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Aufhebungsvertrag – Anfechtung wegen arglistiger Täuschung – Wegfall der Geschäftsgrundlage

Aufhebungsvertrag in Insolvenz: Landesarbeitsgericht Hamburg bestätigt Rechtswirksamkeit

Das Landesarbeitsgericht Hamburg bestätigte in seinem Urteil vom 16. Dezember 2014 (Az.: 4 Sa 40/14), dass der Aufhebungsvertrag zwischen dem Kläger und der Insolvenzschuldnerin rechtswirksam war und wies die Berufung des Klägers zurück. Es fand keine arglistige Täuschung durch den Beklagten statt, und der Wegfall der Geschäftsgrundlage konnte nicht als Grund für einen Rücktritt vom Aufhebungsvertrag herangezogen werden. Der Kläger konnte nicht beweisen, dass der Beklagte bei Vertragsabschluss über die Fortführung des Betriebs getäuscht hatte.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 Sa 40/14 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Bestätigung der Rechtswirksamkeit des Aufhebungsvertrags zwischen dem Kläger und der Insolvenzschuldnerin.
  2. Keine arglistige Täuschung durch den Beklagten beim Abschluss des Aufhebungsvertrags.
  3. Wegfall der Geschäftsgrundlage wurde als Grund für einen Rücktritt vom Vertrag nicht anerkannt.
  4. Der Kläger konnte nicht belegen, dass der Beklagte wissentlich über die Fortführung des Betriebs getäuscht hatte.
  5. Der Teil-Interessenausgleich und die Suche nach Investoren waren bekannt und Teil der Vertragsgrundlage.
  6. Die Betriebsstilllegung war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht endgültig beschlossen.
  7. Es wurde festgestellt, dass der Kläger den Aufhebungsvertrag in Kenntnis der möglichen Betriebsfortführung unterzeichnet hat.
  8. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg wurde abgewiesen.

Aufhebungsverträge: Anfechtung wegen arglistiger Täuschung

Ein Aufhebungsvertrag kann aus verschiedenen Gründen angefochten werden, wie zum Beispiel arglistiger Täuschung oder dem Wegfall der Geschäftsgrundlage. Bei einer arglistigen Täuschung muss der Täuschende vorsätzlich einen Irrtum hervorgerufen haben, um den Vertragspartner zu einer Willenserklärung zu veranlassen, die er bei Kenntnis der Sachlage nicht abgegeben hätte (§ 123 Abs. 1 BGB). Ein Beispiel für eine arglistige Täuschung ist die Vortäuschung einer Betriebsstilllegung, um den Arbeitnehmer zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu bewegen.

Ein weiterer Anfechtungsgrund ist der Wegfall der Geschäftsgrundlage, der eintreten kann, wenn sich die Umstände, auf denen der Vertrag beruht, nach dessen Abschluss schwerwiegend verändern und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten (§ 313 BGB). Ein Beispiel für den Wegfall der Geschäftsgrundlage ist die Betriebsstilllegung, die zur Anfechtung des Aufhebungsvertrags führen kann. In beiden Fällen ist es wichtig, dass die Anfechtung innerhalb einer Frist von einem Jahr nach Kenntnis von den anfechtbaren Umständen erfolgt (§ 124 BGB).

Die Anfechtung eines Aufhebungsvertrags wegen arglistiger Täuschung oder Wegfall der Geschäftsgrundlage kann zu rechtlichen Herausforderungen führen. Ein konkretes Urteil zu diesem Thema kann dabei helfen, die rechtlichen Rahmenbedingungen besser zu verstehen und sich auf mögliche Anfechtungen vorzubereiten.

Der Aufhebungsvertrag und die Insolvenzschuldnerin: Ein komplexes Szenario

Im Zentrum des Rechtsstreits, der vor dem Landesarbeitsgericht Hamburg ausgetragen wurde, stand die Anfechtung eines Aufhebungsvertrags zwischen einem ehemaligen Werftarbeiter und der Insolvenzschuldnerin. Der Kläger, ein Schweißer, hatte bei der Insolvenzschuldnerin, die zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung im Februar 2012 etwa 400 Mitarbeiter beschäftigte, gearbeitet. Die Insolvenz der Firma und die damit einhergehenden Unsicherheiten bildeten den Kern des Konflikts.

Der Streit um den Aufhebungsvertrag

Der Kläger unterzeichnete am 21. März 2013 einen Aufhebungsvertrag, der sein Arbeitsverhältnis zum 30. April 2013 beendete und ihm einen Wechsel in eine andere Betriebsstätte in Aussicht stellte. Er machte geltend, dass er den Vertrag wegen arglistiger Täuschung und Irrtum angefochten habe, da ihm bei Vertragsabschluss nicht mitgeteilt worden sei, dass die Insolvenzschuldnerin fortgeführt werde. Er argumentierte, dass er bei Kenntnis der tatsächlichen Sachlage den Vertrag nicht unterschrieben hätte.

Argumente des Insolvenzverwalters und des Arbeitsgerichts

Der Beklagte, der Insolvenzverwalter, wies die Anschuldigungen zurück. Er behauptete, dass ihm zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung nicht bekannt gewesen sei, dass die Einstellung des Betriebs bis Ende Juli 2013 nicht erfolgen würde. Das Arbeitsgericht Hamburg folgte dieser Argumentation und wies die Klage des Klägers ab. Es stellte fest, dass keine arglistige Täuschung vorlag und der Aufhebungsvertrag rechtswirksam sei.

Geschäftsgrundlage und Betriebsfortführung

Ein zentraler Aspekt des Falles war die Frage der Geschäftsgrundlage. Der Kläger berief sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage, da der Aufhebungsvertrag im Hinblick auf eine Betriebsstilllegung geschlossen wurde. Das Gericht stellte jedoch fest, dass dem Kläger bei Vertragsabschluss bekannt gewesen sei, dass weiterhin nach einem Investor gesucht werde und eine Fortführung des Betriebs möglich sei. Daher könne nicht von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage ausgegangen werden.

Fazit: Rechtskräftige Entscheidung des Landesarbeitsgerichts

Das Landesarbeitsgericht Hamburg bestätigte das Urteil des Arbeitsgerichts. Es entschied, dass der Kläger den Aufhebungsvertrag nicht wirksam angefochten hatte und keine arglistige Täuschung vorlag. Der Kläger musste die Kosten des Rechtsstreits tragen, und die Revision wurde nicht zugelassen. Das Urteil zeichnet ein Bild der Komplexität arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen im Kontext von Insolvenzverfahren und verdeutlicht die Bedeutung klarer Kommunikation und Transparenz in solchen Situationen.

Der vollständige Urteilstext des Urteils kann weiter unten nachgelesen werden.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was ist ein Aufhebungsvertrag im Arbeitsrecht und welche Wirkung hat er?

Ein Aufhebungsvertrag im Arbeitsrecht ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, mit der ein bestehendes Arbeitsverhältnis einvernehmlich beendet wird. Dieser Vertrag ermöglicht es beiden Parteien, das Arbeitsverhältnis zu einem vereinbarten Zeitpunkt zu beenden, was sofort oder zu einem späteren Zeitpunkt sein kann. Im Gegensatz zu einer Kündigung, die einseitig von einer Partei ausgesprochen wird, erfordert der Aufhebungsvertrag die Zustimmung beider Seiten.

Rechtliche Anforderungen

Der Aufhebungsvertrag muss zwingend schriftlich abgefasst werden, um rechtsgültig zu sein (§ 623 BGB). Eine elektronische Unterzeichnung ist nicht zulässig, beide Parteien müssen das Originaldokument handschriftlich unterzeichnen.

Wirkung des Aufhebungsvertrags

Durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrags wird das Arbeitsverhältnis beendet. Dies hat verschiedene Konsequenzen:

  • Sonderkündigungsschutz: Der Sonderkündigungsschutz, wie er beispielsweise während der Schwangerschaft oder Elternzeit besteht, gilt bei einem Aufhebungsvertrag nicht.
  • Sperrzeit beim Arbeitslosengeld: In der Regel führt ein Aufhebungsvertrag zu einer Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld, da der Arbeitnehmer durch seine Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mitgewirkt hat. Diese Sperrzeit kann bis zu zwölf Wochen dauern.
  • Abfindung: Eine Abfindung ist im Rahmen eines Aufhebungsvertrags nicht gesetzlich vorgeschrieben, kann aber verhandelt werden.
  • Beteiligung des Betriebs- oder Personalrats: Im Gegensatz zur Kündigung muss der Betriebs- oder Personalrat bei einem Aufhebungsvertrag nicht beteiligt werden.

Vorteile und Nachteile

Für den Arbeitnehmer kann ein Aufhebungsvertrag vorteilhaft sein, wenn er eine Anschlussbeschäftigung in Aussicht hat oder eine Abfindung ausgehandelt wird. Für den Arbeitgeber bietet der Aufhebungsvertrag den Vorteil, dass er eine gerichtliche Auseinandersetzung vermeiden und das Arbeitsverhältnis flexibler beenden kann.

Allerdings sollten Arbeitnehmer vor Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags die sozialversicherungsrechtlichen Folgen bedenken und sich gegebenenfalls beraten lassen. Insbesondere ist zu prüfen, ob eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld vermieden werden kann, etwa durch die Bestätigung des Arbeitsamtes bei gesundheitlichen Gründen für den Aufhebungsvertrag.

Der Aufhebungsvertrag ist ein Instrument im Arbeitsrecht, das eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses ermöglicht. Er bedarf der Schriftform und hat spezifische rechtliche Wirkungen, die sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber Vor- und Nachteile mit sich bringen können.

Was versteht man unter arglistiger Täuschung im Kontext des BGB und welche Folgen hat dies für Verträge?

Arglistige Täuschung ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in § 123 Abs. 1 definiert. Sie liegt vor, wenn jemand bei einem anderen vorsätzlich einen Irrtum hervorruft, um ihn zur Abgabe einer Willenserklärung zu veranlassen. Die Täuschung kann durch Vorspiegelung falscher Tatsachen, aber auch durch einfaches Verschweigen einer Tatsache hervorgerufen werden.

Die Folgen einer arglistigen Täuschung können erheblich sein. Die getäuschte Person kann den Vertrag innerhalb eines Jahres nach der Entdeckung der Täuschung anfechten (§§ 123, 124, 143 BGB). Damit wird das Geschäft von Anfang an nichtig und die Vertragsparteien müssen bereits erbrachte Leistungen zurückgeben. Ist ein Schaden eingetreten, dann hat der Täuscher unter Umständen zusätzlich Schadensersatz zu leisten. Die Verjährungsfrist beträgt bis zu 10 Jahre.

Es ist zu beachten, dass die Beweislast für die arglistige Täuschung beim Getäuschten liegt. Darüber hinaus kann die Anfechtung eines Vertrages wegen arglistiger Täuschung aus Gründen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgeschlossen sein.

Beispiele für arglistige Täuschung können das Verschweigen von Mängeln bei einem Immobilienverkauf oder die unwahre Beantwortung einer zulässigerweise gestellten Frage im Arbeitsrecht sein.

Wie wird der Wegfall der Geschäftsgrundlage nach BGB definiert und in welchen Fällen kann dieser geltend gemacht werden?

Der Wegfall der Geschäftsgrundlage ist in § 313 BGB geregelt und bezieht sich auf die Situation, in der sich Umstände, die zur Grundlage eines Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändern. Diese Veränderungen müssen so gravierend sein, dass die Parteien den Vertrag nicht oder zumindest nicht mit demselben Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderungen vorausgesehen hätten. Es kann auch ein Wegfall der Geschäftsgrundlage vorliegen, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

Anwendungsfälle

Die Anwendung des § 313 BGB ist auf Ausnahmefälle beschränkt und greift nicht bei normalen Risiken, die mit einem Vertrag verbunden sind. Ein Festhalten am unveränderten Vertrag muss einer Partei unzumutbar sein, damit die Vorschrift zur Anwendung kommt. Beispiele für den Wegfall der Geschäftsgrundlage können sein:

  • Änderungen der politischen oder wirtschaftlichen Verhältnisse, die die Vertragsdurchführung erheblich beeinflussen.
  • Das Versagen einer Baugenehmigung für ein gekauftes Grundstück, auf dem ein Fertighaus errichtet werden sollte.
  • Die Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, wenn diese als Geschäftsgrundlage für bestimmte vertragliche Regelungen diente.

Rechtsfolgen

Wenn die Voraussetzungen des § 313 BGB erfüllt sind, kann die benachteiligte Partei eine Anpassung des Vertrags verlangen. Ist eine Anpassung nicht möglich oder einem Teil unzumutbar, kann ausnahmsweise ein Rücktritt oder eine Kündigung des Vertrags in Betracht kommen. Diese Regelungen gelten insbesondere für Dauerschuldverhältnisse wie Miete, Pacht oder Leihe.

Die Anwendung des § 313 BGB ist subsidiär, das heißt, sie kommt nur dann zum Tragen, wenn keine anderen rechtlichen Regelungen wie ergänzende Vertragsauslegung, Gewährleistungsrechte, Anfechtung oder Unmöglichkeit der Leistungserbringung greifen.


Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Hamburg – Az.: 4 Sa 40/14 – Urteil vom 16.12.2014

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 15. Mai 2014 – 7 Ca 529/13 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Anfechtung eines Aufhebungsvertrags und den Wegfall der Geschäftsgrundlage.

Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der S. (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin). Über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin wurde am 01. Februar 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Insolvenzschuldnerin beschäftigte zu diesem Zeitpunkt ca. 400 Arbeitnehmer. Es bestand ein Betriebsrat. Der Kläger war bei der Insolvenzschuldnerin als Schweißer tätig. Sein Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt € 3.674,59.

Die Insolvenzschuldnerin verfügte zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung lediglich über zwei Schiffbauaufträge, die noch im Jahr 2012 abgeschlossen wurden. Kurz nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens schloss der Beklagte einen weiteren Vertrag über ein sog. Errichterschiff ab. Ausweislich des Shipbuilding Service Contracts vom 09. Februar 2012, abgeschlossen zwischen dem Beklagten und der A. B., sollte das Schiff am 31. März 2013 abgeliefert werden. An diesem Auftrag wurde noch im Januar 2014 gearbeitet.

In seiner Sitzung am 04. Februar 2013 beschloss der Gläubigerausschuss, dass der Beklagte alle erforderlichen Maßnahmen für eine Betriebseinstellung ergreifen sollte. Auch wurde die Einstellungsentscheidung des Beklagten bestätigt. Im Februar und März 2013 wurde der Betriebsrat von dem Beklagten über den Stilllegungsbeschluss für Ende Juli 2013 informiert. Mit Datum vom 11. März 2013 wurde ein Teil-Interessenausgleich geschlossen. In der Präambel heißt es u.a.:

„Durch die Abarbeitung eines Auftrages für ein Windkraft-Errichterschiff konnte die übrige Belegschaft bis jetzt weiter beschäftigt werden. dieser Auftrag ist in absehbarer Zeit voraussichtlich zum 31.07.2013 fertiggestellt. Es konnten bis zum Abschluß dieser Vereinbarung keine weiteren Aufträge generiert werden. Ohne weitere Aufträge gibt es keine Investoren, die den Betrieb oder Teile des Betriebs aus der Insolvenzmasse übernehmen würden.

Daher müssen sich die Betriebsparteien mit dieser Vereinbarung auf eine Stilllegung des Betriebes zum 3107.2013 einrichten.

In dieser Situation sind alle Mitarbeiter der S. von betriebsbedingten Kündigungen bedroht.“

§ 2 Abs. 2 des Teil-Interessenausgleichs lautet:

„Der Auftrag ist am 31.07.2013 beendet, so dass dann der Betrieb der S. stillgelegt wird. Die Betriebsparteien streben nach wie vor die Möglichkeit der Betriebs- und Teilbetriebsübernahme bis zum 31.7.2013 an, dies hängt jedoch wesentlich davon ab, ob es gelingt, Aufträge zu generieren.“

In § 3 Nr. 4 des Teil-Interessenausgleichs heißt es zur Anschlussperspektive:

„Allen Beschäftigten kann zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung keine Anschlussperspektive geboten werden.

Sollte sich bis zum 31.7.2013 ein Investor finden, der den Betrieb oder einen Teil des Betriebes übernimmt, so entfällt bei den Beschäftigten, die zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung in den betreffenden Betriebsteilen arbeiten, die Geschäftsgrundlage für den Aufhebungsvertrag, der im Hinblick auf eine Betriebsstilllegung abgeschlossen wird. Dies gilt nicht für Mitarbeiter, die bereits tatsächlich in die Transfergesellschaft gewechselt sind und Transferkurzarbeitergeld erhalten haben.

In diesem Fall kommen die Betriebsparteien unverzüglich zusammen, um den Interessenausgleich der neuen Sachlage anzupassen.“

In § 3 Nr. 5 wurde u.a. Folgendes vereinbart:

„Ergibt sich durch Änderungen in der Auftragslage die Möglichkeit, betroffene Arbeitnehmer länger als jetzt geplant zu beschäftigen, so ist diese Möglichkeit unter Arbeitnehmern mit vergleichbaren Qualifikationen stets dem ältesten Arbeitnehmer zuerst anzubieten.“

Wegen der weiteren Einzelheiten des Teil-Interessenausgleichs vom 11. März 2013 wird auf die Anlage B 1 Bezug genommen (Bl. 27 ff. d.A.).

Unter demselben Datum wurde eine Protokollnotiz unterzeichnet betreffend die Gründung einer Ingenieursgesellschaft (Anlage zum Schriftsatz vom 21. Februar 2014, Bl. 19 d.A.), „um das Konstruktions-know how zu erhalten“.

In einer Informationsveranstaltung am 14. März 2013 wurde u.a. dem Kläger mitgeteilt, dass Ende Juni 2013, spätestens Ende Juli 2013 sämtliche Tätigkeit der Werft eingestellt werde. Bis dahin sollten alle Arbeitsverträge gekündigt werden. Dem Kläger wurde weiterhin in Aussicht gestellt, dass bei Fortführung der Insolvenzschuldnerin ggf. durch einen Investor die in der T. N. tätigen Arbeitnehmer übernommen würden.

Der Kläger und die Insolvenzschuldnerin, vertreten durch den Beklagten, unterzeichneten am 21. März 2013 einen Aufhebungsvertrag sowie eine Ergänzung vom 22. März 2013. Gegenstand des Aufhebungsvertrags war die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu der Insolvenzschuldnerin zum 30. April 2013 und den Wechsel in die „T. N. – Betriebsstätte S. II“. In Ziffer I des Aufhebungsvertrags wurde u.a. Bezug genommen auf den Teil-Interessenausgleich vom 11. März 2013. Es wird Bezug genommen auf die Anlage 2 (Bl. 5ff. d.A.).

Der Shipbuilding Service Contract vom 09. Februar 2012, abgeschlossen zwischen dem Beklagten und der A. B., wurde am 25. April 2013 bzw. am 13. Juni 2013 geändert. In diesem Änderungsvertrag wurde vereinbart, dass in Abweichung zu Ziffer 5.1. des Shipbuilding Service Contracts vom 09. Februar 2012 ein Lieferdatum 31. Juli 2013 vereinbart wird; ferner wurde die Vertragsstrafenregelung abbedungen.

Der Beklagte führte die Insolvenzschuldnerin über den 31. Juli 2013 hinaus fort, um das Errichterschiff fertigzustellen und auszuliefern. Im Dezember 2013 konnten erste Kontakte zu einem Investor hergestellt werden und zwar über eine Maklerfirma, die den Beklagten ansprach. In Verkaufsgespräche ist man erstmals im Januar 2014 getreten, die im April 2014 abgeschlossen wurden.

Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 10. Oktober 2013 die Anfechtung seiner Erklärung zum Abschluss des Aufhebungsvertrags gemäß § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung, hilfsweise wegen Irrtums gemäß § 119 BGB (Anlage 3, Bl. 8 f. d.A.).

Mit Schriftsatz vom 04. November 2013, eingegangen beim Arbeitsgericht am 05. November 2013, hat der Kläger Klage erhoben und den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 16. April 2014 hat der Kläger den Rücktritt vom Aufhebungsvertrag erklärt.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe den Aufhebungsvertrag wirksam angefochten. Dem Beklagten habe bereits bei Abschluss des Aufhebungsvertrags bekannt gewesen sein müssen, dass die Insolvenzschuldnerin fortgeführt werde. Eine Fertigstellung des Errichterschiffs bis Juni/Juli 2013 sei nicht möglich gewesen. Insofern habe es keine Verzögerungen gegeben. Vielmehr habe es der Planung entsprochen, dass über den Zeitpunkt der beabsichtigten Stilllegung hinaus noch gearbeitet worden sei. Der Beklagte habe keine Maßnahmen zur Stilllegung getroffen. Weder seien Maschinen noch Patente oder Inventar ab Juni/Juli 2013 verkauft worden. Auch die Protokollnotiz vom 11. März 2013 spreche dafür, dass die Fortführung der Werft beabsichtigt gewesen sei. Er berufe sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Der Aufhebungsvertrag sei wegen der Betriebsstilllegung geschlossen worden. Aus der Presse sei jedoch zu entnehmen, dass die Insolvenzschuldnerin verkauft und übergeben worden sei zusammen mit dem verbliebenen Personalbestand von ca. 50 Mitarbeitern.

Der Kläger hat beantragt

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch den Aufhebungsvertrag vom 21. März 2013 mit Ergänzung vom 22. März 2014 zum 30. April 2013 nicht aufgelöst ist,

3. den Beklagten zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits als Schweißer zu beschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat entgegnet, er habe im Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung nicht gewusst, dass eine Einstellung des Betriebs der Insolvenzschuldnerin bis Ende Juli 2013 nicht erfolgen würde. Vielmehr sollten die wesentlichen Arbeiten am Errichterschiff bereits Juni 2013 abgeschlossen sein, so dass das Schiff im Juli 2013 hätte übergeben werden können. Er habe im Februar 2013 mit Maßnahmen begonnen, die zur Stilllegung bis Ende Juli 2013 führen sollten. Dass es zu Verzögerungen kommen würde, sei ihm zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst gewesen.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat durch Urteil vom 15. Mai 2014 die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Arbeitsverhältnis sei durch den Aufhebungsvertrag vom 21. März 2013 mit Ablauf des 30. April 2013 beendet worden. Der Aufhebungsvertrag sei nicht nach § 142 BGB nichtig. Der Kläger habe den Aufhebungsvertrag nicht wirksam angefochten, denn es fehle an einem Anfechtungsgrund. Die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1, 1. Alt. BGB lägen nicht vor. Der Beklagte habe den Kläger nicht arglistig über die Absicht getäuscht, den Betrieb der Insolvenzschuldnerin stillzulegen. Der Kläger habe nicht substantiiert darlegt, dass der Beklagte bereits am 21. März 2013 bei Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags gewusst oder billigend in Kauf genommen habe, dass das Errichterschiff nicht bis zum 31. Juli 2013 fertiggestellt werden könne und deshalb der Betrieb über den 31. Juli 2013 hinaus fortgeführt werden müsse. Auch habe der Kläger nicht dargelegt, dass der Beklagte bereits im März 2013 damit gerechnet habe, einen Investor zu finden, der die Insolvenzschuldnerin übernehmen würde, was nach dem Vortrag des Klägers der Öffentlichkeit erst Anfang 2014 mitgeteilt worden sei. Aus dem Vortrag des Klägers ergebe sich aber auch nicht die Vermutung, dass der Beklagte bei Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags mit dem Finden eines Investors gerechnet habe. Allein die Hoffnung, einen Investor zu finden und eine Betriebsschließung letztlich zu vermeiden, reiche vorliegend nicht aus. Aus dem zeitlichen Ablauf, nach dem der Beklagte erst Anfang 2014 und damit ein knappes Jahr später – der Kläger trage hierzu keine näheren Daten vor – den Einstieg eines Investors bekannt gegeben habe, folge nicht, dass der Beklagte im März 2013 mit der Möglichkeit fest gerechnet habe. Damit hätten die Betriebsparteien im Teil-Interessenausgleich vom 11. März 2013 deutlich gemacht, dass sowohl weitere Aufträge gesucht werden sollen als auch eine Betriebsfortführung mit einem Investor weiterhin erwogen werde. Damit sei den Mitarbeitern und vorliegend dem Kläger bekannt gewesen, dass eine Betriebsstilllegung noch nicht definitiv und endgültig beschlossen gewesen sei. Solange der Insolvenzverwalter eine Übernahme noch nicht als sicher absehen könne, dürfe er betriebsbedingte Kündigungen in Erwägung ziehen, wobei es nicht darauf ankomme, ob diese im Ergebnis kündigungsschutzrechtlich Bestand gehabt hätten. Dementsprechend fehle es aber an einer arglistigen Täuschung, da der Beklagte zwar vor dem Hintergrund einer geplanten Betriebsstillegung einen Aufhebungsvertrag geschlossen, jedoch die weitere Investorensuche den Mitarbeiterin, mithin auch dem Kläger, mitgeteilt habe. Aus der vom Kläger vorgelegten Protokollnotiz vom 11. März 2013 folge nicht, dass zu diesem Zeitpunkt die Fortführung des Betriebes bereits festgestanden habe. Die Protokollnotiz betreffe die Gründung einer Ingenieursgesellschaft, „um das Konstruktions-know how zu erhalten“, die „in Aussicht gestellt (werde)“. Hierbei handele es sich allenfalls um die Schaffung einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit für qualifizierte Mitarbeiter der Abteilung Konstruktion. Es sei nicht ersichtlich, dass die Gründung der Ingenieursgesellschaft in einem Zusammenhang mit der Fortführung des Betriebs der Insolvenzschuldnerin stehe.

Dem Kläger stehe ferner kein Recht zu vom Aufhebungsvertrag nach § 313 Abs. 3 BGB zurückzutreten, denn es fehle an den Voraussetzungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Die Parteien hätten mit Datum vom 21. März 2013 einen Aufhebungsvertrag geschlossen, aufgrund dessen das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30. April 2013 sein Ende finden sollte. Der Kläger habe anschließend in die T. N. S. wechseln sollen. Mit dieser Transfergesellschaft habe ein weiterer Vertrag geschlossen werden sollen. Ziffer I. des Aufhebungsvertrags spreche dafür, dass die Vorstellung der Parteien zur beabsichtigten Betriebsstilllegung wesentlich für den Vertragsschluss, mithin Geschäftsgrundlage des Vertrags geworden sei. Allerdings sei dem Kläger vor Vertragsschluss auch mitgeteilt worden, dass der Beklagte weiterhin auf Investorensuche sei. Damit sei auch die Investorensuche zur Geschäftsgrundlage des Aufhebungsvertrags geworden. Dies werde vorliegend noch dadurch verstärkt, dass im Aufhebungsvertrag ausdrücklich auf den Teil-Interessenausgleich vom 11. März 2013 Bezug genommen werde, so dass auch die darin niedergelegten Vorstellungen Teil der Geschäftsgrundlage geworden seien. Wie bereits dargelegt, komme in dem Teil-Interessenausgleich ganz deutlich zum Ausdruck, dass sich der Beklagte sowohl um weitere Aufträge als auch um eine Betriebsfortführung durch einen Investor bemühen werde.

Der Kläger hat gegen das ihm am 04. Juni 2014 zugestellte Urteil am 30. Juni 2014 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 04. August 2014 begründet.

Der Kläger trägt vor, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts liege eine arglistige Täuschung im Sinne § 123 Abs. 1 BGB vor. Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beklagte arglistig gehandelt hat, sei eine Gesamtschau der Ereignisse und Handlungen des Beklagten unter Berücksichtigung der Umstände vorzunehmen und nicht auf einzelnen Maßnahmen/Handlungen abzustellen. Die Zusammenfügung sämtlicher Handlungen des Beklagten lasse den Schluss zu, dass er ihn, den Kläger, getäuscht habe. Ziel des Beklagten sei es gewesen, den Werftbetrieb möglichst lange aufrechtzuerhalten um den Verkauf der Firma überhaupt zu ermöglichen. Eine erneute Inbetriebnahme des Geländes nach erfolgter Schließung wäre aufgrund der umfangreichen Genehmigungsverfahren aussichtslos gewesen, da entsprechende Genehmigungen aufgrund heutiger Rechtslage nicht mehr zu erteilen seien. Hierzu sei erforderlich gewesen, den letzten Bauauftrag in die Länge zu ziehen um die „laufende Firma“ anbieten zu können. Weiter spreche für die Absicht des Beklagten, die Firma auf jeden Fall über den 31. Juli 2013 fortzuführen, die Erhaltung der technischen Fähigkeiten für den Verkauf der Firma durch die Gründung einer Ingenieurgesellschaft und dies in unmittelbarer zeitlich (10 Tage) Nähe zum Abschluss der Aufhebungsverträge. Eine Vielzahl von Arbeitsverträgen seien bereits direkt im Anschluss nach zunächst erfolgter Aufhebung (möglicherweise Scheinaufhebung) im Juli/August 2013 verlängert worden, so dass bis weit in das Jahr 2014 eine durchgängige Beschäftigung von Mitarbeitern vorgelegen habe. Soweit der Beklagte den Wegfall der Geschäftsgrundlage für den Abschluss des Aufhebungsvertrages in Abrede stelle, setze er sich damit zu seinem bisherigen Vortrag in Widerspruch. Nach dem Vortrag des Beklagten sei der Abschluss des bzw. der Aufhebungsverträge erforderlich gewesen, da die Betriebsstilllegung spätestens Ende Juli 2013 erfolge, wenn bis dahin kein Investor gefunden sei. Da dies so nicht eingetreten sei, hätte aufgrund der Angaben des Beklagten die sofortige Einstellung des Geschäftsbetriebs erfolgen und der angefangene Schiffsbau in dem damaligen Fertigungszustand ausgeliefert werden müssen. Der Beklagte führte im Übrigen als Insolvenzverwalter der S. Werft seit Mai 2013 offiziell Arbeitnehmerüberlassung durch. Der Beklagte habe hierfür am 03. Mai 2013 von der Bundesagentur für Arbeit, die Erlaubnis erhalten. Wenn die Erlaubnis hierfür seit Anfang Mai 2013 vorgelegen habe, müsse der entsprechende Antrag erfahrungsgemäß bereits vor März 2013 gestellt worden sein.

Der Kläger beantragt: Das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 15. Mai 2014 – 7 Ca 5291143 – dem Kläger zugestellt am 04. Juni 2014, wird abgeändert. Es wird nach den Schlussanträgen 1. Instanz erkannt.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und erwidert auf die Berufungsbegründung wie folgt:

Die Behauptung des Klägers, das Schiff habe gar nicht bis Ende Juli 2013 fertiggestellt werden können, reiche nicht, um von einer Abstufung der Beweislast auszugehen. Aus der Protokollnotiz für die Gründung der Ingenieursgesellschaft ergebe sich, dass diese Gründung erst nach erfolgter Stilllegung des Betriebs hätte erfolgen sollen. Die Genehmigung der Arbeitnehmerüberlassung stehe in keinem zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrages. Es sei damit versucht worden, Kosten zu sparen und Möglichkeiten für eine Übernahme qualifizierter Mitarbeiter zu schaffen. Schon vor Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages sei dem Kläger mitgeteilt worden, dass er – der Beklagte – weiterhin auf Investorensuche sei. Die Unsicherheit der Betriebsstilllegung sei geradezu Geschäftsgrundlage gewesen.

Hinsichtlich des ergänzenden Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung des Klägers vom 31. Juli 2014 und den Schriftsatz vom 09. Oktober 2014 sowie auf die Berufungserwiderung des Beklagten vom 11. September 2014 verwiesen. Wegen des Sachvortrags der Parteien und der von ihnen überreichten Unterlagen, ihrer Beweisantritte und ihrer Rechtsausführungen im Übrigen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt einschließlich der Sitzungsprotokolle Bezug genommen (§ 69 Abs. 2, 3 ArbGG).

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers war gemäß § 64 Abs. 1 und 2 b ArbGG statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit zulässig (§§ 64 Abs. 6, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO). Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Mit Recht hat das Arbeitsgericht Hamburg erkannt, dass das Arbeitsverhältnis durch den Aufhebungsvertrag vom 21. März 2013 mit Ablauf des 30. April 2013 rechtwirksam beendet worden ist.

Die Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht, werden wie folgt zusammengefasst (§ 313 Abs. 3 ZPO):

1. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Die angerufene Kammer folgt im Ergebnis und auch in der Begründung den Ausführungen des Arbeitsgerichts und macht sie sich zu Eigen (§ 69 Abs. 2 ArbGG), so dass auf die Entscheidungsgründe im einzelnen Bezug genommen werden kann. Auch unter Berücksichtigung des Sach- und Rechtsvorbringens des Klägers in der Berufungsinstanz erweist sich die Berufung als unbegründet. Insgesamt und im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers in der Berufungsinstanz sind folgende Ausführungen veranlasst:

1. Die vom Kläger mit Schreiben vom 10. Oktober 2013 erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 BGB führt nicht zur Nichtigkeit des Aufhebungsvertrages vom 21. März 2013.

a) Eine arglistige Täuschung im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass der Täuschende durch Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen beim Erklärungsgegner einen Irrtum erregt und ihn hierdurch zur Abgabe einer Willenserklärung veranlasst hat. Dabei muss sich die Täuschung auf objektiv nachprüfbare Tatsachen beziehen. Die Äußerung subjektiver Werturteile genügt nicht (BAG Urteil vom 12. Mai 2011 – 2 AZR 479/09 – Rn. 41, EzA BGB 2002 § 123 Nr. 10). Eine Täuschung kann auch in dem Verschweigen von Tatsachen bestehen, sofern der Erklärende zu deren Offenbarung verpflichtet war. Das subjektive Merkmal „Arglist“ im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn der Täuschende weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass seine Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen oder mangels Offenbarung bestimmter Tatsachen irrige Vorstellungen beim Erklärungsgegner entstehen oder aufrechterhalten werden; Fahrlässigkeit – auch grobe Fahrlässigkeit – genügt insoweit nicht. Die Beweislast für das Vorliegen von Arglist trägt der Anfechtende; dass es sich hierbei um eine innere Tatsache handelt, steht dem nicht entgegen (vgl. BAG Urteil vom 11. Juli 2012 – 2 AZR 42/11 – Rn. 22, EzA § 123 BGB 2002 Nr. 12 und BAG 12. Mai 2011 – 2 AZR 479/09 – Rn. 43, aaO.; vgl auch LArbG Hessen Urteil vom 16. September 2013 – 16 Sa 782/13 – Rn. 35, Juris; LArbG Düsseldorf Urteil vom 14. November 2011 – 14 Sa 1078/11 – Rn. 56, Juris).

b) Wendet man die vorstehenden Rechtsgrundsätze vorliegend an, so ergibt sich Folgendes:

Der beabsichtigte Fertigstellungstermin des Errichterschiffs stellt jedenfalls kein Indiz für eine Täuschung seitens des Beklagten dar. Bei Abschluss des Aufhebungsvertrages am 21. März 2013 war das Errichterschiff etwa erst zur Hälfte fertiggestellt. Der Kläger selbst trägt vor, dass eine Fertigstellung des Errichterschiffs bis Juni/Juli 2013 nicht möglich gewesen sei. Der Kläger ist seit dem Jahre 1990 auf einer Werft tätig und kann realistische Einschätzungen zum Baufortschritt eines Schiffes machen. Eine Täuschung – also die Erregung eines Irrtums – hinsichtlich des Fertigstellungstermins konnte damit beim Kläger gar nicht hervorgerufen werden. Vielmehr konnte bei Abschluss des Aufhebungsvertrages für den Fall der Betriebseinstellung zum 31. Juli 2013 mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass das Errichterschiff unfertig dem Kunden übergeben oder – bei verweigerter Nichtabnahme – sonst wie hätte verwertet werden müssen.

Auch aus den weiteren Umständen kann eine Täuschung des Klägers nicht hergeleitet werden. Am 04. Februar 2013 hatte der Gläubigerausschuss den Beklagten aufgefordert, alle für eine Betriebsstilllegung erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Die Mitglieder des Gläubigerausschusses haben den Insolvenzverwalter bei seiner Geschäftsführung zu unterstützen und zu überwachen. Sie haben sich über den Gang der Geschäfte zu unterrichten sowie die Bücher und Geschäftspapiere einsehen und den Geldverkehr und -bestand prüfen zu lassen (§ 69 InsO). Dementsprechend haben die Gläubiger zunächst eine Entscheidung gemäß § 157 InsO getroffen und der Beklagte hat sich entsprechend verhalten, indem er u.a. Aufhebungsverträge anstrebte und Kündigungen von Mitarbeitern aussprach. Auch aus den im Verhandlungstermin vor der Berufungskammer am 21. Oktober 2014 geschilderten weiteren Umständen folgt, dass eine Täuschung des Klägers nicht in Rede stehen kann. Aus dem Shipbuilding Service Contract vom 09. Februar 2012 war ersichtlich, dass ein Abliefertermin für den 31. März 2013 und eine Vertragsstrafenregelung vereinbart worden ist. Der Shipbuilding Service Contract vom 09. Februar 2012 ist später durch den Änderungsvertrag von 25. April 2013/13. Juni 2013 dahingehend abgeändert worden, dass ein Lieferdatum am 31. Juli 2013 vereinbart und die Vertragsstrafenregelung abbedungen wurde.

Nach § 1 InsO ist der Hauptzweck des Insolvenzverfahrens die gemeinschaftliche Gläubigerbefriedigung. Der Erhalt des Schuldnerunternehmens – mit seinen Arbeitsplätzen – wird als zulässiges und erwünschtes Mittel zur Erreichung jenes Ziels genannt, ist aber nicht Selbstzweck (Kreft, InsO, 6. Aufl. 2011, Nr. 3 zu § 1). Anders gesagt: Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist eben keine Vorentscheidung in Richtung einer Liquidation oder Sanierung des Schuldnervermögens getroffen (Kreft, aaO.). Es bleibt dies dem Bemühungen des Insolvenzverwalters und Entscheidungen der Gläubiger vorbehalten. Es kann eine Verwertung im Ganzen (§ 160 Abs. 2 Nr. InsO) erfolgen – auch im Wege sanierender Übertragung – oder in Teilen erfolgen, je nach erwarteten größtmöglichen Reinerlös.

Dieser rechtlichen Konstellation entsprechend ist der Beklagte verfahren: Er hat sich einerseits dem Auftrag des Gläubigerausschusses bemüht, eine Betriebsstillegung vorzubereiten und andererseits seine Bemühungen, den Betrieb durch Finden eines Investors jedenfalls teilweise aufrechtzuerhalten, nicht eingestellt. Hierüber gab es keine Unklarheiten: Die Belegschaft wurde durch Informationen des Betriebsrates beteiligt, es kam mit dem Betriebsrat zum Abschluss des Teil-Interessenausgleichs vom 11. März 2013, in dem diese Situation aufgenommen und geregelt wurde, worauf das Arbeitsgericht mit Recht hingewiesen hat. Im Teil- Interessenausgleich ist ausdrücklich aufgenommen worden, dass die Geschäftsgrundlage für den Aufhebungsvertrag, der im Hinblick auf eine Betriebsstilllegung abgeschlossen wird, entfällt, falls sich bis zum 31. Juli 2013 ein Investor finden sollte, der den Betrieb oder einen Teil des Betriebes übernimmt. Auf diesen Teil- Interessenausgleich verweist auch der Aufhebungsvertrag vom 21. März 2013. Im Verhandlungstermin vom 21. Oktober 2014 hat der Beklagte ferner darauf hingewiesen, dass erst im Dezember 2013 erste Kontakte zu einem Investor hergestellt werden konnten und die Verkaufsgespräche erst im April 2014 abgeschlossen worden sind; diesem Sachvortrag ist der Kläger nicht mehr entgegengetreten, so dass er als unstreitig zu bewerten war.

Nach allem hat der Kläger einen Aufhebungsvertrag in einer Situation unterschrieben, in der einerseits eine durch den Gläubigerausschuss manifestierte Stilllegungsabsicht bestand, zugleich aber ein Investor gesucht wurde. Aufgrund welcher Überlegungen und mit welcher Motivation der Kläger den Vertrag schloss, eine arglistige Täuschung hat ihn jedenfalls nicht bestimmt. Ein rechtserheblicher Irrtum des Klägers lag demzufolge offenkundig ebenfalls nicht vor.

2. Ohne Rechtsfehler hat das Arbeitsgericht ferner angenommen, dass der Kläger nicht wirksam wegen einer wesentlichen Änderung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BGB von dem Aufhebungsvertrag vom 21. März 2013 zurücktreten konnte.

a) Gem. § 313 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BGB kann die benachteiligte Partei von einem gegenseitigen Vertrag zurücktreten, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben, die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, ihr ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann und eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder ihrerseits einem Teil nicht zumutbar ist. Geschäftsgrundlage in diesem Sinne sind zum einen die gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragspartner, die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt geworden, beim Abschluss aber zutage getreten sind, zum anderen die dem Geschäftspartner erkennbaren oder von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen Partei vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt oder Nichteintritt bestimmter Umstände, auf denen der Geschäftswille der Parteien aufbaut (vgl. BGH Urteil vom 28. April 2005 – III ZR 351/04 – zu II 1 c der Gründe, BGHZ 163, 42 und BAG Urteil vom 11. Juli 2012 – 2 AZR 42/11 – Rn. 32, EzA § 123 BGB 2002 Nr. 12).

b) Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, die fortdauernde Stilllegung des Betriebs sei Geschäftsgrundlage der Aufhebungsvereinbarung vom 21. März 2013 gewesen. Für diese Behauptung ist er in vollem Umfang darlegungs- und beweisbelastet, und zwar auch dafür, dass dem Vertragsschluss bestimmte beiderseitige Vorstellungen zugrunde gelegen haben (vgl. nur BAG Urteil vom 23. November 2006 – 8 AZR 349/06 – Rn. 21, EzA § 613a BGB 2002 Nr. 61). Wie bereits oben dargetan, ist jedoch das Gegenteil der Fall: Im Aufhebungsvertrag vom 21. März 2013 ist auf den Teil- Interessenausgleich vom 11. März 2013 Bezug genommen worden. Im vorgenannten Teil- Interessenausgleich ist ausdrücklich aufgenommen worden, dass die Geschäftsgrundlage für den Aufhebungsvertrag, der im Hinblick auf eine Betriebsstilllegung abgeschlossen wird, entfällt, falls sich bis zum 31. Juli 2013 ein Investor finden sollte, der den Betrieb oder einen Teil des Betriebes übernimmt. Damit musste für den Kläger deutlich sein, dass der Beklagte weiterhin nach einem Investor sucht und eine Fortführung des Betriebs möglich ist. Damit ist eine andauernde Stilllegung des Betriebs nicht rechterhebliche Grundlage des Aufhebungsvertrags vom 21. März 2013 geworden, sondern war nur der Hintergrund des Aufhebungsvertrages bzw. ggf. das Motiv des Klägers. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass der Beklagte den Aufhebungsvertrag mit dem Kläger nicht geschlossen hätte, wenn er Kenntnis von dem späteren Betriebsübergang gehabt hätte. Außerdem ist nicht ersichtlich, dass es sich bei dem späteren Betriebsübergang um eine so schwerwiegende Veränderung handelt, dass dem Kläger das Festhalten am Aufhebungsvertrag nicht mehr zugemutet werden kann. Dies würde voraussetzen, dass das Festhalten am Aufhebungsvertrag zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden Ergebnissen führen würde. Das hat der Kläger jedoch nicht vorgetragen und ist auch im Übrigen nicht ersichtlich.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen zur Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG. Die Berufungskammer folgt der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache nicht zu. Auf § 72 a ArbGG (Nichtzulassungsbeschwerde) wird hingewiesen.

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