ArbG Stuttgart – Az.: 21 Ca 7249/10 – Urteil vom 17.02.2011
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 13.09.10 nicht aufgelöst worden ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtstreits zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Werkerin weiterzubeschäftigen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 9.968,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung sowie um vorläufige Weiterbeschäftigung.
Die am 00.00.1960 geborene, zwei Kindern unterhaltsverpflichtete Klägerin ist seit 1.10.1980 bei der Beklagten als Werkerin mit einem zuletzt bezogen monatlichen Bruttoentgelt von 2492,77 € beschäftigt. Die Beklagte in der Rechtsform einer GmbH mit Sitz in G. beschäftigt derzeit circa 490 Arbeitnehmer. Sie stellt hochwertige Modellspielzeuge, insbesondere Modelleisenbahnen, her. Bei ihr ist ein Betriebsrat gebildet.
In der Vergangenheit war die Klägerin in der Montage (1980 bis 1990) sowie in der Stanzerei (1990 bis 2007), aushilfsweise auch im Lager, eingesetzt. Zuletzt war die Klägerin in der Montage tätig. Die Bewertung einzelner Aufgaben ist zwischen den Parteien streitig.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Göppingen vom 31. 3. 2009 wurde über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt P. zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Beschluss vom 17. 2. 2011 ist das Insolvenzverfahren nach § 258 InsO zum 17. 2. 2011 aufgehoben worden.
Nach längeren Verhandlungen mit dem Betriebsrat vereinbarte der Insolvenzverwalter mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich. Diesem ist eine mittels Heftklammer verbundene Namensliste beigefügt. Insoweit wird auf Anlage B 4 (Aktenblatt 121 bis 128) Bezug genommen. Dieser Interessenausgleich wurde vom Betriebsratsvorsitzenden und dem Beklagtenvertreter am 7. 9. 2010 unterschrieben, vom Betriebsratsvorsitzenden vorbehaltlich der Zustimmung des Betriebsrats. Mit Datum vom 13. 9. 2010 unterzeichnete der Betriebsratsvorsitzende sowohl den Interessenausgleich als auch die Namensliste erneut mit dem Vermerk: „Beschluss vom 13. 9. 2010 / 9:21 Uhr Betriebsrat hat zugestimmt Unterschrift erteilt G. G.“. Die Klägerin ist in der Namensliste namentlich aufgeführt.
Im Interessenausgleich vereinbarten die Betriebsparteien einen sanierungsbedingten Abbau von 28 Mitarbeitern. Gemäß § 1 des Interessenausgleichs wird Bezug genommen auf die zu kündigenden Mitarbeiter, die in der in Anlage 3 aufgeführten Liste gemäß §§ 125 InsO, 1 Abs. 5 KSchG; zugleich Anhörungsliste nach § 102 BetrVG, aufgeführt sind.
Der Interessenausgleich enthält unter anderem folgende Vereinbarungen: (Aktenblatt 123)
„§ 2 Personalabbau
… Die betroffenen Arbeitnehmer sind abschließend auf der Kündigungsliste (Anlage, Liste nach §§ 125 InsO, 1 Abs. 5 KSchG; zugleich Anhörungsliste nach § 102 BetrVG) aufgeführt.
§ 3 Beteiligung des Betriebsrats
Die Betriebspartner sind sich darüber einig, dass der Betriebsrat alle erforderlichen Informationen für die Unterrichtung nach § 111 BetrVG und die Anhörung nach §§ 102, 103 BetrVG erhalten hat. Die Unterrichtung und Beratung gemäß § 17 Abs. 2 KSchG hat stattgefunden. ….
Für jeden einzelnen Arbeitnehmer fand eine gesonderte Anhörung gemäß § 102 BetrVG statt. Der Betriebsrat sieht keine Möglichkeit, den Kündigungen zu widersprechen.“
Mit Kündigungsschreiben des Insolvenzverwalters vom 13. 9. 2010, der Klägerin zugegangen am selben Tag, kündigte der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.12.2010, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin. Hiergegen erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage, eingegangen beim Arbeitsgericht am 21. 9. 2010.
Die Klägerin ist der Meinung, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt und daher unwirksam. Insbesondere lägen keine betriebsbedingten Gründe für die Kündigung vor. Sofern betriebliche Gründe geltend gemacht würden, werde der Beklagte aufgefordert, die soziale Auswahl offen zu legen und hierbei Namen und Sozialdaten von vergleichbaren Arbeitnehmern zu nennen. Die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats werde mit Nichtwissen bestritten.
Im Einzelnen ist die Klägerin der Auffassung, sie sei vergleichbar mit allen MitarbeiterInnen der Lohngruppe ERA II. In der Abteilung Montage, in der die Klägerin zuletzt tätig gewesen sei, seien 20 ArbeitnehmerInnen tätig. Dasselbe gelte für die Abteilungen Malerei/Spritzerei sowie die Abteilung Lager. Auch dort seien circa 20 ungelernte MitarbeiterInnen beschäftigt. Sie sei zuletzt in der Einzelmontage tätig gewesen, habe aber immer wieder in der Gruppenmontage am Band gearbeitet. Auch die MitarbeiterInnen aus der Gruppenmontage seien immer wieder in der Montage tätig gewesen. Aus ihrer Sicht bestünde insoweit keine Differenzierung. Dabei handele es sich um die allgemeine Abteilung Montage. Auch bei der Aufgabenbeschreibung im Rahmen der ERA-Eingruppierung habe die Beklagte der Klägerin bestätigt, dass sie die Fähigkeiten als Montiererin besitze. Bei dieser Aufgabenbeschreibung der Klägerin handele es sich um inhaltlich dieselbe Aufgabenbeschreibung wie bei den anderen in der Abteilung Montage tätigen MitarbeiterInnen, die in Lohngruppe II eingruppiert seien. Danach sei die soziale Auswahl grob fehlerhaft.
Die Klägerin beantragt zuletzt nach Rücknahme des allgemeinen Feststellungsantrags,
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 13.9.2010 nicht beendet wird.
2. Im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. und/oder zu 2. wird der Beklagte verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Werkerin weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen
Zur Sozialauswahl meint die Beklagte, aufgrund des wirksamen Interessenausgleichs mit Namensliste komme der Namensliste eine Richtigkeitsgewähr dahin gehend zu, dass sich Arbeitgeber und Betriebsrat Gedanken darüber gemacht hätten, welchen aufgrund ihrer Tätigkeit vergleichbaren Arbeitnehmern unter Abwägung der sozialen Schutzbedürftigkeit gekündigt werden solle. Die Klägerin sei von der Beklagten mit den Mitarbeitern in der Einzelmontage verglichen worden. Die Klägerin sei in der „ Einzelmontage“ der Produktion eingesetzt worden. Von den dort beschäftigten vier MitarbeiterInnen seien zwei MitarbeiterInnen als Betriebsräte besonders geschützt. Die weitere vergleichbare Arbeitnehmerin, Frau B., sei schwerbehindert, damit sei die Sozialauswahl ordnungsgemäß erfolgt, jedenfalls nicht grob fehlerhaft im Sinne des § 125 InsO beziehungsweise § 1 Abs. 5 KSchG. Die Betriebspartner hätten über die eigene Abteilung der Klägerin hinaus auch grundsätzlich noch Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung und Vergleichbarkeit in Betracht gezogen, diese aber im Ergebnis verworfen. Die Endmontage stelle den letzten und einfachsten Arbeitsschritt im Montagebereich der Modellbahnen dar. Hier würden die fertig montierten Baugruppen zusammengeführt. Die Arbeitsschritte als solche seien aus betrieblicher Sicht faktisch bereits entbehrlich. Eine grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl sei von Klägerseite nicht dargelegt worden. Allein der Verweis auf Tätigkeiten in ferner Vergangenheit und eine universelle Einsatzmöglichkeit im Bereich angelernter beziehungsweise ungelernter Tätigkeiten lasse die Vermutungswirkung, welche das Gesetz in § 125 InsO vorsehe, nicht entfallen. Insbesondere seien die im Bereich Einzelmontage tätigen Kräfte nicht mit weiteren Mitarbeitern der Produktion vergleichbar. Aus rein betrieblicher Sicht fehle es an der notwendigen Feinmotorik und an der Fähigkeit, bei einem Einsatz im Montagesystem mit dem Arbeitstempo der vor/nachgelagerten Personen Schritt zu halten. Die Hilfskräfte in der Einzelmontage seien fachlich nicht in der Lage, Gruppenmontage auszuführen. Hilfsarbeitertätigkeit gebe es im Bereich im Übrigen nach diesseitiger Kenntnis nicht mehr.
Zur Betriebsratsanhörung trägt die Beklagte vor, diese sei am 23. 8. 2010 eingeleitet und mit Abschluss des Interessenausgleichs beendet worden. Mit dem Betriebsrat sei für jeden Einzelfall ausführlich diskutiert worden. Dem Betriebsrat hätten auch, wie im Interessenausgleich festgehalten, sämtliche Informationen vollständig vorgelegen.
Auf Antrag der Parteien ist die gegen den Insolvenzverwalter eingereichte Klage nach Abschluss des Insolvenzverfahrens in der Kammerverhandlung im Sinne einer Berichtigung des Beklagtenrubrums klarstellend geändert worden. Danach ist Beklagte zum Zeitpunkt des Schlusses der letzten mündlichen Verhandlung die frühere Schuldnerin und Arbeitgeberin.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wurde durch die streitgegenständliche Kündigung vom 13. 9. 2010 nicht zum 31.12.2010 aufgelöst. Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung.
A:
I. Auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien findet unstreitig das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG. Die Klägerin hat die Klage innerhalb der Frist des § 4 KSchG eingereicht.
II. Die Kündigung ist wegen grob fehlerhafter sozialer Auswahl gemäß §§ 1 Abs. 3, 5 KSchG, 125 InsO sozial ungerechtfertigt, da die Beklagte die soziale Auswahl grob fehlerhaft nicht auch auf die Gruppenmontage erstreckt und auf das Auskunftsverlangen der Klägerin keine Sozialdaten objektiv vergleichbarer Arbeitnehmer aus der Gruppenmontage benannt hat.
1. Zugunsten der Beklagten unterstellt, dass ein wirksamer Interessenausgleich mit Namensliste gemäß §§ 1 Abs. 3,5 KSchG, 125 InsO zustande gekommen ist, ist eine Kündigung dann sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte grob fehlerhaft nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Dabei bezieht sich die Beschränkung des Prüfungsrahmens nicht nur auf die sozialen Indikatoren und deren Gewichtung, sondern auch auf die Bildung der auswahlrelevanten Gruppen (BAG Urteil vom 21.01.1999 – 2 AZR 624/98; BAG Urteil vom 28. 8. 2003 – 2 AZR 368/02). Dies gilt auch im Anwendungsbereich des § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO.
Das Bundesarbeitsgericht, dem sich die erkennende Kammer insoweit anschließt, führt insoweit aus:
Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung des § 125 InsO gebietet eine weite Anwendung des eingeschränkten Prüfungsmaßstabs bei der Sozialauswahl. § 125 InsO dient der Sanierung insolventer Unternehmen. Gerade im Insolvenzfall besteht oft ein Bedürfnis nach einer zügigen Durchführung einer Betriebsänderung und eines größeren Personalabbaus. Die Regelung des § 125 InsO wolle eine erfolgreiche Sanierung insolventer Unternehmen fördern und im Insolvenzfall zusätzliche Kündigungserleichterungen schaffen (BAG 7. 5. 1998 – 2 AZR 536/97). Der Insolvenzverwalter soll nicht einer Fülle von langwierigen und schwer kalkulierbaren Kündigungsschutzprozessen ausgesetzt werden. Der Gesetzgeber hat für den Regelfall angenommen, der Betriebsrat werde seine Verantwortung gegenüber den von ihm repräsentierten Arbeitnehmern wahrnehmen, deshalb nur unvermeidbare Entlassungen zustimmen und darauf achten, dass bei der Auswahl der ausscheidenden Arbeitnehmer soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt werden. (BAG vom 28.8. 2003 aaO, Randziffer 23).
Danach liegt eine grob fehlerhafte soziale Auswahl im Sinne § 125 InsO, § 1 Abs. 5 KSchG nur dann vor, wenn ein evidenter Fehler vorliegt und der Interessenausgleich, insbesondere bei der Gewichtung der Auswahlkriterien, jede Ausgewogenheit vermissen lässt. Dasselbe gilt, wenn die Betriebsparteien Personengruppen als nicht miteinander vergleichbar angesehen haben, wenn eine Differenzierung zwischen einschlägig ausgebildeten Mitarbeitern willkürlich und ohne sachgerechten Grund im Hinblick auf die tätigkeitsbezogene Vergleichbarkeit erfolgt ist.
Allein die gleiche tarifliche Eingruppierung führt nicht zu einer grob fehlerhaften Verkennung der Nichtvergleichbarkeit. Aus der gleichen tariflichen Eingruppierung ergibt sich allenfalls ein Indiz für eine Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer bei ausgesprochenen Hilfstätigkeiten, daraus ergibt sich jedoch nicht der zwingende Schluss auf eine grob fehlerhafte Bildung auswahlrelevanter Gruppen. Auch eine Beschränkung, auf eine „Abteilung“, ist nicht per se grob fehlerhaft, obwohl die Sozialauswahl grundsätzlich betriebsbezogen, das heißt abteilungsübergreifend, durchzuführen ist (BAG vom 17. 2. 2000 – 2 AZR 142/99). Bei größeren Massenentlassungen kann die Beschränkung der sozialen Auswahl der Arbeitnehmer mit gleicher Qualifikation auf ihre bisherige Einsatzabteilung nämlich auch dem Erhalt und der Schaffung einer ausgewogenen Personalstruktur im Sinne § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 , 2. Halbsatz InsO dienen (BAG Urteil vom 28. 8. 2003 aaO, Rz.33).
2. Im hier vorliegenden Fall hat die Beklagte grob fehlerhaft die MitarbeiterInnen in der Gruppenmontage als nicht vergleichbar mit der Klägerin angesehen. Die Begrenzung der sozialen Auswahl auf Unterabteilungen aufgrund der Untergliederung der Abteilung Produktion/Montage in „Unterabteilungen“ wie „Einzelmontage“ und „Gruppenmontage“ entfernt sich vom gesetzlichen Leitbild der betriebsweiten sozialen Auswahl so weit, dass diese jedenfalls dann als willkürlich und ohne sachlichen Grund und damit grob fehlerhaft anzusehen ist, wenn die Beklagte hierfür nicht ganz konkrete inhaltliche Gründe anführt. Dies ergibt sich insbesondere aus Folgendem: vorliegend handelt es sich unstreitig um ungelernte und angelernte Hilfstätigkeiten in der Montage. Alle Tätigkeiten in der Gruppenmontage und in der Einzelmontage sind nach ERA mit derselben Wertigkeit eingruppiert, die MitarbeiterInnen der Gruppenmontage werden auch aktuell in der Abteilung Einzelmontage, die MitarbeiterInnen, wie die Klägerin, aus der Abteilung Einzelmontage in der Gruppenmontage eingesetzt. Diesen Vortrag der Klägerin hat die Beklagte auch nicht bestritten. Insoweit ist der pauschale schlagwortartige Vortrag, dass den MitarbeiterInnen in der Einzelmontage die nötige Feinmotorik fehle und diese das Arbeitstempo in der Gruppenmontage nicht einhielten, unsubstantiiert und durch den Vortrag der Klägerin des wechselseitigen Personaleinsatzes auch widerlegt. Dabei führt insbesondere der quantitative Aspekt im konkreten Einzelfall zu einer erhöhten Darlegungslast der Beklagten: Die Beklagte begrenzt bei einer Mitarbeiterzahl von insgesamt 490 und der unbestrittenen Beschäftigung einer Vielzahl von ungelernten und angelernten anderen Mitarbeitern durch diese Gruppenbildung innerhalb der Montage die soziale Auswahl auf eine Gruppe mit nur vier un- /angelernten MitarbeiterInnen. Dies führt zu einer Atomisierung der vergleichbaren Gruppen und hebelt im Ergebnis das gesetzliche Leitbild der betriebsweiten sozialen Auswahl in nicht erträglicher Weise und damit grob sozialwidrig aus, sofern hierfür nicht sachgerechte Differenzierungsgründe vorliegen. Dabei gilt der Grundsatz: je weiter sich der Arbeitgeber im Rahmen der Sozialauswahl auf eine Kleingruppendifferenzierung beruft, umso mehr muss er die sachgerechte abstrakte Differenzierung substantiiert im Rahmen der abgestuften Darlegungslast vortragen. Dies gilt auch im Fall einer Kündigung in der Insolvenz.
Dieser Darlegungslast ist die Beklagte nicht nachgekommen. Insbesondere aufgrund der ständigen Einsätze der Klägerin in der Gruppenmontage auch unmittelbar vor der streitigen Kündigung im Jahr 2010 ist die Nichteinbeziehung der MitarbeiterInnen der Gruppenmontage im Sinne einer grob fehlerhaften Bildung der auswahlrelevanten Gruppe sozialwidrig.
Die Klägerin war auch nicht gehalten, einzelne MitarbeiterInnen im Sinne einer grob fehlerhaften Gewichtung der sozialen Faktoren konkret zu benennen. Die Beklagte hat nämlich auf das Auskunftsverlangen der Klägerin nicht die Mitarbeiter in der Gruppenmontage unter Angabe der konkreten sozialen Faktoren benannt. Für diesen Fall genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast allein dadurch, dass er pauschal die soziale Auswahl beanstandet (BAG Urteil vom 21. 7. 1988 – EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr.26). Dies ist hier der Fall.
Die Klägerin hat bereits in der Klageschrift die Beklagte aufgefordert, die soziale Auswahl offen zu legen und Namen und Sozialdaten von vergleichbaren Arbeitnehmern zu benennen. Der Auskunftsanspruch des § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG besteht auch im Rahmen eines Interessenausgleichs mit Namensliste. Kommt der Arbeitgeber der ihm im Rahmen seiner Auskunftspflicht obliegenden Darlegungslast nicht oder nicht vollständig nach, so führt dies beim Arbeitnehmer zu einer beschränkten Befreiung von der ihm nach § 1 Abs. 3 S. 3 KSchG obliegenden Darlegungs- und Beweislast. Ergibt sich bereits aus den Angaben des Arbeitgebers, dass das Auswahlverfahren objektiv nicht den gesetzlichen Anforderungen der sozialen Auswahl entsprochen hat, z.B. wegen grober Verkennung des auswahlrelevanten Personenkreises, braucht der Arbeitnehmer nichts mehr weiter darzulegen. Auch für diesen Fall spricht eine vom Arbeitgeber auszuräumende tatsächliche Vermutung dafür, dass auch die Auswahlentscheidung objektiv grob fehlerhaft und damit die Kündigung sozialwidrig ist (BAG Urteil vom 10.2.1999 – 2 AZR 716/98; BAG Urteil vom 31.5. 2007 – 2 AZR 276/06). Der Arbeitgeber muss dann näher darlegen, weshalb trotz Durchführung eines entgegen § 1 Abs. 3,5 KSchG verstoßenden Auswahlverfahrens gleichwohl der gekündigte Arbeitnehmer nach dem Maßstab des § 1 Abs. 3, 5 KSchG nicht fehlerhaft ausgewählt worden ist.
III. Die Kündigung verstößt auch gegen § 102 BetrVG. Die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat nicht substantiiert dargelegt, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß vor Ausspruch der Kündigung angehört worden ist.
2. Im Rahmen eines Interessenausgleichs mit Namensliste im Sinne §§ 1 Abs. 5 KSchG, 125 InsO unterliegt die Betriebsratsanhörung grundsätzlich keinen erleichterten Anforderungen (BAG Urteil vom 28. 8. 2003 – 2 AZR 377/02; BAG Urteil vom 21. 2. 2002 – 2 AZR 581/00). Nach dem Grundsatz der subjektiven Determination muss der Arbeitgeber dabei dem Betriebsrat die aus seiner Sicht tragenden Umstände für die Kündigung unterbreiten. Der Betriebsrat ist dabei substantiiert über alle Gesichtspunkte zu unterrichten, die den Arbeitgeber zur Kündigung veranlassen. Die die Kündigung begründenden Umstände sind dem Betriebsrat so genau und umfassend darzulegen, dass er ohne eigene zusätzliche Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über seine Stellungnahme schlüssig zu werden. Bei einer betriebsbedingten Kündigung hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat, so er eine Sozialauswahl tatsächlich vornimmt, die Sozialdaten nicht nur der betroffenen, sondern auch der anderen Arbeitnehmer mit vergleichbarer Tätigkeit, die der Arbeitgeber in seine Erwägungen einbezogen hat, im Einzelnen darzulegen (Fitting, BetrVG, 25. Auflage § 102 Randziffer 30 m.w.N.)
Zur Darlegung einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG kann es ausreichen, wenn der Arbeitgeber zur Betriebsratsanhörung weitgehend auf den dem Betriebsrat aus den Verhandlungen über den Interessenausgleich und Namensliste bekannten konkreten Sachverhalt Bezug nimmt. Erst wenn der Arbeitnehmer diesen konkreten Vortrag, der eine ordnungsgemäße Anhörung schlüssig darlegt (Fitting, BetrVG, 25. Auflage § 102 Randziffer 357), seinerseits konkret bestreitet, muss der Arbeitgeber in diesem Punkt gegebenenfalls die Vorkenntnisse des Betriebsrats weiter substantiieren beziehungsweise beweisen (BAG Urteil vom 21. 2. 2002 – 2 AZR 581/00).
3. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die vorgetragene Betriebsratsanhörung nicht hinreichend konkret bezüglich der von der Beklagten mitgeteilten sozialen Auswahl. Dies gilt auch im Hinblick auf die nach der subjektiven Determination von der Beklagten eingeschränkten sozialen Auswahl auf die Abteilung „Einzelmontage“ und die Überlegungen hinsichtlich der Nichtvergleichbarkeit mit den MitarbeiterInnen in der Gruppenmontage.
Zwar hat die Beklagte vorgetragen, mit dem Betriebsrat sei ausführlich diskutiert worden. Auch sei am 23. 8. 2010 das Anhörungsverfahren eingeleitet worden, dem Betriebsrat seien sämtliche Informationen vorgelegen. Darüber hinaus ist in § 3 des Interessenausgleichs geregelt, dass der Betriebsrat alle erforderlichen Informationen und die Anhörung nach §§ 102, 103 BetrVG erhalten hat. Auch sind dem Betriebsrat unstreitig die Sozialdaten aller gekündigten Mitarbeiter bereits aufgrund der Namensliste konkret bekannt, mussten im Anhörungsverfahren somit nicht erneut mitgeteilt werden. Sowohl aus dem schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten als auch aus dem Interessenausgleich ergibt sich jedoch an keiner Stelle, was die Beklagte dem Betriebsrat bezüglich der sozialen Auswahl konkret mitgeteilt hat. Weder ist vorgetragen, was dem Betriebsrat bezüglich des auswahlrelevanten Personenkreises im Rahmen der Vergleichsgruppenbildung mitgeteilt worden ist, noch dass dem Betriebsrat die Sozialdaten der vergleichbaren Mitarbeiter der Einzelmontage beziehungsweise deren Sonderkündigungsschutz im Einzelnen dargelegt worden wäre. Auch ist nicht vorgetragen, was dem Betriebsrat bezüglich der Nichteinbeziehung der Mitarbeiter in der „Gruppenmontage“ im Einzelnen mitgeteilt worden ist. Zwar ist das Wissen des Betriebsratsvorsitzenden, als zur Entgegennahme von Erklärungen gemäß § 26 Abs. 2 S. 2 BetrVG berechtigter Person, dem Betriebsrat als Gremium zuzurechnen (BAG Urteil vom 23 Oktober 2008 – 2 AZR 10063/07; BAG Urteil vom 23. 4. 2008 – 2 AZR 1110/06). Aus dem Vortrag der Beklagten sowie aus dem Interessenausgleich ergibt sich jedoch nicht, welchen Kenntnisstand der Betriebsratsvorsitzende hatte.
Allein der pauschale Hinweis im Interessenausgleich, dass der Betriebsrat alle erforderlichen Informationen für die Unterrichtung nach § 102 BetrVG erhalten und eine gesonderte Anhörung insoweit stattgefunden habe, ersetzt den diesbezüglich erforderlichen Vortrag der Beklagten nicht. Der Betriebsrat kann nämlich nicht wirksam auf die Anhörungsrechte nach § 102 BetrVG verzichten (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. 5. 2010 – 11 Sa 663/08 mwN). Würde die Beklagte von der gesetzlich normierten Pflicht zur Darlegung der Betriebsratsanhörung bereits aufgrund der Vereinbarung mit dem Betriebsrat, dass die Anhörung ordnungsgemäß erfolgt ist, befreit, würde dies einem unzulässigen Verzicht auf die Anhörungsrechte gleichkommen.
Danach verstößt die streitgegenständliche Kündigung gegen § 102 BetrVG.
B:
Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen als Werkerin.
Da das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten nicht aufgelöst worden ist, ist die Beklagte auf den hilfsweise gestellten Antrag zur Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorläufigen Rechtsstreits zu verurteilen. Der Weiterbeschäftigungsanspruch ergibt sich aus den Grundsätzen, die der Große Senat des BAG im Beschluss vom 27.2. 85 (GS 1/84 – AP-Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) aufgestellt hat. Danach kann, solange in einem Kündigungsschutzprozess ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil besteht, die Ungewissheit des Prozessausgangs für sich allein ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr begründen. Hinzu kommen müssen dann vielmehr zusätzliche Umstände, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen.
Derartige Umstände sind von der Beklagten nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.
C:
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Danach hat diejenige Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, die unterlegen ist. Dies ist vorliegend die Beklagte. Der Wert des Streitgegenstandes für den Feststellungsantrag ist gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 42 Abs. 4 GKG in Höhe von drei Bruttomonatsvergütungen festzusetzen. Den Wert für den Weiterbeschäftigungsantrag hat die Kammer gemäß § 3 ZPO in Höhe von einem Bruttomonatsentgelt festgesetzt. Der in der Kammerverhandlung zurückgenommene allgemeine Feststellungsantrag ist nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen.