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Betriebsbedingte Kündigung wegen Arbeitsplatzwegfall – fehlender Beschäftigungsbedarf

Betriebsbedingte Kündigung bei einem Sales Manager.

Ein Sales Manager klagt gegen seine ordentliche betriebsbedingte Kündigung durch die Beklagte, bei der er seit 2018 beschäftigt war. Der Kläger verantwortete ein Umsatzvolumen von 2,5 Millionen Euro pro Jahr in einem aus mehreren Ländern bestehenden Verkaufsgebiet. Die Kündigung erfolgte aufgrund der Entscheidung der Beklagten, sich wieder auf ihre bewährten Produkte im angestammten Markt für Küchenspülen zu konzentrieren. Sie habe die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Bereich Sanitär eingestellt und den Vertriebsbereich Verbundwerkstoffe neu strukturiert. Der Beschäftigungsbedarf für den Kläger sei vor diesem Hintergrund spätestens mit Wirkung zum 30.06.2021 entfallen. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt und hat die getroffene soziale Auswahl sowie die nicht ordnungsgemäß erfolgte Anhörung des Betriebsrats gerügt. Er fordert die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst wurde, sowie seine Beschäftigung während der laufenden Kündigungsfrist und bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag, die Aufhebung seiner Freistellung, einen Zugang zum Intranet, die Zahlung einer Entschädigung und die Erteilung eines Zeugnisses.

Das Bundesarbeitsgericht hatte entschieden, dass der Arbeitgeber grundsätzlich frei ist, die Anzahl der Mitarbeiter für eine Aufgabe zu bestimmen. Die Beklagte hat beschlossen, ihre Vertriebsbemühungen zu verringern und in Zukunft nur noch einen Mitarbeiter für den Vertrieb ihrer Produkte einzusetzen. Der Kläger hatte bisher zu 40% im Bereich Sanitär und zu 60% im Bereich Küchenspülen gearbeitet. Aufgrund der Entscheidung der Beklagten und der Corona-Pandemie war der Arbeitsaufwand des Klägers im Sanitärbereich stark zurückgegangen. Die Beklagte behauptet, dass es keine Engpässe oder Schwierigkeiten im Betriebsablauf gegeben hat, als der verbliebene Mitarbeiter die Aufgaben des Klägers übernahm. Die Beklagte argumentiert auch, dass eine Sozialauswahl nicht erforderlich war, da der andere Vertriebsmitarbeiter, Herr K, mit dem Kläger nicht vergleichbar sei, da das deutsche Kündigungsschutzrecht auf Herrn K nicht anwendbar sei. Der Kläger behauptet jedoch, dass die Beklagte weiterhin aktive Marketingbemühungen im Sanitärbereich durchführt und dass es möglich gewesen wäre, Herrn K zu kündigen, als sich die Beklagte entschloss, ihre Vertriebsbemühungen zurückzufahren. Der Kläger argumentiert, dass Herr K mit ihm vergleichbar sei und dass sein Wohnsitz in Italien seine Kündigung nicht ausschließe. […]

Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 8 Sa 605/21 – Urteil vom 08.09.2022

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 26.08.2021 – 1 Ca 585/21 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 04.03.2021 zum 30.06.2021, dem Kläger zugegangen am 10.03.2021, nicht aufgelöst worden ist.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits sind zu 59% von der Beklagten und zu 41% vom Kläger zu tragen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Wirksamkeit einer ordentlichen, betriebsbedingten Kündigung.

Der am 1958 geborene, verheiratete und zwei Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtete Kläger ist seit dem 01.01.2018 als Sales Manager bei der Beklagten im Bereich Composites/Verbundwerkstoffe zu einer durchschnittlichen monatlichen Vergütung in Höhe von ca. 7.681,00 Euro brutto beschäftigt. Der Kläger erbringt seine Arbeitsleistung überwiegend von seinem Home Office in B aus.

Die Beklagte betreibt ein Unternehmen zur Produktion und Veredelung mineralischer Rohstoffe sowie deren Vertrieb am Standort H . Sie beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer; bei ihr ist ein Betriebsrat gebildet.

Der Vertrieb der Beklagten ist unterteilt in den Vertrieb Kaolin und den Vertrieb Quarz. Der Bereich Vertrieb Quarz ist in die Branchen „Baustoffe“, „Keramik/Glas/Papier“ und „Composites/BC (Bauchemie) unterteilt. Der Bereich Composites/BC ist wiederum in die Branchen „Verbundwerkstoffe“ (Composites) und „Fußboden und Wand“ (Bauchemie) untergliedert. Den Bereich „Verbundwerkstoffe“ leitet Herr H , dem der Kläger und der weitere Außendienstmitarbeiter Herr K unterstellt sind. Herr K wurde am 01.03.2020 von der Beklagten als Sales Manager im Bereich Composites/Verbundwerkstoffe eingestellt. Er lebt in Italien und ist ca. 45 Jahre alt.

Der Kläger verantwortet ein Umsatzvolumen von 2,5 Millionen Euro pro Jahr in einem aus mehreren Ländern bestehenden Verkaufsgebiet. Die beiden umsatzstärksten Kunden, die vom Kläger betreut werden (E und D ), befinden sich in Italien. Seit 2019 ist der Kläger auch für den Vertrieb bauchemischer Produkte in der Türkei zuständig.

Mit Schreiben vom 16.02.2021 unterrichtete die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat über die beabsichtigte ordentliche betriebsbedingte Kündigung des Klägers. Wegen der Einzelheiten des Anhörungsschreibens wird auf die von der Beklagten vorgelegte Anlage B4 zum Schriftsatz vom 07.06.2021 (Bl. 59 ff. d.A.) Bezug genommen. Mit Schreiben des Betriebsrats, das der Beklagten am 22.02.2021 zuging, teilte dieser mit, der Betriebsrat habe am 18.02.2021 beschlossen, der ordentlichen Kündigung zu widersprechen. Die Beklagte habe bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers die sozialen Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt und die Möglichkeiten, die sich durch das Lebensarbeitszeitkonto des Klägers ergeben würden, nicht mit einbezogen.

Mit Schreiben vom 04.03.2021, das dem Kläger am 10.03.2021 zuging, kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis zum 30.06.2021. Bereits am 16.02.2021 hatte die Beklagte den Kläger freigestellt sowie am 17.02.2021 seinen Zugang zum Intranet sowie seinen dienstlichen E-Mail Account gekappt.

Mit seiner am 25.03.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung vom 04.03.2021 gewandt und des Weiteren seine Beschäftigung während der laufenden Kündigungsfrist sowie seine Weiterbeschäftigung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag, die Aufhebung seiner Freistellung, einen Zugang zum Intranet, die Zahlung einer Entschädigung sowie die Erteilung eines Zeugnisses geltend gemacht.

Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt und hat die getroffene soziale Auswahl sowie die – nach seiner Ansicht – nicht ordnungsgemäß erfolgte Anhörung des Betriebsrats gerügt.

Der Kläger hat behauptet, seine bisherigen Aufgaben und Tätigkeiten seien nicht entfallen, sondern auf Herrn K übertragen worden. Auch wenn die Beklagte Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Bereich „Sanitär“ eingestellt haben sollte, biete die Beklagte die Produkte weiterhin an, so dass davon auszugehen sei, dass die Vertriebsaktivitäten jedenfalls noch einige Jahre unverändert fortgeführt würden. Zudem sei er auf Grund seiner Qualifikation als Diplom-Ingenieur sowie großer Berufserfahrung, insbesondere im Bereich der Bau Chemie, auch in anderen Absatzbereichen einsetzbar.

Der Kläger hat weiter die Ansicht vertreten, die Sozialauswahl sei im Hinblick auf Herrn K fehlerhaft. Dieser sei mit ihm vergleichbar aber aufgrund seines geringeren Alters sowie der geringeren Betriebszugehörigkeit sozial weniger schutzbedürftig. Entgegen den Darlegungen der Beklagten verfüge Herr K , der Sprachen studiert habe, auch über keine speziellen Kenntnisse oder Fähigkeiten, über die der Kläger nicht verfüge. Ebenso wie Herr K spreche auch er fließend Italienisch.

Zudem sei der Betriebsrat fehlerhaft unterrichtet worden. Denn entgegen der gegenüber dem Betriebsrat erfolgten Mitteilung sei tatsächlich eine Sozialauswahl erforderlich gewesen, da er jedenfalls mit Herrn K vergleichbar sei.

Der Kläger hat nach Rücknahme im Übrigen beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen ihm und der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 04.03.2021, ihm zugegangen am 10.03.2021, zum 30.06.2021 nicht aufgelöst worden ist;

2. festzustellen, dass das zwischen ihm und der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30.06.2021 hinaus fortbesteht;

3. Die Beklagte zu verurteilen, ihm ein qualifiziertes Zwischenzeugnis auszustellen, dass die zusammenfassende Bewertung

a) „jederzeit zur vollsten Zufriedenheit“,

hilfsweise

b) „zur vollsten Zufriedenheit“

hilfsweise

c) „zur vollen Zufriedenheit“

enthält;

4. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Feststellungsantrag zu 1), die Beklagte zu verurteilen, ihm ein qualifiziertes Endzeugnis auszustellen, welches die zusammenfassende Bewertung

a) „jederzeit zur vollsten Zufriedenheit“,

hilfsweise

b) „zur vollsten Zufriedenheit“

hilfsweise

c) „zur vollen Zufriedenheit“ enthält;

5. die Beklagte für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1) zu verurteilen, ihn zu dem im Arbeitsvertrag vom 23./25.10.2017 geregelten Arbeitsbedingungen als Sales Manager bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen;

Für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1):

6. die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene Entschädigung, die 2500,00 Euro nicht unterschreiten sollte, für den Fall zu zahlen, dass die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung gemäß Ziffer 5) nicht innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Entscheidung nachkommt;

7. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene Entschädigung, die 2.500,00 Euro nicht unterschreiten sollte, für den Fall zu zahlen, dass die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses gemäß Ziffer 3) nicht innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Entscheidung nachkommt;

8. Die Beklagte zu verurteilen, ihm weiterhin den Zugang zum internen Intranet des Unternehmens zu belassen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, die Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt. Hierzu hat sie behauptet, sie habe in den letzten Jahren hohe Investitionen getätigt, um ihre Marktposition in den von ihr bedienten Märkten für Verbundwerkstoffe auszubauen und dauerhaft zu sichern. Hierbei habe sie im Bereich Sanitär ein weiteres Standbein aufbauen wollen und hierzu sowohl bei der Entwicklung neuer Produkte und Mischungen für die Herstellung neuartiger Sanitärartikel wie Waschbecken, Duschtassen und Badewannen große Anstrengungen im Bereich der Forschung und Entwicklung unternommen, als auch den Vertrieb erweitert, wozu unter anderem der Kläger eingestellt worden sei. Da es indes nicht gelungen sei, sich im Sanitärmarkt zu etablieren und dieses nach ihrer Einschätzung auch in Zukunft nicht zu erwarten gewesen sei, habe die Geschäftsleitung am 28.01.2021 beschlossen, die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in der Branche Verbundwerkstoffe einzustellen und sich wieder auf die bewährten Produkte im angestammten Markt für Küchenspülen zu konzentrieren. Zudem habe sie entschieden, den Vertriebsbereich Verbundwerkstoffe neu zu strukturieren und ihre Vertriebsbemühungen für Sanitärprodukte spätestens zum 30.06.2021 einzustellen und zukünftig wieder primär den Markt für Küchenspülen zu bedienen. Hierdurch würde auch der Betreuungsbedarf durch die Außendienstmitarbeiter im Bereich Verbundwerkstoffe dergestalt abnehmen, dass die verbleibenden Aufgaben von nur einem Außendienstmitarbeiter bewältigt werden könnten. Der Beschäftigungsbedarf für den Kläger sei vor diesem Hintergrund spätestens mit Wirkung zum 30.06.2021 entfallen. Der Anteil der durch die Einstellung der Vertriebstätigkeit für Sanitärprodukte weggefallenen Tätigkeiten belaufe sich auf ca. 40 % der Arbeitszeit des Klägers. Die bisherigen Hauptkunden des Klägers, E und D in Italien, würden zukünftig von Herrn K betreut, der in Italien lebe und fließend Italienisch spreche. Da es sich um ein gleich bleibendes Produktsortiment handele, sei die Betreuung der Kunden nicht sehr zeitintensiv. Auch hinsichtlich der übrigen bislang vom Kläger betreuten und nunmehr von Herrn K übernommenen Kunden bestehe nur ein sehr geringer Betreuungsbedarf, da diese sich in den letzten Jahren kaum entwickelt hätten. Da die Beklagte des Weiteren entschieden habe, nach der Pandemie die Reisetage der Außendienstmitarbeiter zu reduzieren, würden sich die Reisezeiten der Vertriebsmitarbeiter dauerhaft um ca. 30 % verringern, weswegen Herr K über freie Kapazitäten für die Betreuung der Kunden des Klägers verfüge und die neu dazu gewonnenen Tätigkeiten nicht zu einer überobligatorischen Belastung von Herrn K führen würden. Sie habe die Neustrukturierung des Vertriebsbereichs mit der Freistellung des Klägers am 16.02.2021 auch tatsächlich umgesetzt, ohne dass es in der Folge zu einer überobligationsmäßigen Mehrbelastung von Herrn K gekommen sei.

Die Beklagte hat weiter geltend gemacht, es gebe keine mit dem Kläger vergleichbaren Mitarbeiter. Die übrigen Vertriebs Außendienstmitarbeiter der Branchen Farben/Kunststoffe und Fußboden/Wand befänden sich zwar hierarchisch auf derselben Stufe wie der Kläger, seien jedoch mangels qualifikationsmäßiger Austauschbarkeit nicht mit dem Kläger vergleichbar. Dies gelte auch für den Mitarbeiter K . Denn der Kläger verfüge aufgrund seiner beruflichen Laufbahn ausschließlich über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten im Bereich Verbundwerkstoffe. Die für eine Tätigkeit in den anderen Bereichen erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten seien vom Kläger auch nicht innerhalb eines zumutbaren Zeitraums zu erwerben. Herr K sei zwar ebenso wie der Kläger im Bereich Verbundwerkstoffe tätig, aber dennoch nicht mit diesem vergleichbar, da er über zusätzliches Know-how im Bereich Bauchemie (Fußboden und Wand) verfüge, da er vor seiner Tätigkeit bei der Beklagten über zehn Jahre bei einem der führenden Hersteller bauchemischer Produkte und Techniken tätig gewesen sei. Über dieses Know-How verfüge der Kläger nicht und könne es auch nicht einem überschaubaren Zeitraum erwerben. Selbst wenn Herr K aber mit dem Kläger vergleichbar sei, liege seine Weiterbeschäftigung jedenfalls im betrieblichen Interesse der Beklagten. Im Übrigen stehe einer Vergleichbarkeit des Klägers mit Herrn K entgegen, dass Herr K in Italien wohne und nicht dem deutschen Kündigungsschutzrecht unterfalle.

Mit Urteil vom 26.08.2021 hat das Arbeitsgericht Bonn festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 04.03.2021 nicht aufgelöst worden ist und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen, ihn bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen und ihm weiterhin Zugang zum internen Intranet zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs nicht nachvollziehbar dargelegt. Zudem sei in die Sozialauswahl fehlerhaft, da der Kläger mit Herrn K vergleichbar, aber sozial schutzwürdiger als Herr K sei, der auch nicht als „Leistungsträger“ aus der Sozialauswahl herauszunehmen gewesen wäre. Auf Grund der Unwirksamkeit der Kündigung sei die Beklagte auch verpflichtet, den Kläger vorläufig weiterzubeschäftigen und ihm wieder Zugang zum Intranet zu gewähren; auch der Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses sei begründet. Gegen das ihr am 16.09.2021 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29.09.2021 Berufung eingelegt und diese am 16.11.2021 begründet.

Sie ist der Ansicht, das Urteil des Arbeitsgerichts sei fehlerhaft, da der Weiterbeschäftigung des Klägers dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstünden. Das Beschäftigungsbedürfnis für den Kläger sei aufgrund der Mitte Januar 2020 getroffenen unternehmerischen Entscheidung der Beklagten, ihre Vertriebsbemühungen für Sanitärprodukte nicht weiter aktiv zu verfolgen sowie den am 29.01.2021 getroffenen Entscheidungen, den Sanitärmarkt nicht mehr aktiv zu verfolgen und keine weiteren Ressourcen darauf zu verwenden sowie die Reisetätigkeit ihrer Vertriebsmitarbeiter insgesamt zurückzufahren, entfallen, da die verbleibenden Tätigkeiten von nur einem Mitarbeiter, statt wie bisher von zwei Mitarbeitern, erbracht werden konnten.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei der Arbeitgeber grundsätzlich frei, die Zahl der Arbeitskräfte zu bestimmen, mit denen eine Arbeitsaufgabe erledigt werden solle. Von dieser Möglichkeit habe die Beklagte Gebrauch gemacht, indem sie sich entschlossen habe, ihre Vertriebsbemühungen zu verringern und zukünftig den Vertrieb der Produkte mit nur mehr einem Mitarbeiter zu betreiben. Hierzu behauptet die Beklagte weiter, der Kläger habe in den Jahren 2018 und 2019 mit einem Anteil von ca. 40% seiner Arbeitszeit Aufgaben im Bereich Sanitär, und mit einem Zeitanteil von ca. 60% Aufgaben im Bereich Küchenspülen wahrgenommen. Diese Verteilung der Arbeitszeitanteile treffe auch auf Herrn K zu. Auch im Jahr 2020 sei der Kläger noch, wenn auch in geringerem Umfang, im Bereich des Vertriebs von Sanitärprodukten tätig gewesen. Auf Grund der Entscheidung der Beklagten, ab Mitte 2020 die Vertriebsbemühungen zurückzufahren, sei der Arbeitsaufwand des Klägers – wie auch der des Herrn K – im Bereich Sanität weiter stark zurückgegangen; zu einer weiteren Reduzierung des Arbeitsvolumens hätten die infolge der Corona-Pandemie weggefallenen Kundenbesuche geführt, so dass der Kläger spätestens seit Mitte 2020 nicht mehr voll ausgelastet gewesen sei. In der Folgezeit sei der Arbeitsaufwand im Sanitärbereich komplett weggefallen, so dass bei einer Weiterbeschäftigung beider Vertriebsmitarbeiter im Bereich Verbundwerkstoffe diese nur noch zu jeweils 60% ausgelastet gewesen wären. Zudem habe die Beklagte entschieden, die Reisezeit der Vertriebsmitarbeiter auch nach der Corona-Pandemie dauerhaft um ca. 30% zu verringern, was ca. 10-15% der Arbeitszeit entspreche. Nach der am 16.02.2021 erfolgten Freistellung des Klägers seien dessen verbliebenen Tätigkeiten von Herrn K übernommen worden, ohne dass von diesem überobligatorische Leistungen erforderlich gewesen seien; auch im Übrigen hätten die neuen Strukturen zu keinerlei Engpässen oder sonstigen Schwierigkeiten im Betriebsablauf geführt.

Zur Sozialauswahl vertritt die Beklagte weiter die Auffassung, eine solche sei nicht erforderlich gewesen, da auch der einzig in Betracht kommende weitere Vertriebsaußendienstmitarbeiter im Bereich Verbundwerkstoffe, Herr K , mit dem Kläger nicht vergleichbar sei. Denn auf Herrn K und dessen Arbeitsverhältnis finde das deutsche Kündigungsschutzrecht keine Anwendung. Da im Arbeitsvertrag mit Herrn K keine ausdrückliche Rechtswahl getroffen worden sei, sei gemäß Art. 8 Abs. 2 Rom I-VO das Recht des Staates anwendbar, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichte. Dieses sei bei Herrn K unstreitig Italien, wo er auch lebe.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bonn vom 26.08.2021 – 1 Ca 585/21 -, die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil und wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er behauptet, ab Juni 2019 nur noch vereinzelt im Sanitärbereich tätig gewesen zu sein. Hierbei habe es sich insbesondere um die Zurverfügungstellung vom Kläger geforderter Informationen, wie z.B. die Berichterstattung über Versuche und Ergebnisse von zum Teil bereits im Jahr 2018 initiierten Vorgängen gehandelt. Im Übrigen verfolge die Beklagte tatsächlich weiter aktive Marketingbemühungen, um den Sanitärmarkt zu bedienen. Entgegen den Behauptungen der Beklagten, sei auch ab Mitte des Jahres 2020 der Vertrieb von Sanitärmixen nicht zurückgefahren worden, vielmehr sei zu diesem Zeitpunkt mit Hochdruck die Lohnproduktion von Waschtischen betrieben worden. Tatsächlich habe die Beklagte infolge des Beginns der Corona Pandemie bis Ende April 2020 einen starken Nachfragerückgang nach ihren Hauptumsatzträgern erlitten. Der Absatzeinbruch habe die Beklagte veranlasst, ab Mai 2020 Kurzarbeit einzuführen, sowohl für die im Stammwerk tätigen Beschäftigten, als auch für die Mitarbeiter im Vertriebsaußendienst.

Der Kläger macht weiter geltend, die Beklagte verhalte sich widersprüchlich, wenn sie einerseits vortrage, der Kläger sei seit spätestens Mai 2020 nicht mehr ausgelastet gewesen, zum 01.03.2020 aber den weiteren Mitarbeiter im Vertriebsaußendienst für Verbundwerkstoffe, Herrn K , auf eingestellt habe. Jedenfalls aber habe der wesentliche jüngere Herr K vorrangig gekündigt werden müssen. So sei Mitte des Jahres 2020, als sich die Beklagte nach eigenem Vortrag entschlossen habe, die Vertriebsbemühungen im Sanitärbereich zurückzufahren, eine Kündigung des Herrn K noch in der Probezeit möglich gewesen. Im Übrigen falle aber auch eine Sozialauswahl zu Lasten des jüngeren und kürzer beschäftigten Herrn K aus. Dieser sei auch mit ihm vergleichbar. Dem stehe der Wohnsitz des Herrn K in Italien nicht entgegen. Denn auch er habe der Beklagten mehrfach angeboten, seinen Dienstsitz in Italien zu nehmen, da sich dort auch sein wesentlicher Kundenkreis befunden habe. Ebenso wie der Mitarbeiter K spreche er fließend Italienisch und genieße große Wertschätzung bei den italienischen Kunden. Schließlich sei auf das Arbeitsverhältnis des Herrn K nicht italienisches Recht anzuwenden. Denn die Beklagte habe mit Herrn K einen deutschen Arbeitsvertrag abgeschlossen und den in Hirschau bestehenden Betriebsrat zur Einstellung des Herrn K gemäß § 99 BetrVG angehört. Hieraus ergebe sich eine Eingliederung des Herrn K in den in Deutschland befindlichen Betrieb H und die Anwendbarkeit deutschen Rechts.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der erst- unter zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2c ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519,520 ZPO).

II. Die Berufung ist aber unbegründet, soweit sie sich gegen die Feststellung richtet, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 04.03.2021 nicht aufgelöst worden ist. Im Übrigen, d.h. soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Weiterbeschäftigung, zur Zugangsgewährung zum Intranet sowie zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses richtet, ist sie begründet.

1. Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Kündigung der Beklagten vom 04.03.2021 rechtsunwirksam ist, da sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen, bedingt ist.

a) Dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG liegen vor, wenn die Umsetzung einer unternehmerischen (Organisations-)Entscheidung auf der betrieblichen Ebene spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zu einem voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Bedarfs an einer Beschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers führt. Diese Prognose muss schon im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektiv berechtigt sein (BAG v. 31.07.2014 – 2 AZR 422/13 – Rn. 31; BAG v. 23.02.2010 – 2 AZR 268/08 – Rn. 17, BAGE 133, 240).

Ein dringendes „betriebliches“ Erfordernis, das einer Weiterbeschäftigung entgegensteht, ist gegeben, wenn die Arbeitskraft des Arbeitnehmers im Betrieb nicht mehr gefordert ist. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht gehalten, nicht mehr benötigte Arbeitsplätze und Arbeitskräfte weiterhin zu besetzen bzw. zu beschäftigen. Hängt der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs von einer solchen unternehmerisch-organisatorischen Maßnahme des Arbeitgebers ab, braucht diese bei Kündigungszugang noch nicht tatsächlich umgesetzt zu sein. Es genügt, dass sie sich konkret und greifbar abzeichnet. Dazu müssen – soweit die Kündigung ihren Grund in einer Änderung der betrieblichen Organisation hat – zumindest die Absicht und der Wille des Arbeitgebers, die fraglichen Maßnahmen vorzunehmen, schon vorhanden und abschließend gebildet worden sein. Andernfalls lässt sich im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung – auf den es dafür unverzichtbar ankommt – nicht hinreichend sicher prognostizieren, es werde bis zum Ablauf der Kündigungsfrist tatsächlich zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs kommen (BAG v. 31.07.2014 – 2 AZR 422/13 – Rn. 34; v. 20.02.2014 – 2 AZR 346/12 – Rn. 18; v. 23.02.2010 – 2 AZR 268/08 – Rn. 18, BAGE 133, 240). Eine Kündigung, die erklärt wurde, ohne dass bei ihrem Zugang bereits festgestanden hätte, aufgrund welcher Maßnahme des Arbeitgebers es zum Arbeitsplatzverlust kommen werde, ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, sondern nur durch den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers bedingt. Der bloße Kündigungswille des Arbeitgebers wiederum ist kein Grund, der eine Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial rechtfertigen könnte. Dazu bedarf es eines Grundes außerhalb der Kündigung selbst, also eines Grundes, der dem Kündigungsentschluss seinerseits zugrunde liegt (BAG v. 31.07.2014 – 2 AZR 422/13 -, BAGE 149, 18-31, Rn. 34).

Da der Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Tatsachen zu beweisen hat, die die Kündigung bedingen, hat er die tatsächlichen Grundlagen für die Berechtigung der Prognose, bis spätestens zum Ablauf der Kündigungsfrist werde ein Beschäftigungsbedarf entfallen sein, von sich aus schlüssig vorzutragen (BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 512/13 -, Rn. 14 – 17, juris). Läuft die unternehmerische Entscheidung auf den Abbau einer Hierarchieebene oder die Streichung eines einzelnen Arbeitsplatzes hinaus verbunden mit einer Umverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, muss der Arbeitgeber konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Der Arbeitgeber muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das erwartete Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose im Einzelnen darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen, d.h. im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erledigt werden können (BAG v. 23.02.2012 – 2 AZR 548/10 – Rn. 18, NZA 2012, 852; v. 13.02.2008 – 2 AZR 1041/06 – Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 174 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 158; v. 24.05.2012 – 2 AZR 124/11 -, Rn. 23, juris).

b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat die Beklagte nicht nachvollziehbar dargelegt, dass zum Zeitpunkt der Kündigung vom 04.03.2021 die Prognose gerechtfertigt war, die Tätigkeiten des Klägers seien zu 50% weggefallen und die verbleibenden Tätigkeiten könnten ohne überobligationsmäßige Leistungen durch Herrn K übernommen werden.

Soweit sich die Beklagte zur Begründung des von ihr angenommene Wegfalls des Beschäftigungsbedarfs auf eine Entscheidung „Mitte des Jahres 2020“ bezieht, die ein „Zurückfahren“ der vertrieblichen Aktivitäten im Sanitärbereich zum Gegenstand gehabt habe, ist weder feststellbar, welche konkreten Maßnahmen beschlossen worden sein sollen, noch welche Auswirkungen sich hieraus auf den Tätigkeitsbereich des Klägers ergeben haben sollen. Selbst wenn man die Richtigkeit des Vortrags der Beklagten unterstellt und davon ausgeht, dass der Kläger auch über das Jahr 2019 hinaus im Sanitärbereich tätig war, hätte es einer konkreten Darlegung dessen bedurft, welche Tätigkeiten im Sanitärbereich der Kläger mit welchem zeitlichen Umfang ausgeübt hat, und inwieweit die Entscheidung der Beklagten zur Reduzierung der vertrieblichen Aktivitäten im Sanitärbereich zu einem Wegfall oder zu einer Reduzierung dieser Tätigkeiten geführt hat.

Nicht schlüssig ist der Vortrag der Beklagten auch insoweit, als sie einerseits vorgetragen hat, der Kläger sei auf Grund des Rückgangs des Sanitärvertriebs und der infolge der Corona-Pandemie weggefallenen Kundenbesuche im Jahr 2020 bereits in geringerem Umfang im Bereich des Vertriebs von Sanitärprodukten tätig gewesen und spätestens Ende Mitte 2020 nicht mehr voll ausgelastet gewesen, sie andererseits aber vorgetragen hat, der zum 01.03.2020 eingestellte Mitarbeiter K sei – wie auch der Kläger – mit einem Arbeitsanteil von 40% im Bereich Sanitär tätig gewesen. Insoweit ist nicht nachvollziehbar, inwieweit trotz des nach eigenem Vortrag rückläufigen Arbeitsvolumens im Vertrieb für Sanitärprodukte zum 01.03.2020 neue Aufgaben in selbigem Bereich im Umfang von 40% einer neuen Vollzeitstelle generiert werden konnten.

Ein Wegfall des Beschäftigungsbedarfs ist auch nicht auf Grund der unternehmerischen Entscheidung der Beklagten vom 28.01.2021, den Vertriebsbereich Verbundwerkstoffe spätestens zum 30.06.2021 neu zu strukturieren, entfallen. Ausweislich des von der Beklagten als Anlage B3 zum Schriftsatz vom 07.06.2021 vorgelegten Ergebnisprotokolls der Geschäftsleitungssitzung vom 28.01.2021 (Bl 57, 58 d.A.) hat die Geschäftsleitung beschlossen, die Arbeitsaufgaben, die bislang auf dem Arbeitsplatz des Klägers zusammengefasst waren, aufzulösen und umzuverteilen, soweit sie weiterhin anfallen. Die Betreuung der Kunden E und D sollte vom Kläger auf Herrn K übergehen; zudem sollte eine weitere Reduzierung der Reisezeiten der Mitarbeiter um ca. 30% erfolgen.

Es fehlt auch insoweit an einer konkreten Darlegung dessen, welche Aufgaben mit welchem Zeitanteil in welchem Vertriebsbereich zum Zeitpunkt der unternehmerischen Entscheidung beim Kläger vorhanden waren, inwieweit die neuerliche unternehmerische Entscheidung zu einem Wegfall von Tätigkeiten geführt hat und wie die verbliebenen Tätigkeiten umverteilt werden sollten. Der Beschluss der Geschäftsleitung der Beklagten vom 28.01.2021 enthält lediglich eine Aussage zu den Kunden E und D , die von Herrn K übernommen werden sollten. Soweit es hierzu weiter heißt, die Betreuung sei „nicht sehr zeitintensiv“, handelt es sich hierbei um keine hinreichend konkrete Angabe des Arbeitsvolumens. Zu der Umverteilung der übrigen Aufgaben des Klägers enthält das Ergebnisprotokoll vom 28.01.2021 keine Angaben; die Beklagte hat die Umverteilung auch im Rahmen dieses Verfahrens nicht nachvollziehbar dargelegt. Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten unterstellt, dass – mit Ausnahme der Betreuung der Kunden E und D – keinerlei vertrieblichen Aufgaben im Vertriebsbereich Sanitär mehr bestanden haben sollte und sich der Arbeitskraftanteil im Vertriebsbereich Küchenspülen sowohl beim Kläger als auch bei Herrn K zum Zeitpunkt der unternehmerischen Entscheidung auf 60% belief, ist nicht eine vollständige Übernahme der Aufgaben des Klägers durch Herrn K , dessen Arbeitsvolumen sich dann auf mehr als 120% belaufen müsste, nicht schlüssig. Zwar hat die Beklagte behauptet, tatsächlich sei jeweils nur noch ein Arbeitskraftanteil von 50% zu berücksichtigen gewesen, da die Reisetätigkeiten der Außendienstmitarbeiter hätten um 30% reduziert werden sollen, was einem Arbeitskraftanteil von 10 – 15% entspreche. Sie hat aber keine konkreten Tatsachen vorgetragen, die eine Überprüfung dieser Berechnung bzw. ihrer Grundlagen erlauben würden. Es ist weder ersichtlich, in welchem Umfang ursprünglich Reisetätigkeiten anfielen, noch inwieweit diese durch die Corona-Pandemie reduziert wurden, noch durch welche Maßnahmen die Beklagte ihr erklärtes Ziel zur Reduzierung der Reisetätigkeiten erreichen wollte und in welchem Umfang in Folge dieser Maßnahmen – konkret auf die Tätigkeiten des Klägers und des Herrn K bezogen – ein Rückgang der Reisezeiten zu erwarten war.

2. Die Berufung der Beklagten ist begründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung wendet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen. Denn die Beklagte hat, wie beide Parteien im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 14.07.2022 angeben haben, zwischenzeitlich zwei weitere fristlose und ordentliche Kündigungen ausgesprochen, die Gegenstand der Verfahren 6 Ca 1817/21 und 6 Ca 351/22 vor dem Arbeitsgericht Bonn sind.

Die Grundsätze für einen Weiterbeschäftigungsanspruch außerhalb der engen Voraussetzungen des § 102 Abs. 5 BetrVG für den Zeitraum zwischen Ablauf der Kündigungsfrist bzw. Zugang der außerordentlichen Kündigung und der rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzprozesses hat der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts in seiner Entscheidung vom 27.02.85 aufgestellt. Hiernach bedarf es jeweils einer Wertung, ob der Arbeitgeber ein überwiegendes Interesse an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers hat oder ob das Interesse des Arbeitnehmers an seiner Beschäftigung höher zu bewerten ist. Insofern kann der Bestand des Weiterbeschäftigungsanspruches während des Kündigungsrechtsstreites wechseln. Bis zu einem der Kündigungsschutzklage stattgebenden erstinstanzlichen Urteil begründet grundsätzlich die Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsprozesses ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers. Nach einem der Kündigungsschutzklage stattgebenden Urteil ändert sich die Interessenlage. Allein die verbleibende Ungewissheit des Prozessausgangs kann nunmehr für sich allein ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung nicht mehr begründen. Spricht der Arbeitgeber, nachdem ein Gericht ihn zur Weiterbeschäftigung verurteilt hat, wie hier eine weitere Kündigung aus, so beendet diese den Weiterbeschäftigungsanspruch, wenn sie auf einen neuen Lebenssachverhalt gestützt ist, der es möglich erscheinen lässt, dass die erneute Kündigung eine andere rechtliche Beurteilung erfährt. Der Weiterbeschäftigungsanspruch entfällt hingegen nicht, wenn die neue Kündigung offensichtlich unwirksam ist oder auf dieselben Gründe gestützt wird wie die erste Kündigung (BAG v. 19.12.85, DB 86, 1679; Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 6. September 2018 – 6 Sa 64/18 -, Rn. 43 – 44, juris).

Eine offensichtliche Unwirksamkeit der neuerlichen Kündigungen der Beklagten, die nach den übereinstimmenden Bekundungen der Parteien im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf andere Gründe als die hier streitgegenständliche Kündigung gestützt werden, ist mangels dementsprechender Anhaltspunkte nicht feststellbar. Der Weiterbeschäftigungsanspruch endete somit spätestens mit Zugang der fristlosen Kündigung vom 04.10.2021.

3. Auf Grund des fehlenden Weiterbeschäftigungsanspruchs ist auch ein Anspruch des Klägers, ihm weiterhin Zugang zum internen Intranet zu gewähren, nicht mehr gegeben.

4. Schließlich hat der Kläger auch keinen Anspruch mehr auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Der Anspruch ist durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Denn die Beklagte hat dem Kläger mit Datum vom 30.09.2021 ein Zwischenzeugnis erteilt. Soweit der Kläger diesbezüglich Änderungswünsche geltend gemacht hat, steht dieser der Anspruchserfüllung nicht entgegen. Das Änderungsbegehren ist Gegenstand des Rechtsstreits 6 Ca 351/22 vor dem Arbeitsgericht Bonn.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6, 92 Abs. 1 Satz1 ZPO. Demnach waren die Kosten des Rechtsstreits im Verhältnis des jeweiligen Obsiegens bzw. Unterliegens zu teilen.

IV. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben, da die Entscheidung auf den Umständen des vorliegenden Einzelfalls beruht.

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