werktag des Folgemonats. Die Klägerin überließ den Beklagten an die B.AG, Standort L-Stadt, zwecks Einsatzes in der Planung der Steuerungstechnik von Produktionssystemen für Hochvoltspeicherzellmodule (Projektbezeichnung MP08).

Der Beklagte trat den Dienst am Mittwoch, 01.09.2021, im B.-Werk L-Stadt an und war dort von 10:30 bis 17:00 Uhr tätig. Er erhielt von der Entleiherin einen Laptop nebst Netzteil, ein altes iPhone ohne Ladegerät inklusive SIM-Karte, einen Kopfhörer und einen Werksausweis. Das iPhone diente der Zwei-Faktor-Authentifizierung, um mit dem Laptop auf das Netzwerk bei BMW zugreifen zu können.

Am 02./03.09.2021 blieb der Beklagte in seinem Hotel und teilte dem Projektleiter im B-Werk, Herrn M., mit E-Mail vom 02.09.2021, 07:17 Uhr mit, an Magen-Darm-Problemen zu leiden. Zugleich erklärte er sich bereit, dennoch an den Trainings zu arbeiten und an Meetings per Teams teilzunehmen. Mit einer weiteren E-Mail vom 02.09.2021, 10:24 Uhr, unterrichtete er Herrn F., den Leiter Steuerungstechnikplanung im B-Werk L-Stadt, über die fehlgeschlagene Anmeldung auf dem iPhone mittels des sechsstelligen Codes auf dem Briefumschlag und bat um Benennung eines Ansprechpartners in der IT zwecks Lösung des Problems.

Am Montag, 06.09.2021, 13:38 Uhr, teilte der Beklagte Herrn S. im B-Werk per Mail mit, wegen des Magen-Darm-Infekts noch nicht reisefähig zu sein und im Home-Office zu arbeiten. Darüber hinaus wies er nochmals darauf hin, dass das iPhone die mitgeteilte sechsstellige PIN nicht akzeptiere und er deshalb keinen Zugang habe. Am Nachmittag desselben Tages suchte der Beklagte eine Fachärztin für Allgemeinmedizin auf, die ihm eine voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit bis zum 12.09.2021 bescheinigte. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung übersandte der Beklagte noch am Abend des 06.09.2021 per Mail sowohl an die Klägerin als auch an das B-Werk und teilte mit, an Fieber und Schüttelfrost zu leiden. Die weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum vom 13. – 15.09.2021 leitete der Beklagte der Klägerin per Mail am 14.09.2021 zu. Trotz Arbeitsunfähigkeit nahm der Beklagte am 15.09.2021 online an einer Besprechung teil, woraufhin er am 16.09.2021, 12:09 Uhr, von Herrn M. die folgende E-Mail erhielt:

„…

Hallo [Beklagter],

wie im Call am 15.09. besprochen ist die Arbeit an den Zuganker-Maschinen sinnvoll für das MP8-Projekt, bitte teile uns noch mit wann Du wieder in L-Stadt sein kannst.

…“

Bei den Zugankern handelt es sich um Aluminiumprofile, auf denen die Batteriezellen montiert werden. Dazu werden die Profile in einer bestimmten Weise maschinell geformt, gestanzt und gelocht. Hergestellt werden die Zuganker in einem Werk in Žarnovica/Slowakei. Die Maschine für deren Produktion stammt von der Firma P. AG. Der Beklagte entwickelte im Auftrag dieses Unternehmens die Steuerungssoftware hierfür. Im B-Werk Leipzig war das Problem aufgetreten, dass zu wenig Zugankerprofile geliefert wurden bzw. diese nicht die nötige Qualität hatten.

Mit E-Mail vom 16.09.2021, 19:15 Uhr, teilte der Beklagte sowohl der Klägerin als auch dem B-Werk mit, aufgrund einer besonderen familiären Situation, die er im Einzelnen erläuterte, aktuell in seiner Arbeitsfähigkeit eingeschränkt zu sein.

Ab Montag, 20.09.2021, arbeitete der Beklagte an der Software-Optimierung für die Zuganker-Maschinen in Žarnovica/Slowakei.

Für den Monat September 2021 zahlte die Klägerin an den Beklagten ein Nettoentgelt in Höhe von € 2.203,82.

Mit E-Mail vom 05.10.2021 wandte sich die Klägerin wie folgt an den Beklagten:

„…

Leider konnte ich Sie telefonisch wieder nicht erreichen.

Bei unserem gestrigen Telefonat (04.10.21 um 13:18 Uhr), hatten Sie mir ausdrücklich bestätigt, in den letzten 2 Wochen im September, über Home-Office tätig gewesen zu sein

Sie versprachen mir Ihre Zeiterfassung noch am selbigen Tag (04.10.21) zukommen zu lassen und allen Betroffenen (XXX & XX) eine vernünftige Erklärung für Ihre fehlende Kommunikation zu liefern.

Bisher ist bei uns aber noch nichts eingegangen.

Weiterhin brauchen wir noch heute dringend Ihren Zeiterfassungsbogen. Ohne diesen können wir nicht fakturieren.

Dieser muss die Unterschrift von BMW tragen. Sollten Sie an die Zeiterfassung von BMW angeschlossen sein, so brauchen wir auch diese.

Ich bitte ausdrücklich um Beachtung, da uns sonst ein Schaden droht.

…“

Die Klägerin erteilte dem Beklagten mit drei Schreiben vom 06.10.2021 jeweils eine Abmahnung,

-weil er trotz Aufforderung bislang keine Zeiterfassung eingereicht hatte,

-wegen unentschuldigten Fehlens seit dem 16.09.2021 und

-wegen Nichterreichbarkeit am 01.10.2021 sowie am 05./06.10.2021.

Mit E-Mail vom Freitag, 08.10.2021, bat die Klägerin nochmals um eine Rückmeldung des Beklagten. Mit drei Schreiben vom 11.10.2021 erteilte die Klägerin dem Beklagten aus den oben genannten Gründen jeweils eine zweite Abmahnung. Auf die E-Mail vom 08.10.2021 antwortete der Beklagte mit E-Mail vom 12.10.2021, 00:38 Uhr, die er auch Herrn F. in cc übersandte, wie folgt:

„…

ich war für einige Tage – unberechtigterweise – in Untersuchungshaft und war infolgedessen nicht in der Lage, auf Anrufe, Emails etc. zu antworten.

Details und Nachweise darüber werde ich zu gegebener Zeit schildern, werde mich jetzt aber ersteinmal auf den Weg nach Hause machen und die letzten Tage verarbeiten.

Ich nehme einmal an ich werde dort Post von IQ vorfinden, wofür ich unter den gegebenen Umständen auch Verständnis habe.

Ich werde dann auch die erbetene Zuarbeit für Ihre Faktur nachholen.

…“

Die Klägerin bat daraufhin den Beklagten per Mail vom 12.10.2021, 08:58 Uhr, um ein klärendes Gespräch via MS Teams, an dem auch Herr F. von BMW teilnehmen sollte. Der Beklagte antwortete darauf mit E-Mail vom 13.10.2021, 09:21 Uhr, cc Herrn F. von BMW:

„…

der Hintergrund der Inhaftierung ist gleichermaßen skurril wie tragisch.

An einem meiner ersten Tage in Žarnovica beim BMW-Zuganker-Zulieferer Ne parkte ich mein Auto an einer falschen Stelle und erregte damit den Zorn eines älteren slowakischen Mitarbeiters, der mich daraufhin – vermutlich weil ich einfach Deutscher bin – als Nazi beschimpfte und mit mir Streit anfing, was zu einem heftigen körperlichen Gerangel wurde.

Der ältere Herr verletzte sich dabei, beschädigte mein Fahrzeug und ließ dann aber irgendwann von mir ab. Jemand filmte das ganze mit seinem Smartphone. Die ganze Szene war surreal.

Jedenfalls muss dieser Herr in den letzten Wochen gestorben sein und die Angehörigen haben, auch dank des Videos, mich in meiner Abwesenheit beschuldigt und über das Auto-Kennzeichen ermittelt.

Es ist also wohl eine Strafanzeige wegen Todesfolge in der Welt und diese führte letztlich zu mir und einer Verhaftung im Rahmen einer Verkehrskontrolle.

Der ganze Vorgang als auch die psychische Verfassung meiner Frau … hat mich die letzten Tage sehr beschäftigt und ich war – und bin – gerade etwas neben mir und nicht so kommunikativ wie Sie mich vor etwa 3 Monaten kennengelernt haben.

Ich habe für Ihre zum Ausdruck gebrachte Enttäuschung durchaus Verständnis und biete an, den Arbeitsvertrag zu beenden, da ich vermutlich für XX auch nicht länger profitabel und tragbar bin.

Der angesetzte Telefontermin ist dann ebenfalls entbehrlich und es bleibt nur noch, die mir überlassenen Gegenstände zurückzugeben.

…“

An der am 13.10.2021, 10:30 Uhr, anberaumten Videokonferenz zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin, dem zuständigen Personalreferenten Elektrotechnik und Herrn F. von BMW nahm der Beklagte nicht mehr teil. Mit Schreiben vom 14.10.2021, dem Beklagten zugegangen am 16.10.2021, kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis fristlos und vorsorglich fristgerecht zum 30.11.2021. Unter dem gleichen Datum forderte die Klägerin von dem Beklagten die Rückzahlung des Nettogehaltes für den Zeitraum 02. – 30.09.2021 in Höhe von € 2.031,86 und darüber hinaus Schadensersatz für entgangenen Gewinn, den sie wie folgt bezifferte:

Monat/Jahr Euro

09/2021 22 Arbeitstage x 8 Stunden x Verrechnungssatz € 65,62 € 11.549,12

10/2021 21 Arbeitstage x 8 Stunden x Verrechnungssatz € 65,62 € 11.024,16

11/2021 21 Arbeitstage x 8 Stunden x Verrechnungssatz € 65,62 € 11.024,16

Zwischensumme € 33.597,44

abzüglich fiktives Gehalt 3 Monate x € 6.378,84 brutto € 19.136,52

Differenz € 14.460,92

Ein Zugang zum BMW-Netz wurde für den Beklagten zu keinem Zeitraum freigeschaltet.

In der Zeit vom 08. – 12.11.2021 war der Beklagte laut ärztlicher Feststellung erneut krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Am 17.11.2021 sandte der Beklagte den Laptop inklusive Netzteil, das iPhone ohne Ladegerät inklusive SIM-Karte und den Kopfhörer an die B.AG, Herrn F., zurück.

Die Kündigung und die Abmahnungen sind Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen den Parteien vor dem Arbeitsgericht Nürnberg (Aktenzeichen 2 Ca 4630/21) und nunmehr vor dem Landesarbeitsgericht Nürnberg. Das Arbeitsgericht Nürnberg hat die Klage durch Urteil vom 30.11.2022 abgewiesen. Eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts steht noch aus.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass der Beklagte abgesehen vom 01.09.2021 zu keinem Zeitpunkt gearbeitet habe und deshalb sowohl zur Rückzahlung des anteiligen Arbeitsentgelts für den Monat September 2021 in Höhe von € 2.031,86 netto als auch zum Ersatz des Schadens in Höhe von € 14.460,92 verpflichtet sei. Der Beklagte habe an dem zugewiesenen Projekt bei der B. AG nicht gearbeitet, weshalb diese daraufhin die Zusammenarbeit mit der Klägerin an diesem Projekt aufgekündigt habe. Eine Zahlung der B.AG habe die Klägerin nicht erhalten. Die Klägerin hat bestritten, dass der Beklagte im Home-Office gearbeitet habe. Schon nach seinem eigenen Vorbringen sei dies mangels Zugang zum BMW-Netz gar nicht möglich gewesen. Mit der Zuganker-Fertigung in Žarnovica habe die Klägerin überhaupt nichts zu tun. Der Beklagte sei auch von der B.AG nicht dort eingesetzt worden. Das sei schon deshalb nicht möglich, da der Klägerin für eine derartige Tätigkeit im Ausland keine Lizenzierung vorliege. Der Beklagte habe zwar während des Bewerbungsgesprächs erklärt, für ein Zugankerprojekt in der Slowakei tätig gewesen zu sein. Von einer Fortführung dieser Tätigkeit parallel zu dem Arbeitsverhältnis mit der Klägerin sei jedoch nicht die Rede gewesen. Dem hätte die Klägerin auch nicht zugestimmt.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin € 16.492,78 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er habe keine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt. Der Beklagte hat bestritten, dass die B.AG die Zusammenarbeit mit der Klägerin gekündigt habe und dies insbesondere auf ihn zurückgehe.

Das Arbeitsgericht hat den Beklagten zur Rückzahlung des Nettoentgelts für den Zeitraum 02. – 30.09.2021 in Höhe von € 2.031,86 verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Soweit das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben hat, ist das Urteil rechtskräftig geworden. Der Beklagte hat den ausgeurteilten Betrag zwischenzeitlich zurückgezahlt. Soweit die Klage abgewiesen worden ist, hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass zwar ein pflichtwidriges Handeln des Beklagten vorliege, da er keine Arbeitsleistung für die B.AG in L-Stadt erbracht habe. Die Klägerin habe jedoch keinen, aus dem pflichtwidrigen Verhalten des Beklagten herrührenden adäquat kausalen Schaden dargelegt, den sie nicht durch zumutbare Maßnahmen habe abwenden können. Sie habe nicht vorgetragen, sich um einen kurzfristigen Ersatz für den Beklagten bemüht zu haben.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Der Beklagte habe pflichtwidrig die geschuldete Arbeitsleistung nicht erbracht und dabei vorsätzlich gehandelt. Für eine Tätigkeit in Žarnovica habe es keinen Auftrag gegeben. Herr M. sei auch nicht berechtigt gewesen, den Beklagten anderweitig einzusetzen. Den Schaden durch Einstellung eines anderen geeigneten Mitarbeiters abzuwenden, sei nicht möglich gewesen, da für eine solche hochspezialisierte Tätigkeit kaum Fachkräfte am Markt verfügbar seien. Die Klägerin habe entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht zunächst tatenlos 1,5 Monate verstreichen lassen, sondern erst am 08.10.2021 von der Tätigkeit des Beklagten für einen Dritten erfahren und sodann umgehend gehandelt. Mitverschulden falle ihr nicht zur Last. Der entstandene Schaden belaufe sich unter Berücksichtigung der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung in Höhe von € 1.147,39 und durchschnittlicher Arbeitsunfähigkeitszeiten von 0,9 Tagen je Monat (= € 500,83) zumindest auf einen Betrag von € 12.229,14. Weitere Abzüge seien nicht vorzunehmen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 29.11.2022, Az. 2 Ca 122/22, teilweise abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin € 14.460,92 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Er habe seine Arbeitspflichten nicht verletzt. Spätestens im Team-Call am 15.09.2021 habe er mit Herrn M. von der B.AG vereinbart, dass er an den Zuganker-Maschinen arbeiten solle. In dem Team-Call sei der Zuganker-Bestellprozess besprochen worden. Es seien zu wenig Zugankerprofile geliefert worden bzw. nicht in der nötigen Qualität. Ein Problem sei es gewesen, die von BMW vorgegebene Genauigkeit von 0,1 mm zu erreichen. Der Beklagte habe daraufhin Herrn M. vorgeschlagen, an der Taktzeitoptimierung der Zuganker-Maschinen zu arbeiten, zumal er sich ohnehin nicht im B-Werk in L-Stadt habe einloggen können. Herr M. sei damit einverstanden gewesen und habe dies für einen guten Vorschlag erhalten. Der Beklagte habe an den Zuganker-Maschinen nicht auf eigene Rechnung oder für einen Dritten gearbeitet. Nach seiner Arbeitsunfähigkeit sei er am Donnerstag, 16.09.2021, nach L-Stadt gefahren und habe sich am Freitag, 17.09.2021, im B-Werk eingefunden. Dort habe er festgestellt, dass keiner seiner Ansprechpartner vor Ort gewesen sei. Er habe daraufhin in der Vorhalle noch einige E-Mails bearbeitet und sei dann nach Hause gefahren. Ab dem 20.09.2021 habe er an der Software-Optimierung für die Zugankerproduktion gearbeitet. Anfang Oktober 2021 habe er sich – unberechtigt – in der Slowakei in Untersuchungshaft befunden, die seiner Erinnerung nach bis zum 11.10.2021 angedauert habe. Unterlagen hierzu habe er bislang nicht erhalten.

Der Beklagte bestreitet, dass die Klägerin von BMW keine Zahlung erhalten habe. Darüber hinaus fehle es an einem substantiierten Vortrag der Klägerin zur Schadenshöhe. Es obliege der Klägerin, einen evtl. Schaden gering zu halten und sich ggf. um Ersatz für den Beklagten zu bemühen. Der Beklagte bestreitet, dass die Geschäftsbeziehung der Klägerin zur B.AG gelitten habe. Ein Mitarbeiter der Klägerin habe dem Beklagten noch am 17.08.2023 telefonisch einen erneuten Einsatz bei der B.AG angeboten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage in dem noch anhängigen Umfang zu Recht abgewiesen.

Die Klägerin hat weder aus § 280 Abs. 1 BGB noch – für den Zeitraum nach Zugang der außerordentlichen Kündigung – aus § 628 Abs. 2 BGB einen Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung eines entgangenen Gewinns für die Zeit vom 01.09.2021 bis zum 30.11.2021.

Nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Arbeitgeber, wenn ein Arbeitnehmer seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt, Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber Ersatz für den aus der Verletzung einer Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis entstehenden Schaden nur zu leisten, wenn er die Pflichtverletzung zu vertreten hat (§ 619a BGB). Zu vertreten hat der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses zu entnehmen ist (§ 276 Abs. 1 Satz 1 BGB). Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB).

Die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des Ersatzes nach § 254 Abs. 1 BGB sind weiter davon abhängig, inwieweit der Schaden vorwiegend vom Schädiger oder vom Geschädigten verursacht worden ist. Dabei ist die Frage des mitwirkenden Verschuldens nicht mit den gleichfalls zu berücksichtigenden Grundsätzen über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung bzw. privilegierten Arbeitnehmerhaftung „durch entsprechende Anwendung“ des § 254 BGB zu vermengen. Mitwirkendes Verschulden gemäß § 254 Abs. 1 BGB hat das Gericht von Amts wegen zu berücksichtigen (BAG, Urteil vom 21. Mai 2015 – 8 AZR 116/14 – Rn. 25, juris = NZA 2015, 1517).

Nach den im deutschen Zivilprozessrecht geltenden Grundsätzen, die auch im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren Anwendung finden, trifft denjenigen, der ein Recht für sich in Anspruch nimmt, die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen (BAG, Urteil vom 21. Januar 2021 – 8 AZR 195/19 – Rn. 48, juris = NZA 2021, 1022). Fordert der Arbeitgeber nach § 280 Abs. 1, § 619a BGB Schadensersatz vom Arbeitnehmer, hat er dementsprechend sowohl die Pflichtverletzung als auch Vorsatz oder Fahrlässigkeit sowie den Schaden und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den Schaden darzulegen und ggf. zu beweisen (BAG, Urteil vom 21. Mai 2015 – 8 AZR 116/14 – Rn. 25, juris = NZA 2015, 1517; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Dezember 2022 – 2 Sa 228/21 – Rn. 37, juris; LAG Sachsen, Urteil vom 9. April 2019 – 7 Sa 259/18 (3) – Rn. 25, juris).

Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet (§ 611a Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind (§ 106 Satz 1 GewO). Dem Arbeitgeber obliegt es, dem Arbeitnehmer eine Arbeitsmöglichkeit zu eröffnen, den Arbeitsablauf fortlaufend zu planen und die Arbeitsmittel bereitzustellen (vgl. zu § 296 BGB: BAG, Urteil vom 14. Oktober 2020 – 5 AZR 649/19 – Rn. 29, juris = NZA 2021, 406).

Während der Dauer einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit hat der Arbeitgeber kein Weisungsrecht gemäß § 106 GewO, soweit es Pflichten betrifft, von deren Erfüllung der Arbeitnehmer krankheitsbedingt befreit ist. Dazu zählen die Arbeitspflicht als Hauptleistungspflicht sowie die unmittelbar damit zusammenhängenden Nebenleistungspflichten, die der Arbeitspflicht nahekommen oder sogar Bestandteil der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht sind und ausschließlich den Interessen des Arbeitgebers dienen (BAG, Urteil vom 02. November 2016 – 10 AZR 596/15 – Rn. 28, juris = ZTR 2017, 178).

Im Falle der Arbeitnehmerüberlassung unterliegt der Leiharbeitnehmer den Weisungen des Entleihers (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG). Kommt ein Leiharbeitnehmer den Weisungen des Entleihers schuldhaft nicht nach und hat der Verleiher aufgrund dessen keinen Vergütungsanspruch gegenüber dem Entleiher, kann dadurch ein Schaden in Form eines entgangenen Gewinns entstehen.

Der Beklagte hat sich nicht schuldhaft über Weisungen der B.AG hinweggesetzt. Soweit es nicht schon an einer Verletzung der Arbeitspflicht fehlt, hat der Beklagte jedenfalls nicht vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt.

Am 01.09.2021 hat der Beklagte seine Arbeitspflicht nicht verletzt, da er weisungsgemäß im Betrieb der Entleiherin tätig gewesen ist. Die Klägerin hat diesen Tag zwar bei ihrer Forderung auf Rückzahlung der Vergütung für den Monat September 2021 herausgerechnet, dies jedoch bei ihrer Schadensersatzforderung nicht berücksichtigt.

Am 02./03.09.2021 war der Beklagte nicht zur Arbeitsleistung bei der Entleiherin verpflichtet, da er krankheitsbedingt den Betrieb nicht aufsuchen konnte. Den Angaben des Beklagten, an Magen-Darm-Problemen zu leiden, ist die Klägerin nicht entgegengetreten. Anhaltspunkte, die gegen eine Arbeitsunfähigkeit sprechen, hat sie nicht vorgetragen. In Anbetracht der sich daran anschließenden ärztlich bestätigten Arbeitsunfähigkeit gibt es keinen Grund, die Angaben des Beklagten in Zweifel zu ziehen.

Von Montag, 06.09.2021, bis zum Mittwoch, 15.09.2021, bestand keine Arbeitspflicht, da der Beklagte arbeitsunfähig erkrankt war. Die entsprechenden ärztlichen Bescheinigungen liegen der Klägerin vor.

Den Donnerstag, 16.09.2021, hat der Beklagte seinen Angaben nach für die Anreise zum B-Werk in L-Stadt genutzt. Die Klägerin hat nicht dargelegt, gegen welche Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis der Beklagte verstoßen hat, insbesondere welche Weisungen die Entleiherin dem Beklagten erteilt hatte. Abgesehen davon hatte der Beklagte weiterhin keinen Zugriff auf das Netzwerk der Entleiherin, sodass er seine Arbeit als Ingenieur in der Planung der Steuerungstechnik von Produktionssystemen für Hochvoltspeicherzellmodule nicht wie vorgesehen ausführen konnte.

Am Freitag, 17.09.2021, war der Beklagte seinen Angaben nach im B-Werk in L-Stadt, traf aber keinen seiner Ansprechpartner an. Welche Arbeitsleistungen er dort an diesem Tag hätte verrichten sollen und können, hat die Klägerin nicht dargelegt. Ein Verstoß gegen die Arbeitspflicht bzw. gegen von der Entleiherin erteilte Arbeitsanweisungen ist nicht festzustellen. Im Übrigen war das Problem mit dem Netzzugang weiterhin nicht gelöst.

Ab Montag, 20.09.2021, arbeitete der Beklagte sodann an der Software-Optimierung für die Zugankerherstellung in Žarnovica. Ob diese Tätigkeit den Weisungen der Entleiherin entsprach und der Projektleiter ggf. zu einer solchen Weisung berechtigt war und ob hierzu eine Abstimmung mit der Klägerin nötig gewesen wäre, kann dahinstehen. Der Beklagte hat jedenfalls weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt. Angesichts der Erklärungen des Projektleiters, die dieser per Mail am 16.09.2021 bestätigte, durfte der Beklagte davon ausgehen, im Interesse der Entleiherin zu handeln. Im B-Werk L-Stadt konnte er zu diesem Zeitpunkt nicht in vollem Umfang produktiv arbeiten. Ein Vergütungsanspruch gegenüber der Klägerin mag zwar ausgeschlossen sein. Daraus allein folgt jedoch noch nicht ein vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln, wie es ein Schadensersatzanspruch voraussetzt.

Ab Zugang der außerordentlichen Kündigung am Samstag, 16.10.2021, war der Beklagte nicht mehr verpflichtet, Arbeitsleistungen zu erbringen. Mit einer außerordentlichen Kündigung endet das Arbeitsverhältnis und damit auch die Arbeitspflicht. Eine außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers enthält regelmäßig die Erklärung, dass der Arbeitgeber weitere Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht annehmen werde (BAG, Urteil vom 12. Juli 2006 – 5 AZR 277/06 – Rn. 23 = NZA 2006, 1094; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11. Februar 2010 – 11 Sa 395/09 – Rn. 82, juris; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 1. April 2009 – 1 Sa 194/08 – Rn. 21, juris).

Ob die außerordentliche Kündigung vom 14.10.2021 wirksam ist, bedarf in dem vorliegenden Rechtsstreit keiner Entscheidung. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 628 Abs. 2 BGB besteht auch dann nicht, wenn sich die außerordentliche Kündigung als wirksam erweisen sollte.

Nach § 628 Abs. 2 BGB ist derjenige, der durch sein schuldhaftes vertragswidriges Verhalten die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses gemäß § 626 Abs. 1 BGB durch den Vertragspartner veranlasst hat, diesem zum Ersatz des durch die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses entstehenden Schadens verpflichtet. Die Regelung des § 628 Abs. 2 BGB beruht auf dem allgemeinen Rechtsgedanken, dass derjenige, der durch sein vertragswidriges Verhalten den anderen Teil zur Kündigung des Vertragsverhältnisses herausfordert, auch den in der vorzeitigen Vertragsauflösung liegenden Schaden ersetzen muss. Der Vertragsteil, der die Auflösung des Vertrages verschuldet hat, muss gemäß § 249 Satz 1 BGB den anderen so stellen, als wäre das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß durch fristgemäße Kündigung beendet worden (BAG, Urteil vom 20. November 2003 – 8 AZR 608/02 – Rn. 19, juris = EzA § 628 BGB 2002 Nr. 3). Ein Schaden kann auch der entgangene Gewinn sein, sofern dieser durch die vorzeitige Aufhebung des Dienstverhältnisses entstanden ist. Erkrankt allerdings ein Arbeitnehmer in dem Zeitraum bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, fehlt es während dieser Zeiten an einem, durch die vorzeitige Vertragsauflösung bedingten Schaden (BAG, Urteil vom 5. Oktober 1962 – 1 AZR 51/61 – Rn. 27 f., juris = NJW 1963, 75).

Der Anspruchsteller hat das schuldhafte vertragswidrige Verhalten des anderen Teils und den dadurch adäquat kausal verursachten Schaden in der geltend gemachten Höhe darzulegen und ggf. zu beweisen (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 12. Dezember 2018 – 3 Sa 123/18 – Rn. 26, juris). Für die haftungsausfüllende Kausalität und für die Höhe des Schadens gelten die Beweiserleichterungen der § 252 BGB, § 287 ZPO (LAG Köln, Urteil vom 21. Juli 2006 – 4 Sa 574/06 – Rn. 55, juris = NZA-RR 2007, 134).

Es ist schon nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, dass der Beklagte weiterhin bei der B.AG in L-Stadt eingesetzt worden wäre und dort hätte eingesetzt werden können. Ein Einsatz für die Dauer von rund sechs Wochen bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist ist angesichts der Komplexität des Aufgabenbereichs für die Entleiherin nicht zwangsläufig von Interesse. Eine Einarbeitung in die vorhandene Steuerungstechnik der Produktionssysteme für Hochvoltspeicherzellmodule erfordert einen erheblichen Aufwand. Ohnehin hätte die Entleiherin dem Beklagten zunächst einen Netzzugang einrichten müssen, damit dieser produktiv arbeiten konnte.

Abgesehen davon war der Beklagte im November 2021 für die Dauer einer Woche arbeitsunfähig erkrankt. In diesem Zeitraum hätte die Klägerin mit der Überlassung des Beklagten keinen Gewinn erzielt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Rechtsstreit wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

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